Carl Heneghan hat einen Artikel im britischen Politik- und Kulturmagazin Spectator verfasst, dem ältesten noch existierenden Magazin englischer Sprache. Darin zeigt er, dass derzeit in Großbritannien eine leichte Untersterblichkeit herrscht, also weniger Menschen sterben als im Schnitt der fünf vorherigen Jahre.
Die eigentliche Erkenntnis liegt aber darin, dass die Sterblichkeit in den britischen Pflegeheimen und Krankenhäusern aktuell sogar deutlich niedriger ist, aber die Sterblichkeit in den Privathaushalten viel höher als normal – und dies liegt mit Sicherheit nicht an Covid-19. Der naheliegende Grund ist: Dort wird aktuell gestorben, weil die Menschen vorher nicht zum Arzt gegangen sind, um das Gesundheitssystem in Coronazeiten zu schonen.
So wurden ihre Krankheiten zu spät oder gar nicht behandelt. Heneghan nennt Schätzungen von 200.000 Todesfällen, mit denen Großbritannien aus diesem Grund zu rechnen hat. Und, wie gesagt, wenn Fachleute wie er von Zahlen reden, sollte man das ernstnehmen, im Gegensatz zu den Einlassungen der Drostens und Lauterbachs dieser Welt, die da keinerlei Kompetenz erkennen lassen.
Epidemiologen, die etwas von Evidence Based Medicine verstehen, also von der korrekten Deutung von Studienzahlen, gibt es auf der ganzen Welt. In den USA etwa den herausragenden John Ioannidis von der Standford University, der von Anfang an vor dem Fiasko durch massive Schutzmaßnahmen auf ungenügender Datengrundlage warnte. Es gibt sie auch in Deutschland und Österreich, wie beispielsweise Andreas Sönnichsen (siehe auch hier).

Das ganze Elend der Politik

Doch speziell in Deutschland kommen diese Experten nicht zu Wort, dabei sind sie die Spezialisten genau des Fachgebietes, welches uns am besten sagen kann, welche Belege es für die Gefährlichkeit von Covid-19 gibt. Also wie wir die Lage einschätzen sollten und was die Konsequenzen der Schutzmaßnahmen, positiv wie negativ, sind. Andreas Sönnichsen wurde in die österreichische Talkshow Talk im Hangar (22.07.2020) zusammen mit einem Kollegen und einer Kollegin, einer Richterin und einem Regierungspolitiker eingeladen.
Dort zeigte sich das ganze Elend der Politik. Andreas Sönnichsen argumentierte auf der Basis von soliden Belegen, während die zwei anderen Mediziner vor allem rein aus ihrer mehr emotional begründeten Sichtweise heraus argumentierten, sowohl pro und contra. Zusammengefasst lautet die Schlussfolgerung des Politikers aber in etwa so: Es zeigt sich gerade, dass drei Ärzte drei verschiedene Meinungen haben, und da sollen wir Politiker uns entscheiden. So treffen wir dann halt eine Entscheidung und halten daran dann auch fest.
Er behandelte die drei Meinungen also gewissermaßen gleichwertig. Das ist nichts anderes als die Kapitulation des Willens, sich um die fachlich beste Meinung zu bemühen und zwar jeden Tag neu (und auf dem Boden eventuell neuer Erkenntnisse). Um die am besten begründete Meinung herauszufinden, gibt es klare Regeln, wie zum Beispiel die der Evidenzbasierten Medizin. Und diese bestbegründete Meinung vertrat eindeutig und nachweisbar Andreas Sönnichsen. Wozu gibt es eigentlich solide Wissenschaft, wenn es die Entscheider in der Politik nicht interessiert oder sie zu träge sind, sich darum zu bemühen? Sehen Sie dazu Andreas Sönnichsen ab Min. 7:04 und darauf den grünen Bürgermeister von Innsbruck Georg Willi ab Min. 11:20 und später im Verlauf des Talks.

Teufelskreislauf der Panik

Zurück zum Spectator-Aufsatz des Epidemiologen Carl Heneghan. Das zugrundeliegende Problem dieser offensichtlichen Verneinung der Wirklichkeit sieht Heneghan darin, dass Menschen dazu neigen, sich am Anfang auf eine Bezugsgröße zu einigen, man könnte auch Anker oder Tunnel dazu sagen, und dann, obwohl sie sich als falsch erweist, eisern daran festhalten.
Im Falle von Corona war es ganz sicher die viel zu hohe Sterblichkeitsannahme, die zu den Horrorzahlen allein in Deutschland von hunderttausenden Toten motivierte, obwohl sie schon zum Zeitpunkt ihrer Propagierung nachweislich falsch war. Aber sie löste die Panik der Entscheider aus, die bis heute deren Handlungen bestimmt, obwohl wir ganz sicher wissen, dass die Sterblichkeit einer Infektion mit dem SARS-Cov-2 die einer normalen saisonalen Grippeinfektion nicht übersteigt. Aber die Politik wie die Öffentlichkeit schaffen es einfach nicht, aus diesem Teufelskreislauf der Panik auszusteigen.
Hier ihm Wortlaut frei übersetzt Carl Heneghans Schlussfolgerung:
Der Coronavirus Ausbruch hat große Emotionen, verbunden mit dem starken Wunsch nach Handlung, ausgelöst. Obwohl die Daten auf das Gegenteil hinweisen, wollen heute noch viele im Lockdown verharren. Im zu starken Vertrauen auf die ersten Informationsbruchstücke finden wir, dass dies keine gute Idee ist. Wir sollten uns die Tatsache klarmachen, dass wir diese Tendenz am starren Festhalten haben. Die Lösung besteht in einer Verlangsamung der Entscheidungsprozesse, suchen nach zusätzlichen Gesichtspunkten und Informationen. Reaktion in Eile führt zum starren Festhalten an falschen Maßnahmen und der damit verbunden Probleme. Wenn wir auf Covid-19 blicken, dann ist die wirkliche Bedrohung nicht die Krankheit; es ist, wie wir auf aufkommende Informationen reagieren.
Im englischen Originmaltext:
„The coronavirus outbreak has involved powerful emotions and strong impulses for taking action. Despite evidence pointing to the contrary, many want to stay in lockdown. Relying too heavily on the first piece of information we come across is a bad idea. We all need to be aware of the fact that we have this anchoring tendency. The solution involves slowing your decision-making processes, seeking additional viewpoints and information. Reacting in haste acts to underpin anchoring and its associated problems. When it comes to Covid-19, the real threat is not the disease; it’s how we react to the emerging information.“
Wer Englisch versteht, sollte seinen Spectator-Beitrag unbedingt in Gänze lesen. Kluge Stimmen in dieser Zeit des Irrsinns zu vernehmen, tut einfach gut.

Aktueller Nachtrag 10.08.2020/9Uhr

Folgender Brief erreichte mich aktuell als E-Mail über den Verteiler der Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung. Der Brief wurde verfasst von Prof. Christof Kuhbandner, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie VI. der Uni Regensburg
Liebe Alle,
Sie haben es sicher mitbekommen: Das RKI ist aktuell mit der Message in den Medien unterwegs, dass aktuell die Reproduktionszahl R wieder steigen würde, was laut RKI an den bundesweiten Lockerungsmaßnahmen liegen würde (z.B.hier).
Das ist – man muss es in meinen Augen so sagen – eine unfassbare Irreführung des Bürgers.
Am 6. Mai wurden vom RKI ja die Richtlinien geändert, wer getestet werden soll. Von da an werden alle Personen mit respiratorischen Symptomen jeder Schwere getestet (Siehe hier), unabhängig davon, ob es irgendwelche zusätzlichen Risikofaktoren gibt (letzteres ist die Änderung, vorher musste eine Person zusätzlich zu Symptomen Risikofaktoren aufweisen).
Zudem wird inzwischen zunehmend in der Breite völlig unabhängig von Symptomen getestet, wie die Medienberichte zu Testungen im Bereich des Fußballs  und im Bereich der Schlachthöfe zeigen – hier lässt beispielsweise Schleswig-Holstein die Belegschaften aller großen Betriebe im Land testen.
Durch die damit verbundene deutliche Ausweitung der Tests – in den Wochen davor wurden ja bis zu 60% der vorhandenen Testkapazitäten nicht genutzt  – werden natürlich deutlich mehr Infektionen entdeckt. Deswegen haben sich aber nicht mehr Personen als vorher angesteckt, sondern die erhöhte absolute Anzahl an gefundenen Infektionen spiegelt nur die Ausweitung der Tests wider.
Deswegen ist es absolut irreführend, wenn das RKI hier von einem „gestiegenen R“ spricht. In Wirklichkeit spiegelt das gestiegene R nur die Ausweitung der Tests wieder.
Frappierender Weise ist das dem RKI durchaus bewusst. So schreiben die Autoren des Fachartikels zum Nowcasting-Modell vom RKI, auf dem die Schätzung des R beruht, in ihrem Fachartikel im Epidemiologischen Bulletin:
„Ein weiterer Aspekt ist aber auch, dass in Deutschland die Testkapazitäten deutlich er­höht worden sind und durch stärkeres Testen ein insgesamt größerer Teil der Infektionen sichtbar wird. Dieser strukturelle Effekt und der dadurch be­dingte Anstieg der Meldezahlen, kann dazu führen, dass der aktuelle R-Wert das reale Geschehen etwas überschätzt.“ (Das Wort „etwas“ ist hier allerdings etwas untertrieben!).
Es ist ein echter Skandal, dass das RKI nach wie vor bei der Schätzung der Reproduktionszahl R den Faktor der Testanzahl nicht berücksichtigt. Denn dann würde man nicht nur sehen, dass das R in Wirklichkeit im März kaum gestiegen ist, sondern auch, dass das R aktuell in Wirklichkeit weiter sinkt.
Meiner Meinung nach müsste man diese Punkte so breit wie möglich und sobald wie möglich in die Öffentlichkeit tragen. Deswegen wäre meine Bitte an Sie, dass Sie all Ihre Kontakte nutzen, um das in den Medien richtigzustellen. Ich habe bereits all meinen Medienkontakten entsprechend geschrieben.
Herzliche Grüße
Christof Kuhbandner
Prof. Christof Kuhbandner,  Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie VI. der Uni Regensburg
Zuerst erschienen bei ACHGUT hier

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken