Die jahreszeitliche Erwärmung in Deutschland lang- und kurzfristig
Langfristig erwärmten sich alle Jahreszeiten in Deutschland. Am stärksten war davon der Winter betroffen. DWD-Werte sind erst ab 1881 verfügbar; doch kommt man mit der Zeitreihe nach BAUR bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts zurück, was für die weiteren Betrachtungen in diesem Beitrag noch wichtig sein wird. Betrachtet man jedoch nur den Zeitraum ab 1988 (damals setzte eine markante Erwärmung ein), so zeigt sich ein anderes Bild:

Abbildungen 1a und 1b: Entwicklung der Deutschland-Temperaturen in den meteorologischen Jahreszeiten. Langfristig (1a, oben) erwärmte sich der Winter früher und am stärksten, doch zeitlich anders, als Sommer und Herbst. Die starke Winter-Erwärmung im frühen und späteren 20. Jh. war eine Folge gehäufter Westwetterlagen infolge positiver NAO-Werte. Bei Sommer und Herbst lassen sich der annähernde Gleichklang und die starke Erwärmung seit 1988 (untere Abb.) unter anderem mit AMO-Warmphasen erklären, was gleich noch näher betrachtet wird. Alle Jahreszeiten profitierten langfristig vom Ausklingen der „Kleinen Eiszeit“ um 1900, einer sehr hohen Sonnenaktivität im 20. Jh. und von Wärmeinseleffekten. Zur besseren Veranschaulichung in einer Grafik wurden die Wintertemperaturen um 5 Kelvin angehoben und die Sommerwerte um 6 Kelvin abgesenkt; die Trends ändern sich dabei nicht.


Stark zunehmende Sonnenscheindauer
Im Sommer wirkt die Sonnenscheindauer am stärksten erwärmend. Sie nahm aus verschiedensten Gründen (Luftreinhaltemaßnahmen, AMO und geänderte Großwetterlagenhäufigkeiten, Austrocknung der Landschaft durch Bebauung, Windenergienutzung, Versiegelung und Melioration) in den letzten Jahrzehnten auffallend stark zu; drei Beispiele sollen das illustrieren:

Abbildung 2: Potsdam ist eine der wenigen Stationen mit langfristigen, lückenlosen Aufzeichnungen der Sonnenscheindauer; sie reichen bis 1893 zurück. Man erkennt sehr schön den Gleichklang zwischen AMO, Sonnenscheindauer und Lufttemperaturen im Sommer. Zur Mitte des 20. Jh. und besonders heuer, jeweils in AMO-Warmphasen, waren die Sommer sonniger und wärmer; zwischen den 1960er und den 1980er Jahren lag eine Abkühlungsphase – trotz deutlich steigender CO2-Konzentrationen. Zur besseren Visualisierung in einer Grafik mussten die sehr unterschiedlichen Größen in Indexwerte umgerechnet werden.


Abbildung 3: Fast zwei Drittel der Variabilität der sommerlichen Lufttemperaturen wird in Potsdam von der Sonnenscheindauer bestimmt – ein für klimatische Größen sehr enger, signifikanter Zusammenhang


Abbildung 4: Ein Deutschland-Flächenmittel der Sonnenscheindauer liegt erst seit 1951 vor, doch zeigen sich für den Sommer die gleichen Zusammenhänge, wie in Potsdam. Der bislang sonnigste Sommer (2003) verfehlte mit 793 Sonnenstunden die Marke von 800 Stunden nur knapp; er war mit 19,7°C auch der bislang wärmste Sommer. Zur besseren Visualisierung in einer Grafik mussten die sehr unterschiedlichen Größen in Indexwerte umgerechnet werden.


Doch wie viel Sonnenstunden sind in einem deutschen Sommer überhaupt möglich? Astronomisch wären das etwa knappe 1400 Stunden – im Norden, wo die Sonne in dieser Jahreszeit länger scheint, mehr als im Süden. Aber dabei dürfte kein Wölkchen und keinerlei Dunst bei Sonnenauf- und –untergang vorhanden sein – ein äußerst unrealistisches Szenario. Der Rekordsommer 2003 erreichte etwa 57% der astronomisch möglichen Sonnenscheindauer. Denkbar wären (vielleicht) in ganz seltenen Fällen 850 bis 900 Stunden – schon die Marke von 1000 Stunden erscheint unrealistisch, denn die Luftreinhaltemaßnahmen sind ausgereizt – wir atmen heuer schon die sauberste Luft seit über einhundert Jahren. Und Wolken wird es in gewissem Umfang immer geben – kurzum, eine erhebliche, weitere sommerliche Erwärmung durch die Sonnenscheindauer wird es kaum noch geben können.
Wann endet die aktuelle AMO-Warmphase?
Die AMO (Atlantische Multidekaden-Oszillation; engl. atlantic multidecadal oscillation) ist die Bezeichnung für eine zyklisch auftretende Zirkulationsschwankung der Ozeanströmungen im Nordatlantik. Sie bringt eine Veränderung der Meeresoberflächentemperaturen des gesamten nordatlantischen Beckens mit sich, wodurch Einflüsse auf die Atmosphäre und die Großwetterlagen entstehen. Im April und von Juni bis November beeinflusst die AMO die Lufttemperaturen in West- und Mitteleuropa positiv; ein hoher AMO-Index geht mit tendenziell höheren Lufttemperaturen und im Sommer auch einer höheren Sonnenscheindauer einher; siehe Abb. 2. Die AMO-Werte liegen beim Amerikanischen Wetterdienst (NOAA) seit 1856 vor; die sommerliche Relation zu den Deutschland-Temperaturen stellt sich folgendermaßen dar:

Abbildung 5: Tendenziell wärmere Sommer in AMO-Warmphasen (Mitte des 20. Jahrhunderts und momentan). Der positive Zusammenhang zeigt sich auch, wenn man die AMO-Mittelwerte des Frühlings mit den Temperaturen des Sommers korreliert.


Die zwei markanten AMO-Warmphasen zur Mitte des 20. Jh. und gegenwärtig lassen einen zyklischen, etwa 50ig- bis 80ig- jährigen Zyklus zwar vermuten (danach stünde das Ende der aktuellen Warmphase unmittelbar bevor), doch reichen die Aufzeichnungen nicht weit genug zurück, um das zu verifizieren. Könnte hierbei vielleicht die bis ins Jahr 1659 zurückreichende Temperaturreihe von Zentralengland weiterhelfen (dort ist der sommerliche AMO-Zusammenhang noch etwas enger als in Deutschland)? Das markante „Wellenmuster“ der Sommertemperaturen (Abb. 5) müsste sich dann ja auch in früheren Jahrhunderten zeigen – tatsächlich sieht das Ergebnis aber so aus:

Abbildung 6: Keine der Neuzeit ähnelnde Rhythmik der Sommertemperaturen in Zentralengland. Einem markanten „Absturz“, welcher den Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ um 1690 markiert, folgte im frühen 18. Jh. eine rasche Erwärmung; sehr kühle Sommer traten erst nach 1810 wieder häufiger auf. Von 1810 bis etwa 1920 zeigte sich eher ein schwacher Abkühlungstrend, bevor die neuzeitliche Erwärmung mit den beiden, markanten AMO-Warmphasen einsetzte.


Folglich kann eine für Langfristvorhersagen brauchbare AMO-Rhythmik nicht zwangsläufig abgeleitet werden – man kann das baldige Ende der aktuellen AMO-Warmphase nur vermuten. Sollte sie enden, wäre das Ende der warmen Sommer in Deutschland besiegelt.
Sommerwarme Großwetterlagen
Die merkliche Häufigkeitszunahme warmer Süd- und Südwestwetterlagen und sehr sonniger Hochdrucklagen auf Kosten kühler, wolkenreicher West-, Nordwest- und Nordlagen trug erheblich zur sommerlichen Erwärmung in Deutschland bei:

Abbildung 7: Die seit 1881 vorliegenden Daten zur Häufigkeit der Großwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY zeigt eine markante Häufigkeitszunahme der im Sommer entweder wegen der Zufuhr warmer Luftmassen und/oder wegen der hohen Sonnenscheindauer erwärmend wirkenden Großwettertypen Süd, Südwest, Ost und Hoch über Mitteleuropa. Sie sind momentan etwa doppelt so häufig, wie zu Aufzeichnungsbeginn; die Anzahl der sehr kühlen Lagen nahm dementsprechend stark ab. Besonders die Süd- und Südwestlagen treten in AMO-Warmphasen gehäuft auf. Das trug wesentlich zum sommerlichen Temperaturanstieg bei; zur besseren Veranschaulichung in einer Grafik mussten die Sommertemperaturen in Indexwerte umgerechnet werden.


Auch hier gilt jedoch: Eine weitere, wesentliche Häufung ist kaum noch möglich – jeder Sommer hat ja nur 92 Tage, und in den Hitzesommern 1947 und 1983 waren mit 63 und 64 Tagen schon gut zwei Drittel dieser maximalen, wohl nur theoretisch möglichen Anzahl erreicht.
Kühle Julitage 2020 – Sommerfrische statt Sommerhitze
Wie nach der „Siebenschläfer-Regel“ zu erwarten war, verliefen die folgenden Sommerwochen durchwachsen und nur mäßig warm. Dabei gab es neben warmen auch eine ganze Reihe empfindlich kühler Tage bei westlicher bis nordwestlicher Anströmung. Die Kaltluftzufuhr war dabei nicht einmal besonders intensiv und eher unspektakulär:

Abbildung 8: Wetterkarten-Ausschnitt vom 11. Juli 2020, 2 Uhr MESZ. Zwischen einem Hoch südwestlich von Irland und einem Tief über der mittleren Ostsee strömt kühle Nordseeluft nach Deutschland. Die Luftmasse stammte nicht einmal aus der Arktis. Bildquelle UKMO/Metoffice im Bildarchiv von wetter3.de, ergänzt.


An diesem 11. Juli erreichten die Höchstwerte in Norddeutschland trotz einiger Sonnenstunden meist nur kühle 17 bis 21 Grad, und die folgende Sommernacht erinnerte schon an den September:

Abbildungen 9a und 9b: Maximum-Temperaturen am 11.07.2020 (oben) und Minimum-Werte am folgenden Morgen des 12. Juli mit vereinzelten Werten unter 5°C.


Aus diesem aktuellen Beispiel ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens ist eine „Erwärmungswirkung“ des Kohlendioxids (CO2) nicht erkennbar – schwacher Wind und klarer Himmel in einer relativ trockenen Subpolarluft reichen schon mitten im Hochsommer zur Abkühlung auf herbstliche Werte aus. Und zweitens wird klar, was bei einer Häufung derartiger Wetterlagen passieren würde – kühlere Sommer wären die Folge.
Der Wärmeinsel-Effekt
Über Wärmeinsel-Effekte haben KOWATSCH/KÄMPFE in den vergangenen Jahren hier bei EIKE schon reichlich berichtet; sie trugen und tragen zur sommerlichen Erwärmung bei. Folgendes Beispiel, welches allerdings nur den städtischen Wärmeinseleffekt („Urban Heat Island Effect“ UHI) zeigt, veranschaulicht das:

Abbildung 10: Das ländliche Gießen erwärmte sich im Sommer weit weniger stark als die „Boomtown“ Frankfurt/Main mit ihrem wachsenden Flughafen. Man darf nicht annehmen, dass Gießen WI-frei ist; die Auswirkungen sind hier aber geringer.


Zwar werden in Deutschland trotz aller Absichtserklärungen noch immer etwa 60 Hektar pro Tag in Gewerbe-, Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt; neuerdings tragen auch Wind- und Solarenergienutzung in der freien Landschaft stark zu dieser Erwärmungswirkung bei. Trotzdem wird auch der WI-Effekt keine unendliche Aufheizung Deutschlands verursachen, denn er erzeugt, wie viele andere Faktoren auch, bei gleichbleibender Zunahme eine immer geringere Erwärmungswirkung:

Abbildung 11: Bei gleichmäßiger Zunahme eines Wirkungsfaktors steigt das Wirkungsergebnis anfangs steil an und flacht dann, ähnlich wie bei einer Logarithmus-Funktion, deutlich ab. Man kann sich das etwa wie bei einer Tasse Tee vorstellen: Das erste Stück Zucker macht den entscheidenden Geschmacksunterschied; das zweite süßt noch nach, aber spätestens vom vierten zum fünften Stück ergibt sich kaum noch eine Zunahme der Süße. Jeder Körper strahlt Energie mit der vierten Potenz seiner absoluten Temperatur ab (STEFAN-BOLTZMANNSCHES Gesetz, hier vereinfacht). Eine Verdopplung der Temperatur bewirkt also, dass die abgestrahlte Leistung um den Faktor 16 ansteigt. Das erklärt unter anderem die enorme Zunahme der Heizkosten in überheizten Wohnungen; in der Natur trägt dieses Gesetz wesentlich zur starken Dämpfung von Temperaturschwankungen bei.


Wie warm könnte ein Extremsommer im Deutschland-Mittel höchstens werden?
Der die 20-Grad-Marke knapp verfehlende Sommer 2003 hat die Messlatte sehr hoch gelegt. Wenn, was allerdings sehr, sehr selten auftreten dürfte, rund 900 Sonnenstunden mit über 70 Tagen stark erwärmend wirkender Großwetterlagen zusammenfallen, wären (vielleicht) um 21 bis knapp 22°C denkbar – sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Deutlich plausibler, wenn auch nicht sicher vorhersagbar, ist eher eine Stagnation oder gar eine mehr oder weniger deutliche sommerliche Abkühlung in naher Zukunft.

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken