Daten aus Israel zeigen keinerlei Effektivität für COVID-19-Impfung mit Comirnaty (Pfizer/Biontech)

von Michael Klein, ScienceFiles

Wir haben die letzten Tage eine Diskussion unter Statistikern auf Twitter verfolgt, in der es um israelische Daten geht, die ein sehr ernüchterndes Ergebnis zeigen.

Diese Daten:

Die Diskussion gestartet hat @EduEngineer, der die oben dargestellten Daten aufgetan hat.

Zu finden sind die Daten hier.

Zum Verständnis: alle statistischen Analysen arbeiten damit, eine beobachtete Verteilung mit einer Verteilung zu vergleichen, die man erwartet. Kontingenztafelanalysen basieren auf dem Vergleich einer beobachteten Zellenverteilung mit einer erwarteten Zellenverteilung, die über Randverteilungen errechnet wird. Die meisten statistischen Verfahren stellen an irgend einem Punkt einen Vergleich zwischen einer beobachteten und einer theoretischen Verteilung, z.B. der Normalverteilung an. Aus der Abweichung zwischen dem, was beobachtet, und dem, was erwartet wird, lassen sich dann Schlüsse auf vorhandene Zusammenhänge oder eben nicht vorhandene Zusammenhänge ziehen.

Wenn man eine Population impft, dann geht mit der Impfung die Erwartung einher, dass die geimpfte Population vor einer Ansteckung mit z.B. dem Virus, gegen das sie geimpft wurde, geschützt ist. Vergleicht man also z.B. die Verteilung Infizierter über Altersgruppen einer Bevölkerung, dann muss man im Falle eines Impfschutzes erwarten, dass im Vergleich von Geimpften mit Ungeimpften die Anteile derjenigen, die infiziert sind, bei Geimpften deutlich geringer sind, als bei Ungeimpften. Die Tabelle oben stellt diesen Vergleich an. Sie vergleicht den Anteil der infizierten Geimpften mit dem Anteil der geimpften Israelis und nimmt denselben Vergleich implizit für Ungeimpfte vor. Hätte die Impfung eine Wirkung, dann müsste der Anteil der Geipmften, die sich dennoch infiziert haben, deutlich geringer ausfallen als der Anteil der Geimpften in der jeweiligen Altersgruppe der israelischen Bevölkerung. Wie die Tabelle oben zeigt, ist das nicht der Fall. Die Tabelle zeigt das Ergebnis eines vollkommen ineffektiven Impfstoffes, der im direkten Vergleich mit Ungeimpften KEINERLEI ZUSÄTZLICHEN Schutz vor Ansteckung mit SARS-CoV-2 bietet.

Dieses Ergebnis hat zu einer lebhaften Diskussion geführt und dazu, dass Yair Lewis, ein im Umgang mit Daten versierter Mediziner, die Infektionshäufigkeit für Geimpfte und Ungeimpfte berechnet hat. Die beiden letzten Spalten der folgenden Tabelle zeigen die Ergebnisse. Wie man sieht, ist die Infektionsrate nach Impfung nur für 70 bis 89jährige geringer als bei Ungeimpften. Indes sind die Unterschiede so gering, dass man darüber streiten kann, ob es dieser minimale Schutzvorteil es rechtfertigt, die erheblichen Nebenwirkungen, die mit Impfungen verbunden sind, in Kauf zu nehmen.

Die Ergebnisse zeigen, dass mit einer Impfung so gut wie keinerlei effektiver Schutz vor einer Infektion verbunden ist, der über den Schutz, der vom natürlichen und vom adaptiven Immunsystem ausgeht, hinausreicht. Auf Basis dieser Ergebnisse muss man zu dem Ergebnis kommen, dass Impfungen eine Geldverschwendung erster Güte sind, die keinen Schutz, aber die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen bieten.

Die Datenbasis der beiden Tabellen, die Daten stellt die israelische Regierung zur Verfügung, ist nicht sonderlich groß. Das Ergebnis muss vor diesem Hintergrund zurückhaltend interpretiert werden. Dessen ungeachtet ist das Ergebnis mit Sicherheit nicht das, was man von Impfstoffen erwartet, die angeblich eine mehr als 90%ige Effektivität haben.

In Israel wurde vornehmlich Comirnaty von Pfizer/Biontech verimpft.

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Schwedens lockerer Weg – Medien-Framing und RealitätKeine Übersterblichkeit 2020

von Prof. Dr. Thomas Rießinger

Glaubt man Teilen der deutschen Presse, so gibt es in Europa kein bedauernswerteres Volk als das schwedische. Ausgeliefert einer verantwortungslosen politischen Kaste und nicht geschützt durch alternativlose harte Maßnahmen, werden die Schweden sehenden Auges ins Unglück und in die Katastrophe getrieben. So wurde man beispielsweise im April beim Südwestdeutschen Rundfunk mit der freundlichen Überschrift „Corona in Schweden: Der Sonderweg ist gescheitert“ erfreut, und bei T-Online konnte man im Mai lesen, Schweden zahle für seinen Sonderweg in der Pandemie einen hohen Preis und die Lage habe sich deutlich zugespitzt. Grund genug, einen Blick auf die Situation in Schweden zu werfen.

Dass man dort im Frühjahr 2020 Fehler im Umgang mit den Alten- und Pflegeheimen begangen hat, bestreitet niemand, im Gegenteil: Man hat die Fehler erkannt, zugegeben und korrigiert – eine Verhaltensweise, die man sich von deutschen Politikern, Modellierern und Virologen ebenfalls wünschen würde, aber nur selten zur Kenntnis nehmen darf. Dennoch zeigt eine Untersuchung der schwedischen Todesfall-Statistik, dass von einer Übersterblichkeit im Jahr 2020 keine Rede sein kann. In einem früheren Beitrag bin ich zu folgenden Ergebnissen gekommen, die hier nur kurz aufgelistet werden; ihre Herleitung kann man in dem damaligen Beitrag nachlesen.

Dass die absolute Zahl der Sterbefälle 2020 auf den ersten Blick hoch erscheint, liegt an dem außerordentlich milden Jahr 2019, dem daraus resultierenden Nachholeffekt im Jahr 2020 und der Entwicklung der Bevölkerungszahlen.

Berücksichtigt man die Anzahl der Einwohner eines jeweiligen Jahres sowie die Verteilung der Altersgruppen auf die Menge aller Einwohner, so liegt 2020 im Hinblick auf die Sterblichkeit auf dem fünften Platz der Jahre 2006 bis 2020. Zehn Jahre waren härter.

Betrachtet man auch noch die einzelnen Altersgruppen, so stellt sich heraus, dass die Sterblichkeitsraten 2020 in keiner Altersgruppe in irgendeiner Weise auffällig waren.

Nun sind bereits annähernd sechs Monate des Jahres 2021 ins Land gezogen, und man kann der Frage nachgehen, wie sich die Lage in Schweden seither entwickelt hat. Da in Deutschland seit Anfang November 2020 ein wie auch immer benannter Lockdown herrscht – zu Beginn nannte man es einen „Lockdown light“, später gab es Brückenlockdowns, härtere Lockdowns und eine „Osterruhe“, die aber zurückgenommen wurde, sobald man sie verkündet hatte; der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt –, ist insbesondere ein Vergleich zwischen dem lockdownfreien Schweden und dem lockdowngequälten Deutschland von Interesse, soweit man ihn durchführen kann.

Eine immer wieder gern verwendete Datenquelle findet man bei Our World in Data, einer Online-Publikation der Oxford Martin School, die wiederum zur Universität von Oxford gehört. Sucht man hier nach der Anzahl der Covid-19-Fälle, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, so stößt man auf die folgende Graphik für Schweden und Deutschland, abgerufen am 17. Juni 2021:

Die Darstellung beginnt am 1. November 2020, weil am 2. November Deutschland in die Lockdown-Starre versetzt wurde, Schweden jedoch nicht. Man kann leicht in der Original-Graphik überprüfen, dass in den drei vorherigen Monaten die Zahl der Fälle keineswegs weit auseinander lag, während vorher noch die Folgen der anfänglichen schwedischen Fehler zu spüren waren. Erst mit beginnendem Herbst gehen die Fallzahlen, wie die Graphik zeigt, deutlich auseinander.

Muss man daraus schließen, dass der schwedische Weg gescheitert ist? Keineswegs. Zunächst ist anzumerken, dass es sich hier nicht um wirkliche „Covid-19-Fälle“ handelt, sondern nur um die Anzahl der positiv Getesteten. Bis auf Politiker und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind inzwischen die meisten Menschen darüber informiert, dass zwischen beiden Gruppen ein großer Unterschied besteht, denn abgesehen vom üblichen Problem der falsch-positiven Testergebnisse gibt es die wegen eines zu hohen Ct-Wertes irrelevant Positiven und natürlich auch die asymptomatischen Fälle, die zwar eine messbare Viruslast in sich tragen, aber dennoch nicht krank werden. Man kann aufgrund der Messmethoden nicht feststellen, ob jemand eine relevante Virenlast trägt bzw. ob die irgendwann vielleicht einmal vorhandene relevante Virenlast nur noch eine Erinnerung an frühere Zeiten ist. Zudem sollte man nicht ganz vergessen, dass die Anzahl der positiven „Fälle“ stark davon abhängt, wie viele Probanden man testet: Je höher die Anzahl der Tests, desto mehr positive „Fälle“ wird man erwarten dürfen. Wie man in der entsprechenden Graphik von Our World in Data feststellen kann, wurden aber in Schweden ab November 2020 deutlich mehr Tests, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl, durchgeführt als in Deutschland, zeitweise mehr als doppelt so viel. Das relativiert die Abstände, und es zeigt auch, dass direkte Vergleiche der bekannten und beliebten Inzidenzen genauso sinnlos sind wie direkte Vergleiche der Fallzahlen, da immer auch die Anzahl der Tests mit eingerechnet werden muss.

Etwas sinnvoller ist es somit, nicht die Gesamtzahl der Fälle in Betracht zu ziehen, sondern die Positivrate, die beschreibt, wie hoch der Anteil der positiven Fälle an der Gesamtzahl der Tests ist. Auch diese Rate kann man Our World in Data entnehmen, die folgende Graphik wurde am 17. Juni abgerufen.

Man sieht deutlich, dass sich der dramatische Unterschied stark reduziert, sofern man die Anzahl der Tests berücksichtigt und zur entsprechenden Positivrate übergeht. Ab Anfang April 2021 verlaufen die Kurven weitgehend gleich, vorher allerdings sind noch immer höhere schwedische Werte zu verzeichnen. Kann man nun aus den Daten zwischen November und Juni schon schließen, dass der schwedische Weg gescheitert ist?

