Von Hitze- und Kältetoten – Journalismus im Klimafieber

Umso wichtiger wäre es deshalb, dass der Wissenschaftsjournalismus diesen Forschern genau auf die Finger guckt, sowohl was die Qualität der Forschung als auch die Grenzziehung zur Politik oder gar zum Aktivismus anbelangt. Aber bedauerlicherweise wird auch in diesem speziellen Bereich des Klimajournalismus meist jede Ambivalenz oder Skepsis für schädlich gehalten. Passend dazu kann ich mich weder daran erinnern, in den letzten Jahren jemals etwas über mögliche positive gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland gelesen zu haben noch auch nur, dass es schon nicht so schlimm kommen werde. Dabei würde das der Faktenlage – und um die soll es hier gehen – am nächsten kommen. Aber das widerspricht natürlich fundamental dem hier geltenden journalistischen Kampfauftrag: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.

Welche Gesundheitsprobleme werden nun typischerweise von wissenschaftlicher oder journalistischer Seite für Deutschland mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht? Eigentlich nie fehlt die Warnung vor einer Zunahme oder Verschlimmerung von Atemwegserkrankungen. Der Hauptschuldige: das Gas Ozon. Zweierlei ist dabei von Belang: Ozon kann, erstens, ab einer gewissen Konzentration in der Atemluft durchaus zu Reizungen und auch verminderter Lungenfunktion führen, vor allem bei vorgeschädigten Atemwegen. Und, zweitens, ein Konzentrationsanstieg wird durch Sonneneinstrahlung und eine hohe Konzentration an Vorläuferschadstoffen in der Luft befördert. Habe ich es nur überlesen oder wurde tatsächlich nicht über die kurze Mitteilung des Umweltbundesamts vom September 2018 berichtet, dass erfreulicherweise die Konzentration dieser Ozonvorläuferstoffe zwischen 1990 und 2016 insgesamt um etwa 60 Prozent zurückgegangen ist?

Auch etwas eigentlich sehr Naheliegendes wird nie thematisiert: Führt eine Erwärmung nicht auch zu milderen Herbst- und Wintermonaten, was sich gerade für Menschen mit empfindlichen bzw. hyperreagiblen Atemwegen günstig auswirkt, da kalte Luft ihnen nicht zuträglich ist? Ganz abgesehen von dem mit einer Erwärmung doch wohl auch verbundenen geringeren Risiko, an grippalen Infekten oder Schlimmerem zu erkranken?

Ein anderer gesundheitlicher Dauerbrenner ist die Prognose, dass Allergien auf Grund der bei bestimmten Pflanzen durch den Klimawandel früher einsetzenden  – und damit insgesamt längeren – Blüte zunehmen werden. Vielleicht verhält es sich ja auch so. Allein, bis heute fehlen wirklich harte Daten, die das überzeugend belegen könnten. Was der Beliebtheit dieser Prognose aber bisher nicht wesentlich geschadet hat.

Die Kälte ist der Bösewicht

Für Journalisten – aber offenbar auch für gar nicht so wenige Mediziner – scheint es unverrückbar festzustehen, dass eine Erwärmung auch in unseren Breiten sich in gesundheitlicher Hinsicht nur ungünstig auswirken kann. Damit allerdings nur schwer vereinbar ist schon die Tatsache, dass sich die meisten Sterbefälle in Deutschland zwischen Dezember und März ereignen. Im Spätsommer, also im August und September, fällt die Sterberate dagegen am niedrigsten aus. Auch die Tatsache, dass im milden Freiburg die Lebenserwartung höher als in Hamburg ist, aber geringer als im warmen Australien, wo man wiederum fast zwei Jahre länger als in Hamburg lebt, sollte vielleicht zu denken geben.

In der einschlägigen Diskussion geht es aber immer nur um zusätzliche „Hitzetote“ und so gut wie nie um die naheliegende Frage, ob bei weiterer Erwärmung das Sterberisiko in den kalten Monaten nicht doch abnehmen könnte. Denn immerhin sind weltweit – abgesehen von Afrika, dort gibt es keine verwertbaren Sterbestatistiken – von den insgesamt 7,7 Prozent temperaturabhängigen Todesfällen 7,3 Prozent kältebedingt. Deutlicher geht’s ja wohl nicht! Aber haben Sie das schon mal irgendwo – außer auf achgut.com – gelesen?

Entgegen zahllosen Behauptungen von medizinischer und medialer Seite nimmt trotz ja nun seit knapp vier Jahrzehnten währender globaler Erwärmung die hitzebedingte Sterblichkeit weltweit – aus den genannten Gründen wieder ohne Afrika – nicht zu, sondern ab. Zurück zu führen ist das auf physiologische Anpassungsprozesse des Menschen und solche von Gesundheitssystem und Gesellschaft. Dennoch gibt es natürlich auch weiterhin, vor allem bei länger anhaltenden Hitzewellen, eine Übersterblichkeit, die aber bei weitem nicht mehr so stark ausfällt wie noch vor gut dreißig Jahren – trotz zwischenzeitlicher globaler Erwärmung.

Für Deutschland sind Zahlenangaben zu „Hitzetoten“ immer mit besonderer Vorsicht zu genießen, da nur in Berlin und Hessen die Sterbestatistiken eine exakte Berechnung ermöglichen. Auf ganz Deutschland bezogene Angaben, in denen von zehntausend Hitzetoten im Sommer 2018 die Rede ist, basieren dementsprechend lediglich auf Schätzungen, die in diesem Fall auch noch unvollständig sind. Denn nicht berücksichtigt dabei wurde der sogenannte Harvesting Effekt, also die einer Übersterblichkeit in aller Regel folgende Untersterblichkeit. Erst wenn man diesen Effekt von der hitzebedingten Übersterblichkeit abzieht, erhält man ein wirklich realistisches Bild.

Wie aus Fake Wahrheit wird

Aber das gängige Narrativ hält sich bekanntlich nur begrenzt oder auch gar nicht an Fakten. Ein recht typisches Beispiel dafür ist die folgende Behauptung aus der Welt vom 14.10.2019: „Höhere Temperaturen führen im statistischen Mittel beispielsweise zu mehr Herzinfarkten“. Das kommt davon, wenn man als Wissenschaftsjournalist entweder einfach nur von anderen abschreibt oder bestimmten Quellen, wie hier ganz offensichtlich dem Deutschen Ärzteblatt, blind vertraut. Wobei ich zugeben muss, dass die Hauptschuldigen hier die Verfasser der entsprechenden Herzinfarktstudie und ihre redaktionellen Helfer sind, die einfach etwas behaupten, was die statistisch nicht signifikanten Studienergebnisse schlicht nicht hergeben. Eine neuartige Form von Fake-Wissenschaft, die den Fake gar nicht mehr besonders zu verbergen versucht, sondern ihn vollmundig schönredet. Natürlich für die gute Sache, bei der ganz offensichtlich selbst eherne Wissenschaftsstandards mal eben so und bisher ungestraft ignoriert werden können.

Zu guter Letzt darf im Kanon der auf den Bundesbürger lauernden gesundheitlichen Bedrohungen natürlich Folgendes nicht fehlen. Wieder beziehe ich mich der Einfachheit halber auf den eben genannten Welt-Artikel: „Und wenn das Klima hierzulande erst einmal den tropischen Stechmücken genehm ist, werden sich auch Malaria und Dengue-Fieber verbreiten.“ Auch wieder eine von diesen faktenfreien Behauptungen. Weder Malaria noch Dengue-Fieber werden sich in Deutschland „verbreiten“, also endemisch werden. Sich in Deutschland bis, sagen wir mal, 2050 mit Malaria zu infizieren, dürfte in etwa so wahrscheinlich sein, wie im Treppenhaus einer Hochhaussiedlung von einer Python erwürgt zu werden. Was einem durchaus passieren kann, etwa, wenn der Reptilienfreund von nebenan vergessen haben sollte, die Tür zum Terrarium zu schließen.

Eine deutlich oberhalb dieses Pythonrisikos angesiedelte realistische Gefahr, sich in Deutschland mit Malaria infizieren zu können, wäre allenfalls dann vorstellbar, wenn die Erwärmung einen sehr deutlichen Zahn zulegt, zehntausende Afrikaner aus malariaverseuchten Gebieten nach Deutschland gekommen sind und sich hier vorzugsweise in den wärmsten Gegenden niedergelassen haben und unser Land sich bereits sehr deutlich den typischen afrikanischen Verhältnissen angenähert hat, zum Beispiel in puncto Gesundheitssystem, Gesundheitsvorsorge und Hygienestandards.

Fake von in Deutschland sich ausbreitenden Tropenkrankheiten

Es reicht nämlich nicht, dass es über einige Monate oder auch das ganze Jahr in manchen Ecken von Deutschland so warm ist, dass krankheitsübertragende Mücken und der kälteunempfindlichste unter den vier infrage kommenden Malariaerregern dort grundsätzlich überleben können. Dazu sind die biologischen, medizinischen und ökologischen Voraussetzungen für die Verbreitung von Malaria viel zu komplex, ganz abgesehen von den Möglichkeiten der Medizin, vorbeugend oder auch heilend eingreifen zu können.

Man kann dem Fake von der Gefahr sich künftig in Deutschland ausbreitender Tropenkrankheiten auch anders argumentativ begegnen, nämlich in Form einer Plausibilitätsprüfung: Man nehme dazu eine Region, etwa den australischen Bundesstaat Queensland im tropischen und subtropischen Nordosten des Kontinents. Dort sind in weiten Teilen des Bundesstaates zweifellos die klimatischen Voraussetzungen für die Ausbreitung von Malaria und Dengue-Fieber gegeben, und zwar in einem Maße, das Deutschland nie auch nur annähernd erreichen wird. So liegt die jährliche Mitteltemperatur der im tropischen Teil gelegenen Großstadt Cairns bei etwa 25 Grad, Freiburg bringt es auf 11,4 Grad und Hamburg gerade mal auf 10,2 Grad. Auch Moskitos gibt es in vielen Regionen von Queensland reichlich.

Dennoch haben sich dort bisher weder Malaria noch Dengue-Fieber verbreitet. Für Malaria besteht überhaupt kein Infektionsrisiko, für das Dengue-Fieber nur ein sehr geringes. Nach einer aktuellen Mitteilung des verantwortlichen Gesundheitsministeriums verhält es sich so: Tritt in Queensland einer der seltenen Erkrankungsfälle auf, wurde das Dengue-Virus jeweils von einer infizierten Person aus dem Ausland eingeschleppt, aus deren Blut in Queensland dann eine Mücke das Virus aufgenommen und später durch einen Stich an das nächste oder die nächsten Opfer weiter gegeben hat. Es ist aber trotz stark begünstigender klimatischer Verhältnisse bisher kein Pool von mit dem Dengue-Virus Infizierten entstanden, aus dem sich die Mücken stets bedienen könnten.

Insbesondere die Vorstellung, Malaria könnte in Deutschland endemisch werden, ist geradezu absurd und lächerlich. Aber solche Prognosen können natürlich bei ohnehin ängstlichen Personen – etwa jungen Mädchen mit einem hohen Neurotizismus – die Ängstlichkeit noch befeuern. Und vielleicht ist genau das ja auch beabsichtigt.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Zuerst auf der Achse des Guten veröffentlicht.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.




