Immer wenn unsere Tendenzmedien ein seriös erscheinendes Statement zur unaufhaltsam voranschreitenden erfolgreichen Energiewende brauchen, findet der Mikrofon haltende investigative Journalist Frau Professor Kemfert vom DIW. Hier kann er sicher sein vor Überraschungen, denn sie erzählt mediengerecht zuverlässig stets dasselbe mit der Kernbotschaft: Wir müssen aus der Kohle raus. Mit der Zuverlässigkeit der immer gleichen eingelegten CD und fast unabhängig davon, wie die Frage lautete. Variiert wird das Ganze dann bezüglich des aktuellen Themas, etwa Atomausstieg oder Nordstream 2.

Hilfreich ist dabei ihr mediales Geschick, ihr seriöses Auftreten wie auch die Erscheinung. Der Frau mit dem stets akkuraten Kragen würde man jede Fotovoltaikanlage abkaufen, sie wirkt ausgeglichen, unaufgeregt und voller Selbstgewissheit. Unvorstellbar, dass sie den Zweifel kennt, mit Sicherheit nicht den Selbstzweifel. Für Talkshows ist sie im Besitz einer Dauerkarte. Ein passendes Bild fürs Printmedium findet sich immer, ihre Homepage hält in den Kategorien „Porträts, Vorträge, Büro, Gespräch, Unterwegs“ insgesamt 100 Fotos bereit. Was soll`s, eitel ist jeder, der eine weniger, die andere mehr.

Einige ihrer Thesen sind so steil, dass man sie nicht ernst nehmen kann. In einem Beitrag in „Capital“ schreibt sie über Mythen der Energiewende. Strom werde billiger durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren, Atom- und Kohlestrom verstopfe die Netze und die Kosten der EEG-Umlage seien keine Subventionen, sondern Investitionen. Dumm nur, dass etliche dieser Investitionen schon gestrandet sind. Ein großer Teil der mit Hilfe des EEG erzielten Gewinne und Dividenden sind über den Atlantik oder anderweitig verschwunden. Glückskinder dank EEG wie Solarkönig Asbeck (ehemals Solarworld) oder Windfürst Wobben (Enercon) haben mit einem Teil dieser „Investitionen“ eigene Konten bedient, die nun einige Milliarden Euro schwer sind.

Frau Kemfert gehört zu den wohl am besten verdrahteten Personen im großen Netz der Energiewende-Klima-Wissenschafts-Politik-Bürokratie. Arbeitsergebnisse sind unter anderem Streitschriften wie „Kampf um Strom“ oder „Das fossile Imperium schlägt zurück“, so als sei der Umbau des Energiesystems ein Krieg. Solche Titel passen eher zu taz-Artikeln, Groschenromanen oder zur Inhaltsangabe von „Frontal 21“.

Die Kommentare bei Amazon zum letztgenannten Buch zeigen die Enttäuschung der Leser: „Endlose Wiederholungen, die Formulierung kommt gefühlt 200 mal daher“, schreibt ein Leser. „Ich hatte an keiner Stelle den Eindruck, ein von einer Wissenschaftlerin geschriebenes Buch zu lesen“, so ein anderer. Unterm Strich durchschnittlich drei schlappe Sterne. Ein Buch mit dem Fachtitel

„Makroökonomische Wirkungen umweltökonomischer Instrumente: Eine Untersuchung der Substitutionseffekte anhand ausgewählter volkswirtschaftlicher Modelle für Deutschland“

ist auch zu haben, neu für 72,95 Euro bei Amazon. Gebraucht schon ab 2,88. Sternebewertungen gibt es hier nicht, der Leserkreis hält sich offenbar in Grenzen (Amazon-Bestseller-Rang Nr. 3.045.343). Erstaunlich, dass sie dennoch als „bekannteste Wissenschaftlerin für Energie- und Klimaökonomie“ bezeichnet wird. „Bekannteste“ heißt nun nicht „Beste“, aber ihre optimale Selbstvermarktung und ihr Netzwerken zeigen Wirkung.

Kennzeichnend für ihre Beiträge, sowohl schriftlich als auch verbal, ist die fast gänzliche Abwesenheit von Zahlen. In schönster Prosa wärmt sie im Wesentlichen die bekannten Positionen auf. Schon wenn man die Formulierungen etwas lüftet und die passenden Zahlen hervorkramt, wird klar, dass hinter der Fassade wenig ist. Ihre These (im DLF-Interview vom 25.1.2018), die Schwankungen der Wind- und Solareinspeisung könnten durch Biomasse- und Wasserkraftanlagen kompensiert werden, steht zum Beispiel auf sehr schmaler Basis – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie man mit etwa 10.000 Bio- und Wassermegawatt Schwankungen von über 50.000 Megawatt aus Wind und Sonne ausgleichen will, ist schleierhaft.Wenn sie schon Zahlen nennt, hat sie eben oft auch noch Pech. 2011 sagte sie für 2020 eine EEG-Umlage von 3,64 Cent pro Kilowattstunde voraus (1, Quellen am Textende), worüber wir uns heute bei aktuell 6,756 Cent pro Kilowattstunde natürlich freuen würden.

2012 verkündete sie in der „Sächsischen Zeitung“, dass die Kilowattstunde Strom 2030 insgesamt nur 1,1 Cent mehr als heute (2012) kosten werde (2). Das wären etwa 27 Cent. Warten wir mal ab. Wir werden das blonde Wunder dieser Voraussage hoffentlich noch erleben. Ebenso fragwürdig ihre Aussage, dass erhöhte Systemkosten nicht gravierend sein würden (3). In der „Märkischen Allgemeinen“ teilte sie 2012 mit, dass der technologische Fortschritt die erforderliche Netzstabilität gewährleistet und eine Speicherung ermöglichen werde (4). Die Netzstabilität ist tatsächlich durch erhebliche Fortschritte vor allem bei der Regelung konventioneller Kraftwerke gesichert, aber von Speichern ist weit und breit nichts zu sehen.

Für Detailprobleme ist sie nicht zu haben. „Der Anteil der Atomenergie kann und wird problemlos durch erneuerbare Energien ersetzt werden.“ (5) Offenbar ist das nicht so einfach, wie man gegenwärtig in Baden-Württemberg sieht, wo ein grüner Umweltminister besorgte Bürger damit beruhigt, dass die Versorgungssicherheit durch Importe gesichert werden kann. Für das Gesamtjahr 2019 hatte Frankreich mit Deutschland einen annähernd ausgeglichenen Stromaustauschsaldo. Was von dort kommt, ist zu 70 Prozent Atomstrom.

Zum kürzlich vereinbarten Kohleausstieg sagt sie im Interview ebenso auf die Frage, ob der Wegfall der Kohlekapazitäten durch den Ausbau der Erneuerbaren kurzfristig kompensiert werden könnte: „Ja, das kann er, aber nur, wenn der Ausbau (der Erneuerbaren) nicht weiter abgewürgt . . .“ und so weiter im interessenkompatiblen Sprech der grünen Subventionswirtschaft.

Auch ihre Prognose zur Entwicklung der Arbeitsplätze bei den „Erneuerbaren“ ging daneben. 2013 erwartete sie 100.000 neue Stellen, stattdessen sind es etwa 60.000 weniger geworden. Wenn es der Energiewende dient, ist sie auch politisch flexibel. Als 2012 nicht ins Amt gelangte Schattenministerin des virtuellen CDU-Ministerpräsidenten Röttgen in NRW wechselte sie 2013 zu Schäfer-Gümbels Hessen-SPD, um Energiewendebeauftragte zu werden. Auch darüber ging die Geschichte folgenlos hinweg.Noch 2013 beklagte sie, dass der Netzausbau verschleppt würde und erklärte physikalisch beeindruckend in der Zeit, Netzausbau sei notwendig, sonst gäbe es „Molekülstau im Netz“. Da fällt jedem Fachelektriker die Werkzeugtasche aus der Hand. So wie Netze nicht verstopfen können, fließen da auch keine Moleküle, aber es wirft ein Licht auf die fachliche Kompetenz der Beraterin, die als einzige Disziplin die Wirtschaftswissenschaften studierte, sich aber als Expertin für alles versteht. Im festen Glauben eigener Unfehlbarkeit urteilt sie auch über andere Fachgebiete und weiß zum Beispiel, dass sich der Klimawandel leicht berechnen lassen würde. „Wenn der CO2-Gehalt um 25 Prozent steigt, dann hat das eine Erwärmung von 2 Grad zur Folge“. Wozu brauchen wir dann Tausende von Klimawissenschaftlern?

Heute erklärt sie, man brauche den Netzausbau in dieser Form nicht, weil da auch Kohlestrom fließe. Ausgerechnet die Netzbetreiber würden um Rat gefragt. Ja, wer denn sonst? Sie würden mit jedem Netzmeter Geld verdienen – das ist schlimm. Sie spricht von Traumrenditen und erwähnt nicht, dass die Renditen der Netzbetreiber staatlich reguliert sind. Traumrenditen fährt man wohl eher auf dem Feld der Politikberatung ein. Sie stellt den Netzausbau in Frage mit Blick auf eine vorgebliche Dezentralisierung, die zwar Einspeisung, aber keine Versorgungssicherheit bringt. Gleichzeitig fordert sie Speicher und Elektromobilität und fokussiert die gesamte Energiewende auf den Strom. Allerdings bekommt sie beim Thema Netzausbau Gegenwind aus dem eigenen Lager. Sowohl Greenpeace als auch der windkraftbegeisterte niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) und der hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir (Grüne) sehen den Netzausbau als dringend an. Frau Kemfert indes teilt ihre Meinung mit den Windkraftbetreibern, die auch dann Geld verdienen, wenn der Strom nicht abtransportiert werden kann.

Kemfert spricht sich gegen den Emissionshandel aus und beklagt dessen Wirkungslosigkeit. Nachdem „Agora-Energiewende“, Partner im Geiste, nun die CO2-Reduzierung 2019 als direkte Folge des Emissionshandels sieht, platzt ihr Argument, die „Erneuerbaren“ seien die Ursache. So wenig wie 2019 wurde seit Jahren nicht mehr von diesen zugebaut.

Auch zum Kernkraft-Ausstieg zeigt sie sich flexibel. Nach Fukushima verkündete sie noch: „Wenn man nun überstürzt rasch und unüberlegt aus der Kernenergie aussteigt, droht die Gefahr, dass man jede Menge neue Kohlekraftwerke baut und damit die Klimaziele in Gefahr geraten“. Im „Kampf um Strom“ schreibt sie später: „Es gibt keinen Grund zur Panik wegen der abgeschalteten Meiler.“

Manches muss man auch nur überzeugend behaupten. So sagte sie dem WDR, die windkritischen Bürgerinitiativen würden teilweise von fossilen Industrien bezahlt, was nicht beweisbar sein dürfte. Dass Ökoenergiefirmen hingegen die Reisekosten für Demonstranten in den Hambacher Forst übernahmen, gilt als sicher.

Ihren Titel als Professorin erlangte sie ohne Habilitation über eine Juniorprofessur an der Berliner Humboldt-Uni. Dort schied sie „unter nicht ganz glücklichen Umständen“ aus, es habe in der Professorenschaft große Vorbehalte gegen sie gegeben, so die FAZ. In Akademikerkreisen ist es eher unüblich, Differenzen nach außen zu tragen. Wenn es doch jemand tut, wie der Oldenburger Professor Wolfgang Pfaffenberger, der obendrein ihr Doktorvater war, muss der Unmut groß sein. „Die Geschwindigkeit, in der sie Thesen zu wichtigen Themen geändert hat, hat mich schon verwundert“, sagte er über sein ehemaliges Ziehkind.

Es reicht jedenfalls, um Beratung zu machen „an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik“ bis hinauf zum ehemaligen Kommissionspräsidenten Barroso, wobei die Wissenschaft in den Hintergrund tritt gegenüber ihren Botschaften zu Klimaschutz und Erneuerbaren. Fachliche Neutralität kann von ihr nicht erwartet werden. Bei der Nachbesetzung im Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen kommt sie wohl nicht in Frage, weil bekanntermaßen zum linken Lager gehörend. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass ihre wissenschaftliche Arbeit politisch stark eingefärbt ist.

Erstaunlich zu registrieren ist, wie zeitpunktgerecht ihre Studien, meist gemeinsam mit dem DIW, veröffentlicht werden. Während der Arbeit der „Kommission für Strukturwandel, Wachstum und Beschäftigung“ (meist als „Kohlekommission“ bezeichnet), wurde deutlich, wie schwierig das Arbeitsfeld ist. Es schalteten sich einige Länderministerpräsidenten ein. Passgenau erschien die DIW-Studie „Erfolgreicher Klimaschutz durch zügigen Kohleausstieg in Deutschland und Nordrhein-Westfalen“. Als im Sommer 2019 einige hochrangige Manager den Finger hoben mit der Anregung, über den Atomausstieg neu nachzudenken, folgte umgehend im DIW-Wochenbericht 30 das Ergebnis einer entsprechenden Untersuchung: „Zu teuer und gefährlich: Atomkraft ist keine Option für eine klimafreundliche Energieversorgung“. Schon die Verwendung des Laien-Begriffs „Atomkraft“ macht hellhörig und provoziert die Frage, wie wissenschaftlich diese Analyse ist. Der Inhalt könnte auch in einer Kampfbroschüre von Greenpeace stehen. Atomkraft emittiere „lebensgefährliche radioaktive Strahlen“, steht geschrieben, so als hätte man das am Kraftwerkszaun nachgemessen. Das ist schlicht Unfug. Verschiedene weitere krude Annahmen und Thesen wurden danach von Fachleuten beantwortet.Kaum vorstellbar, dass rein zufällig just zu diesen Zeitpunkten das Licht der Erkenntnis die Flure im DIW erleuchtete. Es ist eher zu vermuten, dass neben den staatlichen Finanzspritzen auch die Ökoindustrie regelmäßig Aufträge für Gutachten ans DIW schickt. Denn die Ergebnisse und Empfehlungen entsprechen exakt den Forderungen dieses Komplexes der Subventionswirtschaft. Im Gleichschritt mit Wind- und Solarlobby kämpfen Kemfert und das DIW tapfer gegen Atom- und Kohlekraft wie auch gegen Erdgas und Nordstream 2. Die „Brückentechnologie Gaskraftwerke“ hatte Kemfert 2012 noch befürwortet6.

Eine maßgebliche Rolle spielt sie im Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU). Dieses alle vier Jahre vom Bundesumweltministerium berufene Gremium soll die Regierung beraten, wissenschaftlich und neutral. Mit der Berufung von Frau Kemfert sitzt seit 2016 eine politische Wissenschaftlerin im Rat, die Begründungen für die Regierungslinie liefern kann. Obwohl der Rat direkten Draht zur Regierung hat, initiierte er „offene Briefe“ mit Forderungen an diese. Dies ist kein adäquates Arbeitsmittel unter anerkannten Gremien.

Mit dem Sondergutachten zum „Öko-Veto“ gab der Rat die beratende Stimme auf und forderte die Mitwirkung nicht legitimierten Personals an der Gesetzgebung. Harmonisch und im politischen Gleichschritt schien es im Gremium allerdings nicht zuzugehen. Das abweichende Votum eines Mitglieds wird im Bericht verschämt hinten auf Seite 209 abgedruckt, es taucht in der Zusammenfassung nicht auf. Selbst ein Gericht (7) beschäftigt sich jetzt mit der Arbeit des SRU.

Bald werden die Mitglieder des neuen Rates berufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kemfert wieder dabei sein wird, ist hoch, ihr werden exzellente Beziehungen zum BMU auf verschiedenen Ebenen nachgesagt. Sie wird weiter die Klaviatur der Energiewende-Begleitwissenschaft spielen, mehr polit-medial denn wissenschaftlich.
Sie wird das Aushängeschild des Energiewende-Establishments bleiben und erwartungsgerecht und flexibel das Watt ihr Volt des Öko-Industrie-Komplexes bedienen. Trockene unpolitische Zahlenknechte waren gestern. Es geht um die Rettung der Welt und Geld. „Für die wirtschaftspolitische Beratung ist im Zweifel die Story wichtiger als die Genauigkeit“, heißt es beim DIW (8).

Man darf gespannt sein, was Frau Kemfert zum absehbaren Scheitern des Energiewende-Experiments sagen wird. Mit einiger Sicherheit wird das fossile Imperium schuld sein. Weitere Gründe wird sie flexibel finden.


1 Wochenbericht DIW 6/2011
2 Sächsische Zeitung 4.7.2012
3 Wochenbericht DIW 41/2019
4 MAZ v. 24.2.2012
5 Magazin der Hans-Böckler-Stiftung) 1+2/2012
6 Magazin der Hans-Böckler-Stiftung) 1+2/2012
7 Handelsblatt, 13.11.2019, „Streit im Umweltrat geht vor Gericht“
8 „Nur Pi mal Daumen“, Welt“ v. 19.12.2009, S.12

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken