Gerade noch einmal gut gegangen. Die große Katastrophe blieb aus. Doch sie wurde lediglich verschoben. Am 15. Januar 2020 um 19 Uhr sollte zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik mehr Strom verbraucht werden, als im Land selbst erzeugt werden kann. Ohne Strom aus dem Ausland würde es dunkel in Deutschland werden. Das hatten vor zwei Jahren die Netzbetreiber in ihren regelmäßigen Bilanzen prognostiziert. 

Es handelte sich um einen statistisch ermittelten Tag, an dem maximaler Stromverbrauch und extrem geringe Einspeisung von Wind und Sonnenenergie am wahrscheinlichsten sind.

Das wurde alles ausgerechnet, diesmal nicht von der grünen Parteivorsitzenden Annalena Baerbock, sondern von den Übertragungsnetzbetreibern. Die kalkulieren regelmäßig neu, wieviel Stromerzeugungskapazitäten noch zur Verfügung stehen und wieviel Strom verbraucht wird. Sie warnen schon seit langem vor Engpässen. Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber – 50 Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW – hatten vor zwei Jahren ausgerechnet, dass Deutschland in weniger als 24 Monaten nicht mehr in der Lage sein werde, Extremsituationen im Stromnetz aus eigener Kraft zu bewältigen. Der Welt lag die Prognose vor. Titel: »Bericht der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz 2016-2020«.

Diese jährlichen Leistungsbilanzen sind alles andere als überraschend, aber auch alles andere als beruhigend. Die Netzbetreiber vergleichen Stromverbrauch und demgegenüber Stromeinspeisung an einem bestimmten Stichtag, an dem erwartungsgemäß »die Reserven der Stromeinspeisung ihren voraussichtlich geringsten und die zu deckende Last ihren voraussichtlich höchsten Wert annehmen«. Diese Bilanz verschlechtert sich mit jedem Kraftwerk, das abgeschaltet wird. In ihrer aktualisierten Bilanz hat sich der Termin lediglich um ein Jahr verschoben.Für Januar 2020 prognostizierten sie erstmals eine negative Leistung von – 0,5 Gigawatt. Fehlende Leistungen setzen sich fort und verstärken sich, schrieben die Netzbetreiber bereits vor zwei Jahren. Nicht weiter verwunderlich: Wer reihenweise gut funktionierende Kraftwerke abschaltet, verursacht nicht nur volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, sondern untergräbt auch die Sicherheit der Stromversorgung eines ganzen Landes.

Früher war die sogenannte Jahreshöchstlast meistens Anfang Dezember. Doch bisher standen immer genügend Kraftwerke zur Verfügung, sodass die Frage nach ausreichender Stromversorgung nie gestellt werden musste. Auch wenn ein Kraftwerk ausfiel, konnten die Stromversorger dies mit anderen ausgleichen. Doch Reserven gibt es nicht mehr in der deutschen Stromerzeugung. 

Eine sichere und preiswerte Stromversorgung ist die Basis der Volkswirtschaft eines Landes. Das wissen alle anderen Länder und bauen kräftig neue Kraftwerke wie beispielsweise China und Indien. 

Fast alle Länder – muss man heute dazu sagen. Denn ausgerechnet die Industrienation Deutschland verabschiedet sich von ihrer bisher herausragenden Energieversorgung, die wesentlich zum Aufstieg zur Industrienation beitrug. Verlässliches Sicherheitsdenken von Elektroingenieuren fiel grünem Weltrettungswahn zum Opfer.

Wind und Sonne sind als sehr wacklige Energielieferanten nicht in der Lage, ein Industrieland ausreichend mit Strom zu versorgen. Nicht umsonst hatte man sich einst von Windmühlen verabschiedet. Jetzt hoffen die grünen Energiewender auf das Ausland, das mit Strom aus Braunkohle- oder Kernkraftwerken aus der Patsche helfen soll – wenn dort selbst genügend Strom zur Verfügung steht.

Eine törichte, teure Lösung. Deutschland hat das bisher teuerste Land in Sachen Strompreise, Dänemark, überholt und darf sich jetzt mit durchschnittlich 30 Cent pro Kilowattstunde der höchsten Preise rühmen. So teuer war der Strom noch nie. Für viele Familien bedeutet das einen weiterer Preisschock.

Das gab es wohl noch nie in der Geschichte: Ein Industrieland schaltet sich selbst freiwillig das Licht aus, und ein großer Teil der Nation klatscht laut Beifall.

Wie in vorindustriellen Zeiten der Windmüller nur bei Wind mahlen konnte, empfiehlt sich auch heute wohl der Blick aufs Wetter um abzuschätzen, ob ein wenig Strom verfügbar sein dürfte und ob die Industrieproduktion anlaufen kann oder eher nicht.

Derzeit weht im Norden eine frische Brise, also kein Tag mit einer »höchstlastträchtigen Wetterlage«, wie ein Energiefachmann gegenüber TE sagte.

Das war am vergangenen Montag, 13. Januar, noch anders. Kaum Wind, kaum Sonne – die konventionellen Kraftwerke liefen auf Hochtouren. Den Anteil der Photovoltaik kann man angesichts der spärlichen Sonneneinstrahlung vergessen. 

Dann frischte der Wind auf – allerdings nur im Norden. Die Windräder lieferten gerade mal die Hälfte des benötigten Stromes, und ohne konventionelle Kraftwerke sähe es allerdings düster aus. Sie hatten einen weiteren kritischen Effekt: Aufgrund der extremen Lastflüsse von Norden nach Süden waren die Leitungen bis zum Bersten gefüllt. Diese starken Lastflüsse jedoch bringen wiederum auch die regionalen Verteiler in erhebliche Schwierigkeiten. Not-Auslösungen aufgrund zu starker schwankender Lastflüsse drohen.Das bedeutet auch, dass extreme Lastflüsse in die Netze der Nachbarländer drücken und dort die Stabilität bedrohen. Deutschland ist also ein kritischer Störenfried im europäischen Höchstspannungsnetz. Kein Wunder, dass die Nachbarländer mit teuren Phasenschiebern ihre Stromleitungen sperren und ihre Netze schützen.

Die Große Koalition in Berlin würde vermutlich am liebsten die „Kirchhoff‘schen Gesetze“ novellieren, die den Zusammenhang zwischen zufließenden und abfliessenden elektrischen Strömen in elektrischen Netzwerken bestimmen. Wenn die nur keine Naturgesetze wären…

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

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