Von Edgar Timm.

Hunderttausende haben den Thriller „Blackout“ von M. Elsberg gelesen.

Fast unbekannt ist dagegen die 136 Seiten starke „Drucksache des Bundestages Nr. 17/5672 vom 27.04.2011 (Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung)„.

Dieses Ergebnis einer großangelegten wissenschaftlichen Studie ist viel erschreckender. Sie entstand im Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag unter Mitwirkung zahlreicher Wissenschaftler und wurde im Mai 2011 im zuständige Ausschuss (nicht jedoch im Parlament) diskutiert. Vielen Volksvertretern dürften daher die möglichen Folgen eines überhasteten Ausstiegs aus der konventionellen Elektrizitätsversorgung nicht bekannt sein. Das nachfolgende Szenario beschreibt die Auswirkungen eines landesweiten Blackouts auf unser tägliches Leben – auf unsere Zivilisation. Zur Einstimmung das Fazit der Studie:

„Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern …“ (S. 16 der o.g. Drucksache)

Zunächst ein paar Fakten. Fakt ist, dass die Sonne in den Wintermonaten in Europa ungefähr zwischen 15 Uhr (Warschau) und 18 Uhr (Cadiz) untergeht. Fakt ist ebenfalls, dass die Sonne in Deutschland im Juni auf ca. 60° steht, im Dezember jedoch nur auf ca. 10° – Solarstrom steht uns deshalb gerade dann nicht zur Verfügung, wenn der Stromverbrauch am größten ist.

Eine Studie der Energy Brainpool GmbH & Co. KG im Auftrag der Greenpeace Energy eG. aus dem Jahre 2017 fasst zusammen:

„Bei der Analyse der Wetterjahre 2006 bis 2016 zeigte sich in jedem zweiten Jahr mindestens eine zweiwöchige Phase mit einer ähnlich angespannten Situation wie in den 14 Tagen vom 23. Januar bis 6. Februar 2006, der als Extremfall einer kalten Dunkelflaute gilt.“

Seinerzeit traten zahlreiche Frost- und Eistage auf. Im Bergland lag oberhalb von 500 Metern an 28 Tagen Schnee. In Ostbayern und im nördlichen Mittelgebirgsraum hat es an mindestens 20 Tagen gefroren. In Oberstdorf im Allgäu lagen die Tiefstwerte um den 12. Februar zwischen minus 20 und minus 22 Grad.

Im Januar 2017 mussten rund 26.000 Windkraftanlagen und mehr als 1,2 Millionen Solaranlagen wegen einer „Dunkelflaute“ ihre Arbeit für lange Zeit einstellen.

 „Ein für diese Jahreszeit typisches Hochdruckgebiet sorgte für zehntägige Windstille und Nebel – während zugleich der Strombedarf in Deutschland stark anstieg, weil es ziemlich kalt war.“ (Welt, 06.02.2017).

Am 24. Januar 2017 deckten die Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke mehr als 90 Prozent des deutschen Strombedarfs – und an fast allen anderen Tagen zwischen dem 16. und dem 26. Januar war es sehr ähnlich. Biomasse- und Wasserkraftwerke lieferten etwa zehn Prozent des Bedarfs.

Ein kalter Winter macht nicht an einer deutschen Grenze halt

Das Defizit wurde durch „Atomstrom“ aus Frankreich, „Kohlestrom“ aus Polen und weiteren Quellen anderer europäischer Anbieter gedeckt. Der BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. bemerkt dazu:

„Die Zeiten, in denen sehr viel Strom nachgefragt werde, sind in Mitteleuropa nahezu deckungsgleich. Ist die Stromnachfrage in Deutschland hoch, sei dies in der Regel auch in den angrenzenden Staaten der Fall. Ein besonders kalter Winter mache nicht an einer deutschen Grenze halt. Und die stromintensiven Werktage seien in Europa auch identisch“.

Ausländische Reservekraftwerke werden jedoch auch deshalb zukünftig nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung stehen, weil in vielen Nachbarländern wegen der günstigen Strompreise elektrisch geheizt und neuerdings auch die E-Mobilität gefördert wird. Doch das Konzept „Strom 2030“ der Bundesregierung setzt unverdrossen auf Stromimporte, die die Versorgungssicherheit absichern sollen. Immerhin wird konzidiert, „dass bei einem zusätzlich angenommenen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung die berücksichtigten Zubauten an Grenzkuppelkapazitäten nicht ausreichen, um die Versorgungssicherheit während der kalten Dunkelflaute zu gewährleisten.“

Im Jahr 2018 ist laut Agora Energiewende „zwar keine längere kalte Dunkelflaute aufgetreten, allerdings hat es von Mitte Februar bis Anfang März eine Periode mit Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius gegeben, in die auch eine sechstägige (17. bis 23. Februar) Phase gefallen ist, in der nur in geringem Umfang Strom aus Erneuerbaren Energien in das Netz eingespeist worden konnte …“

