Die wichtigsten Daten darin – abgesehen davon, dass es grundsätzlich um Tote und Unglücke geht – fallen für 2019 eher positiv aus. Die Zahl der Naturkatastrophen-Toten ging stark zurück, von 15 000 im Jahr 2018 auf 9000 im vergangenen Jahr. Die angerichteten Schäden sanken leicht, von 160 auf 150 Milliarden Dollar. Alles in allem, so Munich Re, lägen die Schäden für 2019 im inflationsbereinigten Schnitt der letzten 30 Jahre.Der Bericht eignet sich schon wegen dieser Zahlen nicht für Klimakatastrophen-Berichterstattung. Außerdem behauptet das Rückversicherungsunternehmen darin keinen direkten Zusammenhang zwischen globalen Klimaveränderungen und Naturkatastrophen, etwa den beiden tropischen Zyklonen, die 2019 den Großraum Tokio heimsuchten und Schäden von 24 Milliarden Dollar anrichteten.

In ihren Berichten griffen sowohl Tagesschau als auch heute-Nachrichten den Munich Re-Bericht auf: und setzten promt ein Klima-Frame. Die Tagesschau teasert ihre Meldung folgendermaßen an:

„Naturkatastrophen 2019
150 Milliarden Dollar Schäden weltweit
Stürme, heftiger Regen und Hitzewellen – Naturkatastrophen haben 2019 Schäden in Höhe von 150 Milliarden Dollar verursacht, berichtet der Rückversicherer Munich RE. Experten sehen auch einen Zusammenhang mit dem Klimawandel.“

In dem eigentlichen Artikel auf tagesschau.de, den ein Nutzer dann aufklicken kann, kommen allerdings keine Experten vor, die einen Zusammenhang zwischen den Naturkatastrophenschäden 2019 und den Klimaveränderungen behaupten. Zitiert werden nur Munich Re-Vorstand Torsten Jeworrek mit der sehr allgemeinen Aussage, man könne den „Klimawandel spüren und sehen“, und der „Chef-Klimaexperte“ des Konzerns, Ernst Rauch, der lediglich für die Zukunft mehr Hagelgewitter voraussagt.

Überraschend ist beides nicht, denn die Prognose künftiger Schäden dient bei großen Versicherern als Begründung, die Versicherungsprämien hoch zu halten beziehungsweise zu erhöhen. Das gehört zum Geschäft und ist nichts, was man dem Unternehmen vorwerfen müsste. Aber weder handelt es sich bei den von der Tagesschau zitierten Managern um unabhängige Experten, noch „sehen sie einen Zusammenhang“ zwischen den Versicherungsschäden 2019 und den globalen Klimaentwicklungen.

Die Kollegen vom ZDF gehen bei der Klima-Einrahmung des Munich Re-Reports noch einen großen Schritt weiter.

Auf heute.de vergleicht die Redaktion zunächst die reine Zahl von Naturkatastrophen 2019 – also nicht Toten und Schadenshöhe – mit dem Durchschnitt der Jahre 1989 bis 2018, wobei nicht verraten wird, warum sie diesen krummen 29-Jahres-Vergleichszeitraum heranzieht – um festzustellen, die Katastrophenanzahl für 2019 läge „deutlich“ über diesem Schnitt. Um dann eine Verknüpfung zwischen dem Munich Re-Report und einer angeblichen Feststellung des Zwischenregierungs-Rats zum Klimawandel IPCC (in deutschen Medien regelmäßig als „Weltklimarat“ übersetzt) herzustellen, der damit „bestätigt“ werde.

Bei heute.de heißt es:


„Zwischen 1989 und 2018 waren es im Schnitt 520, im letzten und vorletzten Jahr dagegen deutlich über 800. Der Bericht bestätigt damit, was Wissenschaftler, zum Beispiel die des Weltklimarates (IPCC), schon länger feststellen: Die Zahl von Extremwetterereignissen nimmt weltweit durch den Klimawandel zu.

Der Satz „Die Zahl von Extremwetterereignissen nimmt weltweit durch den Klimawandel zu“ ist auf der ZDF-Seite zwar aufmerksamkeitsverstärkend gefettet – es fehlt aber ein entsprechender Link zu einem IPCC-Bericht, der das tatsächlich feststellen würde. In dem heute.de-Text folgt auch kein Zitat, das die Behauptung belegen würde, der IPCC hätte diese Feststellung getroffen. Was nicht verwunderlich ist. Denn in seinem Report von 2018 geht die Organisation auf das Thema Extremwetter-Ereignisse umfangreich ein.

Nur nicht so, wie das ZDF behauptet. Dort schreiben die IPCC-Autoren vielmehr, sie hätten „geringes Zutrauen“ (“low confidence“) in Daten, die einen Langzeittrend in der Zunahme von Intensität, Frequenz und Dauer tropischer Zyklone in den letzten 40 Jahren zeigen sollen. Ebenfalls „geringes Zutrauen“ habe das IPCC in Trendbeobachtungen zu „kleinräumlichen Phänomene wie Tornados und Hagel“, dazu seien die Daten zu widersprüchlich und die Beobachtungssysteme zu wenig geeignet:

„There is low confidence in any observed long-term (i.e., 40 years or more) increases in tropical cyclone activity (i.e.,intensity, frequency, duration), after accounting for past changes in observing capabilities. It is likely that there has been a poleward shift in the main Northern and Southern Hemisphere extratropical storm tracks. There is low confidence in observed trends in small spatial-scale phenomena such as tornadoes and hail because of data inhomogeneities and inadequacies in monitoring systems.“

Für wahrscheinlich hält das IPCC seinem Bericht zufolge die Verlagerung außertropischer Stürme Richtung Norden, außerdem die Zunahme der Zahl warmer Tage und Nächte und die Abnahme von kalten. Das überrascht wenig – und hat vor allem nichts mit dem Thema Naturkatastrophen zu tun.
Mit seinem Bericht von 2018 bestätigte das IPCC eine ganz ähnliche Aussage aus seinem Report von 2013: Es gibt keine hinreichenden Daten für einen Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und Wetterextremen.

Fazit: ARD und ZDF stecken den Naturkatastrophen-Schadensbericht eines Versicherers in einen Klima-Deutungsrahmen, obwohl die Daten in dem Munich Re-Bericht weder einen alarmierenden Trend noch einen Zusammenhang zwischen Extremwetter und Klimaentwicklung hergeben. Das ZDF behauptet zudem eine Aussage des IPCC zu einem Zusammenhang von Extremwetterereignissen und Klimawandel, die das IPCC gerade nicht so getroffen hat.

Der Beitrag erschien zuerst bei Publico der Blog des Autors hier

 

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