Bevor die Prognosen nochmals gezeigt und bewertet werden, soll ein Blick auf die Entwicklung der Wintertemperaturen seit dem „Klimasprung“, welcher mit dem Mildwinter 1987/88 in Deutschland begann, geworfen werden. Anders als die übrigen Jahreszeiten, erwärmte sich der Winter im Deutschland-Mittel seitdem kaum. Mit 4,2°C zählt er bei unseren momentanen Klimabedingungen, wie sie seit 1988 herrschen, zu den mildesten Wintern, nur 2006/07 verlief noch etwas milder.

Abbildung 1: Kaum winterliche Erwärmung in Deutschland seit 1987/88 – trotz deutlich steigender CO2-Konzentrationen und des Beinahe-Mittelwertrekords im Winter 2019/20.

Der extrem milde, stürmische Winter 2019/20 und die Klimaerwärmung – ein Widerspruch?

Zunächst passt der Winter 2019/20 ideal ins ideologische Schema der Klima-Erwärmung; unter anderem sorgte im Norddeutschen Tiefland permanenter, lästiger Westwind für ein erstmaliges Fehlen von Eistagen (solche mit einem Tagesmaximum unter 0°C). Doch halt – hat sich nicht die Arktis viel stärker erwärmt, als die niederen Breiten, und müsste sich deshalb die Zonalzirkulation („Westwetter“) wegen des dadurch geringeren Temperaturgefälles nicht merklich abschwächen? Nach dieser Theorie wären doch eher Winter zu erwarten, in denen Nord-, Ost- und Südlagen mit weniger Wind und insgesamt extremen Wetterumschwüngen zwischen sehr kalt und sehr mild in Deutschland dominieren, so etwa, wie nur im Winter 2012/13 beobachtet. Das durchgehend milde, fast ständig windige Wetter dieses (und auch das der meisten, vergangenen Winter der 2010er Jahre) passt nicht in dieses Schema einer durch die allgemeine Erwärmung veränderten Zirkulationsdynamik. Weitere Skepsis weckt folgende Grafik, welche die Wintertemperaturen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Winter nach dem Maximum des SCHWABE-Zyklus der Sonnenaktivität zeigt:

Abbildung 2: Während die Winter 2 bis 5 nach dem Maximum des SCHWABE-Zyklus relativ kühl verliefen, war der sechste herausragend mild; auch die Winter 1, 9 und 11 verliefen tendenziell eher mild.

Nun sollten aber eigentlich bei der nachlassenden Sonnenaktivität die Winter eher kälter werden und Störungen der Zonalzirkulation zunehmen; doch könnte es eine Ursache geben, welche momentan diesen Prozess überkompensiert? Da lohnt es sich, den kürzlich hier bei EIKE erschienenen Beitrag „Über einen möglichen Zusammenhang zwischen winterlichem Polarwirbel und Winterkälte in Mittleren Breiten“ von Christian Freuer zu lesen. Darin wird erklärt, was ein Polarwirbel ist, und wie er die Zirkulationsverhältnisse beeinflusst. Tendenziell gilt: Je ungestörter und je kälter der winterliche Polarwirbel ist, desto intensiver fallen die Westlagen aus, was einen milden Winter in Deutschland zur Folge hat. So auch 2019/20, als es im Dezember und Januar über dem Nordpol im 50-hPa-Niveau mit minus 73 und minus 80°C deutlich zu kalt war; die Februar-Werte liegen noch nicht vor (Quelle: NOAA). Ein eher beiläufiger Nebensatz des erwähnten Beitrages zur Ursache der winterlichen Abkühlung im stratosphärischen Polarwirbel bringt nun aber wieder die geringe Sonnenaktivität ins Spiel: „… Die Ozonbildung kann in der Polarnacht nicht mehr stattfinden – sie ist aber der Grund, warum es in der Stratosphäre ansonsten relativ warm ist (der kurzwellige Teil des UV wird bei der Ozonbildung in Wärme verwandelt).“ Je geringer die Sonnenaktivität ist, desto weniger UV-Strahlung steht jedoch im vorausgehenden Sommer/Herbst zur Verfügung, was zur Folge hat, dass die Stratosphäre in Polnähe schon zu Winterbeginn kälter ist und dann zumindest in Einzelfällen einen kräftigen, zeitigen Polarwirbel bildet, dessen mehr oder weniger große Erhaltungsneigung dann unsere weitere Winterwitterung steuert. Eine erste Sichtung der Aerologischen Daten ergab tatsächlich eine merkliche herbstliche Abkühlung über dem Nordpol im 50-hPa-Niveau, aber kaum eine winterliche Änderung.

Abbildung 3: Merklicher Rückgang der 50 hPa-Stratosphärentemperatur am Nordpol seit 1948 (keine längere Datenverfügbarkeit) im Herbst; fast kein Trend im Winter. Aber im Winter kann die nachlassende Sonnenaktivität auch keinen direkten Einfluss mehr haben, da die Sonne dann nicht scheint (Erdschatten über dem Pol). Es ist aber denkbar, dass die im Herbst kälter werdende Stratosphäre die Westwind-Zirkulation des Winters „ankurbelt“. Man beachte außerdem, dass hier nur der nördlichste Gitterpunkt betrachtet wurde; der gesamte Polarwirbel ist viel größer und in seiner Form sehr variabel; außerdem beeinflussen auch die QBO und weitere Faktoren, wie er sich verhält.

 

Hier besteht noch viel Forschungsbedarf; aber so einfach, dass sich unser Klima durch die CO2-Emissionen immer weiter erwärmt, sind die atmosphärischen Zusammenhänge eben doch bei weitem nicht.

Die Bewertung der Langfrist-Vorhersagen einiger Institute, Wetterdienste und Privatpersonen

Zuerst wird im Folgenden nochmals die ursprüngliche Prognose gezeigt; darunter erfolgt jeweils die Bewertung; meist auf die CLINO- Periode 1981 bis 2010 bezogen, abweichende Referenz-Zeiträume sind in den betreffenden Prognosen genannt. Eine Bewertung mit objektiven Maßzahlen wie etwa dem Root Mean Square Error (rmse) oder der Reduktion der Varianz (RV) war leider bei keiner Prognose möglich; da man hierfür eine genaue Prognosezahl benötigt. Bei Intervallangaben wurde ein „Treffer“ daher mit Note 2 bewertet, wenn er dieses vorhergesagte Intervall traf; verfehlte er dieses um nicht mehr als +/- 0,5 Kelvin, so ergab das Note 3, darüber bei bis zu +/- 1K Abweichung Note 4; bei noch mehr Abweichung Note 5, über +/- 2 K Note 6. Bei Prognosen mit mehreren Teilprognosen (etwa für den gesamten Winter und die 3 Einzelmonate) wurden diese einzeln gewertet und dann die Gesamtnote gemittelt. In die Bewertung wurde auch einbezogen, ob genauere Vorhersagen über den Gesamtwinter hinaus zu Einzelmonaten erfolgten. Fehlten diese ganz, so wurde um eine Note abgewertet Wo Bezugswerte und/oder konkrete Zahlenprognosen ganz fehlten, wurde ebenfalls um eine Note abgewertet. Reine Wahrscheinlichkeitsaussagen konnten, sofern sie in etwa zutrafen, bestenfalls die Note 4 erhalten, weil ihr Aussagewert einfach zu gering ist.

UKMO (Großbritannien): Stand 15.11.2019 Winter (D, J, F) mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit in ganz Deutschland zu mild (folgende Karte):

Anmerkung: Hier wird nur die erste UKMO- Karte gezeigt. Es gibt zwei weitere, eine mit der Probability (Wahrscheinlichkeit) für einen normalen Winter und eine für einen zu kalten; erstere weist eine Wahrscheinlichkeit von 20 bis 40% auf; während ein zu kalter Winter zu etwas über 20% wahrscheinlich ist.

Neuerdings wird auch eine Median-bezogene Wahrscheinlichkeitsaussage angeboten; sie zeigt eine sehr stark erhöhte Wahrscheinlichkeit für über dem Median liegende Wintertemperaturen besonders in Nordost- und Mitteldeutschland:

Die aktuellen Karten jederzeit hier

Bewertung: Grob zutreffende, aber sehr unkonkrete Bewertung; Note 4.

Meteo Schweiz Stand Nov. 2019: Deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen zu milden Winter. Zu kalter Winter zu kaum 10% wahrscheinlich; normaler zu knapp 30%. Die „doppelten T“ sind die Fehlerbalken; die Prognose gilt nur für die Nordostschweiz, ist aber auch für Süddeutschland repräsentativ:

Bewertung: Auch in der Nordost-Schweiz verlief dieser Winter merklich zu mild. Grob zutreffend; aber sehr unkonkret, Note 4.

LARS THIEME (langfristwetter.com) Vorhersage von Anfang November 2019: Dezember viel zu mild, Januar zu mild, Februar zu kalt. Winter insgesamt eher zu mild. Die Prognose bezieht sich vorrangig auf Mittel- und Nordostdeutschland:

Bewertung: Das „nordostdeutsche Wintermittel“ lässt sich aus den 5 Bundesland-Mitteln der ehemaligen DDR berechnen; im Dez. 3,9°C, im Jan. 3,8°C und im Feb. ca. 5,4°C. Dez. daher mäßig um 0,9K unterschätzt; Note 4; Jan. deutlich um 1,3K unterschätzt; Note 5. Feb. totale Fehleinschätzung, Note 6. Gesamtnote 5; nennenswerte Vorhersageleistung für Dez/Jan.

IRI (folgende Abbildung), Vorhersage vom Nov. 2019: Kaum Aussagen für Deutschland; lediglich in Sachsen und Bayern leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen zu kalten Winter; zu mild in weiten Teilen Nord- und Osteuropas.

Bewertung: Wegen fehlender Aussagen für weite Teile Deutschlands wertlose Prognose; auch in Südost-Sachsen und Südbayern verlief dieser Winter extrem mild; keinerlei Vorhersageleistung, Note 6.

DWD (Offenbach): In Deutschland 0,5 bis 1°C zu mild, bezogen auf den DWD-Mittelwert der Jahre 1990 bis 2017, der ca. 1,4°C beträgt (Stand Nov. 2019):

Bewertung: Die Abweichung zum Bezugsmittel ergibt für 2019/20 2,8K; vorhergesagt waren 1,9 bis 2,4°C; gerade noch Note 3, weil aber Aussagen zu einzelnen Monaten fehlen, Abwertung auf Note 4.

NASA (US-Weltraumbehörde) Karten vom November 2019: Dezember in Norddeutschland normal, Süddeutschland zu mild, Januar, Februar und Winter insgesamt überall zu mild:

Bewertung: Dezember um mehr als 2K unterschätzt, Note 6; Januar um etwa 2K unterschätzt, Note 5; Februar stark unterschätzt, Note 6. Gesamtnote gerade noch 5, weil im Jan/Feb. bessere Vorhersageleistung als der CLINO-Wert.

Donnerwetter Berlin (Quelle). Neben den Aussagen für Berlin werden auch gesamtdeutsche getroffen, freilich ohne Bezugswert; Stand Mitte Nov. 2019:

Dezember erst zu mild, ab dritter Dekade zu kühl. Januar durchweg zu kühl und niederschlagsreich; Februar zu kühl und zu trocken. Während der Dezember also auf Kosten der ersten zwei Dekaden etwas zu mild ausfallen soll, werden die Hochwintermonate in Deutschland als zu kühl geschätzt; in Berlin sollen der Januar um gut 2 Kelvin, der Februar um 1 Kelvin zu kalt ausfallen; der Winter insgesamt wäre nach dieser Prognose etwas zu kalt.

Bewertung: Krasse Fehlprognose aller Monate, besonders im Jan/Feb. völlig unzutreffend und für den gesamten Winter völlig falsch; keine Vorhersageleistung, Note 6.

CFSv2- Modell des NOAA (Wetterdienst der USA, folgende 3 Abbildungen, Eingabezeitraum 14. bis 23.11. 2019): Winter insgesamt 1 bis 2 K zu mild. Dezember (links) 1 bis 2 K, Januar (rechts) 1 bis 2 K, Februar (unten) 1 bis 2 K zu mild. Die vorhergesagten Temperaturabweichungen beziehen sich auf die Mittelwerte der Periode 1981 bis 2010. Diese experimentellen, fast täglich aktualisierten, aber leider oft falschen Prognosen unter http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/people/wwang/cfsv2fcst/ (Europe T2m, ganz unten in der Menütabelle; E3 ist der aktuellste Eingabezeitraum):

Bewertung: Dez. um etwa 0,6K unterschätzt, Note 4; Jan. um gut 1K unterschätzt, Note 5; Feb. um weit mehr als 2K unterschätzt, Note 6. Gesamtnote wegen konstanter, erkennbarer Vorhersageleistung aller Monate (ein zu milder Winter wurde fast durchgängig seit dem Sommer 2019 vorhergesehen!) auf 4 aufgewertet.

Stefan Kämpfe (verfasst am 25.11. und veröffentlicht bei EIKE am 27.11.2019):

Fazit: Eindeutige, verlässliche Anzeichen für einen Winter in die sehr kalte Richtung fehlen. Die Prognosesignale sowie die Vorhersagen der Wetterdienste und Institute tendieren bei großer Unsicherheit in Richtung eines bestenfalls normalen, eher deutlich zu milden Winters. Insgesamt fällt der Winter 2019/20 nach momentanem Stand also normal bis deutlich zu mild aus und wird im Deutschland-Mittel auf +0,5 bis +3,5°C geschätzt (LJM 1981 bis 2010 +0,9°C); bei den sehr widersprüchlichen Prognosesignalen muss die weitere Entwicklung aber noch abgewartet werden. In den Kategorien „zu kalt“, „normal“ und „zu mild“ stellen sich die Wahrscheinlichkeiten des Winters 2019/20 folgendermaßen dar:

Die Schneesituation für Wintersport besonders in Lagen unter 1.000m bleibt zumindest in der ersten Dezemberdekade eher durchwachsen, weil es trotz gelegentlicher Schneefälle zeitweise auch hier zu Plustemperaturen kommen kann. Geschätzte Dezember- Monatsmitteltemperatur für Erfurt-Bindersleben (Mittel 1981- 2010 +0,5°C) 0,0 bis +3,0°C (normal bis sehr mild). Für Jan/Feb. 2020 lässt sich noch kein Temperaturbereich schätzen; doch deuten viele Signale auf einen eher milden Januar hin; Richtung Februar ist die Entwicklung noch völlig offen. Das Schneeaufkommen nach Mitte Dezember ist kaum vorhersehbar (langfristige Niederschlagsprognosen sind besonders unsicher). Zur Winterlänge fehlen bisher ebenfalls noch Hinweise. Die Hochwinterwitterung (Jan/Feb.) kann erst anhand des Witterungstrends zum Jahreswechsel etwas genauer abgeschätzt werden; momentan ist ein normaler bis milder Hochwinter deutlich wahrscheinlicher, als ein durchgehend zu kalter. Wegen eines möglichen Wechsels zur Ostwindphase in der unteren Stratosphäre (QBO) sind kältere Phasen aber noch nicht völlig ausgeschlossen; sie stehen im Widerspruch zu einigen Prognosesignalen für einen sehr milden Februar. Sollte der Dezember tatsächlich zu mild ausfallen, so erhöht das die Wahrscheinlichkeit für einen milden Hochwinter 2020, besonders im Januar, noch weiter.

Dieses Fazit wurde aus 10% der Tendenz der Bauern- Regeln, 10% Sonnenaktivität, 20% Zirkulationsverhältnisse, 10% Mittelfrist- Modelle, 10% NAO, AMO,QBO, Polarwirbel, 15% Analogfälle, 5% Wirbelsturm-Aktivität und 20% der vorwiegenden Tendenz der Langfristprognosen gewichtet. Aktualisierung voraussichtlich Ende Dezember.

Bewertung: Das Dezember- Mittel für Erfurt betrug 3,6K, Unterschätzung um 0,6K, Note 4. Das DWD-Mittel des Winters 2019/20 (4,2°C) wurde um 0,7K unterschätzt; Note 4. Der Gesamtcharakter des Winters wurde grob richtig geschätzt; Gesamtnote 4.

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