Und „im ersten Quartal 2019 war das Wetter teilweise sehr schön. Schönes Wetter aber ist der Feind der Windstromerzeugung. Zwar scheint verstärkt die Sonne. Die aber ist im Winter schwach und kann den fehlenden Windstrom nicht ausgleichen. Am 10.1.2019 fiel die Netzfrequenz unter die benötigten 50 Hertz. In der Folge mussten große Stromverbraucher, zum Beispiel Aluhütten, vom Netz genommen werden, damit der bevorstehende Blackout in Europa verhindert werden konnte.“ (Rüdiger Stobbe am 09.04.2019: Woher kommt der Strom? 13. Woche und ein Beinahe-Blackout).

Wir sehen also, dass eine „kalte Dunkelflaute“ nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist – das sollte auch den Mitgliedern des Deutschen Bundestages bekannt sein, denn die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages berichten am 31. Januar 2019 zum Thema „Sicherstellung der Stromversorgung bei Dunkelflauten“.

Innovative Speicher, die eine Flaute von mindestens zwei Wochen überbrücken könnten, stehen nicht zur Verfügung – sie müssen noch entwickelt, geplant, getestet, genehmigt, gebaut und bezahlt (!) werden. Das wird noch Jahrzehnte dauern. Der Greenpeace-Traum, bereits im Jahr 2040 eine zu 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung auch während der kalten Dunkelflaute zu gewährleisten, indem Gaskraftwerke als für die Versorgungssicherheit notwendige flexible Erzeugungskapazität ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewonnenes Gas verbrennen, erscheint anspruchsvoll, denn 20 Prozent der eingebrachten Energie gehen bei der Umwandlung in Wasserstoff durch Abwärme verloren. Die Herstellung von synthetischem Methan kostet ein weiteres Fünftel. Verstromt man das synthetische Gas wieder, bleiben nur 40 Prozent der ursprünglichen Energiemenge übrig.

In den frühen Abendstunden eines Werktages im Dezember…

Wie wirkt sich das alles auf unser tägliches Leben aus – und was hat das mit Europa zu tun? Natürlich kann der genaue Zeitpunkt für einen umfassenden Stromausfall nicht prognostiziert werden. Aufgrund der oben genannten Fakten ist es jedoch wahrscheinlich, dass wir dieses Phänomen in den frühen Abendstunden eines Werktages im Dezember, Januar oder Februar erleben werden. Wenn wir Glück haben, steht zu dieser Zeit ein Vollmond am unbewölkten Himmel – ansonsten ist es „zappenduster“ – wie zum Beispiel am 15.12.2020, wenn nur 0,1 Prozent der sichtbaren Mondoberfläche das Sonnenlicht reflektieren werden. Leider wird sich dieses Ereignis nicht darauf beschränken, dass kein Strom mehr aus unseren Steckdosen kommt, Fernseher und PC streiken, Föhn und Kaffeemaschine ihren Dienst verweigern und wir beim Candle-Light-Dinner Schmalzstullen verzehren müssen. Einschneidender werden andere Folgen sein:

Fernzüge und U-Bahnen werden in Tunneln und Fahrstühle zwischen zwei Stockwerken steckenbleiben. Büros und Einkaufszentren werden statt hell erleuchtet in Finsternis gehüllt sein. Auch die Straßenbeleuchtung und Verkehrsampeln fallen aus. Auf den Straßen herrscht Chaos – nicht nur private PKW, sondern auch Busse und Taxis stecken fest, und der schnellste Weg nach Hause dürfte häufig der Fußmarsch sein. Allerdings: Das einzige Licht liefern die Scheinwerfer von Fahrzeugen – das heißt, entweder man huscht zwischen zwei Autos über die Straße oder man stolpert durch die Dunkelheit und landet gelegentlich in der Horizontalen. Radfahrer erkennen trotz moderner LED-Scheinwerfer vor ihnen befindliche Hindernisse nicht rechtzeitig und stürzen. Eltern können ihre Kinder nicht von der Kita abholen – der Versuch, dort anzurufen, scheitert, weil der Router der Kita mangels Strom auch die „Voice-over-IP“-Festnetzgespräche nicht mehr annehmen kann.

Zu Hause angekommen, können wir noch genau einmal das WC benutzen, denn die Pumpen in den Wasserwerken werden elektrisch angetrieben. Ohne Notstromaggregate verweigern auch sie den Dienst – und ohne Druck in den Leitungen kann in den Wasserkasten nichts nachlaufen.

Am nächsten Morgen stellen wir fest, das noch immer kein Strom da ist. Die Wohnung ist dunkel, das Radio bleibt stumm, WC und Dusche funktionieren noch immer nicht und es ist merklich kühler als sonst um diese Tageszeit, denn die Heizung ist ebenfalls ausgefallen. Die Straßen sind noch immer dunkel und die Fahrspuren durch E-Mobile blockiert, in denen die Fahrer mit laufender Heizung die Nacht verbracht haben.

