Ein runder Spiegel

Unsere Erde hat eine Hülle aus Wasser, die hier und dort durch Festland unterbrochen wird. Ihre Oberfläche, auch Meeresspiegel genannt, ist fast kugelförmig, aber nur fast. Durch diverse Kräfte wird sie leicht deformiert. Da ist etwa der Mond, dessen Anziehungskraft auf offener See einen sehr flachen, ca. 60 cm hohen Wellenberg erzeugt, unter dem sich die Erde hindurch dreht. Küstenregionen erleben dann Ebbe und Flut. Die kann wesentlich höher werden als 60 cm, wenn besagte Welle in einer Bucht aufläuft.

Paradoxerweise bildet sich auf der vom Mond abgewandten Seite der Erde ebenfalls solch eine Welle, obwohl das Wasser doch zum Mond hingezogen wird. Das liegt daran, dass der Mond nicht einfach um die Erde läuft, sondern die beiden um einen gemeinsamen Schwerpunkt tanzen, und das erzeugt Zentrifugalkraft.

Es gibt dann noch eine Reihe anderer Effekte, die dem Meeresspiegel die ideale Kugelform verwehren. Nichts desto trotz aber ist er die geheiligte Nulllinie, über der wir die Höhenlage von Objekten auf festem Boden bestimmen.

Was hat sich bewegt?

Nun gibt es seit einiger Zeit Befürchtungen, besagter Meeresspiegel, würde nicht nur temporär deformiert, sondern systematisch angehoben. Dazu möchte ich über eine interessante Forschungsarbeit berichten, die quasi bei mir vor der Haustüre in Kapstadt durchgeführt wurde, in der Südwestecke des afrikanischen Kontinents.

Zuerst aber ein Gedankenexperiment.

Nehmen wir an, Sie sitzen in der Badewanne und lesen einen Roman. Kopf und Unterarme befinden sich über dem Wasserspiegel, der Rest ist auf Tauschstation. Nach einem spannenden Kapitel schauen Sie vom Buch auf und stellen zu Ihrem Schrecken fest, dass die Knie jetzt zu sehen sind. Was war passiert? Ist der Wasserspiegel gesunken oder haben sich Ihre Beine spontan neu positioniert? Sie können sich an nichts erinnern. Es ist mysteriös.

Ähnlich beobachten wir Veränderungen des Meeresspiegels an den Küsten, etwa wenn Mutter Erde ein Körperteil zeigt, das bislang unter Wasser war, oder wenn Land unter ist, wo es vorher trocken war. Das ist ein Fall für die Geologen, die sich fragen müssen, was sich bewegt hat; war es der Wasserspiegel oder war es die Erde? Genau das untersuchte man nun an den Küsten Südafrikas – und man hat eine Antwort gefunden, die gut in den Zeitgeist passt.

Vom Hundefelsen zur Hoffnung

An ausgewählten Stellen, vom Atlantik ums Kap herum bis zum Indischen Ozean, untersuchte ein internationales Team also die Küste. Das war kein exotisches Abenteuer, so wie wir es von Indiana Jones kennen, denn die Region ist leicht zugänglich und zivilisiert. In ihren Berichten erwähnen die Forscher beispielsweise „Hondeklip Bay“, das gemütliche Dorf am Hundefelsen mit gut 500 Einwohnern. Etwas mehr Action fanden sie dann zwei Autostunden südlich in Lamberts Bay. Hier hat Isabellas Restaurant Shrimp und Hummer auf der Speisekarte, also die späten Nachfahren der Fossilien, denen das Interesse unserer Geologen galt.

Aber auch am anderen Ende der Region, in „de Hoop“, dem Ort der Hoffnung am Indischen Ozean, kann man es aushalten. Es gibt da ein großzügiges Ferienresort; es ist gut zu erreichen, denn auf der angrenzenden Weidefläche kann man mit seinem Flugzeug landen, vorausgesetzt es gelingt einem erst einmal, die dort grasenden Strauße zu verscheuchen.

