Den „Klimaskeptikern“ wird gern vorgeworfen, sie seien von der amerikanischen Ölindustrie oder anderen Wirtschaftsprofiteuren gesponsert und ihre wissenschaftlichen Argumente daher wertlos. Übernimmt man diese Argumentationsfigur (die logisch zwar einen Fehlschluss, im Alltag aber doch manchmal eine zielführende Heuristik darstellt), fragt man sich, wem denn umgekehrt der omnipräsente Klima-Alarmismus nütze. Lässt sich hier kein materieller Profit ausmachen, wirkt die Haltung idealistisch motiviert im Sinne der Menschheit und gewinnt an Glaubwürdigkeit.
Oft lässt sich bei näherem Hinsehen aber doch ein materieller Profit ausmachen. Ein aktuelles Beispiel stellt das einseitige Engagement des Präsidenten der Technischen Universität Berlin dar. Wird er damit seinem Amt gerecht, und was bedeutet das für seine Position?

TU Präsident Thomsen (ganz rechts) bei FFF Demo in Berlin, Bild Screenshot YouTube Siehe link

Erstens: Aufgabe des Präsidenten ist es, die Universität zu vertreten (§ 4 der Grundordnung der Technischen Universität Berlin vom 13. Dezember 2017).
Der TU-Präsident Thomsen hingegen publiziert am 26. Mai 2019 im Tagesspiegel seine private politische Meinung zum Youtube-Video Die Zerstörung der CDU: „Rezo hat Recht.“

Er solidarisiert sich mit der Fridays-for-Future-Bewegung und führt die TU-Demonstranten an. Mit den Worten

„Das Thema reißt die ganze Uni mit“

maßt er sich 19. Juni 2019 im Berliner Tagesspiegel einen politischen Vertretungsanspruch an, zu dem er nicht legitimiert ist.

Am 1. Oktober 2019 nutzt er schließlich ein Interview anlässlich des Erfolges der Berliner Universitäten in der Exzellenzinitiative zu einer Parteinahme, die andersdenkende Kollegen und Studierende explizit ausschließt:

„Die Fridays for Future-Bewegung ist richtig, sie ist wichtig, sie ist für unsere Zukunft bedeutend. Sie ist schon jetzt aktiver Teil unserer TU. Viele Studierende und Wissenschaftler*innen engagieren sich, und wir als Universitätsleitung haben uns den Forderungen der Bewegung angeschlossen.“

Vertreter einer Universität (von universitas magistrorum et scolarium, Gemeinschaft der Lehrer und Schüler) kann sich doch aber nur nennen, wer Akademikern und Studierenden unterschiedlicher wissenschaftlicher und politischer Position Raum gibt.
Zweitens: Aufgabe eines Wissenschaftlers ist es, unter Berücksichtigung aller bisheriger Forschungsergebnisse Hypothesen aufzustellen und diese mit nachvollziehbaren Methoden zu prüfen. Da jede wissenschaftliche Erkenntnis paradigmenabhängig ist (Kuhn), oder, weniger relativistisch, erst durch Überstehen verschiedenster Falsifikationsversuche allmählich gefestigt wird (Popper), ist letztgültige Wahrheit nicht zu erlangen. Eine Bescheidenheit gegenüber den Ergebnissen (Wir stehen alle auf der Schulter von Riesen, Ursprung unbekannt) gehört somit zur Grundhaltung jedes ernstzunehmenden Wissenschaftlers, und ihre Verbreitung zu den ureigensten Pflichten eines Hochschullehrers.
Der Physikprofessor und TU-Präsident Christian Thomsen plädiert hingegen öffentlich für marktschreierische Lautstärke:
(Berliner Tagesspiegel, 10. Oktober 2019)
Mit „laut sein“ meint er leider nicht, energisch in eine unwissenschaftlich einseitige mediale Darstellung der Klimaforschung einzugreifen, d.h. den Prinzipien der Wissenschaftlichkeit Gehör zu verschaffen. Nein, er benutzt das Ansehen seines Amtes, um genau diesen Missstand noch zu befördern.

Internetseite der TU Berlin am 12.11.2019: Einseitiges Engagement.

Gerade als Physiker müssten dem Kollegen Thomsen die zahlreichen umstrittenen Punkte der wissenschaftlichen Debatte (z.B. solarer Anteil am Klimawandel) bekannt sein. Dennoch werden zur eilends organisierten und öffentlichkeitswirksam beworbenen Ringvorlesung im Wintersemester 2019/20 nur Vertreter/innen der CO2-Hypothese eingeladen; auch die berühmte Queen’s Lecture am 11. November 2019 wird dieser Position gewidmet. Skeptische Wissenschaftler ignoriert er.
Was treibt den Präsidenten zu dieser medienkonformen Einseitigkeit, mit der er beide Aufgaben seines Amtes verfehlt? Es ist allgemein bekannt, dass deutsche Universitäten und Hochschulen seit geraumer Zeit um Studienanfänger konkurrieren.

Dass dies eine Folge der „leistungsbasierten Hochschulfinanzierung“ ist, ist vielleicht weniger bekannt: Eine Universität erhält umso mehr Geld vom jeweiligen Bundesland, je mehr Studierende sie „einwirbt“. Laut Hochschulvertrag 2108-2022 erhält die TU Berlin beispielsweise 5100 € vom Land Berlin für Bachelorstudierende in den Ingenieurwissenschaften, für Masterstudenten die Hälfte.
dort Anlage 1, S. 1
Im TU-internen Infobrief vom November 2019 schreibt Präsident Thomsen denn auch nicht ohne Stolz:

„In den Bachelorstudiengängen sind besonders im Bereich Nachhaltigkeit die Anmeldezahlen deutlich gestiegen. Sicherlich ist dies auch auf die Fridays-for-Future-Bewegung zurückzuführen, was uns sehr freut.“

TU Berlin Infobrief_21_November_2019
Damit liegt sein Motiv auf der Hand. Finanziell nützt er zwar seiner Universität, verrät dafür aber die Prinzipien der Wissenschaft und sein Amt – womit er den „Nutzen“ unmittelbar wieder entwertet. Last not least macht er nach dem Cui-Bono-Prinzip seine eigene wissenschaftliche Position so angreifbar wie die Alternativen, die er genau aus diesem Grund ignorieren zu können glaubt.

Ich werde nicht von der Ölindustrie gesponsert und auch von niemandem sonst. Ich engagiere mich einzig und allein deshalb in der Klimadiskussion, weil mir der Missbrauch der Wissenschaft für Ideologien unerträglich ist. Meine Hoffnung ist, dass sich die wissenschaftliche und öffentliche Diskussion wieder für Argumente beider Seiten öffnet, da langfristig nur das die Menschheit voranbringen kann. Der vielfältige persönliche oder institutionelle Nutzen einer einmal etablierten Mainstream-Position steht dem, wie der Beitrag exemplarisch zeigt, zurzeit entgegen.

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