Status und Trends bei der Wiederaufbereitung von abgebrannten Kernbrennstoffen

Von Dr. Humpich

Die Wiederaufbereitung abgebrannter Kernbrennstoffe (Ökosprech: „Atommüll“) ist das zentrale Bindeglied für eine nachhaltige Nutzung der Kernenergie. Durch das Recycling werden aus dem Abfall unterschiedlich verwendbare Materialien gewonnen. Man kann sie zur Energieerzeugung weiter verwenden und man kann dadurch die Problematik der „Endlagersuche“ beträchtlich entschärfen. In diesem Sinne ist das Verbuddeln von abgenutzten Brennelementen ökologisch, ökonomisch und sicherheitstechnisch die unbefriedigendste Lösung. Vornehmste Aufgabe der Wiederaufbereitung ist die Trennung der Spaltprodukte – der nuklearen „Asche“ der Kernspaltung – von den Aktinoiden (Uran, Plutonium usw.). Aus den Aktinoiden kann durch schnelle Neutronen weitere Energie gewonnen werden. Wenn Brennelemente für konventionelle Leicht- und Schwerwasserreaktoren nicht mehr geeignet sind – man nennt das „abgebrannt“ – enthalten sie immer noch mindestens 95% Material aus dem Energie gewonnen werden kann. Spätestens hier wird klar, welche Verschwendung ein Wegwerfen als „Atommüll“ nach deutschem Gusto wäre.

Die Einordnung der Wiederaufbereitung

Alle Verfahren zur Trennung von abgebranntem Kernbrennstoff sind chemische Prozesse. Entgegen der Behauptung von „Atomkraftgegnern“ werden dabei keine neuen radioaktiven Elemente erzeugt. Es werden höchstens radioaktive Stoffe verschleppt und dadurch Bauteile kontaminiert. Die können aber wieder gereinigt werden. Auf jeden Fall strahlen solche Verunreinigungen weniger als der ursprüngliche Kernbrennstoff und können deshalb lediglich auf Sondermülldeponien gelagert werden. Man unterscheidet Nassverfahren und pyrochemische Prozesse.

Nassverfahren

Der typische Vertreter eines Nassverfahrens ist der PUREX (plutonium uranium reduction extraction) Prozess, wie er z. B. in der französischen Anlage in La Hague industriell angewendet wird. Seit 2010 werden dort durchschnittlich 1050 to pro Jahr aufgearbeitet und dabei 10,5 to Plutonium und 1000 to/a sog. RepU (reprocessed uranium) zurückgewonnen. Das Plutonium wird unverzüglich zur Melox Anlage in Marcoule zur Verarbeitung zu MOX-Brennstäben (mixed oxide) transportiert. Aus diesen 120 to/a wird Brennstoff für 24 Druckwasserreaktoren der EdF mit je 900 MWel gewonnen. Beim PUREX-Verfahren wird der abgebrannte Brennstoff in Salpetersäure aufgelöst. Es entstehen diverse Salze in wässriger Lösung. Diese Lösung wird kräftig mit einem organischen Lösungsmittel (30% Tributylphosphat gelöst in Kerosin) durchmischt. Dabei gehen Uran und Plutonium in die organische Phase über und die Spaltprodukte und minoren Aktinoide verbleiben in der wässrigen Lösung. 99,9% des Uran und Plutonium werden zurück gewonnen und etwa 3% des ursprünglichen Brennstoffs bleiben als hoch aktiver Abfall zurück und werden anschließend verglast. Die Trennung beider Phasen erfolgt rein physikalisch – Öl schwimmt auf Wasser. Uran und Plutonium werden durch einen weiteren Schritt (Umwandlung der +2 Ionen in den +3 Oxidationszustand durch z. B. Eisen) voneinander getrennt, indem das Plutonium dadurch in diese wässrige Phase übergeht.

Das primäre Ziel bei diesem Verfahren ist die Gewinnung möglichst reinen Plutoniums. Das ist zwar günstig für die Herstellung von MOX-Brennstoff, kann aber andererseits auch zur „Plutonium-Bombe“ führen. Die Befürchtungen sind so ernsthaft, daß ein Austausch der Technologie nur sehr beschränkt ist. So hat man den Vereinigten Emiraten den Bau eines Kernkraftwerks nur gestattet, weil sie ausdrücklich auf eine eigene Anreicherung und Wiederaufbereitung verzichtet haben. Andererseits verfügt Japan in Rokkasho über eine Anlage mit einer Kapazität von 800 to/a, die 4 to/a Plutonium für 80 to/a MOX-Brennstoff gewinnen kann. Das Konzept gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen (Proliferation) steht auf etwas wackeligen Füßen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: Israel, Nord Korea, Iran usw. Deshalb die Bestrebungen (siehe später) Verfahren zu entwickeln, mit denen man gar kein waffengrädiges Plutonium herstellen kann.

Für das weitere Verständnis ist wichtig, daß die minoren Aktinoide mit den Spaltprodukten zusammenbleiben. Sie werden gemeinsam in Glas aufgelöst und in Kannen zur Endlagerung abgefüllt. Hier ergibt sich das erdachte „Endlagerproblem“: Die Kannen werden in Bunkern gelagert, bis so viele kurzlebige Spaltprodukte zerfallen sind, daß die resultierende Wärmeproduktion auf ein erträgliches Maß abgesunken ist. Die zulässigen Oberflächentemperaturen (etwa 60°C) werden durch die Tonschichten im geologischen Tiefenlager in Bure bestimmt. Die Spaltprodukte zerfallen in etwa 300 Jahren bis auf Werte von Uranerz. Sie wären damit ungefährlich, da Menschen seit Jahrtausenden mit solchen natürlichen Strahlenbelastungen umgehen. Es bleibt allerdings das Problem mit den minoren Aktinoiden: Sie sind sehr langlebig, aber als 𝜶-Strahler relativ harmlos – so lange man sie nicht isst oder trinkt. Daraus leitet sich die Endlagerung möglichst tief unter der Erde ab.

Das PUREX-Verfahren ist seit Jahrzehnten erprobt und das einzige Verfahren mit dem Anlagen im industriellen Maßstab betrieben werden. Es hat aber noch einen weiteren (politisch) gravierenden Nachteil: Es verwendet organische Lösungsmittel. Organische Lösungsmittel werden durch ionisierende Strahlung zersetzt. Einziger Weg ist die Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente um die Strahlenbelastung zu senken. Zwischenlager sind deshalb nicht der Ausdruck „eines nicht weiter Wissens“, sondern eine technische Lösung für ein bestimmtes Verfahren zur Wiederaufbereitung. Der Kostenvorteil einer „großen Chemieanlage“ ist gleichzeitig ein prinzipieller Nachteil für kleine Länder. So hat man sich in Schweden und Finnland für eine aufwendige Langzeit-Lagerung entschieden. Man legt Tunnelsysteme im Granit an und verpackt die Brennstäbe aufwendig in Kupferbehältern. So hat man notfalls „ewig“ Zeit für die Auswahl eines Verfahrens. Auch hier erweist sich die hohe Energiedichte der Kernspaltung als Vorteil. Die durchaus hohen Investitionen finanzieren sich durch die Umlage auf die erzeugte Kilowattstunde im Zehntel Cent Bereich.

Die Umstellung auf schnelle Reaktoren

In Reaktoren mit schnellem (energiereichem oder harten) Neutronenspektrum kann man auch U238 und die minoren Aktinoide (Neptunium, Americium usw.) spalten. In den Anfängen der Kerntechnik glaubte man noch, daß zumindest die wirtschaftlich gewinnbaren Uranmengen sehr begrenzt seien. Ein fataler – wenngleich glücklicher – Irrtum. In den 1950er Jahren träume man von einer voll elektrifizierten Welt (Ähnlichkeiten mit heutigen Schlangenölverkäufern der Wind und Sonnenbranche sind mehr als zufällig). Man wollte einen möglichst schnellen Bau von Kernkraftwerken bei vermeintlicher Knappheit von Uran. Die Antwort sollte der „Schnelle Brüter“ sein. Man wollte mit ihm mehr Plutonium produzieren als man verbrauchte. „Verdoppelungszeit“ war das Schlagwort der Stunde. Gemeint ist damit die Betriebsdauer eines schnellen Brüters, bis er soviel Überschuss an Plutonium produziert hat, daß damit ein Zwilling in Betrieb genommen werden kann.

Heute ist die Situation eine andere. Einerseits ist der Preis für Natururan immer noch so gering, daß man weiterhin Leichtwasser- und Schwerwasserreaktoren bauen kann. Andererseits verfügen wir über hunderte Tonnen Plutonium in abgebrannten Brennstäben, bzw. sogar fertig aufbereitet. Wir könnten somit mehrere schnelle Reaktoren sofort bauen. Im Gegenteil würden diese unsere Lagerkosten beträchtlich verringern. Wir haben auch bereits mehre Prototypen erfolgreich im Betrieb. Die Sache hat nur einen Haken: Schnelle Reaktoren erfordern wesentlich höhere Investitionen. Bis sich die Schere schließt, höhere Betriebskosten durch steigende Brennstoffkosten, gesunkene Investitionskosten für schnelle Reaktoren durch Skaleneffekte, werden noch einige Jahrzehnte vergehen.

Pyrochemische Verfahren

Für einen schnellen Reaktor wäre also eine Mischung aus Uran, Plutonium und den minoren Aktinoiden geeignet. Daraus ergeben sich zwei gravierende Vorteile: Das Aufbereitungsverfahren ist für die Herstellung von Kernwaffen ungeeignet und man erhält einen sehr kurzlebigen Atommüll. Er kann in einem geologischen Tiefenlager verschwinden, muß aber nicht. Ferner ist das Verfahren eher für kleine Anlagen geeignet. Es gibt daher in Russland die Bestrebung eine Wiederaufbereitung in das Kernkraftwerk zu integrieren. In das Kraftwerk würde nur abgereichertes Uran als Ersatz für die Energieproduktion nach geliefert und die wenigen Spaltprodukte könnten am Kraftwerk bis zu dessen Stilllegung gelagert werden. Transporte von „Atommüll“ würden sich beträchtlich verringern.

Die Elektroraffination von geschmolzenem Salz ist ein pyrochemisches Verfahren, das sich ideal für die Wiederaufbereitung von Metallen eignet. Die Vorteile des geschmolzenen Salz-Elektro-Raffinierungsprozesses gegenüber dem wässrigen Prozess für metallische Brennstoffe sind:

  • Eine reduzierte Anzahl von Schritten, da sich der Brennstoff während des gesamten Prozesses im metallischen Zustand befindet.
  • Besonders geeignet für nur kurzzeitig gekühlte Brennstoffe mit hohem Abbrand. Die anorganischen Lösungsmittel widerstehen den höheren Strahlungsleistungen viel besser als organische Reagenzien. Die Verkürzung der Umlaufzeit kann zu einer kürzeren Verdoppelungszeit führen.
  • Man kann höhere Mengen an abgebranntem Brennstoff in kleineren Anlagen handhaben als bei wässrigen Prozessen (notwendige Verdünnung).
  • Reduzierte Kritikalität aufgrund des Fehlens von Moderatoren (organische und wässrige Lösungsmittel).
  • Fast keine hoch radioaktiven flüssigen Abfälle.
  • Inhärente Sicherheit gegen militärische Nutzung durch die gemeinsame Abscheidung von Uran, Plutonium und minoren Aktinoiden.

Die Herausforderungen sind:

  • Hohe Betriebstemperaturen und die Verwendung von korrosiven Salzen, die eine technologische Herausforderung bei der Materialauswahl bedeuten.
  • Da die Salze hygroskopisch und die Metalle pyrophorisch sind, erfordert der Prozess eine inerte Atmosphäre mit sehr niedrigem Feuchtigkeits- und Sauerstoffgehalt um eine Selbstentzündung zu verhindern.
  • Trennfaktoren für Spaltprodukte sind etwa 1000-mal niedriger als bei wässrigen Prozessen.
  • Bisher noch begrenzte Erfahrungen, meist im Labormaßstab.

Elektroraffination mit Salz

Am bekanntesten ist der Prozess der Raffination von metallischem Brennstoff in einer Salzschmelze, wie er im US-Programm für schnelle Brüter (EBR-II 1964–1994 und Integral Fast Reactor IFR 1986–1994) angewendet wurde. In einem Tiegel wird Lithium- und Kaliumchlorid Salz bei 500 °C aufgeschmolzen. Die in Stücke zerschnittenen Brennstäbe kommen in einen Drahtkorb, der in die Salzschmelze getaucht wird. Die Elemente des abgenutzten Brennstabs lösen sich in der Salzschmelze auf. Der Drahtkorb bildet die Anode. Die Kathode besteht aus geschmolzenem Kadmium. Wird ein Strom angelegt, wandern Uran, Plutonium und die minoren Aktinoide gemeinsam zu der Kathode. Die Spaltprodukte verbleiben im Salz gelöst. Stark vereinfacht, hängt der „Weg“ den die Elemente nehmen, von der Stabilität der gebildeten Chloride ab: Die Elemente, deren Chloride hochstabil sind, sind leicht zu oxidieren und werden als Chloride in die Elektrolytphase übertragen. Sie sind nur schwer zu reduzieren und bleiben daher in der Elektrolytphase. Edelmetalle, deren Chloride am wenigsten stabil sind, werden nicht oxidiert und bleiben so bei der Anode. Die „Brennstoffe“ Uran und Plutonium und und auch die minoren Aktinoide, deren Chloride von mittlerer Stabilität sind, werden durch den Elektrolyten transportiert und dann auf der Kathode abgelagert.

Die in der Anode verbleibenden Brennstabhüllen und Edelmetalle können zur Endlagerung eingeschmolzen werden. Das Salz kann gereinigt werden, indem es durch Zeolithe geleitet wird. In einem weiteren verfahrenstechnischen Schritt muß die Kathode eingeschmolzen werden und daraus neue Rohlinge für Brennstäbe gegossen werden.

Vorstufe für konventionelle Brennstoffe

Eine Elektroraffination ist nur bei metallischen Brennstoffen direkt möglich. Heutige Leichtwasserreaktoren verwenden keramisches UO2 als Brennstoff. Keramik ist aber nicht elektrisch leitend. Ein gebräuchliches Verfahren der Umwandlung ist das Voloxidation-Verfahren (für volumetric oxidation). Dabei wird der zu recycelnde Brennstoff in einem Vakuum mit Sauerstoff auf etwa 500°C erhitzt. Dadurch wandelt sich UO2 in U3O8 um. Während dieses Verfahrensschrittes werden alle in diesem Zustand gasförmige Spaltprodukte ausgetrieben. Insbesondere Tritium kann auf diese Weise einfach und konzentriert abgeschieden werden.

Internationale Situation

Im Moment führend bei der Entwicklung sind die USA, Russland, Indien, Korea, Japan und Frankreich. Allerdings befindet sich das Verfahren in allen Ländern noch in der Entwicklung. Man kann mit Fug und Recht feststellen, daß die Elektroraffination eine Schwester der Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum ist – die sicherlich die Zukunft sind. Hinzu kommen im Einzelfall noch politische Randbedingungen. So kann Korea beispielsweise nicht das PUREX Verfahren nutzen, um sich nicht dem Verdacht einer atomaren Aufrüstung auszusetzen.

An der Spitze der Entwicklung befindet sich Russland. In Seversk befindet sich ein Pilotprojekt bereits in Bau. Es besteht aus einem mit flüssigem Blei gekühlten Reaktor mit einer Leistung von 300 MWel . Dieser Reaktor ist nicht als Brüter, sondern mit einer Konversionsrate von um die 1 konzipiert. Er soll also lediglich soviel Plutonium produzieren, daß er nur noch mit abgereichertem oder Natururan ergänzt werden muß. Er soll mit MNUP Brennstoff (Mixed Nitride Uran Plutonium) betrieben werden. Dieser Reaktor soll mit einer integrierten Wiederaufbereitung und Brennstoffherstellung versehen werden. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Jahrzehnte andauernden Entwicklung. Typisch russisch ist dabei das Vorgehen in Schritten, wobei im jeweils nächsten Schritt die Betriebserfahrungen des vorhergehenden Reaktortyps einfließen.

REMIX

REMIX-Brennstoff (für regenerierte Mischung) ist ein innovatives russisches Produkt für thermische Leichtwasserreaktoren, die das Herzstück der heutigen Kernkraftindustrie bilden. Dieser Brennstoff wird aus einer Mischung von wiederaufbereitetem Uran und Plutonium hergestellt, die unter Zugabe kleiner Mengen angereicherten Urans erzeugt wird. Im Unterschied zu Uran-Plutonium-Brennstoffen für schnelle Reaktoren (wie MNUP- und MOX-Brennstoff) hat der REMIX-Brennstoff einen geringen Plutoniumgehalt (bis zu 1,5%). Sein Neutronenspektrum unterscheidet sich nicht von gewöhnlichem LWR-Brennstoff aus angereichertem Uran, daher sind das Verhalten von Brennelementen im Reaktorkern und die Menge an Plutonium, die durch Bestrahlung aus Uran herausgelöst wird, im Prinzip ähnlich.

Für Betreiber von Druckwasserreaktoren (VVER-1000 und VVER-1200) bedeutet dies langfristig, daß der REMIX-Brennstoff ohne Änderungen der Reaktorauslegung oder zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen benutzt werden kann. Die Einführung eines solchen Brennstoffs ermöglicht die Nutzung von Natururan für Kernkraftwerke durch die Schließung des Kernbrennstoffkreislaufs erheblich zu steigern und den abgebrannten Kernbrennstoff weiterzuverwenden, anstatt ihn zu lagern oder gar zu verbuddeln.

DUPIC

Ein weiterer Weg ist die Verknüpfung von Leichtwasser- und Schwerwasserreaktoren. In den abgebrannten Brennelementen der Leichtwasserreaktoren ist noch etwa 1,5 gew% Spaltstoff enthalten (U235 Pu239). Der Gehalt hängt vom Abbrand ab – bei niedrigem Abbrand ist noch viel enthalten, bei hohem Abbrand entsprechend weniger. Es sind noch ein paar Prozent bei den üblichen Abbränden zwischen 35 MWd/kgU und 50 MWd/kgU vorhanden. Dieser Gehalt an Spaltmaterial entspricht mehr als dem Doppelten von Natururan mit 0,71%. Für einen mittleren Abbrand von 42,5 MWd/kgU bei Leichtwasserreaktoren könnten zusätzlich 15,5 MWd/kgU gewonnen werden, was immerhin 37% mehr Energie entspricht. Nach der Nutzung des DUPIC Brennstoffs in Schwerwasserreaktoren sinkt der Spaltstoffgehalt auf etwa 0,63% bis 0,78%.

Durch die Verknüpfung von Leicht- und Schwerwasserreaktoren über das DUPIC Verfahren ergeben sich folgende Vorteile:

  • Es wird abgebrannter Brennstoff der Leichtwasserreaktoren verbraucht. Das Volumen für Zwischen und Endlagerung verringert sich entsprechend.
  • Es wird weniger Natururan verbraucht. Alle mit der Förderung, Konversion und Anreicherung verbundenen Belastungen werden gespart.
  • Die Menge an abgebranntem Brennstoff der Schwerwasserreaktoren wird durch den höheren Spaltstoffgehalt (ungefähr zweifach gegenüber Natururan) kleiner.

Es sollte dabei nicht vergessen werden, daß es sich hier um den Umgang mit hochaktiven Brennstoffen handelt. Entsprechende Abschirmungen und eine vollständige Handhabung aus der Ferne sind erforderlich. Bisher sind nur kleine Mengen versuchsweise in heißen Zellen hergestellt worden. Bis zu einer industriellen Nutzung ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten.

Schlusswort

Wie immer in der Technik, wird zuerst der einfachste Weg beschritten. Im Falle der Kerntechnik: Leichtwasserreaktoren, Lagerung der abgebrannten Brennelemente und Aufbereitung in den Ländern, die ohnehin schon über ein erprobtes Verfahren (PUREX) verfügten – dies waren die bekannten „Atommächte“. Nicht viel anders, als beim Papier: Zuerst wurde Papier hergestellt (Reaktoren zur Stromproduktion), dies wurde nach Gebrauch als Müll weggeworfen (abgebrannte Brennelemente). Erst nachdem die Altpapiermengen so groß geworden waren, daß sich ein Recycling wirtschaftlich lohnte, wurden die ersten Altpapiermühlen gebaut – heraus kam das „graue Altpapier“. Nach der Abstimmung des gesamten Kreislaufs aufeinander, entstand das heutige weiße Recyclingpapier. Heute ist Papier ein nachhaltiges Produkt geworden, das zu über 75% im Kreislauf läuft.

In Analogie wird sich das System Kerntechnik ebenfalls schrittweise vom Reaktor, über das Brennstoffrecycling bis zur Abfallnutzung weiter entwickeln. Abfall ist bezüglich der Kernenergie ohnehin mit Vorsicht zu beurteilen. Man muß sich immer wieder vor Augen führen, daß der „Atommüll“ das gesamte Periodensystem abdeckt. Schon heute werden Isotope aus dem Atommüll für z. B. Krebstherapien gewonnen. Es ist alles eine Frage der Wirtschaftlichkeit, Planwirtschaft und Ideologie führen nicht weiter.

 




Fakten zur Kernenergie und Energiewende | Helmut Reinhardt im Gespräch mit Manfred Haferburg

Der Wirtschaftswissenschaftler, Fondsgründer, Bestsellerautor, Demokrat, Aktivist und Investor  Max Otte hat einen neuen Kanal gegründet, den er Politik Spezial nennt. In ihm führt vor allem der Finanzjournalist Helmut Reinhardt, ausführliche, bisweilen auch tiefgründige Interviews mit besonderen Personen der Zeitgeschichte. Ohne Schaum vorm Mund, ohne Vorverurteilung wird auf die Merkwürdigkeiten des öffentlichen Lebens in dieser Republik hingewiesen und nach den Gründen für die erkennbar massive Fehlentwicklungen gefragt.

Ein solches Interview zum Thema Kernenergie führte Helmut Reinhardt nun mit dem Kernenergetiker und Buchautor Manfred Haferburg. Auch der „Werdegang“ des Manfred Haferburg im sozialistischen Umerziehungslager, damals DDR genannt, kommt am Ende des Interviews trocken und nüchtern zur Sprache.

 

Manfred Haferburg ist Kernenergetiker und war Schichtleiter im Kernkraftwerk Greifswald während der Schneekatastrophe 1978/79. Er gibt ausführlich Auskunft über alle Fragen zur Kernenergie und bewertet die grüne Energiewende aus seiner Sicht. Zum Ende des Interviews erzählt er über seine versuchte Republikflucht aus der DDR, die Zersetzungsmaßnahmen der Stasi und was er im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen erleben musste. Manfred Haferburg lebt heute in Paris und schreibt für die „Achse des Guten“: https://www.achgut.com/autor/haferburg

Links zu seinem autobiografischen Roman „Wohn-Haft“: KUUUK – Der Verlag: https://www.kuuuk.com/manfred-haferbu… Thalia: https://www.thalia.de/shop/home/artik… Amazon: https://www.amazon.de/Wohn-Haft-Roman…

00:00:52 Begrüßung & Einleitung

00:01:23 Bundesnetzagentur behauptet die Energieversorgung sei sicher

00:04:14 Wie lange dauert es, ein Gaskraftwerk zu bauen?

00:05:07 Kernkraftausstieg aufgrund des Machtkalküls von Angela Merkel

00:06:12 Wie gefährlich ist die Kernkraft 00:08:01 Wie unterscheiden sich unterschiedliche Kernkraftwerkstypen?

00:10:53 Was passiert beim Einschlag eines Flugzeugs oder einer Bombe auf ein Kernkraftwerk?

00:12:45 Wie viele Kernkraftopfer gab es in Fukushima?

00:17:49 Sind deutsche Kernkraftwerke tatsächlich die sichersten der Welt?

00:19:26 Wie ist das Problem des Atomabfalls einzuordnen?

00:22:19 Welche neuen technischen Weiterentwicklungen gibt es bei der Kernkraft?

00:26:29 Woran liegt es, dass die Grünen am Atomausstieg festhalten?

00:29:25 Folter und Inhaftierung in der DDR wegen versuchter Republikflucht

00:34:00 Verabschiedung

#Kernenergie #Energiewende #Grüne #Erneuerbareenergien #ManfredHaferburg #Wohnhaft

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Sievert oder Sauvignon – das Schweizer Endlager

von Manfred Haferburg

Die Geologie hat gesprochen und die Schweizer haben sie gehört.

„Die Geologie hat gesprochen. Es ist eine eindeutige Entscheidung.“, konstatiert die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Die Schweiz hat entschieden, dass das Endlager der Eidgenossen für hochradioaktiven Müll nahe der deutschen Grenze, direkt gegenüber der deutschen Gemeinde Hohentengen entstehen soll.

Das Herzstück für das Endlager sei der Opalinuston. Das Gebiet heißt in der Schweiz „Nördlich Lägern“ und liegt im Zürcher Unterland. Es handelt sich um ein hunderte Millionen Jahre altes, sehr dichtes Material, das entstehende Risse selbst schließt. Opalinuston besteht aus recht einheitlichen Tonen und Tonsteinen mit einzelnen Toneisensteingeoden-Lagen und schließt nach Ansicht von Experten radioaktiven Abfall langfristig am besten ein. „Falls sich beim Bau des Lagers oder im Lauf von Hunderttausenden Jahren durch Gesteinsverschiebungen Risse im Opalinuston bilden, würde dieser sie selbst wieder abdichten. Kommt der Opalinuston mit Wasser in Kontakt, quillt er auf und verschließt solche Risse“. Sagt die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle.

Ein Schweizer Endlager an der deutschen Grenze

Es gibt in der Schweiz mehrere Formationen mit Opalinuston. Warum wurde der Standort an der Grenze zu Deutschland gewählt? Die Schweizer Gesellschaft sagt, dass die Opalinuston-Schicht an der deutschen Grenze am dicksten sei und zudem sei der Abstand zu wasserführenden Schichten und zur Oberfläche größer als bei den anderen Standorten. In dem geplanten Endlager sollen die radioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken, Industrie und Forschung in hunderten Metern Tiefe eingebettet werden.

Der Bau des Lagers muss noch Genehmigungsverfahren durchlaufen und dürfte frühestens 2031 beginnen, die Einlagerung erst 2050.

Eine Verpackungsanlage für radioaktive Abfälle soll an dem jetzigen Zwischenlager in Würenlingen entstehen, weil dort bereits Bauten vorhanden seien, die genutzt werden können.

Bei vielen Menschen erzeugt der Begriff „Radioaktivität“ Unbehagen

Die von radioaktiven Stoffen ausgesandte ionisierende Strahlung wird häufig als bedrohlich empfunden, unabhängig davon, wie stark sie ist und woher sie stammt.

Wenn ich mir allerdings die Schutzmaßnahmen der Endlagerung ansehe, dann habe ich vor anderen Dingen Angst als vor Radioaktivität. Ich würde mich demzufolge vor einem Endlager in der Nähe meines Wohnortes weniger fürchten als vor Politikern, die glauben, dass sie die Gesetze der Physik und der Ökonomie per Beschluss im Bundestag ändern können.

Was geschieht mit dem hochradioaktiven Müll?

Die Sorgfalt beginnt mit der „Verpackung“ des Atommülls. Was nicht recycelt wird, verbrennt man in Drehrohröfen. Die Asche wird dann mit flüssigem Glas vermischt, das in Kupferzylindern erstarrt. Diese werden dicht verschweißt und kommen in wasserdichte Endlagergebinde, die ihrerseits dann im Endlager in 800 Meter tiefe Schächte weit unter dem Grundwasserspiegel in wasserdichte Tonzylinder eingebracht werden. Die einzelnen Gänge werden dann auch noch mit Ton verfüllt.

Diese Gesteinsformation gibt es unverändert seit 175 Millionen Jahren. Und obwohl auch die vielkolportierte Zeit der Endlagerung mit der Notwendigkeit der sicheren Einlagerung über einen Zeitraum von einer Million Jahren eine sinnlose Übertreibung ist, kann sie in diesen Gesteinsschichten gewährleistet werden.

Der deutsche Sonderweg der Endlagerung

Die Endlagersuche in Deutschland wird von der grünen Bewegung systematisch verunmöglicht und hinausgezögert. Dahinter steckt die Sorge, dass ihnen ihr wichtigstes Argument „Es gibt kein Endlager“ für den Atomausstieg abhandenkommt. Die Planungszeiträume für ein deutsches Endlager werden in Dekaden berechnet. Die Deutschen lagern derzeit die abgebrannten Brennelemente in Castorbehältern, die in gebunkerten Zwischenlagern aufgestellt sind.

Ich halte diese Lagerung allerdings für die derzeit weltweit beste Methode. Die abgebrannten Brennelemente enthalten nämlich noch 98 Prozent ihrer Energie, die mit den herkömmlichen Reaktoren nicht genutzt werden kann. Allerdings werden derzeit weltweit die neuen Reaktoren der Generation Vier entwickelt. Diese können diese nicht genutzte Energie in Strom und Wärme umwandeln. So steht in den Zwischenlagern so viel radioaktives Brennmaterial, dass mit den neuen Dual-Fluid-Reaktoren Deutschland für 350 Jahre mit Strom versorgt werden kann. In 15 Jahren spätestens steht diese Technologie zur Verfügung.

Echte Probleme überdecken künstliche Probleme

Zurzeit scheinen die Deutschen allerdings ganz andere Sorgen zu beschäftigen als mit einem künftigen Schweizer Endlager in Grenznähe. Der mediale Entrüstungssturm über die Schweizer Endlagerentscheidung hält sich offenbar noch in Grenzen. Das ZDF zeigte sich kurz und naturgemäß tief besorgt, allerdings wohl gegendert.

Die deutsche Strahlenangst ist eigentlich ein recht junges Phänomen. Bis in die Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts galt Radioaktivität in geringen Dosen als gesundheitsförderlich und der Schönheit dienend. Es gab sogar radioaktiv angereicherte Lebensmittel zu kaufen, zum Beispiel „Radiumbier in Flaschen“. Und es gab Kosmetika, radioaktive Gesichtscreme, radioaktive Zahnpasta und sogar radioaktive Kondome.

Der Prospekt des Radonbades in Menzenschwand (Schwarzwald) sagte noch bis vor Kurzem: „Zwei Quellen vom nahen Bachtal versorgen die Therme mit fluoridhaltigem Heilwasser (32°C. bis 37°C.) sowie das radonhaltige Heilwasser, das ausschließlich im Therapiebereich eingesetzt wird. Die Radontherapie wird seit vielen Jahren erfolgreich bei rheumatischen Erkrankungen und chronischen Schmerzen angewendet. Der örtliche Kurarzt verordnet die Radontherapie in Einzelwannenbädern“. 

Ich persönlich gehöre zu der Fraktion, die glaubt, dass radioaktive Strahlung in geringen Dosen eher gesundheitsförderlich als schädlich ist. Aber beweisen konnte das bisher noch niemand.

Verstrahlt – ist unsere Angst vor Strahlung rational?

Es gibt keinen Unterschied zwischen „natürlicher“ und „künstlicher“ Strahlung. Alles in unserer Welt ist radioaktiv – auch wir selbst. Unser Körper wird je Sekunde von 20.000 Strahlenteilchen getroffen, in Kurorten können es auch mal 100.000 sein.

Ohne Radioaktivität wäre kein höheres Leben möglich. Die Radioaktivität erzeugt 50 Prozent der Erdwärme. Ohne Radioaktivität gäbe es den Carbonat-Silikat-Zyklus nicht, den Thermostat unserer Welt als Voraussetzung für die Entwicklung von Leben.

Somit sind alle Menschen vollkommen „verstrahlt“. Jede Körperzelle enthält eine Million radioaktive Atome, jede Sekunde zerfallen 8.000 radioaktive Atome in unserem Körper – wenn wir so um 70 kg wiegen, sind das 8.000 Becquerel (Bq) –  bei Arnold Schwarzenegger könnten es sogar so um 12.000 Bq sein.

Sehen wir uns die Strahlenbelastung des Menschen, der wir auch ohne Endlager ausgesetzt sind, einmal an. Das sind in Deutschland durchschnittlich  2,4 Millisievert/Jahr.

Wo kommt nun unsere Strahlenbelastung her?

Ungefähr die Hälfte unserer Strahlenbelastung kommt von denen, die am meisten davor warnen, der Ärzteschaft.

• 45 Prozent Medizin: ein Ganzkörper-CT bringt so viel Strahlung wie 200-mal nach Tokyo fliegen.

• 30 Prozent Radon: ein Gas, das in unseren Kellern aus dem Gestein aufsteigt, sich dort gerne sammelt und beim Bierholen eingeatmet wird.

• 10 Prozent kosmisch: aus dem Weltraum einfliegende Teilchen, die es bis zur Erdoberfläche schaffen

• 14 Prozent terrestrisch: aus der Erde umherfliegende Teilchen

• 1 Prozent künstlich, alles zusammen: Tschernobyl, Atombombenversuche, Kernkraftwerke

Schon in Deutschland differiert die Strahlenbelastung sehr stark. Der durchschnittliche Wert variiert je nach Wohnort von 1 Millisievert (mSv) in der norddeutschen Tiefebene bis 10 mSv in gebirgigen Gegenden, z.B. der Eifel. Anderswo sind die Werte der menschlichen Strahlenbelastung 100-mal so hoch, ohne dass die dort lebenden Menschen irgendwelche Schäden erleiden. So beträgt die Strahlung in Brasilien, am Badestrand Guarapari 200 mSv, in Ramsar im Iran am sogenannten Schwarzen Stand 400 mSv. Das ist ganz nebenbei gesagt das Mehrfache der Strahlung, die in der Evakuierungszone um das havarierte Kernkraftwerk Fukushima herrscht.

Nicht nur Kernkraftwerker oder Röntgenärzte sind leicht erhöhter Strahlung ausgesetzt. Piloten erhalten zusätzlich 1,2 Millisievert, wenn sie 600 Flugstunden/Jahr auf der Nord-Route fliegen. Raucher, die 20 Zigaretten pro Tag konsumieren, bekommen 14 mSv/Jahr zusätzlich ab. Ein Aufenthalt im Space Shuttle bestrahlt einen Astronauten mit ca. 200 Millisievert.

Sievert oder Sauvignon – die Dosis pro Zeiteinheit macht’s

Als letale Strahlendosis gelten fünf Sievert, die jemand in kurzer Zeit abbekommt. Dann wird er strahlenkrank und stirbt. Unterhalb von 0,2 Sievert sieht man nichts, auch kein Krebsrisiko. Der Mensch kann aber fünf Sievert über einen längeren Zeitraum verteilt abbekommen, ohne zu sterben oder zu erkranken.

Das ist wie mit dem Wein. Fünf Liter Sauvignon in wenigen Minuten gepichelt, würde man mit einer schweren Alkoholvergiftung vielleicht nicht überleben. 200 Liter Sauvignon über einige Jahre verteilt – wunderbar – und neben dem Genuss vielleicht sogar gesund.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier




Der russische BREST – OD-300 Reaktor – Beginn einer neuen Ära?

von Dr. Klaus Dieter Humpich

Im Juni 2021 begann der Bau eines neuen Reaktors im sibirischen chemischen Kombinat Seversk. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, sondern es handelt sich um ein grundsätzlich neues System: Ein spezieller Reaktor mit angeschlossener Wiederaufbereitung. Ziel ist ein Kernkraftwerk, dem lediglich Uran (aus abgebrannten Brennelementen) zugeführt wird und nur (endlagerfähige) Spaltprodukte abgeführt werden. Der entscheidende Punkt gegenüber herkömmlichen Reaktoren ist der Abfall Spaltprodukte. Die Problematik der Endlagerung über sehr lange Zeiträume wäre damit vom Tisch, da Spaltprodukte in weniger als 300 Jahren zerfallen sind. Die sehr langlebigen Transurane werden bei diesem Reaktor kontinuierlich „mit verbrannt“. Diese „Stromfabrik“ besteht also aus drei Einheiten: Der (neuartigen) Brennelemente-Fabrik, dem Kernreaktor und der Wiederaufbereitungsanlage. Die Brennelemente-Fabrik soll 2023 und die Wiederaufbereitung 2024 gebaut werden. Der Reaktor soll 2026 in Betrieb gehen.

Der BREST-OD-300

Das Entwicklungsziel dieses Reaktors der vierten Generation war „natürliche Sicherheit“. Das Kühlmittel ist nicht Wasser unter hohem Druck, sondern nahezu druckloses Blei. Der Reaktorkern befindet sich deshalb nicht in einem dickwandigen Druckbehälter, sondern in einem (nahezu drucklosen) Tank für flüssiges Blei. Der Schmelzpunkt von Blei liegt bei rund 330°C. Dies ergibt ein neuartiges Sicherheitsproblem, denn es muß gewährleistet sein, daß das Blei an keiner Stelle einfriert und irgendwelche Kanäle verstopft. Andererseits ist der Siedepunkt mit über 1700°C so hoch, daß sich kein Druck im Reaktorkreislauf aufbauen kann. Leckagen sind unproblematisch, da Blei weder mit Luft noch mit Wasser heftig reagiert. Blei wird praktisch auch nicht aktiviert, sodaß nur ein einfacher Kreislauf nötig ist, was Kosten spart und das System vereinfacht. Die Austrittstemperatur des Blei beträgt rund 540°C. Ist also weit von der Siedetemperatur entfernt. Hinzu kommt die große Wärmespeicherfähigkeit des Blei (spezifisch und über das Tankvolumen), die alle Lastsprünge abfedert. Ein solcher Reaktor ist in seinem (sicherheitstechnischen) Verhalten sehr gutmütig.

Blei ist ein sehr schlechter Moderator, der die Neutronen kaum abbremst. Schnelle Neutronen können zwar alles Uran, Plutonium und sogar die minoren Aktinoide spalten – das allerdings mit einer weit geringen Wahrscheinlichkeit. Als Konsequenz muß man entweder eine hohe Anreicherung oder einen höheren Gehalt an Plutonium verwenden. In diesem Sinne sind solche Reaktoren sinnvollerweise als Nachfolger der Leichtwasserreaktoren anzusehen. Erst wenn man entsprechend viele abgebrannte Brennelemente besitzt – von „Atomkraftgegnern“ fälschlicherweise als „Atommüll“ bezeichnet – aus denen man das Plutonium extrahieren kann, kann man sinnvollerweise mit dem Aufbau einer Flotte schneller Reaktoren beginnen. Für jede Erstbeladung muß das Plutonium von außen kommen. Läuft ein solcher Reaktor, kann er genug neues Plutonium bilden um für seinen Weiterbetrieb selbst zu sorgen. Man muß dann nur die Spaltprodukte entfernen (die nukleare Asche) und die gespaltenen Kerne durch U238 – ebenfalls von „Atomkraftgegnern“ als „Atommüll“ bezeichnet – ersetzen. In diesem Sinne verfügen wir bereits heute über gigantische Energievorkommen in der Form abgebrannter Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren. Bisher war die Nutzung wegen der geringen Natururan-Preise noch unwirtschaftlich. Allerdings kommen die stets steigenden Lagerkosten für abgebrannte Brennelemente einer schnelleren Nutzung entgegen.

Da Blei ein schlechter Moderator ist, kann man die Gitterabstände im Kern vergrößern. Durch den verringerten Strömungswiderstand kann man mehr Wärme über Naturkonvektion abführen, was die Notkühlung auch nach einem Blackout (Fukushima) ermöglicht. Zu diesem Zweck sind Kamine (2 von 4 genügen) vorhanden, die die Restwärme passiv an die Umgebungsluft abführen. Selbst unter vollständigem Verlust der Wärmesenke bei voller Leistung von 700 MWth erreicht die Hüllrohr-Temperatur am ungünstigsten Brennstab keine 900°C. Für die Hüllen aus Stahl kein großes Problem: Ein Unglück wie in Fukushima wäre gar nicht möglich. Es könnte kein Knallgas entstehen (Reaktion der Zirconium-Hüllen mit Wasserdampf) und es wäre keine aktive Not-Kühlung nötig. Treffender kann man nicht verdeutlichen, was mit „natürliche Sicherheit“ gemeint ist.

Die Brennstäbe

Auch hier geht man neue Wege. Bei herkömmlichen Reaktoren verwendet man Urandioxid als Brennstoff in Hüllrohren aus Zirkalloy. Uranoxid ist eine (spröde) Keramik mit schlechter Wärmeleitung. Es kann bei einem Störfall passieren, daß die Brennstäbe in ihrem Zentrum bereits aufschmelzen und Spaltprodukte frei setzen, während sie ansonsten noch intakt sind. Fallen sie kurzzeitig und lokal trocken (Kühlmittelverlust-Störfall), kann die Abschreckung durch die Notkühlung fatale Konsequenzen haben (Harrisburg, Fukushima).

Bei diesem Typ verwendet man Uran-Plutonium-Nitrid als Brennstoff. Es besitzt eine um 30% größere Dichte, eine 4 bis 8 fache Wärmeleitung, gute Rückhaltung für Spaltprodukte, gute Formstabilität und geringe Reaktionen mit der Edelstahl-Hülle. Die hohe Dichte und gute Wärmeleitung führen zu geringeren Temperaturgradienten zwischen Zentrum und Umfang. Dies führt zu einer hohen Lebensdauer der Brennelemente (Brennstoffwechsel nur alle fünf Jahre) und großen Sicherheitsreserven für Störfälle.

Der Kern besteht aus 169 Brennelementen, hat eine Höhe von lediglich 1,1m und beinhaltet rund 20 to Brennstoff. Die Brennelemente sind sechseckig, wodurch sich eine sehr dichte Packung ergibt. Sie sind rundum offen, um bei einer etwaigen Verstopfung auch Querströmung zu ermöglichen. Auf Grund der Brennstoffeigenschaften und der Konstruktion ist die Neutronenökonomie so gut, daß keine separate Brutzone erforderlich ist und trotzdem eine Konversionsrate von Eins („Selbstversorgung“) erzielt wird.

Wiederaufbereitung

Bisher wurde großtechnisch nur das PUREX-Verfahren angewendet. Dieses nass-chemische Verfahren zielt – ursprünglich aus der Rüstung kommend – auf die Rückgewinnung von möglichst reinem Uran und (insbesondere ) Plutonium ab. Alles andere ist Abfall. Dieser ist wegen der minoren Aktinoide besonders langlebig und erfordert ein geologisches Tiefenlager zur Endlagerung. Bei diesem Reaktorkonzept sieht die Fragestellung gänzlich anders aus. Hier gilt es nur die Spaltprodukte – die nukleare Asche – zu entfernen. Alles andere soll und kann als Energieträger verbleiben. Die Spaltprodukte können anschließend weiterverarbeitet oder verglast werden und in Edelstahlbehälter abgefüllt werden. Wegen der relativ geringen Halbwertszeiten kann dieser Abfall je nach Gusto „tiefengelagert“ oder „ingenieurgelagert“ werden. Auf jeden Fall, zu verschwindend geringen Kosten gegenüber der Endlagerung von kompletten Brennelementen.

Der BREST-OD-300 im Allgemeinen

Der Reaktor verfügt über eine elektrische Leistung von 300 MWel bei einer thermische Leistung von 700 MWth. Er wäre per Definition damit noch ein SMR. Der Hersteller selbst betrachtet ihn eher als Vorläufer für einen Reaktor mit 1200 MWel, der etwa Anfang der 2030er Jahre gebaut werden soll. Es ist der russische Weg der kleinen, aufeinander aufbauenden Schritte mit immer mehr gesammelten Erfahrungen, die in das jeweilige Nachfolgemodell einfließen können. In diesem Zusammenhang muß man feststellen, daß die Entwicklung bleigekühlter Reaktoren in Russland eine Jahrzehnte lange Tradition hat. Sie reicht bis auf die U-Boote der Alfa-Klasse (Bauzeitraum 1968–1975, Außerdienststellung 1983 bis 1997) zurück. Zahlreiche Probleme bezüglich Korrosion und Verschleiß konnten inzwischen gelöst werden.

Der Aufbau ähnelt klassischen Druckwasserreaktoren: In der Mitte befindet sich der Reaktor. Von ihm gehen vier Kühlkreisläufe (flüssiges Blei) ab. Jeder Kühlkreislauf versorgt zwei Dampferzeuger. Das in den beiden Dampferzeugern abgekühlte Blei wird von einer Umwälzpumpe angesaugt und dem Reaktor wieder zugeführt. Die acht Dampferzeuger produzieren etwa 1500 to/h Dampf mit einer Temperatur von über 500°C. Auf Grund der höheren Dampftemperaturen ergeben sich bessere Wirkungsgrade und andere Anwendungsgebiete (z. B. Wasserstoffherstellung durch Hochtemperatur-Elektrolyse, Raffinerien, chemische Industrie etc.). Jeder Kühlkreislauf bildet eine separate Baugruppe mit kompletter Notkühlung, Umwälzpumpe etc. in einer eigenen „Betonkammer“. Das Ganze ist von einem Betonzylinder als Schutz gegen Einwirkungen von außen umgeben.

Anders als bei Leichtwasserreaktoren wird der Kern durch eine Lademaschine versorgt. Sie kann Brennelemente entnehmen, umsetzen und durch frische ersetzen. Verbrauchte Elemente werden im Bleitank bis zum erforderlichen Abklingen zwischen gelagert. Sie stehen also stets unter dem gleichen Schutz (Fukushima) wie der Reaktorkern. Ein Brennstoffzyklus dauert fünf Jahre (Leichtwasserreaktor 9 bis 16 Monate üblich). Sind erst einmal die üblichen Kinderkrankheiten beseitigt, kann man von einer noch besseren Verfügbarkeit als heute (etwa 90%) ausgehen. Geplant ist ein Abbrand zwischen 5,5% und 9% Schwermetall. An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, sich die Materialströme und Abfallmengen zu verdeutlichen. Wenn dieser Reaktor das ganze Jahr voll durchläuft (Grundlast) verbraucht er etwa 270 kg Uran. Das ist gleichzeitig die Menge hochaktiver Spaltprodukte die jährlich anfällt. Geht man von einem mittleren Abbrand von 8% Schwermetall aus, sind etwa 3,5 to frische Brennelemente jährlich nötig. Das alles erinnert mehr an eine Anlage im Labormaßstab. Wollte man diese Strommenge von 2,6 TWh mit einem Offshore-Windpark erzeugen, müßte dieser mindestens 1000 MW umfassen oder bei einem Photovoltaik-Park mindestens 2000 MW. Wobei dies lediglich die gleiche Energieproduktion wäre. Da aber Wind und Sonne nur zufällig und unvorhersehbar sind (Wettervorhersage), müßten noch die zwingend erforderlichen Stromspeicher (zusätzliche Investitionen) und deren Verluste (ca. 50% für längere Ausfallzeiten) hinzugerechnet werden. Diese wenigen Zahlen machen deutlich, daß zumindest Russland nicht zurück ins Mittelalter will, ob nun „Klimakatastrophe“ oder nicht.

Sicherheit

Die vierte Generation soll noch einmal um Größenordnungen „sicherer“ sein als die derzeitige dritte Generation. Gemeint ist damit die Wahrscheinlichkeit für Unglücke, bei denen Radioaktivität das Betriebsgelände überschreitet und damit Anlieger gefährdet. Diese Reaktoren sollen so sicher sein, daß sie unmittelbar in einer Chemieanlage betrieben werden können, denn sie sind nicht gefährlicher als diese Anlagen selbst, wodurch völlig neue Anwendungen für Kernenergie möglich sind.

Da diese Kernkraftwerke mit dem „Abfall“ der bisherigen Kernkraftwerke betrieben werden können, sind sie extrem „nachhaltig“. Damit sind nicht nur die abgebrannten Brennelemente gemeint, sondern auch das „Abfall-Uran-238“ aus den Anreicherungsanlagen. Ganz neben bei, löst sich auch die „Endlagerfrage“. Spaltprodukte sind im Vergleich zu den Aktinoiden kurzlebig. Diese Form von „Atommüll“ ist nach wenigen Jahrzehnten weiterverarbeitbar. In ihnen sind jede Menge wertvoller Stoffe enthalten. Schon heute werden seltene Isotope aus dem Abfall der militärischen Wiederaufbereitung für z.B. medizinische Anwendungen gewonnen. Wer aber unbedingt möchte, kann sie auch weiterhin in geologischen Tiefenlagern verschwinden lassen. Nur eben zu viel geringeren Kosten.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors, hier 



Ein sicheres Endlager in Afrika

von Hans Hofmann-Reinecke

Gabon“ – mit einem „o“ wenn Sie es französisch aussprechen wollen, auf Englisch „Gaboon“- liegt an der Westküste Afrikas auf Höhe des Äquators. Das Land ist etwa so groß wie England, hat aber in der Weltgeschichte deutlich weniger von sich reden gemacht. Nur Albert Schweitzers Hospital in Lambarene genießt gewisse Aufmerksamkeit; es wurde vor hundert Jahren geschaffen, als es die GIZ noch nicht gab.
Falls ich Sie jetzt neugierig gemacht haben sollte, noch zwei Tipps für die Reise: nehmen Sie sich vor der „Gaboon-Viper“ in Acht. Sie gilt zwar als jovial, hat aber von allen Schlangen den schnellsten Biß. Und schon ein Tausendstel des Gifts in ihren Zähnen kann für den Menschen tödlich sein.
Der zweite Tipp: wenn Sie schon mal da sind, dann besuchen Sie auf jeden Fall Oklo. Warum? Das verrate ich Ihnen gerne, nach dieser kurzen technischen Einführung.

Reaktor ABC
Ein Atomreaktor ist im Grunde genommen nichts als ein Haufen Uran, das im Wasser liegt. Dabei entstehen Hitze und Dampf, mit dem man Turbinen antreiben und Strom erzeugen kann. Und schließlich bleibt ein Cocktail aus radioaktiver Asche übrig, der für die nächsten Äonen vor sich hin strahlt.
Das Uran im Wasserbad ist an sich kein so komplizierter Aufbau, als dass er nicht in der Natur vorkommen könnte. Schließlich wird Uran auch im Tagebau geschürft, ähnlich wie Kupfer oder Silber, es liegt also nicht tief im Inneren der Erde, sondern nahe genug an der Oberfläche, um bei Regen nass zu werden.
Der japanische Wissenschaftler Paul Kazuo Kuroda war schon 1956, also lange vor uns, auf diese Idee gekommen und hat untersucht, unter welchen geologischen Bedingungen so ein natürlicher Reaktor entstehen könnte. Der französische Physiker Francis Perrin entdeckte dann 1972 genau das, was sich der Japaner ausgemalt hatte, und zwar in Gaboon, in der Region Oklo.

Hundert Kilowatt – thermisch
Wieso kommt ein Franzose auf die Idee am Äquator nach einem Atomreaktor zu suchen? Der Mann arbeitete für die französische Kernenergie-Kommission (später AREVA/ORANO), die in den fünfziger Jahren in Oklo auf Uran gestoßen war und mit dem Abbau begonnen hatte. Gaboon war damals französische Kolonie, der Abbau ging aber in großem Stil weiter, auch nachdem das Land 1960 unabhängig geworden war.
Das gewonnene Erz wurde routinemäßig in Labors sehr genau unter die Lupe genommen, sowohl chemisch als auch physikalisch, und dabei stieß man nun auf bestimmte Substanzen, bestimmte Isotope, die in dieser Konzentration nur in einem Reaktor entstehen können. Man war auf die eindeutigen Fingerabdrücke einer Kernspaltung gestoßen.
Durch systematische Analyse der Indizien rekonstruierte man nun den Ablauf der Ereignisse, die zu diesen nuklearen Überbleibseln geführt haben mussten.
Vor etwa 1,7 Milliarden Jahren fand hier spontane Kernspaltung in industriellem Maßstab statt! Das vom Regenwasser durchtränkte Uranerz bot die richtige Konfiguration für eine nukleare Kettenreaktion, die 100 kW thermische Leistung freisetzte. Solch ein „Reaktor“ – es gab mehrere dieser Art an der Lagestätte – lief kontinuierlich für 30 Minuten, dann hatte die Hitze das Wasser verdampft. Der für die Kernspaltung notwendige Moderator, das Wasser, war jetzt verschwunden.
Nach zweieinhalb Stunden aber war alles abgekühlt und die Reaktion ging wieder von vorne los. So lief das eine ganze Weile – einige hunderttausend Jahre.

Wie soll das gehen?
Als sachkundiger Leser werden Sie nun protestieren. Natürliches Uran und natürliches Wasser, wie soll das funktionieren? Daraus kann man keinen Reaktor bauen. Man braucht angereichertes Uran, oder aber natürliches Uran mit „schwerem Wasser“ als Moderator. Aber in Oklo hatte man weder das eine noch das andere.
Nun haben wir ja schon erlebt, dass manche Dinge, die früher funktionierten heute nicht mehr möglich sind. Wenn wir zwei Milliarden Jahre zurück gehen, da war einiges anders, auch in Sachen Kernspaltung. „Heutiges“ Uran besteht zu 0,7% aus dem spaltbaren Isotop U235, der Rest ist U238. Das war früher anders. Da gab es zwar auch die beiden Isotope, aber in anderem Verhältnis. Die spaltbare Komponente machte damals 3% aus; das ist auch etwa die Konzentration, wie wir sie heute im künstlich angereicherten Uran in den Brennstäben unserer Atomkraftwerke einsetzen.
Warum war das früher anders? Die Antwort ist einfach: Uran zerfällt im Laufe der Zeit – allerdings sehr langsam. Die Halbwertszeit der leichteren Komponente U235 beträgt 700 Millionen Jahre, die der anderen vier Milliarden; letzteres ist in etwa auch das Alter der Erde. Uran ist also fast eine „normale“, stabile Substanz, deren Halbwertszeit praktisch unendlich ist. Der Unterschied in den extrem langen Halbwertszeiten der beiden Komponenten hat dennoch zur Folge, dass sich die relative Konzentration über die Zeit ändert.

Zu spät auf der Party
Stellen Sie sich vor, sie wären auf einer Party und vor dem Dinner geht man herum, macht Small Talk, trinkt Champagner und nimmt sich ab und zu eines der Kanapees von dem großen silbernen Tablett. Die einen sind mit Leberpastete und einer Kaper oben drauf belegt, die anderen mit undefinierbarem Käse. Sie nehmen sich eines mit Leberpastete, die Mehrzahl der anderen Gäste übrigens auch. Die Halbwertszeit der Kanapees auf dem Tablett, also die Zeit, in der die Hälfte verschwindet, ist beim Typ Leberpastete kürzer als beim Typ Käse.
Ein Gast der später auf die Party kommt, nicht gerade zwei Milliarden Jahre, sondern eine viertel Stunde, wird nur noch ganz wenige Exemplare der leckeren Sorte vorfinden, nur noch 0,7% vielleicht. Und er wird sich deswegen bei der Gastgeberin beschweren.
Ja, so ist das auch mit dem Uran235. Wären wir früher auf der Party erschienen, dann hätten wir auch den vollen Segen abbekommen und hätten unsere Reaktoren mit natürlichem Uran und natürlichem Wasser betreiben können. Heute finden wir nur noch 0,7% davon vor. Wollen wir uns darüber beim Gastgeber beschweren? Er würde uns antworten: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Sicheres Endlager
Der Fund in Oklo ist mehr als eine wissenschaftliche Kuriosität. Wir können hier viel für die Endlagerung des radioaktiven Abfalls unserer Atomkraftwerke lernen.
In Oklo fand man die gefährlichen Spaltprodukte nämlich noch genau dort, wo sie einst entstanden waren – vor zwei Milliarden Jahren. Sie hatten sich währen der halben Lebenszeit der Erde keinen Meter vom Ort ihrer Entstehung entfernt. Sie hatten sich nicht, wie ein bösartiges Virus, über unseren Planeten ausgebreitet um Trinkwasser zu vergiften und Babynahrung zu verstrahlen; nein, die gefährlichen Spaltprodukte waren, harmlos wie ein Eimer voll Sand, für alle Ewigkeit am Ort ihrer Entstehung geblieben.
Das ist für Ingenieure und politische Entscheidungsträger eine wichtige Beobachtung. Seit über einem halben Jahrhundert ist man ja in Deutschland auf der Suche danach, wie und wo der radioaktive Müll aus den Kraftwerken für immer vergraben werden soll. Man ist auf der Suche nach dem Standort für ein sicheres Endlager.

Das Grab des Tutanchamun
Diese Suche gestaltet sich schwierig, denn da ist in Teilen der Bevölkerung die Befürchtung, das Zeug hätte ein bösartiges Eigenleben, es würde den Planeten „verstrahlen“ und für Mensch und Tier auf immer und ewig unbewohnbar machen. Die Namen potentieller Standorte wie „Die Asse“ oder „Gorleben“ sind zu Schlachtrufen einer ganzen Generation grüner Aktivisten geworden.
Oklo aber hat uns demonstriert, dass diese Sorgen unbegründet sind. Wenn man den Müll gut verpackt in einen Salzstollen versenkt, dann wird er genau da bleiben, und zwar für alle Ewigkeit.
Vielleicht werden irgendwann in ferner Zukunft neugierige Forscher nach mühseliger Arbeit solch ein Endlager entdecken. Dann würden sie alles genau so antreffen wie es damals, im frühen 21. Jahrhundert, dort vergraben wurde. Sie würden sich vorkommen, wie Howard Carter, der Entdecker von Tutanchamuns Grab, der jede Kleinigkeit so vorfand, wie man sie bei Tuts Beerdigung vor mehr als drei Jahrtausenden hinterlassen hatte.
Vermutlich werden unsere Entdecker im Salzstollen dann auf zahlreiche verstaubte gelbe Täfelchen mit drei Strahlen und einem schwarzen Punkt in der Mitte stoßen. Eines davon wird dann in einem historischen Museum ausgestellt, als „Geheimnisvolles Kultobjekt, etwa aus der Zeitwende zweites / drittes Jahrtausend n.Chr. Sollte vermutlich die abergläubische Bevölkerung vor bösen Geistern schützen.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei www.think-again.org und im Buch „Grün und Dumm“ https://think-again.org/product/grun-und-dumm/