Krabben auf dem Trockenen

An dieser Strecke also, im Gestein der mehr oder weniger steilen Küste, sind unsere Forscher auf die Fossilien von Kreaturen gestoßen, die einst am Meeresgrund ein glückliches Leben führten. Dort also, einige zehn Meter hoch, wo es heute trocken ist, muss einstmals Wasser gewesen sein.

Fossilien von Seegetier auf dem Trockenen zu finden sollte einen Geologen nicht in Ohnmacht fallen lassen; die sind für ihn so alltäglich wie Falschparker für einen Polizisten. Man ist ja sogar 8000 m hoch im Himalaya auf sie gestoßen – auf versteinerte Ammoniten, nicht auf Falschparker.

Das Besondere ist, dass die Funde an der afrikanischen Küste nur ein paar Millionen Jahre alt sind, und dass es Grund zur Annahme gibt, dass nicht der Erdboden sich aus dem Meer gehoben hat, sondern dass das Wasser damals so hoch stand. Es war also nicht Mutter Erde, die den großen Zeh bewegt hat, es war sozusagen der Wasserstand in der großen Badewanne.

Stand Mount Everest also damals auch unter Wasser? Nein, da wurde das Terrain aufgetürmt, weil sich irgendwelche tektonischen Platten in einander verkeilt hatten und dann nur noch nach oben ausweichen konnten. Mamma Afrika aber hat einen ruhigen Schlaf in dem sie sich kaum bewegt. Über den Tafelberg gleich nebenan wollen wir mal hinwegsehen.

Mutter Erde – politisch korrekt?

Bis hierher wollen wir unseren Forschern widerspruchslos folgen, im Vertrauen auf ihre Professionalität und wissenschaftliche Korrektheit. Ab jetzt aber wird die Argumentation etwas holperiger.

Was war der Grund für den höheren Meeresspiegel? Polkappen waren geschmolzen und das Wasser hat sich ausgedehnt. Warum? Es herrschte Global Warming. Und woher kam das? Zu viel CO2 in der Atmosphäre. Wieviel war das damals? 400 ppm, also genau der Stand, den wir bösen Menschen heute dank SUVs und Ferienjets produziert haben!

Das also hat unser Team herausgefunden.

Anschließend waren dann CO2 und Meeresspiegel wieder spontan gesunken und die Krabbentiere, die es sich auf dem neu gewonnenen Meeresgrund gemütlich gemacht hatten, saßen im Trockenen und warteten darauf, ein paar Millionen Jahre später von Geologen gefunden zu werden.

Unsere Forscher beeilen sich auch, uns darauf hinzuweisen, dass, wenn wir uns nicht alle an das Pariser Klima-Abkommen halten, der Meeresspiegel demnächst bis in die oberer Stockwerke unserer Hochhäuser steigt und sich auf den Balkons wieder Krabben und Seesterne häuslich einrichten werden.

Das hört sich nun doch etwas nach „Programm-Forschung“ an, bei der das Ergebnis fest steht, bevor die Messungen gemacht sind. Finanziert wird das Projekt übrigens mit 4,25 Mio. Dollar durch die US National Science Foundation, die in Sachen Klima und Gender von sich reden macht.

Das Ganze erinnert an eine Anekdote aus einem verwandten Milieu. Zwei konkurrierende archäologische Teams graben nach Relikten alter Kulturen und haben den Ehrgeiz zu beweisen, dass jeweils „ihre“ Zivilisation schon sehr weit entwickelt war.

Die eine Gruppe stößt in vielen Metern Tiefe auf Überreste einer Stadt, mit erstaunlich gut erhaltenen und wohlgeformten Tongefäßen und anderen Artefakten, darunter auch größere Mengen an leicht oxidiertem Kupferdraht. Nach einigem Rätselraten über diesen Fund war es klar: Die Bewohner hatten damals schon Telefon! Welch eine Sensation.

Das andere Team fand zwar auch Relikte einer alten Stadt, wohl entwickelt, fast vergleichbar mit Pompeji. Was sie aber nicht fanden war Kupfer. Und so veröffentlichten sie dann ihre Entdeckung: „Sensation: schon damals gab es drahtlose Mobiltelefone.“ Sie hatten gefunden, wonach sie suchten.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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