„Weltfremde Beschlüsse“ : Wie die Energiewende deutsche Automobilhersteller ins Ausland treibt*

Über Jahrzehnte war die Automobilindustrie ein Zugpferd für die gesamte deutsche Wirtschaft. Inzwischen geht es bei sogenannten Autogipfeln im Kanzleramt regelmäßig um staatliche Milliardenhilfen für die Autobauer und die Zulieferindustrie. Auf dem mittlerweile vierten Autogipfel hat die Bundesregierung diesen Monat nochmals Hilfe im Umfang von drei Milliarden Euro zugesagt. Allein für eine Lkw-Abwrackprämie, die den Verkauf neuerer Modelle ankurbeln soll, stellt der Bund eine Milliarde Euro zur Verfügung.

Überschattet wurde der vierte Autogipfel von Plänen der EU-Kommission für die neue Abgasnorm Euro 7. Die Brüsseler Pläne sehen vor, die Abgasgrenzwerte 2025 noch einmal drastisch zu verschärfen. Im Gegenzug scheint die EU-Kommission die Umweltbilanz von Elektroautos massiv schön rechnen zu wollen.

Die Bewertungen der neuen Abgasnorm gehen weit auseinander. Während einige Experten wie Ferdinand Dudenhöffer in der Umsetzung der Vorgaben technisch kein Problem sehen, warnt der CDU-Wirtschaftsrat vor „weltfremden Beschlüssen“ und der „Zerstörung der europäischen Automobilhersteller und ihrer vielen mittelständischen Zulieferer“.

Vorreiter Daimler und Bosch

Erste Anzeichen, dass sich Autobauer von Deutschland als Forschungs- und Produktionsort zunehmend verabschieden, sind bereits erkennbar. Daimler gab bekannt, zusammen mit seinem Großaktionär Gee­ly hochmoderne Benzinmotoren in China entwickeln zu wollen (siehe Meldung auf Seite 7). In einer Mitteilung ließ der Stuttgarter Autobauer wissen: „Um die globalen Märkte zu bedienen, wird der Export des Motors aus China in Betracht gezogen.“ Bosch entwickelt zusammen mit dem chinesischen Motorenhersteller Weichai neue Dieselmotoren für Lastkraftwagen. Auch in diesem Falle wird technologisches Wissen von Deutschland nach China verlagert. „Um die Effizienzverbesserung zu erreichen, hat Bosch nach eigenen Angaben vor allem sein Know-How aus dem Bereich des Common-Rail-Einspritzsystems eingebracht“, so die „Automobilwoche“. Die Führung in Peking setzt nicht allein auf die E-Mobilität, sondern gibt sich wesentlich technologie-offener als die EU-Kommission mit ihrem „European Green Deal“.

Das Reich der Mitte ist nicht der einzige Akteur, der hoffen kann, von der Fixierung der deutschen Politik auf E-Mobilität zu profitieren. Mit den E-Autos werden die Karten auf dem globalen Automobilmarkt weltweit neu gemischt. Da die E-Autos im Vergleich zu Benzin- und Dieselfahrzeugen relativ simpel konstruiert sind, wittern nun auch Länder eine Chance, die im Bau herkömmlicher Autos technologisch hinter führenden Autobaunationen wie Deutschland und Japan hinterherhinken. Neben der Türkei und Polen hat beispielweise zuletzt auch Russland einen Prototyp eines eigenen E-Autos vorgestellt.

Die zwei Seiten des Hypes um E-Autos lassen sich insbesondere in Kalifornien beobachten. Der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA erlaubt ab dem Jahr 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen. Kaliforniens Regierung beruft sich beim Verbot auf den „Klimaschutz“ und die schlechte Luftqualität in Metropolen wie Los Angeles. Gleichzeitig ist in Kalifornien aber auch die Hauptzentrale von Tesla, dem Vorreiter des E-Autobaus, beheimatet. Das Verbot herkömmlicher Autos mit Verbrennungsmotor kann vor diesem Hintergrund faktisch auch als wirtschaftliche Standortpolitik verstanden werden.

Euro-7-Abgasnorm : „Ein riesiges Problem der Wirtschaft“

Im Auftrag der EU hat eine Expertengruppe namens „Advisory Group on Vehicle Emission Standards“ (AVGES) eine Studie zu einer neuen Euro-7-Abgasnorm gefertigt, die ab 2025 in Kraft treten soll. Nachdem Details aus dem Papier bekanntgeworden sind, hagelte es insbesondere aus Deutschland Kritik an den Plänen. In der Automobilbranche war im Zusammenhang mit Euro 7 sogar schon von einer „Kriegserklärung“ die Rede. Die Chefin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, gehört zu den Kritikern: „Die Kommission will vorschreiben, dass künftig ein Fahrzeug in jeder Fahrsituation quasi emissionsfrei bleiben muss – sei es mit Anhänger am Berg oder im langsamen Stadtverkehr. Das ist technisch unmöglich, und das wissen auch alle.“

Anderer Meinung ist der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Er wies darauf hin, dass viele neue Diesel-Fahrzeugmodelle die für 2025 angedachten Stickoxid-Werte schon jetzt erreichen.  Auch Stefan Carstens, Geschäftsführer von EngineSens Motorsensor, hält die neue Abgasnorm für technisch machbar. Als Folge der zusätzlichen Kosten bei den Autos mit Verbrennungsmotor erwartet Carstens, dass die E-Autos wettbewerbsfähiger werden.

Bislang ist der Preisunterschied noch immer so groß, dass die Anschaffung eines E-Autos für viele Kunden unattraktiv ist. Verteuert sich auch die Alternative, nämlich Neuwagen mit einem Verbrennungsmotor, könnte dies zu einer Entwicklung führen, vor der Fritz Indra bereits vergangenes Jahr gewarnt hat. Der Motorenentwickler sprach davon, dass die Kunden mit ihren aktuellen Autos eigentlich hochzufrieden seien. Steigende Autopreise könnten viele potenzielle Käufer dazu veranlassen, eine Neuanschaffung um einige Jahre zu verschieben. Indra warnte, „wenn der übliche Sechs-Jahres-Zyklus bei Neuanschaffungen um ein, zwei oder drei Jahre unterbrochen wird, hat die Wirtschaft ein riesiges Problem“.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  27. November 2020, S.2; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie dem Autor Norman Hanert für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/

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