Kalten Wintern folgen wegen der Erhaltungsneigung der Witterung oftmals auch eher späte, ganz oder teilweise kalte Frühjahre; diese Fälle (1987, 1996, 2006) sollen hier nicht betrachtet werden. Hier geht es nur um die Frühjahre nach auffallend milden Wintern, welche zwar tendenziell eher sehr zeitig beginnen und meist zu warm verlaufen, aber doch einzelne, kältere Phasen aufweisen können. Warum das so ist, soll nun erörtert werden.

Winter- und Frühjahreszirkulation unterscheiden sich meist grundlegend – warum?

Im Winter, so auch 2019/20, dominieren in Mitteleuropa oftmals Westwetterlagen, weil diese durch den dann besonders hohen Temperaturunterschied zwischen den immer gleich warmen Äquatorregionen und der im Winter besonders kalten Arktis begünstigt werden; doch ab dem März nimmt dieser Temperaturunterschied mit rasch länger werdenden Polartagen ab, so dass sich die Westdrift entweder abschwächt oder plötzlich auf Ost, Nord oder Süd umschlägt; außerdem verschwinden die riesigen, atlantischen Sturmtiefs. Der im Winter mehr oder weniger deutliche stratosphärische kalte Polarwirbel, welcher die milde Westdrift stützt, löst sich auf. Verschärft werden können diese durch den Jahreszeitenwechsel bedingten Zirkulationsstörungen außerdem durch Ostwindphasen der QBO (2018, 2020) und durch die gegenwärtig sehr geringe Sonnenaktivität. Im Langjährigen Mittel der Wetterlagen-Häufigkeiten zeigt sich dann auch die „Vorliebe“ der Frühjahrsmonate, besonders des April und Mai, für Ost-, Nord- und Südlagen:

Abbildung 1: Häufigkeitsverteilung der beiden „Großcluster“ Westanteil (violett) und meridional (grau, alle Nord-, Ost- und Südlagen) im Jahresverlauf. Westwetterlagen weisen, begünstigt durch die Erwärmung der Landmasse Eurasiens (das verschärft den Gegensatz zum Polarmeer nach dem Frühjahr wieder!) ein sekundäres Sommermaximum auf; meridionale ein undeutliches zweites Maximum im Herbst (mehr Südlagen!).

Der jähe, plötzliche Witterungsumschwung von West- zu Ostwetter am Frühlingsanfang 2020 passt also ausgezeichnet zu den langfristigen Witterungsverhältnissen und ist keine Folge eines „Klimawandels“. Er lässt vermuten (sicherer Langfristprognosen sind unmöglich!), dass auch dieser Frühling von Extremwetterlagen beherrscht werden könnte; ob das, ähnlich wie 2018 und 2019, zu jähen Temperatursprüngen und zeitiger, anhaltender Dürre führen wird, bleibt abzuwarten. Hier nun zwei Wetterkarten-Beispiele, welche zeigen, wie unterschiedlich die winterliche Westwind- und die frühlingshafte Ostwind-Zirkulation im Wetterkartenbild aussehen:

Abbildungen 2a und 2b: Windiges, mildes Westwetter am Rande eines großen, winterlichen Sturmwirbels über Nordeuropa am 23. Februar (2a, oben) und trocken-kaltes Wetter nur einen Monat später (unten, 2b). Hoher Luftdruck über Nordeuropa beherrscht nun den Kontinent; die winterlichen Sturmwirbel sind verschwunden. Abbildungsquelle Archiv wetter3.de

Weil aber die Sonne zum Frühlingsanfang noch nicht sehr viel Kraft hat, kann sie die aus Nordosten einfallende Kaltluft (Luftmassen xA und cP) kaum erwärmen; klirrend kalte Nächte und windig-kalte Sonnentage sind die Folge. Auch das angeblich erwärmend wirkende Klimagas CO2 konnte uns nicht vor dieser Kälte bewahren. Ohne Datumsangabe könnte man die Abbildung 2b auch für eine winterliche Hochdruckwetterlage halten; die Luftdruckwerte sind für diese weit fortgeschrittene Jahreszeit bemerkenswert hoch. Aber im Winter hätte uns „Stalins letzte Rache“, wie der verheerend kalte Nordostwind gerne auch genannt wird, eine gefrierende Ostsee bei Nachts strengstem und selbst tagsüber mäßigem Dauerfrost beschert. Doch warum gibt es bei ähnlichem Sonnenstand zum Herbstanfang im September niemals derartige Kältewellen? Eigentlich müsste doch der nach dem Sommer etwas geringere CO2-Gehalt der Luft eine Abkühlung fördern. Aber einerseits hat der Boden noch viel sommerliche Wärme gespeichert; doch vor allem der Bewölkungsgang und der Wasserdampfgehalt der Luft machen den Unterschied. Im Frühherbst ist die Luft absolut viel feuchter, denn die Vegetation transpiriert noch. Oft bildet sich nachts wärmender Nebel oder Hochnebel; tagsüber scheint nach Nebelauflösung die Herbstsonne. Ende März gibt es noch keine die Luft befeuchtende Vegetation; nach den klaren Frostnächten sorgen tagsüber außerdem der infolge der Konvektion auffrischende Wind und manchmal auch Quellwolken für nur geringe Erwärmung. Wesentlich ist nun auch der Zeitpunkt der Witterungsumstellung: Erfolgt er erst später im April, so konnte sich die Festlandsluft schon stärker erwärmen; die Nachtfröste fallen dann schwächer aus oder fehlen ganz.

Frühlingskälte nach sehr milden Wintern – alles schon mal da gewesen!

1975 gab es nach extrem milder Dezember- und Januarwitterung im Frühling wiederholte Kälterückfälle im März und vor allem im April; eines der wenigen Frühjahre, das nach einem extremen Mildwinter insgesamt zu kühl ausfiel.

1988 setzte ab Mitte Februar nasskaltes Spätwinterwetter ein und dauerte bis in den April fort; in den Mittelgebirgen lag der Schnee im März teils über einen Meter hoch. Es folgte ein dürrer, warmer Mai.

1989 erfolgten Anfang März und im April kurze Kälterückfälle; teils mit Schnee in einem ansonsten milden Frühling.

1990 setzte sich die enorme Wintermilde bis Anfang April fort, doch um den 10. April erfror in Mitteldeutschland nahezu die gesamte Kirschblüte. Erst im Mai kehrten Wärme und Trockenheit zurück.

1998 zeichnete sich der März durch wiederholte Kälterückfälle aus.

2007 folgte dem milden Rekordwinter ein Frühlingsanfang mit Schnee; Ähnliches war zu Ostern 2008 zu erleben.

2014 traten in einem sehr milden Frühjahr um den 17. April merkliche Nachtfröste auf; Schäden an der Vegetation blieben meist aus.

2016 überraschte am 1. April starker Schneefall in Weimar die Autofahrer; mittags war der Spuk ohne Vegetationsschäden vorbei.

2019 wechselten sich im April mildes und kaltes Ostwetter mit deutlichen Nachtfrösten ab; am 4. Mai fiel erstmals seit Mai 1987 wieder nasser Schnee bis ins Thüringer Flachland. Vegetationsschäden blieben meist aus.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

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