Agorameter

Am Sonntag von 0:00 bis 6:00 Uhr musste Strom nicht nur verschenkt werden. Es wurde auch noch ein satter Bonus an die benachbarten Stromabnehmer mitgegeben. Um 7:00 Uhr wurden dann 0,09 €/MWh erzielt. Die konventionellen Stromerzeuger kamen bei dem Auf und Ab der regenerativen Stromerzeugung kaum mit. Wenn Strom im Saldo von Deutschland exportiert wurde, waren die Preise selten auskömmlich, wenn Strom nach Deutschland importiert werden musste, waren die Preise fast in jedem Fall höher. Kontrollieren Sie meine Angaben hier.

Die Tabelle mit den Detailzahlen der Energie-Charts, der daraus generierte Chart, sowie der Chart zum Im- und Export veranschaulichen die 6. Woche im Überblick. Der Jahres-Chart zum Im- und Export verdeutlicht, dass der Stromimport aus Frankreich absolut notwendig ist, um die Stromversorgung Deutschlands zu sichern.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 2.2.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 63,20%, davon Windstrom 48,00%, Sonnenstrom 1,6%, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,6%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Wind lässt am Morgen massiv nach. Die konventionellen Stromerzeuger kommen mit dem Hochfahren ihrer Kraftwerke wahrscheinlich nicht nach, die Pumpspeicherkraftwerke reichen nicht nachhaltig aus, so dass sich zur Mittagszeit eine Stromunterdeckung auftut, die bis etwa 19:00 Uhr andauert. Der Strompreis steigt, bleibt aber immer unter 41 €/MWh. Bis 6:00 Uhr – der Wind liefert noch sehr viel Strom – wird Strom verschenkt, mit Bonus verschenkt. Vor allem Frankreich und Dänemark machen gute Geschäfte.

Montag, 3.2.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 59,46%, davon Windstrom 45,95%, Sonnenstrom 1,35%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,16%. & Dienstag, 4.2.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 58,49%, davon Windstrom 44,03%, Sonnenstrom 3,14%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,32%. Die Agora-Chartmatrix beide Tage: Hier klicken.

In der Nacht von Montag zum Dienstag lässt die am Montag wieder recht stark angestiegene Windstromerzeugung nach. Die entstehende Unterdeckung wird mit Preisen unter 30 €/MWh sehr günstig geschlossen. Der Exportpreis ist insgesamt allerdings auch wieder recht gering. Lediglich am Dienstag wird die 40 €/MWh zweimal knapp überschritten.

Mittwoch, 5.2.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 42,14%, davon Windstrom 24,53%, Sonnenstrom 6,29%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,32%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Über Tag schläft die Windstromerzeugung nahezu ein. Knapp 5 GW werden zum Beispiel um 12:00 Uhr erzeugt. Über 76 GW Strom aber werden benötigt. Glücklicherweise ist es wenig bewölkt. Sonnenstrom rettet die erneuerbaren Energieträger. Dieser Sonnenstrom steuert am Mittwoch um 12:00 Uhr gut 17 GW zur Versorgung Deutschlands bei. Vor allem aber wird die konventionelle Stromerzeugung  richtig hochgefahren. Am Morgen um 8:00 Uhr fehlt etwas Strom, der zum Tageshöchstpreis 49,16 €/MWh importiert wird. Ansonsten werden beim Export insgesamt wenig auskömmliche Preise erzielt.

Donnerstag, 6.2.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 34,78%, davon Windstrom 19,75%, Sonnenstrom 4,35%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,18% & Freitag, 7.2.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 32,89%, davon Windstrom 15,44%, Sonnenstrom 5,37%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,08%. Die Agora-Chartmatrix für beide Tage: Hier klicken.

Donnerstag nach Sonnenuntergang lässt die Windstromerzeugung stark nach. In der Nacht zu Freitag stellt sich das ein, was „Dunkelflaute“ genannt wird. Die Sonnenstromerzeugung am Freitag gleicht die schwache Windstromerzeugung aus und nach Sonnenuntergang frischt der Wind auf, so dass wieder recht viel Strom aus Windkraft geliefert wird. Bei sinkenden Preisen. Freitagmorgen benötigt Deutschland Strom. Der wird zum Beispiel um 8:00 Uhr  für 56 €/MWh importiert.

Samstag, 8.2.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 52,54%, davon Windstrom 33,09%, Sonnenstrom 7,35%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,08%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Zum Wochenende beruhigt sich das Wetter. Es kehrt so etwas wie Gleichmäßigkeit in der Stromerzeugung ein. Keine überraschenden Unterdeckungen, so sollte Stromerzeugung mit erneuerbaren Energieträgern immer sein. Irgendwie berechenbar. Die Winddelle über Tag wird von der Sonne ausgeglichen. Alles ist gut.  Dennoch: Weil Wochenende ist, ist zu viel Strom im Markt, der billig exportiert werden muss.

Über 1.000 Bürgerinitiativen gegen Windkraft

Im Sport – nehmen wir mal Fußball – liegt eine Mannschaft, der Verein, den Sie womöglich favorisieren, zehn Minuten vor Spielschluss mit zwei Toren Rückstand im Hintertreffen. Der Trainer fuchtelt wie wild in der Coachingzone, das Publikum pfeift. Die Mannschaft aber will nicht mehr so richtig. Einer Reihe Spielern merkt man die Unlust an. Sie geben das Spiel verloren.

Die Spieler sind die Bürger, Trainer sind eine Reihe Spieler, NGOs und Menschen mit guten Gedanken in Politik, Medien und Gesellschaft, die die sogenannte Energiewende unbedingt wollen. Energiewende heißt faktisch Stromwende. In anderen Bereichen (Heizen, Mobilität, Industrie) hat sich noch nicht viel getan. Der Anteil von Wind- und Sonnenenergie am Primärenergiebedarf Deutschlands ist mit knapp 5% doch recht bescheiden (Abbildung).

Wobei man bedenken muss, dass die Stromerzeugung mittels Wind- und Sonnenkraft etwa 15% fossile Primärenergie (Braun- und Steinkohle) „einspart“. Die Kohle, die benötigt würde, um die Menge Strom herzustellen, die Wind- und Sonnenkraftwerke erzeugen.

Dieser Hinweis ist dem Sachverhalt geschuldet, dass die Einsparung über 50 TWh durch Kohle erzeugtem Strom im Jahr 2019 den CO2-Minderausstoß von gut 50 Millionen Tonnen zur Folge hatte. Was eben darin begründet ist, dass zur Erzeugung von einer TWh Strom etwa 3 TWh Braunkohleenergie mit entsprechendem CO2-Ausstoß nötig sind. Diese Zahlen sind gerundet und nur zur Veranschaulichung gedacht. Eine korrekte Berechnung finden Sie unter Abbildung 1.

Über 1.000 Bürgerinitiativen protestieren, demonstrieren und wehren sich gegen den Bau von Windkraftanlagen vor ihrer Haustür und/oder allgemein (Abbildung 2). Der Bayerische Rundfunk gibt den Windkraftausbau in Bayern praktisch verloren (Abbildung 3).

Eine Auftrags-Studie des DIW macht Wind

Da kommt brandaktuell eine Studie recht, die der BUND beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) in Auftrag gegeben hat. Wenn Deutschland es nicht schafft, bis 2030 komplett aus der Kohle auszusteigen, dann würde es nichts mit den Klimazielen, die in Paris 2015 verabredet wurden. In der Zusammenfassung „Das Wichtigste auf einer Seite“ bringt es das DIW auf den Punkt:

[…] Für eine erfolgreiche Energiewende muss der Ausbau Erneuerbarer Energien weiter fortgesetzt und beschleunigt werden. Ohne weitere Maßnahmen steuert die Bundesregierung auf einen Anteil von maximal 49% Erneuerbarer Energien in 2030 zu. Dies wäre eine Verfehlung der (bereits zu niedrigen) Ziele von 65%. Der PV-Deckel und diskutierte Mindestabstandsregeln für Windenergie müssen daher überarbeitet werden, um die Transformation nicht aufzuhalten. Für den benötigten beschleunigten Ausbau auf 75% im Jahr 2030 würden dagegen jährlich 9,8 GW Photovoltaik und 5,9 GW Wind Onshore zugebaut werden müssen. (Abbildung 4)

In zehn Jahren also sollen 59 GW installierte Leistung Windenergie zugebaut werden. Was heißt das konkret? Nehmen wir eine Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 3 MW. Jedes Jahr – zehn Jahre lang – müssten knapp 2.000 dieser Anlagen (Abbildung 5) gebaut werden. Hinzu kämen Sonnenkraftwerke mit gewaltigem Bedarf an Freiflächen. Allein mit einer Montage auf Dächern von Wohn- und sonstigen Gebäuden, wird die vom DIW geforderte Ausweitung Photovoltaik kaum realisiert werden können.

Das wird nichts. Das wird garantiert nichts. Deutschland ist wohl am Ende mit der Energiewende. Die Verantwortlichen müssen nur noch einen Weg finden, um mit möglichst wenig Gesichtsverlust da herauszukommen. Wirtschaftsminister Altmaier und Co. arbeiten mit der aktuellen Gesetzgebung bereits daran.

Zurück zum Vergleich – klar, der hinkt – mit dem Rückstand beim Fußball: Deutschland liegt mit 20.000 Windkraftwerken bis 2030 im Rückstand. Und dies auch nur, wenn man den gewünschten Mehrbedarf (E-Mobilität, Wärmepumpen, grüner Stahl usw.) unberücksichtigt lässt. Vom Ausgleich der weg-, weil aus der Förderung herausfallenden, bestehenden Windkraftwerke. Dann wäre der Rückstand noch viel, viel größer. Angesichts der aktuellen Ausbaulage Windkraftwerke und dem immer stärker werdenden Widerstand in der betroffenen Bevölkerung ist dieser Rückstand nicht aufzuholen. Allein der wirtschaftliche Aufwand steht in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Ergebnis. Selbst ein Deutschland ohne jeglichen CO2-Ausstoß würde an der Steigerung des globalen CO2-Ausstoßes nichts ändern. Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken

Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit vier Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.

 

 

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