Eher nicht. Noch immer handelt es sich nur um Fälle positiv Getesteter, diesmal eben in Relation gesetzt zur Anzahl der vorgenommenen Tests. Die oben angeführten Vorbehalte gelten noch immer mit Ausnahme des letzten, der die Verwendung der reinen Gesamtzahl positiver Testergebnisse moniert. Ein kleines Gedankenexperiment kann das noch verdeutlichen: Nehmen wir eine Variante an, die hochansteckend, aber im Hinblick auf die Symptome eher harmlos ist und bis auf wenige Ausnahmen nichts weiter hervorbringt als vertraute Erkältungssymptome. In diesem Fall kann die Positivrate gerne bis auf 100 % steigen – falls Karl Lauterbach das noch nicht weiß: mehr als 100 % geht nicht –, es liegt dennoch keine wie auch immer geartete Notsituation vor, nur eben eine weit verbreitete Erkältung. Man kann schon die entrüsteten Stimmen hören, die nun zornbebend vorbringen, es handle sich hier um einen klaren Fall von Corona-Leugnung oder doch wenigstens Verharmlosung. Es ist zwar schwer zu sehen, wie ein schlichtes fiktives Gedankenexperiment eine Leugnung darstellen soll, aber lassen wir der Einfachheit halber einen Virologen zu Wort kommen: „Wir werden sicherlich, wenn man das im Labor strikt messen würde, wenn man strikt so weiter testen würde, irgendwann der Auffassung, jetzt kommt so etwas wie eine vierte Welle. Aber die Frage ist, wie man die bewerten muss. Ist das überhaupt eine Welle, wenn das nur Labornachweise sind? Oder ist das eigentlich das erste Mal, der erste Winter einer saisonalen endemischen Situation? Natürlich wird die Fallzahl im Winter wieder hochgehen. Das kann auch schon im Herbst passieren. Aber das wird ab jetzt jeden Winter passieren. Und das ist dann keine pandemische Welle mehr, sondern es mag sein, dass man das im Nachhinein in ein paar Jahren interpretieren wird als: Das war der erste endemische normale Wintereffekt.“

Das entspricht im Wesentlichen der Aussage des fiktiven Szenarios und wurde im Juni 2021 auf einer bekannten Verharmloserplattform namens NDR von Christian Drosten vorgetragen. Selbst in den Augen des Hof- und Staatsvirologen scheint eine Positivenrate nicht mehr der Weisheit letzter Schluss zu sein.

Um es zusammenzufassen: Während die Betrachtung der Gesamtzahl positiver Fälle, ob man sie nun in einer Inzidenz misst oder nicht, völlig sinnlos ist, dürfte die Betrachtung der Positivraten zwar nicht mehr völlig, aber nur wenig sinnvoll sein. Immerhin sieht man an beiden Kurvenverläufen die unglaubliche Weisheit unserer rechenstarken Regierungschefin. Vor kurzem verkündete sie: „Die derzeit deutlich sinkenden Infektionsraten machen Mut und zeigen, wie sehr unsere Maßnahmen und Verhaltensregeln wirken.“ Wer hätte gedacht, dass die deutschen Maßnahmen und Verhaltensregeln sogar in Schweden zu einem zeitgleichen Abfall führen, obwohl sie dort nicht gelten?

Aber gibt es denn ein brauchbares Kriterium zur Beurteilung der Lage? Das gibt es, und die höchstrangige Herrscherin unserer radikal reduzierten Republik hat uns tatsächlich deutlich darauf hingewiesen. Im April 2020 hat sie in einer Bundestagsrede zwar wieder auf den „rapiden Anstieg der Infektionen“ aufmerksam gemacht und damit gezeigt, dass sie den Unterschied zwischen Infektion und einem positiven Testergebnis auch nach einem Jahr noch nicht verstanden hat – sie gab aber auch den vielzitierten Satz von sich, die Hilferufe der Intensivmediziner würden sie täglich erreichen: „Wer sind wir denn, wenn wir diese Notrufe überhören würden?“ Die Frage, wer „wir“ – also die politische Riege – wirklich sind, möchte ich lieber unbeantwortet lassen. Tatsache ist aber, dass hier auf eines der mehr oder weniger harten Kriterien zur Lagebeurteilung hingewiesen wurde, nämlich auf die wirkliche Zahl der Patienten, insbesondere auf die Zahl der schwer erkrankten Patienten, die Intensivbetten belegen. Und Tatsache ist auch, dass Deutschland mit dem Hinweis auf die Intensivbettenbelegung seit November in den Lockdown getrieben wurde.

Sehen wir einmal davon ab, dass noch immer nicht zwischen „an“ und „mit Covid-19“ unterschieden wird, weshalb auch beispielsweise ein auf der Intensivstation liegender Herzinfarkt-Patient, der zwar einen positiven Test erhalten hat, aber nicht im Mindesten an Covid erkrankt ist, zu den schweren Covid-Fällen gezählt wird. Sehen wir weiter davon ab, dass die in Deutschland gemeldeten Belegungszahlen der Intensivbetten nach Auffassung des Bundesrechnungshofes von den Meldenden ein wenig in ihrem Sinne interpretiert, um nicht zu sagen manipuliert wurden: Nehmen wir die von Our World in Data gelieferten Daten, wiederum abgerufen am 17. Juni, einfach für bare Münze.

Es ist nicht zu übersehen: Umgerechnet auf die jeweilige Bevölkerungszahl waren seit November in Schweden weniger Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt als in Deutschland. Und das galt nicht nur seit Anfang November, sondern, wie man an der Originalgraphik sofort ablesen kann, seit Mitte August, als man in Schweden die Folgen der anfänglichen Fehler überwunden hatte. Man hatte dort keinen Lockdown, man hat die Menschen nicht gezwungen, sich Masken vor das Gesicht zu binden, und trotzdem verlaufen die beiden Kurven nicht nur parallel – die schwedische Kurve liegt durchgängig unter der deutschen, die Belegung der Intensivbetten pro Einwohnermillion war und ist niedriger. Noch einmal: Die Belegung der Intensivbetten war ein wichtiger Grund, die Deutschen einer lang andauernden Freiheitsberaubung zu unterziehen, und nun stellt man fest, dass anderenorts eben diese Belegung ohne freiheitsentziehende Maßnahmen einen günstigeren Verlauf genommen hat.
Nun könnte das vielleicht daran liegen, dass man in Deutschland Patienten schneller in eine Intensivstation verlegt als in Schweden und in Wahrheit die Zahl der Covid-Todesfälle in Schweden deutlicher höher liegt als hierzulande, nur dass nicht auf der Intensivstation, sondern anderswo gestorben wird. Das lässt sich überprüfen, wobei wieder das Problem, ob es sich um echte Covid-Todesfälle oder um Todesfälle im Zusammenhang mit einem positiven Test außer Acht gelassen wird; die vorliegenden Daten treffen keine solche Unterscheidung.


Die Kurven sind nicht leicht auseinander zu halten, was an der von
Our World in Data vorgegebenen Farbgestaltung liegt. Das würde aber überhaupt nicht auffallen, wenn die beiden Kurven nicht fast durchgängig gleichläufig wären. Mit Ausnahme weniger Tage im Dezember, als die deutschen Zahlen deutlich über den schwedischen lagen, und einiger Tage im Januar, als es umgekehrt war, sind die Kurven fast deckungsgleich, wobei seit Februar Schweden stets etwas besser davonkommt als Deutschland. Und schon wieder sehen wir, wie sich auf wundersame Weise die Wirksamkeit der deutschen Maßnahmen einfach über die Ostsee schwingt und dafür sorgt, dass auch die Schweden trotz ihres Sonderweges davon profitieren.

Bisher ist, wie es scheint, kein nennenswertes Indiz für ein aktuelles Scheitern des schwedischen Weges zu entdecken. Aber könnte es nicht sein, dass die schwedische Politik, um ihr Versagen zu kaschieren, an Covid-19 Verstorbene einfach umdeklarieren ließ, damit die hohen Todeszahlen nicht auffallen? Betrachtet man die Handlungsweise der deutschen Regierung, so wird man keine Schlechtigkeit ausschließen wollen, und warum sollten schwedische Politiker besser sein als deutsche? In diesem Fall müsste aber eine allgemeine Übersterblichkeit vorliegen, die sich in der Statistik der allgemeinen Todesfälle niederschlagen würde. Für das Jahr 2020 war das nicht der Fall, ich hatte es eingangs bereits erwähnt. Und 2021? Bisher liegen beim statistischen Zentralamt Schwedens die Daten der Todesfälle für Januar bis April 2021 vor, wenn auch nicht nach Altersgruppen aufgeschlüsselt. Man sieht sie in der folgenden Tabelle, ebenfalls abgerufen am 17. Juni.

Einschließlich der 107 Todesfälle, die man keinem Monat zuordnen kann, sind insgesamt 32.861 Sterbefälle für die Zeit von Januar bis April zu verzeichnen. Für sich genommen, besagt diese Zahl wenig, solange man sie nicht vergleicht mit den Daten der schwedischen Sterbestatistiken vergangener Jahre. Das statistische Amt stellt monatsgenaue Daten zur Verfügung, wobei allerdings die Aufteilung in Altersklassen fest vorgegeben ist und daher nicht variiert werden kann. Ebenfalls bekannt ist die Aufteilung der Bevölkerung zu Beginn des Jahres 2021 auf diese Altersklassen, ebenso wie die Aufteilung in früheren Jahren; ich führe hier nur die Werte für 2021 an.

Nun kann man, wie ich es schon in meinem Beitrag zu den schwedischen Sterblichkeitszahlen für 2020 vorgerechnet hatte, für die Jahre von 2006 bis 2020 bestimmen, wie hoch der prozentuale Anteil der Verstorbenen an der Gesamtbevölkerung der jeweiligen Altersklasse ist, bezogen auf die Monate Januar bis April. Da es in jedem Jahr eine geringe Zahl von Todesfällen gibt, die man keinem Monat zuordnen kann, wurden diese Fälle gleichmäßig auf die einzelnen Jahresmonate verteilt; für die Gesamtbetrachtung spielen sie allerdings keine Rolle.

In den ersten vier Monaten des Jahres 2013 sind also beispielsweise 0,509 % der Bevölkerung der Altersklasse 65–74 verstorben.
Nun kann man die Sterbedaten von 2021 mit den Daten vorhergehender Jahre vergleichen, indem man die demographische Entwicklung in Rechnung stellt. Bei einer prozentualen Verteilung der Sterberaten wie im Jahr 2006 wären zum Beispiel 2021 in der Altersklasse 65–74 0,567 % der entsprechenden Bevölkerung von Januar bis April verstorben. In dieser Klasse befanden sich 1.087.351 Menschen, was zu einer Zahl von etwa 6.165 Todesfällen führt. Bestimmt man diese Zahlen für jede Altersklasse und addiert anschließend, so weiß man, wie viele Todesfälle es 2021 gegeben hätte, wenn man die Verteilung der Sterberaten des Jahres 2006 zugrunde legt. Dieses Vorgehen ergibt für die Jahre von 2006 bis 2020 die folgenden Werte, wobei nicht mit den gerundeten Prozentsätzen, sondern mit weiteren Nachkommastellen gerechnet wurde.