Klima-Medizin: Herzinfarkte in Augsburg, Irresein in München

von Wolfgang Meins

Gerade noch wurde die Wissenschaftskultur in der Medizin – im Vergleich zu Geisteswissenschaften und dem Mainstream der Klimawissenschaft – auf achgut.com als überwiegend intakt gelobt und nun so etwas: Das Deutsche Ärzteblatt (Auflage 315.000) hat es schwer erwischt. Es hat sich mit dem Klima-Hype-Virus infiziert. Ausbaden dürfen das jetzt die Leser. Ihnen wird in Heft 31/32 das Schwerpunktthema „Erderwärmung und Gesundheit in Deutschland“ zugemutet.

Das Elend fängt gleich beim Editorial an, wo man den Lehrstuhlinhaber für Sozial- und Umweltmedizin am Klinikum der Universität München zu Worte kommen lässt. Der allerdings hat nicht mehr zu bieten als die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensprecher:

„Die Erderwärmung hat zur Folge, dass Hitzewellen und Waldbrände häufiger und in extremerem Maße als bisher auftreten. Extremniederschläge nehmen zu, der Meeresspiegel steigt und derzeit bewohnte Inseln verschwinden.“

Es folgen dann eine überwiegend sachliche Übersicht zur Behandlung bei Hitzschlag und Sonnenstich sowie zwei Forschungsberichte. Einen davon hat bereits ScienceFiles gewürdigt, der andere soll hier näher unter die Lupe genommen werden.

Es geht um die „Zukünftige Häufigkeit temperaturbedingter Herzinfarkte in der Region Augsburg“. Zu verantworten haben diese Arbeit neun Autoren, wobei der Erstautor aus dem Helmholtz-Zentrum München stammt. Offensichtlich will man die tragende methodische Säule der Lehre von der globalen Erwärmung – Hochrechnungen, Prognosen oder auch Spekulationen jeglicher Art – in die Medizin transplantieren. Also eine Art „Was-wäre-wenn-Wissenschaft“ etablieren.

Die Temperaturentwicklung im Augsburger Winter zeigt nichts auffälliges. Daten DWD, Grafik J. Kowatsch

Eher die Kälte ist der Feind des Herzkranken

Zielsetzung der Autoren war es, die Zahl künftiger temperaturbedingter Herzinfarkte für bestimmte „Klimawandel-Szenarien“ zu prognostizieren, „ausgehend von einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad, 2 Grad oder 3 Grad Celsius“.

Sollte es gelingen, so ein Ergebnis der Studie, die „globale Erwärmung auf 1,5 Grad“ zu begrenzen, würden unter den ca. 400.000 Einwohnern von Augsburg und Umgebung pro Jahrzehnt sechs Herzinfarkte weniger auftreten als im Vergleichszeitraum 2001 bis 2014. Ein abnehmendes Herzinfarktrisiko bei steigender Temperatur ist allerdings nicht besonders überraschend, da nach bisherigem medizinischen Kenntnisstand eher die Kälte der Feind des Herzkranken ist, nicht aber wohlige Wärme.

Aber das dicke Ende kommt natürlich noch, jedenfalls wollen die Autoren das den Ärzteblatt-Lesern unterjubeln: Ab einer bestimmten Temperaturzunahme würde sich dieser günstige Effekt nämlich umkehren, weil dann die „hitzebedingte“ (!) Zunahme von Infarkten größer sei als deren Abnahme durch „wärmere Winter“. Bei einer Erwärmung um 2 Grad Celsius müssten die Augsburger pro Jahrzehnt mit einer „Nettoveränderung“ von 18 zusätzlichen und bei 3 Grad von 63 zusätzlichen Herzinfarktfällen rechnen. Die ebenso messerscharfe wie beinharte Schlussfolgerung der Forscher angesichts dieser Ergebnisse:

„Die Erfüllung des Übereinkommens von Paris mit Eindämmung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad C ist daher essentiell, um durch den Klimawandel verursachte zusätzliche Herzinfarkte zu vermeiden.“

Das Forscherteam wäre allerdings gut beraten gewesen, den Ball flach, aber ganz flach zu halten. Denn die eben erwähnten Ergebnisse für die drei Temperaturszenarien sind naturgemäß jeweils nur grobe, also fehlerbehaftete Schätzungen. Es ist dementsprechend unwahrscheinlich, dass die wahre Größe des Effektes exakt diejenige ist, die in der Studie beobachtet wurde. Deshalb benötigt man in der empirischen Forschung ein zusammenfassendes Maß für die statistische Genauigkeit der Schätzung, also den Wertebereich, der mit (z.B.) 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit die wahre Effektgröße einschließt. Diese Wertebereiche – die Vertrauens- oder, etwas vornehmer, Konfidenzintervalle – geben die Autoren auch an. Allerdings berücksichtigen sie die Konfidenzintervalle bei ihrer vollmundigen Interpretation überhaupt nicht, denn ansonsten könnten sie ja ihre in Wirklichkeit unbegründete Kernbotschaft – steigende Temperaturen führen unterm Strich zu mehr Herzinfarkten – nicht unter den statistisch unbedarften Teil der Ärzteschaft bringen.

Statistische Signifikanz deutlich verpasst

Warum trifft die Botschaft der Herzinfarktforscher nicht zu? Ganz einfach: Die entscheidende Größe, die jeweiligen Nettoveränderungen pro Jahrzehnt – also die temperaturabhängige Zunahme von Herzinfarkten minus der temperaturabhängigen Abnahme von Herzinfarkten –, fällt für alle drei Temperaturszenarien statistisch schlicht nicht signifikant aus. Das verraten uns eindeutig die von den Autoren angegebenen Konfidenzintervalle: Die wahren Nettoveränderungen bei einer Temperaturzunahme um 1,5 Grad liegen mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen minus 60 und plus 50, bei 2 Grad zwischen minus 64 und plus 117 und bei 3 Grad zwischen minus 83 und plus 257. Ein statistisch signifikantes Ergebnis hätte aber vorausgesetzt, dass die Null nicht im Vertrauensintervall enthalten ist, Ober- und Untergrenze des Vertrauensintervalls sich also entweder nur im positiven oder aber nur im negativen Bereich befinden.

Schaut man sich die Vertrauensbereiche unter diesem Gesichtspunkt noch einmal an, muss man zudem feststellen, dass statistische Signifikanz hier nicht etwa haarscharf verpasst wurde, sondern sehr deutlich. Damit ist es unter keinen Umständen statthaft, die Ergebnisse zu interpretieren oder gar irgendwelche Empfehlungen daraus abzuleiten. Angemessen wären allenfalls Überlegungen, warum es nicht gelang, statistische Signifikanz zu erreichen. Im Übrigen wäre angesichts des internationalen Forschungsstandes eine temperaturabhängige Netto-Zunahme von Herzinfarkten auch sehr unwahrscheinlich, wie man hier nachlesen kann.

Aber vielleicht liegt diese Ignoranz gegenüber dem kleinen Einmaleins der empirischen Forschung daran, dass es sich bei dem Autorenteam – und bei denjenigen, die die Arbeit für das Deutsche Ärzteblatt begutachtet und für gut befunden haben – weniger um Wissenschaftler, sondern eher um Aktivistenkollektive handelt. So lassen es sich die Autoren beispielswiese nicht nehmen, dem Klimakampf in ihrem Artikel ein eigenes Kapitel zu widmen, was in dieser Art für eine medizinisch-wissenschaftliche Publikation ausgesprochen ungewöhnlich ist.

Fachkräfte im Gesundheitswesen als Klimakämpfer

Die Autoren formulieren dort vollmundig und völlig losgelöst von den tatsächlichen (nicht signifikanten) Ergebnissen:

„Mit der Fähigkeit, sich effektiv gegen die Gesundheitsgefahren des Klimawandels einzusetzen, sollten Fachkräfte im Gesundheitswesen eine führende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen.“ Diese sollten „die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger über die potenziellen gesundheitlichen Risiken des Klimawandels und die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen (…) informieren“.

Da muss man sich für die Zukunft ja wohl auf einiges gefasst machen, zumal der Klimawandel Schwerpunkt beim Ärztetag im nächsten Frühjahr sein wird.

Die Studie hat aber noch mindestens einen weiteren Haken, der sich in einer anderen, englischsprachigen Veröffentlichung  des Autorenteams findet. Denn vor ihrem virtuellen Ausflug in verschiedene Temperaturszenarien künftiger Jahrzehnte galt es, noch zwei Probleme zu lösen. Zunächst musste in dem seit mehreren Jahrzehnten in Augsburg angesiedelten Herzinfarkt-Register, wo zahlreiche medizinische und soziale Merkmale von Herzinfarkt-Patienten gespeichert sind, für jeden einzelnen Fall nachträglich die jeweilige Umgebungstemperatur zum Erkrankungszeitpunkt ermittelt und eingefügt werden. Außerdem galt es noch, die Frage zu beantworten, ob die Temperatur das Herzinfarktrisiko überhaupt beeinflusst und wenn ja, in welchem Maße. Dieses Problem lässt sich nämlich nicht „virtuell“ lösen, sondern nur anhand von Originaldaten, aus denen die sogenannte Dosis-Wirkungs-, also Temperatur-Herzinfarkt-Beziehung zu berechnen ist. Die aus dieser Berechnung resultierende Größe ist dann später eingegangen in die Prognosen zur künftigen Herzinfarkthäufigkeit für die drei verschiedenen Temperaturszenarien.

Leider hat das Forscherkollektiv damals einen Wink des Schicksals leichtfertig ignoriert. Denn, große Überraschung, die mittlere Temperatur für die bei diesen Berechnungen zu vergleichenden zwei Zeiträume – 1987 bis 2000 gegenüber 2001 bis 2014 – unterschied sich gerade mal um sagenhafte 0,1 Grad: 9,6 gegenüber 9,7 Grad. Die dadurch ausgelöste Depression unter den Forschern kann man sich ja lebhaft vorstellen.

Der menschengemachte Klimawandel als Basis der Karriereplanung

Seriöse Wissenschaftler jedenfalls hätten damals innegehalten, überlegt, diskutiert und dann ihr Vorhaben beerdigt – und zwar aus drei Gründen: weil sich unübersehbar die Erwärmung offenbar sehr stark abgeschwächt oder eine Pause unbekannter Dauer eingelegt hat, weil die seinerzeit gängigen Klimaprojektionen die tatsächliche Temperaturentwicklung völlig falsch vorhergesagt haben und es eher unwahrscheinlich ist, dass das bei den aktuellen Prognosen anders sein wird, und weil es bei dieser geringen „Dosis“ von 0,1 Grad über einen Zeitraum von immerhin vierzehn Jahren wenig erfolgversprechend erscheint, daraus eine relevante Wirkung auf das Herzinfarktrisiko ableiten zu können.

Aber so funktioniert Wissenschaft bei Gläubigen eben nicht. Und wenn dann noch der menschengemachte Klimawandel wesentliche Basis der Karriereplanung ist, natürlich erst recht nicht. Dann heißt es nicht nur Augen zu und durch, sondern es sind jetzt auch alchemistische Fähigkeiten gefragt. Da ist dann die Versuchung groß, die Daten mit verschiedenen Verfahren so lange zu quälen, bis es gelingt, aus dem Temperaturunterschied von lediglich 0,1 Grad doch noch eine verwertbare statistische Funktion herauszuquetschen.

Bleibt zum Abschluss nur die traurige Feststellung, dass die eigentlich gut etablierten wissenschaftlichen Standards und Ideale in der Medizin offenbar dann rasch zur Disposition stehen, wenn sie in Berührung geraten mit einem unter der Flagge der politischen Korrektheit segelnden Thema.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Artikel erschien zuerst bei der Achse des Guten.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.