Hätte somit 2021 die gleichen nach Altersklassen aufgeteilten Sterblichkeitsquoten wie 2007 vorgelegen, so wären 39.305 Todesfälle zu erwarten gewesen, bei Quoten wie 2019 dagegen nur 32.165, alle anderen Jahre lagen dazwischen. Gestorben sind von Januar bis April nach den vorliegenden Daten 32.861 Menschen. Damit liegen die vier ersten Monate des Jahres 2021 auf dem zweiten Platz nach dem extrem milden Jahr 2019, und sie liegen weit entfernt von hohen Werten, wie sie etwa 2007 vorkamen. Ein Hinweis auf eine allgemeine Übersterblichkeit ist das nicht.

Es ist nicht übermäßig sinnvoll, auch die Werte einzelner Monate auszurechnen, da ein Monatszeitraum zu kurz ist, um viel auszusagen, es sei denn, man möchte überprüfen, ob extreme Ausreißermonate vorlagen. Das kann man mit der beschriebenen Methode problemlos tun. Dabei stellt sich heraus, dass der Januar 2021 kein milder Monat war, allerdings auch kein extremer Ausreißer: Die Jahre 2006 und 2009 waren härter, 2007 war annähernd gleich, die anderen Jahre waren milder. Dagegen zeigen die Monate Februar bis April ein völlig anderes Bild, denn in den Jahren von 2006 bis 2020 gab es in den entsprechenden Monaten keine niedrigeren Werte als 2021 – immer unter der Voraussetzung, dass man die Sterbequoten der früheren Jahre auf die Bevölkerungszahlen von 2021 anwendet und so die demographische Entwicklung berücksichtigt. Im Januar hat es daher ungewöhnlich viele Todesfälle gegeben, in den darauf folgenden drei Monaten allerdings außerordentlich wenige, was insgesamt die höhere Januarzahl ausgleicht und zu einem sehr milden Verlauf für die ersten vier Monate des Jahres 2021 führt.

Die Ergebnisse lassen sich leicht zusammenfassen: Bei allen relevanten Kenngrößen – Fallzahlen gehören nicht dazu und Positivraten nur sehr bedingt – hat Schweden keine auffälligen Werte. Die Belegungsquote der Intensivbetten mit Covid-Patienten, umgerechnet auf die Bevölkerung, ist niedriger als in Deutschland. Die Zahlen der an oder mit Covid-19 Verstorbenen pro Einwohnermillion haben sich in der gesamten Zeit des deutschen Lockdowns seit November 2020 genauso entwickelt wie die entsprechenden deutschen Zahlen. Im Jahr 2020 gab es keine Übersterblichkeit. Und die ersten vier Monate des Jahres 2021 haben im Hinblick auf die Sterblichkeit einen milden Verlauf zu verzeichnen.

Wer wird angesichts dieser Daten noch bestreiten können, dass der deutsche Weg gescheitert ist? Im Grunde jeder, mit Ausnahme mancher Politiker und mancher Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gescheitert ist nicht der schwedische Weg, sondern der deutsche Weg der Lockdowns und der Freiheitsberaubung ohne greifbaren Erfolg. Gescheitert ist der Weg der Grundrechtseinschränkungen und der verfassungswidrigen Gesetze. Gescheitert ist der Weg extrem einseitiger Beraterauswahl und maximaler politischer Inkompetenz. Gescheitert ist, um es kurz zu sagen, der Weg der bizarren Bundeskanzlerin. Es ist der Weg verantwortungslosen Vorgehens und vollständigen Versagens. Wie lange noch wollen sich die Menschen diesen Weg gefallen lassen?

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Gab es vielleicht „nur“ zehntausend „echte“ Corona-Tote im vorigen Jahr ?

In dem folgenden Tortendiagramm versteckt sich die Prozentzahl 1,1 % links oben unter der Bezeichnung „an Corona“ ( zu ergänzen: „gestorben“ ).

Die Bezeichnung „an“ Corona unterscheidet sich von dem offiziösen Sprachgebrauch „an und mit“ Corona (gestorben ), wie wir ihn aus den täglichen Nachrichten und vom RKI gewohnt sind. Eine andere dieser offiziösen Bezeichnungen lautet reichlich gekünstelt „im Zusammenhang mit“ Corona ( gestorben ). Die offiziösen Bezeichnungen erlauben eine Aufblähung der Corona-Sterbezahlen insofern, als jeder Verstorbene mit einer positiven Testung als Corona-Toter erfasst wird, unabhängig davon, wie  bedeutend  der Covit-Anteil  am Tod ist.

Der typische Corona-Tote ist weiterhin  über 70 Jahre alt und durch eine, häufig  mehrere schwere Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Adipositas oder Herzerkrankungen gekennzeichnet. „Aus vielen … Untersuchungen wissen wir, dass SARS-COV-2 fast ausschließlich der Tropfen ist, der ein bis zum Rand gefülltes Glas zum Überlaufen bringt“ ( Reiss, Bhakdi 2020, 36 ). Dieses anschauliche Bild macht deutlich, dass das Virus zwar in einem strengen kausaltheoretischen Sinn ursächlich ist für den Tod, aber nicht die eigentliche Ursache darstellt. Die eigentliche Ursache ist das bereits randvolle Glas. In diesem Fall ist der Tote nicht „an“ Corona gestorben. Reiss, Bhakdi zitieren den Gesundheitsberater der italienischen Regierung Prof. Ricciardi, der davon ausgeht, dass 88 % der angegebenen „Corona-Toten“ nicht eigentlich an dem Virus gestorben sind ( ebd., 40 ). Oder anders herum: nur 12 % sind eigentlich am Virus gestorben.

Die Wissenschaftler der „Corona Initiative Deutscher Mittelstand“ nennen nun für 2020 als neue Zahl für die „an“ Corona Verstorbenen 1, 1 %  aller in diesem Jahr Verstorbenen und berufen sich auf „Obduktionsergebnisse“ ( vgl. unter dem  Schaubild die Quellenangabe unten rechts ). Das kann man glauben oder nicht. Ich habe Vertrauen in die Kompetenz und Seriosität der Initiative, die enge Beziehungen zur Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU / CSU und ihrem Vorsitzenden Carsten Linnemann hat. Trotz dieser politischen Nähe zur Union hat sie sich eine sehr kritische Distanz zur Merkel-Politik bewahrt und betreibt Wissenschaft im besten Sinn als Suche nach Wahrheit. Im Grunde sind die Erkenntnisse der Initiative, wie ich u. a. in meinem letzten Artikel herausgestellt habe ( Nahamowitz 2021 ), hervorragend geeignet, die gesamte staatliche Corona-Schutzpolitik als unverhältnismäßig zu demontieren.

In Deutschland sind im vorigen Jahr insgesamt 982.489 Menschen gestorben. 1,1 % von ihnen sind 10. 807 Tote, womit dann auch die Zahl der „echten“, d.h. „an“ Corona Verstorbenen genannt ist. Diese Zahl beträgt nur etwas mehr als  ein Viertel der offiziell vom RKI gezählten 39.201 Corona-Toten ( vgl die Pressemitteilung  von Destatis Nr. 044 vom 29. Januar 2021 ). Angesichts des vielfach bewiesenen Alarmismus des RKI, welches die Corona-Zahlen verwaltet. erscheint mir dieses Ergebnis sehr plausibel.

Nur gut 10.000 echte Corona-Tote im Jahr 2020, welches nahezu  ausschließlich im Zeichen des Virus  und des staatlichen Kampfes gegen ihn stand, sind ein weiterer Beleg für die manifeste Unverhältnismäßigkeit der staatlichen Krisenpolitik, vor allem der Lockdown-Politik. Im Grippejahr 2018 betrug die Zahl der Grippetoten nach Schätzung des RKI 25.000 – an denen kein Mensch Anstoß genommen hat.

Sogar wenn man die offiziell gezählten rund 40.000 Corona-Toten zugrunde legt, sind m. E. die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der staatlichen Corona-Abwehr im vorigen Jahr zwingend. Oder soll das Plus von gerade mal 15.000 Toten im Vergleich zu den 25.000 Grippe-Toten des Jahres 2018 den Unterschied ausmachen zwischen vollständigem politischen Desinteresse und höchstem Alarmismus.?

Auch der geringe Unterschied bei den allgemeinen Sterbefallzahlen zum Vorjahr 2019 spricht dagegen, dem Jahr 2020 eine krisenhafte Ausnahmestellung einzuräumen. Nominal betrug die Übersterblichkeit im Jahr 2020 gegenüber 2019  laut Destatis zwar 5 %. Das Statistikamt relativiert diese aber sogleich durch den Verweis auf zwei Sonderfaktoren  Einmal war 2020 ein Schaltjahr, „sodass sich durch den zusätzlichen Tag ein Anstieg  um etwa 3.000 Fälle gegenüber dem Vorjahr ergibt. Wenn man außerdem den bisherigen Trend zu einer steigenden Lebenserwartung und die absehbaren Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung berücksichtigt, wäre ohne Sonderentwicklungen ein Anstieg um etwa 1 – 2 % für das Jahr zu erwarten gewesen“ ( Destatis, ebd. ).

Ein Anstieg von nur 1 – 2 % bei der Sterblichkeit gegenüber 2019, und 2020 soll das Jahr  einer „Jahrhundertpandemie“ ( Angela Merkel ) gewesen sein? Fassungslos kann man nur den Kopf schütteln und sich zum wiederholten Mal fragen, wie konnte es nur zu dieser staatlichen Überreaktion in Form mehrerer Lockdowns und sonstiger grundrechtseinschränkender „Maßnahmen“ kommen?

Die Beweggründe der Politik, zum Mittel der Lockdowns zu greifen, dürften vielgestaltig sein. Aus zwei Indikatoren kann man wissen, dass bereits im Vorfeld bewusst eine dahin gehende Entscheidung getroffen worden war. Die CIDM hat berichtet, dass sie kurz nach Ausbruch der Epidemie der Politik einen Vorschlag gemacht hatte, wie ohne schwerwiegende  Interventionen die Krise bewältigt werden könnte, Der Initiative wurde aber bedeutet, dass die Würfel für eine andere Lösung schon gefallen seien.

Der zweite Indikator ergibt sich aus dem Verhalten des NRW-MP und jetzigem CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet im Vorfeld der Lockdownverlängerung am 15. April 2020. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hatte mit Kollegen die inzwischen berühmte Heinsberg-Studie mit etwa 1000 Probanden als repräsentative Studie nach den methodischen Grundsätzen der WHO in der Gemeinde Gangelt durchgeführt, in der es im Anschluss an eine Karnevalssitzung zu einem Massenausbruch von Corona gekommen war. Streeck zog mit seinem Team von Haus zu Haus, um die maßgeblichen Daten zu erheben. Unter ihnen war die Letalitätsrate  von 0,37 %, die bedeutet, dass  auf  zehntausend Infizierte 37 Tote kommen – keine Zahl, welche dem Corona-Alarmismus dienlich war. Die Rate konnte objektiv bestimmt werden, weil alle Infizierten erfasst waren, es also keine Dunkelziffer gab. Da die Studie eine für die deutsche  Bevölkerung repräsentative Grundgesamtheit der Einwohner Gangelts erfasste, war das Ergebnis einer Letalitätsrate von 0, 37 %  auch verallgemeinerungsfähig auf ganz Deutschland.

Das Ergebnis brachte Streeck viel Kritik und Häme bis hin zu Morddrohungen ein, von den kritischen Beobachtern der offiziellen Corona-Politik dagegen viel Lob. Sein Kollege Christian Drosten, dessen Nachfolger Streeck in Bonn  ist, blieb hingegen cool. In einem Interview nannte er die Ergebnisse von Streeck „nichtssagend“. Diese nicht nachvollziehbare Beurteilung zeigt die dogmatische Grundhaltung eines der Wortführer der orthodoxen Virologenfraktion, der lange Zeit Hauptberater der Kanzlerin in Coronasachen war.

Bei der Pressekonferenz, auf der Streeck seine Ergebnisse verkündete, war Armin Laschelt anwesend und hielt auch eine Rede. In der Folgezeit war er Vertreter einer moderaten Corona-Linie, ohne in seinen zahlreichen TV-Auftritten sich aber jemals auf die 0,37 % zu berufen. Offensichtlich konnte mit dieser niedrigen Sterberate kein alarmistischer Staat gemacht werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Entschluss der politischen Entscheider zu einer harten Lockdown-Politik nicht aus einer Panikreaktion herrührte, sondern wohl kalkuliert war. Die beteiligten Politiker wussten ( oder ahnten es intuitiv), dass ganz im Sinne einer klassischen staatsrechtlichen bzw. politikwissenschaftlichen Erkenntnis der Notstand die Stunde der Exekutive ist, welche zahlreiche Regulierungs- und Profilierungschancen für die politischen Entscheider bereit hält. Auf der tiefenpsychologischen Ebene aktiviert sich bei den Akteuren in einer solchen Ausnahmesituation eine psychische Konstellation, welche Hans-Joachim Maaz das   narzistische „Größenselbst“ nennt, ein unbewusstes neurotisches Syndrom, welches  eine Selbstüberschätzung der Persönlichkeit bewirkt ( Maaz 2016 ).

Die geschilderte Notstands- und Ausnahmesituation war attraktiv für die politischen Entscheider europa- und sogar weltweit.Nur wenige Länder vermochten sich dem Konformitätsdruck zu entziehen, in Europa ist Schweden, welches ohne Lockdown ausgekommen ist, zu nennen. Seit dem Jahreswechsel erntet Schweden die Früchte seiner Standhaftigkeit: Laut Worldometer bewegen sich seit Wochen seine Todeszahlen im „seven days moving average“ im einstelligen Bereich, Zum Vergleich: Das bezogen auf die Bevölkerung 8 mal größere Deutschland verzeichnet eine 70 mal höhere Todeszahl und bewegt sich mit ihr im dreistelligen Bereich ( etwa am 6. Mai: in Deutschland 210, in Schweden 3 Todesfälle ).

In Deutschland wurde auf der wissenschaftlichen Ebene die alarmistische Corona-Politik durch die orthodoxe Fraktion der Virologen gestützt, zu der u.a. die Prof. Drosten, Lauterbach, Stürmer, Meyer-Hermann und Wieler, der zugleich Präsident des RKI ist, gehören. Diese Gruppe fordert nahezu reflexhaft bei steigenden Fallzahlen einen „ganz harten“ Lockdown, bis der Inzidenzwert zumindest unter 35, am besten unter 20, etwa bis 12 fällt.

Diese orthodoxe Virologenfraktion, die ihren organisatorischen Bezugspunkt nicht zuletzt in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat, fällt durch eine bemerkenswerte Fehleinschätzung  epidemiologischer Prozesse auf. Diese zeigte sich im Grunde bereits  bei der Einschätzung der Streekschen Forschungsergebnisse durch Drosten als „nichtssagend“. Ein weiteres Beispiel lieferte Wieler auf einer Pressekonferenz Ende April als er die beiden ersten Tage deutlich sinkender Fallzahlen mit der Bemerkung kommentierte, da habe die Bevölkerung sich auf einmal stärker an die Corona-Regeln gehalten. Dass das Sinken der Fallzahlen mit dem Eintritt in den Monat Mai zu tun haben könnte, kam ihm offensichtlich nicht in den Sinn.

Auch Karl Lauterbach ist die traditionelle Saisonalität der Corona-Viren nicht bekannt. Bei Maybrit Illner am 6. Mai zählte er fünf Gründe für das Zurückgehen der Fallzahlen auf, die Saisonalität der Corona-Viren war nicht darunter. Derart unkundige Wissenschaftler gehören zum engsten Beraterkreis der Bundesregierung.! Ganz anders Hendrik Streeck einen Tag zuvor bei Maischberger. Er kam sofort auf die Saisonalität der Corona-Viren zu sprechen. Streeck gehört zwar zum Beraterkreis Armin Laschets, aber nicht der Bundesregierung.

Drosten und das RKI hatten schon bei der Schweinegrippe 2009. welche sich im Ergebnis als vollkommen harmlos herausstellte, gegen die vehemente Opposition von Prof. Bhakdi und Dr. Wodarg die großen Warner gegeben. Das Ende der Geschichte war, dass die millionenfach eingekauften Impfdosen im Magdeburger Müllheizkraftwerk entsorgt werden mussten ( näher dazu Reiss, Bhakdi 2020, 120 ff ).

Als Corona kam, wählte die Kanzlerin nicht etwa Bhakdi und / oder Wodarg als Berater aus, sondern den falschen Warner Drosten. In der Folge werden Bhakdi und Wodarg massiv öffentlich diskreditiert und z. B. vom öffentlich-rechtlichen TV in einer offensichtlich konzertierten Aktion nie eingeladen. Augenscheinlich wurden im Kanzleramt  schon früh und entschlossen die Weichen auf Lockdown gestellt.

 

Quellen:

Maaz, Hans-Joachim 2016 : Die narzistische Gesellschaft, München ( 5. Aufl. ).

Nahamowitz Peter 2021 : Ist  die Pandemie nur eine „Laborpandemie ?“, EIKE-Publikation vom 25. April.

Reiss, Karina, Bhakdi, Sucharit 2020: Corona Fehlalarm?, Berlin.

 

Zum Autor :

Peter Nahamowitz war Prof. für öffentliches Wirtschafts- und Finanzrecht sowie Politikwissenschaft am Fachbereich Rechtswissenschaften der Leibniz Universität Hannover. Er ist seit 2007 im Ruhestand.




Pandemie der Dummheit.

Schon in der 2007 erschienenen ersten Auflage meines Buches „Öko-Nihilismus“ habe ich davor gewarnt, man werde wohl bald nicht mehr zwischen Computersimulationen mathematischer Modelle und der realen Welt unterscheiden können. Inzwischen ist die Konfusion Realität. Seit der im Auftrag des Club of Rome erstellten Computersimulations-Studie „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) werden staatliche Eingriffe in Grundrechte wie das Recht auf Privateigentum sowie Meinungs- und Bewegungsfreiheit immer öfter mit dem Verweis auf theoretische Modelle eines angeblich exponentiellen Wachstums von Problemen wie Umweltbelastung, Rohstoffverbrauch und neuerdings Virusinfektionen gerechtfertigt. Dabei tritt unbegrenztes exponentielles Wachstum sowohl in der Natur als auch in der Gesellschaft nur sehr selten auf. Bei einer Epidemie nur im theoretischen Fall, dass in der Bevölkerung keinerlei Abwehrkräfte vorhanden sind. In der Regel kommt es nur als aufsteigender Ast einer sigmoidalen Sättigungskurve vor. Das hat Angela Merkel nicht davon abgehalten, ein angeblich exponentielles Wachstum der SARS-CoV-2-Infektionen als Begründung für den von ihr unter Umgehung des Bundestages durchgedrückten Oster-Lockdown zu benutzen. Immerhin wurde sie schon am Folgetag, dem 24. März 2021, gezwungen, den drastischsten Teil ihres Beschlusses zumindest dem Anschein nach wieder zurück zu nehmen. In Wirklichkeit hält sie daran fest, im Einsperren der Menschen die einzig wirksame Maßnahme gegen die Verbreitung von Viren zu sehen.

Dabei zeigt der Vergleich zwischen Deutschland und dem US-Ferienparadies Florida, wo es seit dem letzten Sommer keinerlei Corona-bedingte Beschränkungen des täglichen Lebens gibt, dass Lockdowns keinerlei positiven Einfluss auf die Infektionskurven und die Anzahl der Todesopfer haben – negativen dagegen schon. In 98,4 Prozent der Paarvergleiche der Google-Bewegungsdaten von 87 Ländern und Regionen hat ein Lockdown keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der Zahl der Covid-Toten, wo bei noch zu berücksichtigen wäre, dass viele der statistischen Covid-Opfer nicht an, sondern mit Covid (neben Vorerkrankungen) gestorben sind. Das ist das Ergebnis einer sauberen statistischen Analyse der ersten Covid-19-Welle vom 15. Februar bis zum 21. August 2020 (Savaris, R.F., Pumi, G., Dalzochio, J. & Kunst, R. (2021).

In Deutschland hat sich die Physikerin Viola Priesemann vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation mit ihren Modellen der Ausbreitung von Covid-Epidemie-Wellen hervorgetan beziehungsweise wurde von unkritischen Massenmedien in die Rolle der Pythia gelobt. Viola Priesemann machte im Dezember 2020 auch als Mitverfasserin des Aufrufs „Contain Covid 19“ von sich reden, der im Januar 2021 zunächst im Fachmagazin „The Lancet“ erschien. Darin forderte sie zusammen mit Melanie Brinkmann, Sandra Ciesek und anderen einen radikalen EU-weiten Lockdown bis die positiven PCR-Tests auf täglich zehn von einer Million Einwohner gesunken sind. In Deutschland wurde dieser Appell von der überwiegend linksradikalen Bewegung „Zero Covid“ aufgegriffen. Zu den Erstunterzeichnern des Appells mit dem Titel „Das Ziel heißt null Infektionen. Für einen solidarischen europäischen Shutdown“ gehörten bekannte linksradikale Wiederholungstäter*Innen wie Georg Restle, Margarete Stokowski, Luisa Neubauer, Stefanie Sargnagel, Natascha Strobl, Rudolf Hickel, Frigga und Wolfgang Fritz Haug. Darin fordern sie einen grundlegenden Strategiewechsel. Der Versuch, die Pandemie durch eine Abflachung der Infektionskurve zu kontrollieren, sei gescheitert. Das Ziel müsse vielmehr lauten: „Gemeinsam runter auf null.“ Ob und wie weit das überhaupt realistisch ist, wird nicht gefragt. Umsetzen ließe sich die Forderung einer „solidarischen Pause von einigen Wochen“ nur mit totalitären Methoden, die darauf hinauslaufen, die Staatsbürger wie unmündige Kinder oder gar wie Sklaven zu behandeln. Aufs Ganze gehen, ist ja wohl die ursprüngliche Definition von Totalitarismus. Umso bedenklicher ist es, dass auch Regierungsmitglieder (wie zuletzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit seiner Forderung eines zweiwöchigen Total-Lockdown) sich immer öfters der Argumentation von „Zero Covid“ anschließen. Die bekannteste Definition der Dummheit lautet bekanntlich, von der Wiederholung oder gar Steigerung einer unwirksamen Maßnahme bessere Ergebnisse zu erwarten. Aber vielleicht ist die Kontrolle der Epidemie gar nicht das Ziel der Bundesregierung…

Inzwischen hat Jörg Phil Friedrich in der Tageszeitung DIE WELTonline, die selbst mitgeholfen hat, Frau Priesemann in die Rolle einer Wahrsagerin zu hieven, am 24. März grundsätzliche Kritik an den politisch gefälligen Modellspielereien geübt. Dort liest man u.a.: Kann es sein, dass wir trotz einer jahrhundertelangen Geschichte der Rationalisierung der Welt immer noch so etwas wie „Wahrsager“ brauchen und dass die modellierende Naturwissenschaft, so ungenau sie auch immer sein mag, heute die Rolle dieser magischen Kräfte übernehmen muss? (…) Weil die Modelle mit Inzidenzen und R-Werten rechnen, meinen wir, diese Zahlen hätten auch direkte Bedeutung für politische Entscheidungen. Andere Dinge, die nicht in den Modellen vorkommen oder sich erst gar nicht mathematisch fassen lassen, wie die gesellschaftliche Stimmung, die Veränderung des kulturellen Klimas, die Auswirkungen auf die Lebensqualität, scheinen unwichtig zu werden, weil sie ja nicht in den Modellen stehen.“

Zwei Tage zuvor stand im gleichen Blatt ein ausführliches Interview mit dem Stanford-Professor John Ioannidis, der als führender Epidemiologe der Welt gilt. Der auch in Deutschland aktive Forscher erklärte schon im Januar in einer gemeinsam mit anderen Forschern im „European Journal of Clinical Investigation“ veröffentlichten Studie, drakonische Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie wie eine Verschärfung eines bereits bestehenden Lockdowns seien überflüssig. Diese Studie stieß zumindest in Deutschland auf methodische Einwände. Inzwischen betont Ioannidis sogar, die Lockdowns hätten insgesamt eher einen negativen Effekt gehabt. Leider sei das aber wegen der opportunistischen Haltung der meisten jungen Forscher nicht deutlich geworden, beklagt Ioannidis im Interview mit der WELT: „…  bei der großen Mehrheit meiner Kritiker handelt es sich nicht um Wissenschaftler, sondern um Aktivisten oder um Anfänger, die selbst noch wenig publiziert haben. (…) Viele Forscher versuchen, ihre Analysen so anzupassen, dass es zu einem bestimmten Narrativ passt. Inzwischen haben rund 459.000 Wissenschaftler etwas zu Covid-19 veröffentlicht. Die kamen ganz plötzlich aus dem Nichts. Das mögen kluge, in Datenanalyse gut ausgebildete Leute sein, aber sie haben nicht die geringste Ahnung von Epidemiologie oder Infektionskrankheiten oder dem Gesundheitswesen. Ihre überambitionierten Modellierungen beruhen auf unsicheren, sehr fehleranfälligen Daten – das ist, als ob man einen Mercedes-Motor in einen alten Holzkarren einbaut. In ihrem Enthusiasmus glauben viele dieser Wissenschaftler, sie könnten fehlerhafte Daten analysieren, als handelte es sich dabei um Messwerte aus einem Teilchenbeschleuniger. Dabei bieten Modellierungen immer nur eine schwache Evidenz. Sie sollten auch auf meine Modellierung nicht vertrauen.“

Modelle sind provisorische Hilfsmittel der Forschung. Sie sollten niemals mit der Realität verwechselt werden, weil sie komplexe Zusammenhänge mehr oder weniger extrem vereinfachen müssen. Statt als Hilfsmittel der Forschung erscheinen Modelle heute aber immer öfters als deren eigentliches Ziel. Dieser Verdacht drängt sich auch bei der Corona-Forschung auf. Hat das von den Medien verbreitete Virus-Modell eines bunten Plüschballs überhaupt eine eindeutige Entsprechung in der Realität? Diese ketzerische Frage sollte zumindest so lange nicht als abwegig betrachtet werden, als es noch nicht gelungen ist, SARS-CoV-2 in Reinform zu isolieren und sein Genom vollständig zu sequenzieren. Zumindest einige „Querdenker“ halten SARS-CoV-2 für ein „Phantom-Virus“, hinter dem sich in Wirklichkeit mehr oder weniger harmlose Exosomen verbergen. Daher ist es auch unklar, ob PCR-Tests nach Christian Drosten das Virus an asymptomatischen Probanden wirklich nachweisen können oder ob der Test nicht vielmehr das Virus mithilfe des Primers aus wenigen Aminosäuren quasi „erschafft“.

Weil heute offenbar zu viele Forscher vor allem auf die Bestätigung eines Narratives aus sind, anstatt ergebnisoffen nach der Wahrheit zu suchen, verschwimmen die Grenzen zwischen Science und Science fiction immer mehr. Damit einher geht eine Renaissance des magischen Denkens. Dieses offenbart sich kaum irgendwo deutlicher als in der Behauptung, die „Energiewende“ mit dem Ziel der CO2-Neutralität wirke als Vorsorge gegen Covid-19. Was nicht wie gewünscht eintritt, wird notfalls inszeniert oder aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt, indem man einfach beschließt, über reale Probleme nicht mehr zu reden: Zum Beispiel über die Kohlekraftwerke, die nur acht Tage nach ihrer offiziellen, vom Staat entschädigten Abschaltung ihren Betrieb wieder aufgenommen haben, um das Stromnetz vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Oder über die enormen Umweltbelastungen, die E-Autos bei der Rohstoffgewinnung in armen Ländern verursachen. Oder nicht zuletzt über die immensen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Kollateralschäden der Corona-Lockdowns.

Immerhin läutet nun der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums, Professor Michael Baumann, die Alarmglocke, indem er darauf hinweist, dass die einseitige Ausrichtung der Krankenhäuser zu massiven Kollateralschäden führt. Wegen der Verschiebung von Untersuchungs- und OP-Terminen rechnet er mit bis zu 40.000 zusätzlichen Krebstoten. Darauf hatte schon im Frühjahr 2020 der Oberregierungsrat Stephan Kohn im Bundesinnenministerium (BMI) in einer 80-seitigen Studie hingewiesen. Zweieinhalb Millionen Menschen seien durch die einseitige Ausrichtung des Gesundheitswesens auf Covid-19 nicht medizinisch versorgt worden, schätzte Kohn. Es sei dadurch eine potentielle Lebenszeit im Umfang von mehreren Millionen Jahren geopfert worden. Kohn wurde daraufhin sofort seines Amtes enthoben. Dabei hatte er nur angewandt, was in seinem Ministerium schon im Jahre 2012 aus einer realistischeren Risikoanalyse möglicher Epidemie-Ereignisse gefolgert worden war, nämlich Maßnahmen zur Eindämmung einer Epidemie einem realistischen Kosten-Nutzen-Vergleich zu unterwerfen. Nach Oberregierungsrat Kohn führt die Nichtbeachtung der Risikoanalyse von 2012 nun zu bedenklichen Konsequenzen: „Die Resilienz des hochkomplexen und stark interdependenten Gesamtsystems Kritischer Infrastrukturen ist gesunken. Unsere Gesellschaft lebt ab sofort mit einer gestiegenen Verletzlichkeit und höheren Ausfallrisiken von lebenswichtigen Infrastrukturen. Das kann fatale Folgen haben…“. Im Parallel-Universum, in dem sich Angela Merkel und ihre handverlesenen Berater bewegen, scheint diese Schlussfolgerung allerdings unerwünscht, da „nicht hilfreich“ zu sein.

 




COVID-19 und Kreationismus: Widerlegen Borger et al. die Drosten-PCR?

Sciencefiles-Bericht zur Drosten-PCR

Die unheilige Allianz der Verschwörungstheoretiker

von Prof. Andreas Beyer, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen. Beyer ist neben Prof. Ulrich Kutschera Autor der Seite AG Evolutionsbiologie im VBIO (Verband Biologie.. e.V.)

Ende Januar 2020 publizierte ein Team von Wissenschaftlern um den Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité ein wissenschaftliches Paper, in dem es einen PCR-Test auf das neue SARS-CoV-2-Virus beschrieb (hier als Corman-Drosten-Paper bezeichnet, Corman et al. 2020). Dieser Test wird mittlerweile weltweit angewendet und wurde vielfach weiterentwickelt. Selbstverständlich kamen auch neue Tests hinzu (Stichwort „Schnelltest“ u. a.). Nun hat sich eine Gruppe von 22 Autoren um den Kreationisten Peter Borger von der Wort-und-Wissen-Vereinigung zusammengetan, um im Rahmen eines „Gutachtens“ (Peer Review) zehn „schwere Fehler“ aufzuzeigen. Dieser Text wurde am 27.11.2020 online gestellt; wir bezeichnen ihn im Folgenden als den Borger-Text . Die Autoren des Borger-Textes fahren schwere Geschütze auf: 20 Mal bezichtigen sie Corman-Drosten schwerer Fehler, sprechen zehn Mal von Mängeln („flaws“, „blemishes“, “ inadequacies“), dabei auch von krass-eklatanten Fehlern („blatant errors“) und Unzulänglichkeiten im wissenschaftlichen Design des Tests („severe / scientific design errors“). Das ist schweres Geschütz! Angesichts der Tatsache, dass solche Wortwahl in der wissenschaftlichen Literatur üblicherweise nicht vorkommt, lohnt ein Blick auf die Argumente und Autoren.

Zunächst fällt auf, dass im Autoren-Team des Borger-Textes praktisch ausschließlich fachfremde Personen vertreten sind, vom Allgemeinmediziner über den Radiologen bis hin zum 3D-Künstler! Nicht ein einziger Autor ist, wie wir noch sehen werden, firm auf dem Gebiet der diagnostischen qPCR. Unter den 22 Autoren findet sich nur ein einziger Virologe, der emeritierte Prof. Dr. Ohashi, der jedoch niemals an Corona forschte.

Zweitens führten die Autoren des Borger-Textes nicht einen einzigen Laborversuch durch. Sie argumentieren einzig „auf theoretischer Ebene“. Dies erstaunt, denn das Corman-Drosten-Paper wurde mittlerweile über 2000 Mal (wissenschaftlich!) zitiert. Der darin beschriebene Test wird weltweit vielfach angewendet und weiterentwickelt – unter anderem von einer meiner Absolventinnen (WEIL et al. 2021). Sollten der Fachwelt die behaupteten zehn „schweren Fehler“ etwa entgangen sein, während sie allein ein Team aus 22 Autoren ohne zureichende Expertise sowie ohne experimentelle Überprüfung aufdecken konnte?

Drittens ist festzuhalten, dass der Borger-Text nicht wissenschaftlich publiziert, sondern im Internet verbreitet wird. Nach Angaben des Borger-Teams sei er auch bei Eurosurveillance eingereicht worden. Aufgrund der schweren inhaltlichen Mängel ist dort jedoch nicht mit einer Publikation zu rechnen, genauso wenig wie in jedem anderen wissenschaftlichen Journal. Auch ist nicht damit zu rechnen, dass aufgrund des Borger-Textes das Corman-Drosten-Paper zurückgezogen wird, wie Borger und Koautoren dies verlangen. (Weiteres dazu unten im Text.) Im Borger-Text werden die Kritikpunkte abschießend nochmals aufgezählt, und im Folgenden wollen wir zu den Einwänden Stellung beziehen. Alle Argumente sind ausführlich in der detaillierten Analyse nachzulesen.

1. Gemäß Borger et al. seien die verwendete Primer-Konzentrationen zu hoch, und dies ohne jeden Grund. Die zu hohen Konzentrationen würden zu unspezifischen Primerbindungen und somit PCR-Amplifikaten führen. Dies würde den Test invalidieren.

Hintergrund: In einer PCR werden gezielt bestimmte DNA- (oder in einer Modifikation des Verfahrens auch RNA-) Abschnitte vervielfältigt. Bei einer diagnostischen PCR, wie hier zum Nachweis einer Corona-Infektion, ist die erfolgreiche Vervielfältigung gleichzeitig der Nachweis für das Vorhandensein des Virus. Als wichtige Bestandteile der PCR dienen sogenannte PCR-Primer. Das sind kurze synthetische, einzelsträngige DNA-Stückchen, die auf den zu vervielfältigenden Abschnitt „zielen“, da sie genau dazu passen. Bei einer qPCR kann die Vervielfältigung des Zielfragments durch Freisetzung von Farbstoff aus einer Sonde in Echtzeit verfolgt und gemessen werden (Abb. 1). PCR-Primer und Sonden sind DNA-Stückchen, die zur Ziel-DNA an bestimmten Stellen exakt passen müssen (Abb. 1). Sie werden üblicherweise in Konzentrationen von einigen 100 nM (nanomolar) eingesetzt. Im Corman-Drosten-Paper werden aber teils höhere Konzentrationen empfohlen. Borger et al. behaupten nun, dies mache den Test unspezifisch und somit unbrauchbar.

Abb. 1 Eine TaqMan-qPCR

A: Ausgangs-DNA (doppelsträngig).

B: Durch Hitze wird der DNA-Doppelstrang aufgetrennt. Die DNA liegt nun einzelsträngig vor, so dass …

C: … PCR-Primer (blau) und Sonde (rot) daran binden können. An die Sonde sind zwei Moleküle gekoppelt: Eines ist ein Farbstoffmolekül (grau), das andere ist ein Inaktivator (schwarz), der die Farbe des Farbstoffmoleküls auslöscht und ihn dadurch „maskiert“.

D: Nun findet, ausgehend von den PCR-Primern, DNA-Synthese statt, und zwar durch ein Enzym namens Taq-Polymerase (im Bild nicht gezeigt). Dadurch wird die Sonde abgebaut, wodurch der Farbstoff freigesetzt wird, was ihn aktiviert. Nun kann er – während der laufenden PCR! – gemessen werden.

Die Schritte A bis D bilden einen PCR-Zyklus; in einer qPCR werden diese Zyklenschritte bis zu 35mal wiederholt. Dabei verdoppelt sich in jedem Zyklus die Menge des PCR-Fragments. Somit verdoppelt sich auch die Menge an freigesetztem Farbstoff. Damit diese qPCR zuverlässig funktioniert, bedarf es ganz bestimmter PCR-Primer und Sonden in ganz bestimmten Konzentrationen.

Antwort: Jeder, der schon mal einen PCR-Test (insbesondere einen qPCR-Test wie im Corman-Drosten-Paper) entwarf, weiß: Die Standard-Konzentrationen sind Richtwerte, mit denen man die Etablierung des Tests beginnt. Eine Vorausberechnung der optimalen Konzentrationen ist nicht möglich: Im Rahmen der PCR-Optimierung muss man verschiedene Konzentrationen austesten. Daher liegen die finalen Konzentrationen nur selten beim Standard-Wert. Mit anderen Worten: Es ist schon im Ansatz verquer, einen Wert, der empirisch bestimmt werden muss, theoretisch (das heißt ohne Gegentests) zu kritisieren.

2. In den Sequenzen (der Primer und Sonden) existierten sechs nicht-spezifizierte („Wobbel-„) Positionen. Dadurch käme eine enorme Variabilität für die realen Labortests zustande. Ferner sei dies für die Anwender verwirrend, weswegen sich die PCR aus dem Corman-Drosten-Paper nicht für eine Standard-Diagnostik zur Identifikation des SARS-CoV-2-Virus eigne.

Hintergrund: Die PCR-Primer und Sonden (siehe Punkt 1) müssen spezifisch für ihre Zielregion, also für das zu vervielfältigende Fragment sein. Die Sequenz, also die Basenabfolge von PCR-Primern und Sonden, muss möglichst perfekt zur geplanten Bindestelle passen, sonst wird der Test unspezifisch oder unempfindlich. Nun pflegen Viren jedoch zu mutieren: Ihr Genom verändert sich. Vor allem aus diesem Grund entstehen immer wieder neue Stämme. Daher gibt es jedes Jahr neue Influenza-Epidemien.

Bevor man also eine diagnostische PCR plant, muss man alle verfügbaren Virussequenzen aus der Datenbank berücksichtigen und die PCR-Primer und Sonden an Stellen platzieren, an denen (bislang) keine Variationen aufgetreten sind. Borger et al. stellen nun fest, dass dies im Corman-Drosten-Test nicht der Fall sei: Hier gibt es in PCR-Primern und Sonden Sequenzvariationen (sog. „Wobble-Positionen“, an denen zwei verschiedene DNA-Basen auftreten können). Borger et al. behaupten, dies führe dazu, dass eine Vielzahl an Primer-Sonden-Kombinationen (mit jeweils den betreffenden Varianten) entstünde und der Test dadurch unbrauchbar würde.

Antwort: In dieser Behauptung liegen vier schwere Irrtümer von Borger und Koautoren:

I: Virale Genome mutieren nun einmal, und die sich ansammelnden Mutationen sind ungleich über das Virus-Genom verteilt: Es gibt Bereiche, die funktional besonders wichtig sind. Daher werden von der Selektion hier nur wenige Mutationen „geduldet“; diese Bereiche sind „evolutionär konserviert“. Als Zielposition für die Bindung der PCR-Primer (vgl. Punkt 1) sucht man sich diejenigen Bereiche aus, die einerseits typisch für die nachzuweisende Virengruppe sind, andererseits in eben jener Gruppe konserviert. Diesen Wunsch erfüllt einem die Natur aber leider äußerst selten, wie jeder weiß, der Erfahrung mit Virus-Diagnostik über PCR-Tests hat. Ergo muss man nehmen, was die Natur einem bietet, und das sind in aller Regel Sequenzabschnitte mit solchen „Wobbel-Positionen“. Das ist kein Design-Fehler, sondern eine schlichte Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten.

II: Durch diese „Wobbel-Positionen“ kommen mitnichten „enorme Variabilitäten im Test“ zustande. Borger und Koautoren wissen offenbar nicht, dass die betreffenden Oligonukleotide bereits als Gemisch synthetisiert, geliefert und im Test eingesetzt werden.

III: Auch die Behauptung, solche „Wobbel-Positionen“ wären verwirrend für den Anwender, zeigt, dass Borger und Koautoren keinerlei Erfahrung mit qPCR-Systemen haben: So, wie jeder Kfz-Mechaniker weiß, was ein gekröpfter Ringschlüssel ist, kann jeder halbwegs routinierte PCR-Anwender „Wobbel-Positionen“ lesen und verstehen.

IV: Die Annahme, eine PCR mit „Wobbel-Positionen“ würde automatisch unspezifisch, ist falsch. Diese nicht spezifizierten „Wobbel-Positionen“ müssen bei der Etablierung und Validierung des Tests berücksichtigt werden. Für HIV-Tests ist dieses Vorgehen seit Jahrzehnten Standard. Aus diesen Gründen gehören Oligonukleotide mit „Wobbel-Positionen“ zu Standard-Repertoire der PCR-Diagnostik auf Viren, was Borger und Koautoren offenbar nicht wissen.

3. Der Corman-Drosten-Test könne nicht zwischen kompletten und fragmentierten Virusgenomen unterscheiden. Er sei untauglich zur Detektion infektiöser Viren, was ihn als Test auf SARS-CoV-2 entwerte.

Hintergrund: Pathobiologisch aktiv (und somit ansteckend) sind nur Viren mit intaktem Genom. Der Corman-Drosten-Test weist aber nur das Vorhandensein von zwei bestimmten, kurzen Abschnitten des SARS-CoV-19 Genoms nach. Also weist der Test auch fragmentierte und somit inaktive, ungefährliche Genomkopien nach.

Antwort: Dieses Argument ist verfehlt. Zum einen kann kein einziger Test komplette von fragmentierten Virusgenomen unterscheiden. Andererseits ist dies auch nicht nötig: Jedes virale Genom – ob komplett oder fragmentiert, ob intakt oder defekt, ob ursprüngliche Version oder mutiert – entstammt einer infizierten Zelle. Wie der Infektiologe und Virologe weiß, wird jede im Patienten nachgewiesene virale Genomkopie Indikator einer Infektion sein, sobald eine bestimmte Schwelle (also Anzahl nachgewiesener Genomkopien) überschritten ist.

Im Übrigen könnte man mit dem gleichen „Argument“ auch auf Freispruch eines Täters plädieren, wenn am Tatort „nur“ dessen Fingerabdrücke, Blutspuren und Kleidungsstücke, nicht aber die Tat als solche beobachtet wurde. Das ist absurd.

4. Die Autoren behaupten, die PCR-Primer RdRp_SARSr_F und RdRp_SARSr_R hätten um 10°C voneinander abweichende Annealing-Temperaturen. Der PCR-Test zum Nachweis von SARS-CoV-2 sei deshalb untauglich.

Hintergrund: Ein besonders wichtiger Schritt bei der PCR ist das Anbinden, das Andocken (Fachbegriff „Annealing“) der PCR-Primer (vergl. Punkt 1) an ihre Zielabschnitte (hier: im Virusgenom). Dieser Prozessschritt ist temperaturabhängig: Bei zu hoher Temperatur (das heißt, wenn die Annealing-Temperatur zu hoch gewählt wird), können die PCR-Primer nicht binden. Ist sie zu niedrig, binden die PCR-Primer auch unspezifisch, also an Stellen, an denen sie nicht binden sollen. Um hier höchstmögliche Spezifität zu gewährleisten, wird man die beiden PCR-Primer physikochemisch möglichst ähnlich gestalten. Allerdings sei bei einem der Primersysteme, so der Borger-Text, die Differenz zwischen beiden PCR-Primern viel zu hoch.

Antwort: Zunächst verwechseln Borger et al. die Begriffe: Die Annealing-Temperatur ist für beide Primer gleich, das geht auch gar nicht anders! Lediglich die Schmelztemperaturen der beiden Primer unterscheiden sich. In der Tat sollten diese beiden Werte möglichst ähnlich sein. Jeder, der Erfahrung mit PCR-Systemen hat, weiß aber, dass die Gegebenheiten der vorliegenden Sequenzen das Machbare diktieren: Größere Abweichungen von den optimalen Werten sind manchmal unvermeidbar! Auch aus diesem Grunde führt kein Weg am gründlichen Austesten und Optimieren der PCR-Bedingungen vorbei, was Drosten und Koautoren auch getan haben.

5. Ein schwerwiegender Fehler sei, dass versäumt wurde, einen Ct-Wert anzugeben, der zwischen positivem und negativem Testergebnis unterscheide. Auch darum sei der Test ungeeignet, das SARS-CoV-2 Virus nachzuweisen.

Hintergrund: Die Vermehrung betreffender Zielabschnitte des viralen Genoms über PCR (genauer Fachbegriff: TaqMan-qPCR) sorgt dafür, dass im PCR-Prozess ein Fluoreszenzfarbstoff entsteht, der während des laufenden PCR-Prozesses gemessen wird. Anfangs ist noch zu wenig davon vorhanden, so dass der Farbstoff erst später im Verlauf der PCR messbar ist. Also erst, wenn der Farbstoff eine gewisse Menge erreicht, überschreitet das gemessene Signal eine bestimmte Schwelle, und er kann detektiert werden. Den Punkt, an dem diese Überschreitung der Schwelle passiert, nennt man Ct-Wert (Abb. 2). Es sei, so Borger et al., eine grobe Unterlassung, dass im Corman-Drosten-Paper dieser Ct-Wert nicht definiert werde.

Abb.2: qPCR-Amplifikationskurve. Jede Linie entspricht einem individuellen PCR-Ansatz; gezeigt sind die Messwerte (faktisch die Farbstoffentwicklung) über die Zyklen.

grün: Eine Verdünnungsreihe mit bekannten Mengen des zu vervielfältigenden DNA-Stücks. Das ist die Kalibrier- oder Standardreihe. Sie ist gleichzeitig eine Positivkontrolle, denn diese Ansätze müssen ein positives Ergebnis bringen, und zwar mit Kurven in definierten, vorhersehbaren Abständen.

rot: Negativkontrolle, also ein Ansatz ohne DNA – oder mit solcher DNA, die nicht zu den PCR-Primern passt, also nicht vervielfältigt werden kann.

blau: Drei zu messende Ansätze, von denen zwei positiv sind und einer negativ. Bei den positiven Ansätzen ermöglicht der Vergleich mit der Kalibrierreihe die Bestimmung der in den Proben vorhandenen Ziel-DNA.

orange: Schwellenwert („Threshold“). Genau dort, wo die Kurve diese Schwelle überschreitet, wird für diesen Ansatz die Zyklenzahl abgelesen: Das ist dann der Ct-Wert (eingezeichnet für die ersten beiden grünen Kurven).

Der Verlauf der Kurven muss eine typische Gestalt haben: zuerst unregelmäßig bei kleinen Werten (das ist das Hintergrundrauschen, wenn in den ersten Zyklen noch nicht genügend Farbstoff gebildet wurde), dann ansteigend in eine lineare („gerade“) Phase, die dann Richtung Horizontale abknickt. Genau dadurch kann man echte Positivwerte auch von Negativwerten unterscheiden, bei denen die Kurve flach bleibt und nur ganz am Ende ohne den beschriebenen, charakteristischen Verlauf langsam ansteigen.

Antwort: Zunächst einmal verwechseln Borger et al. die Begriffe: Den Ct-Wert kann man gar nicht angeben, denn er wird gemessen. Gemeint ist wohl der Schwellenwert, der anzugeben sei. Aber auch das ist unsinnig, weil diese Schwelle vom Detektionssystem (unter anderem also vom Gerät) abhängt. Borger et al. scheinen nicht zu wissen, wie man eine qPCR durchführt: Parallel zu den Proben lässt man eine Kalibrierreihe „mitlaufen“: Zusammen mit den Proben prozessiert man also eine Verdünnungsreihe, eine Serie von Proben mit bekannter Virus-Menge; erst der Vergleich mit den Ct-Werten dieser Reihe erbringt das Ergebnis.

6. Die PCR-Produkte seien auf molekularer Ebene nicht (durch gelelektrophoretische Analyse) validiert worden. Dadurch sei der Test unbrauchbar.

Hintergrund: Bei einer PCR wird ein Zielfragment aus einer DNA (hier: aus dem SARS-CoV-2 Genom) vervielfältigt (Fachbegriff „amplifiziert“). Standardvorgehen ist, dass ein PCR-Ansatz am Ende auf einem Agarosegel analysiert wird: Dort kann man die Länge der gebildeten Fragmente sichtbar machen.

Antwort: Selbstverständlich wurden die PCR-Fragmente zu Beginn der Entwicklungsarbeiten gelelektrophoretisch analysiert! Das macht man immer so, aber es bedarf hier keiner Erwähnung: Die Spezifität bei einer solchen qPCR ist wegen der drei voneinander unabhängigen Oligonukleotide recht hoch (vgl. Punkt 1). Außerdem beschreibt das Corman-Drosten-Paper die Validierung in aller Ausführlichkeit.

7. Der Corman-Drosten-Test beinhalte weder eine eindeutig benannte Positivkontrolle um die Spezifität für SARS-CoV-2 nachzuweisen, noch eine Negativkontrolle um die Anwesenheit anderer Coronaviren auszuschließen.

Hintergrund: Bei jedem analytischen Test – und erst recht bei diagnostischen Tests – lässt man sogenannte Kontrollen mitlaufen. Positivkontrollen sind standardisierte Ansätze, in denen die nachzuweisende Substanz (hier: das SARS-CoV-2 Genom) in bekannter Menge / Konzentration enthalten ist. Dieser Ansatz muss ein positives Ergebnis erbringen; somit überprüft man in jeden Testdurchlauf das Funktionieren des Tests. Negativkontrollen enthalten keinen (oder „falsche“) Analyten , also keine Kopie des SARS-CoV-2-Genoms. Dieser Ansatz darf kein positives Ergebnis erbringen. So überprüft man, ob es Kontaminationen gegeben hat, ob also sauber gearbeitet wurde.

Antwort: Das Gegenteil ist wahr, das Corman-Drosten-Paper benennt mehrere Positiv- und Negativkontrollen und beschreibt ausführlich die Validierung der Test-Spezifität. Die konkrete Auswahl und „Konfektionierung“ der Kontrollen obliegt dem Anwender bei Etablierung des qPCR-Systems, wenn er eine SOP definiert (vgl. Punkt 8). So ist das übliche Vorgehen.

8. Das Testdesign im Corman-Drosten-Paper sei vage und mangelhaft, so dass es [vom Anwender] dutzendfach unterschiedlich interpretiert werden könne. Nichts sei standardisiert, und es gäbe keine SOP (Standard Operation Procedure = Standard-Protokoll). Damit sei die wissenschaftliche Qualität hochgradig fragwürdig und der Test unbrauchbar zur Identifikation des SARS-CoV-2-Virus.

Hintergrund: Wenn – wie hier im Corma-Drosten-Paper – ein diagnostischer Test publiziert wird, müssen logischerweise alle Angaben vorhanden sein, die es dem Anwender ermöglichen, diesen Test im eigenen Labor zu etablieren und durchzuführen.

Antwort: Die Behauptungen sind zu einer Hälfte unwahr, zur anderen Hälfte gehen sie am Thema vorbei: Tatsächlich benennt das Corman-Drosten-Paper allerelevanten Parameter: Oligonukleotid-Sequenzen und -Konzentrationen, Salzbedingungen, dNTP-Konzentrationen und PCR-Zyklusbedingungen. SOPs sind hingegen auch (und in erheblichem Maße) abhängig von den örtlichen Gegebenheiten. Daher muss jeder diagnostische Test in jedem Labor erneut etabliert werden. Dazu gehört auch die Abfassung einer SOP. Auch hier zeigt sich, dass den Autoren des Borger-Testes jedwede Erfahrung mit diagnostischen Testsystemen fehlt.

9. Das Corman-Drosten-Paper erfuhr keine unabhängige Begutachtung. Auch deshalb sei die Qualität der Arbeit zweifelhaft.

Hintergrund: Wenn bei einem wissenschaftlichen Journal eine Publikation eingereicht wird, so wird sie einer unabhängigen Prüfung durch mehrere Fachleute unterzogen, und zwar anonym (die Autoren erfahren niemals die Namen der Gutachter). Dies dient der Qualitätskontrolle. Da das Manuskript einen Tag nach Einreichen akzeptiert wurde, könne es – so Borger et al. – nicht begutachtet worden sein, sei also unbesehen publiziert worden.

Antwort: In der Tat dauert ein Begutachtungsprozess mehrere Tage oder sogar Wochen. Allerdings ist das Journal Eurosurveillancefür seine Schnelligkeit bekannt. Wenn eine Publikation ansteht, bei der sich Autoren und Journal über die Dringlichkeit einig sind, wird manchmal ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt: Entweder, es wird dafür gesorgt, dass die Gutachter an Tag und Stunde der Einreichung bereitstehen. Oder die Begutachtung der Publikation erfolgt in Teilen – es wird laufend alles begutachtet, was eingereicht wird. In diesem Fall ist das in der Publikation vermerkte Datum der Einreichung der Tag, an dem das letzte Dokument eingereicht wurde – etwa Material, das die Gutachter noch nachgefordert haben. In einem solchen Fall kann der vermerkte Tag der Einreichung gleichzeitig der Tag sein, an dem die Publikation akzeptiert wurde. Übrigens: In diesem speziellen Fall stand den Gutachtern das Corman-Drosten-Paper bereits eine Woche vor der offiziellen Einreichung über einen sogenannten Preprint-Server zur Verfügung.

10. Es gäbe Interessenskonflikte. Erstens seien Christian Drosten und Chantal Reusken Mitherausgeber (Editoren) von Eurosurveillance, wo das Corman-Drosten-Paper veröffentlicht wurde. Zweitens wären mehrere Autoren an Biofirmen beteiligt, die (durch Verkauf von Testkits und Reagenzien) wirtschaftliche Vorteile aus dem publizierten Test zögen.

Hintergrund: Es ist wissenschaftsethisch inakzeptabel, wenn man persönliche Vorteile aus einer Publikation oder Tätigkeit zieht, ohne dies offenzulegen und klar zu benennen. Man darf sich keine Vorteile verschaffen, indem man im eigenen Journal publiziert und dabei die eigene „Hausmacht“ nutzt, um z. B. den Begutachtungsprozess zu eigenen Gunsten zu beeinflussen. Es ist auch verwerflich, durch eine Publikation eigene Produkte zu bewerben oder ihnen Marktvorteile zu verschaffen.

Antwort: Es ist nicht verboten und auch nicht wissenschaftlich fragwürdig, dass Wissenschaftler in Journalen publizieren, in denen sie Editoren sind. Die Journale haben hierfür eigene Prozeduren definiert: Die betreffenden Editoren/Autoren werden konsequent vom Begutachtungs- und Publikationsprozess ausgeschlossen. Was die Anschuldigungen in Bezug auf wirtschaftliches Eigeninteresse anbelangt, so ist festzuhalten, dass der Corman-Drosten-qPCR-Test mit besagter Publikation offengelegt wurde. Die Autoren haben den Test weder mit einem Patent noch mit einem Gebrauchsmusterschutz oder ähnlichem belegt. Er ist frei verfügbar, so dass jeder die Primer und Reagenzien beziehen kann, von wem er will. Es ist schwer, hier nicht von böswilliger Verleumdung zu sprechen. Abgesehen davon fragt man sich, was diese Anschuldigungen – unabhängig davon ob sie zuträfen oder nicht – mit der Qualität und Zuverlässigkeit des Tests zu tun haben sollten.

Im Lichte der Analyse des Corman-Drosten-qPCR-Protokolls zum Nachweis von SARS-CoV-2 hätten Borger und Koautoren schwerste Mängel nachgewiesen, aufgrund derer der Test unbrauchbar sei.

Man fragt sich, warum all diese Mängel in der mittlerweile 3/4jährigen Anwendung weltweit keinem Experten aufgefallen sind. Und man fragt sich, wie es 22 weitestgehend bis vollständig fachfremden Autoren gelungen sein soll, schwerste Mängel „festzustellen“, ohne das qPCR-System euch nur ein einziges Mal im Labor getestet zu haben!

Interessanterweise verschweigen Borger et al. (oder sie haben schlicht keine Ahnung), dass systematische (experimentelle!) Vergleiche zwischen verschiedenen PCR-Systemen publiziert wurden (z. B. AFZAL 2020; MATHEEUSSEN et al. 2020; NALLA et al. 2020; VOGELS et al. 2020), in denen keinerlei schwere Mängel festgestellt wurden. Ganz im Gegenteil muss man schwerste Mängel bis hin zu ehrabschneidenden Behauptungen im Borger-Text konstatieren. Dies reicht bis zu Anfänger-Fehlern in der Analyse der Primersequenzen sowie bei der Berechnung der Konzentrationen (Details in der  ausführlichen Widerlegung).

Wie mangelhaft Borgers Expertise im Bereich der Molekularbiologie ist, zeigt sich auch im  W+W-Disk.-Beitr. 3/20 („Covid-19 und mRNA-Impfstoffe – eine kleine Orientierungshilfe“), wo im Abschnitt Der mRNA-Impfstoff mRNA-Impfstoffe und rekombinante Impfviren vermengt und verwechselt werden.

Literatur

AFZAL, A. (2020) Molecular diagnostic technologies for COVID-19: Limitations and challenges. Journal of advanced research 26, S. 149-159. Doi: https://doi.org/10.1016/j.jare.2020.08.002.

BORGER, P.; MALHOTRA, B. R.; Yeadon, M.; CRAIG, C.; McKERNAN, K.; STEGER, K.; McSHEEHY, K.; ANGELOVA, L.; FRANCHI, F.; BINDER, T.; ULLRICH, H.; OHASHI, M.; SCOGLIO, S.; DOESBURG-van-KLEFFENS, M.; GILBERT, D.; KLEMENT, R.; SCHRUEFER, R.; PIEKSMA, B. W.; BONTE, J.; DALLE CARBONARE, B. H.; CORBETT, K. P. & KÄMMERER, U. (2020) External peer review of the RTPCR test to detect SARS-CoV-2 reveals 10 major scientific flaws at the molecular and methodological level: consequences for false positive results. https://cormandrostenreview.com/report/

CORMAN, V. M.; LANDT, O.; KAISER, M.; MOLENKAMP, R.; MEIJER, A.; CHU, D. K.; BLEICKER, T.; BRÜNINK, S.; SCHNEIDER, J.; SCHMIDT, M. L.; MULDERS, D. G.; HAAGMANS, B. L.; van der VEER, B.; van den BRINK, S.; WIJSMAN, L.; GODERSKI, G.; ROMETTE, J. L.; ELLIS, J.; ZAMBON, M.; PEIRIS, M.; GOOSSENS, H.; REUSKEN, C.; KOOPMANS, M. P. & DROSTEN, C. (2020) Detection of 2019 novel coronavirus (2019-nCoV) by real-time RT-PCR. Euro Surveillance 25(3), 2000045. Doi: https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.3.2000045.

MATHEEUSSEN, V.; CORMAN, V. M.; DONOSO MANTKE, O.; McCULLOCH, E.; LAMMENS, C.; GOOSSENS, H.; NIEMEYER, D.; WALLACE, P. S.; KLAPPER, P.; NIESTERS, H. G.; DROSTEN, C.; LEVEN, M. & RECOVER project and collaborating networks (2020) International external quality assessment for SARS-CoV-2 molecular detection and survey on clinical laboratory preparedness during the COVID-19 pandemic, April/May 2020. Euro Surveillance 25(27), 2001223. Doi: https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.27.2001223.

NALLA, A. K.; CASTO, A. M.; HUANG, M.-L. W.; PERCHETTI, G. A.; SAMPOLEO, R.; SHRESTHA, L. et al. (2020) Comparative performance of SARS-CoV-2 detection assays using seven different primer-probe sets and one assay kit. Journal of Clinical Microbiology 58(6), e00557-20. Doi: https://doi.org/10.1128/JCM.00557-20.

VOGELS, C. B. F.; BRITO, A. F.; […] & GRUBAUGH, N. D.  (2020) Analytical sensitivity and efficiency comparisons of SARS-CoV-2 RT-qPCR primer-probe sets. Nature Microbiology 5(10), S. 1299-1305. Doi: https://doi.org/10.1038/s41564-020-0761-6.

WEIL, P. P. et al (2021) Combined RT-qPCR and Pyrosequencing of a SARS-CoV-2 Spike Glycoprotein Polybasic Cleavage Motif Uncovers Rare Pediatric COVID-19 Spectrum Diseases of Unusual Presentation. Doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.19.20243428.

Unser Kommentar zur Kritik von Prof. Beyer (ARG):

Tatsache ist, daß Christian Drosten mit seinen Förder-Millionen schon gute Virologen und Laborwissenschaftler einkaufen kann, die die Reputation seiner Professur/Abteilung erarbeiten. Eine mittlerweile an deutschen Universitäten übliche Situation: Der Gruppenchef ist ein guter Politiker; und seine stillen Doktoren, Doktoranden und T-Assistenten machen die tägliche Laborarbeit und veröffentlichen diese.

Nichtsdestotrotz ist die halb-quantitative RT-PCR und allgemein die qualitative PCR natürlich keine Methode, um eine Infektion oder gar Erkrankung nachzuweisen; bestenfalls ein Hinweis für weitere Methodik. Der „Massenausbruch“ bei Tönnies, wo Corona-haltige Rinder und Pferde zerlegt wurden, zeigt sehr deutlich, daß PCR alle möglichen C-Viren nachweisen kann (und tut). Der Hinweis auf die mangelnde Fachkenntnis der Autoren um Pieter Borger ist unserer Ansicht nach heftig übertrieben, da mehrere Ärzte (auch eine Virologin!) und Biochemiker/ Laborchemiker unter den Autoren sind. Beispiele:

Dr. Pieter Borger (MSc, PhD), Molekulargenetik, W + W Research Associate, Lörrach, Deutschland

Dr. Michael Yeadon BSs (Hons) Biochem Tox U Surrey, PhD Pharmakologie U Surrey. Geschäftsführer, Yeadon Consulting Ltd, ehemaliger Pfizer Chief Scientist, Großbritannien

Dr. Clare Craig MA, BM (Cantab), Bachelor Chemie (Oxon), FRCPath, Vereinigtes Königreich

Kevin McKernan von der BS Emory University, wissenschaftlicher Leiter und Gründer von Medical Genomics, hat die Sequenzierungspipeline am WIBR / MIT für das Humangenomprojekt entwickelt, den SOLiD-Sequenzer erfunden und entwickelt und Patente für PCR, DNA-Isolierung und Sequenzierung in den USA erteilt

Dr. Paul McSheehy (BSc, PhD), Biochemiker und Industriepharmakologe, Loerrach, Deutschland 8) Dr. Lidiya Angelova, MSc in Biologie, PhD in Mikrobiologie, ehemaliger Forscher am Nationalen Institut für Allergie und Infektionskrankheiten (NIAID), Maryland, USA

Prof. Dr. Makoto Ohashi, emeritierter Professor, PhD in Mikrobiologie und Immunologie, Tokushima University, Japan

Dr. Marjolein Doesburg-van Kleffens (MSc, PhD), Facharzt für Labormedizin (klinische Chemie), Maasziekenhuis Pantein, Beugen, Niederlande

Dr. Ruth Schruefer, PhD, Humangenetik / Immunologie, München, Deutschland,

Dr. Bruno H. Dalle Carbonare (Molekularbiologe), IP-Spezialist, BDC Basel, Schweiz

Prof. Dr. Ulrike Kämmerer, Fachärztin für Virologie / Immunologie / Humanbiologie / Zellbiologie, Universitätsklinikum Würzburg

Update der EIKE Redaktion

Ulrike Kämmerer hat hier auf Rubikon zu ähnlicher Kritik schon einmal Stellung genommen. Mit Dank an Leserin Christine Full

 

Gunnar Kaiser hat ein gut verständliches Video zur Drosten-PCR publiziert, das einige der Argumente von Prof. Beyer betrifft.