Der Versuch, zur Arbeit, in die Schule oder zur Universität zu gelangen, schlägt fehl. Elektrisch betriebene Bahnen fahren nicht, und auch der Busverkehr ruht, da die Benzinpumpen in den Depots ihren Dienst verweigern. Natürlich können wir niemanden per Mail oder Telefon über unser Fernbleiben benachrichtigen.

Die Tage nach dem großen Stromausfall. In den Supermärkten funzelt die Notbeleuchtung. Die ersten Hamster sind unterwegs. Palettenweise sammeln sie hastig Wasserflaschen, Brot und weitere lebensnotwendige Dinge, um sie nach Hause zu bringen. An den Kassen bilden sich lange Schlangen, denn weder Barcodescanner noch Kartenleser funktionieren. Bargeld (in kleinen Scheinen) lacht – allerdings sind auch die Geldautomaten der Banken und Sparkassen seit gestern in den Streik getreten. Am besten gehen wir wieder ins Bett – mit Socken und Pullover. Bevor der Inhalt von Kühlschrank und Frostfach vergammeln, gönnen wir uns ein Restemenü im Kerzenschein.

Nach drei Tagen ist nicht nur der Kühlschrank leer – auch der Supermarkt an der Ecke. Wahrscheinlich wurde er von Plünderern geräumt. Überhaupt bricht die Zivilisation langsam zusammen. Auf den Straßen gilt das Recht des Stärkeren, denn die Ordnungs- und Rettungskräfte sind machtlos. Kaum noch jemand wagt sich auf die Straße. Die Regierung erwägt, den Notstand auszurufen. Langfristige Freundschaften und sogar Familienbande zerreißen, weil Menschen, die für diesen Fall vorgesorgt haben, ihre Vorräte nicht teilen wollen mit Leuten, die sich vor kurzem noch darüber lustig gemacht haben.

Das körperliche Wohlbefinden nähert sich dem Nullpunkt – Katzenwäsche mit kostbarem Selterswasser statt Dusche und Katzenklo anstelle des WC. Nach mehreren Tagen ohne Heizung sinkt die Temperatur in vielen Wohnungen unter den Gefrierpunkt. Um nicht zu erfrieren, werden Menschen ihren Holzkohlegrill im Wohnzimmer anfeuern und im Kohlenmonoxidrausch ins Nirvana hinüberdämmern. Feuerwehr und Rettungsdienste kommen nicht mehr – selbst wenn man sie rufen könnte. Wer nicht rechtzeitig das Wasser aus den Leitungen abgelassen und die Rohre belüftet hat, riskiert Rohrbrüche. Wenn die Wasserwerke wieder liefern, läuft das Wasser nicht aus dem Hahn, sondern direkt aus der Wand. Auf jeden Fall müssen die Rohrleitungen vor der Inbetriebnahme entkeimt und gut gespült werden, sonst drohen lebensgefährliche Krankheiten wie die bekannte Legionellose.

Wer glaubt, er sei nicht betroffen, weil er auf dem Land oder in einer Concierge-bewachten Stadtvilla wohnt, wird sich wundern. Wenn Frau und Kinder hungern, werden selbst kreuzbrave Familienväter zu Raubtieren – und Männergruppen, die gestern noch friedlich in der Fußgängerzone verweilten, werden marodierend durch die Vorstädte ziehen. Ungehindert, denn Polizei und Bundeswehr sind für diese Situation weder materiell noch psychisch gerüstet. Es wird einen Kampf „Jeder gegen Jeden“ geben, den die Stärksten und Rücksichtslosesten gewinnen.

Wer kein Auto hat, besorgt sich eins

Die Flughäfen sind weitgehend gesperrt, da der Regelbetrieb mit Notstromaggregaten nicht gewährleistet werden kann. Insbesondere die Gepäcksortieranlagen funktionieren nicht mehr. Wer Glück hat, kann vielleicht mit einem Stück Handgepäck in eine europäische Metropole flüchten. Ob man dort bei der Einreise einige Tausend Euro in bar nachweisen muss oder die MasterCard genügt?

Wer dem Chaos mit dem Auto entfliehen will und genügend Sprit im Tank hat, wird das nächste Nachbarland ansteuern. Wer kein Auto hat, besorgt sich eins. Carjacking macht die einen mobil und läßt die anderen ratlos am Straßenrand stehen. Wer nicht Opfer einer Gewalttat werden will, wird Gas geben, wenn eine vermeintlich hilflose Person am Straßenrand liegt.

Wie geht es weiter? – Direkte und indirekte Kosten eines mehrwöchigen Blackouts. Die Technikfolgenabschätzung (Drucksache des Bundestages Nr. 17/5672 vom 27.4.2011) fasst auf S. 31 ff die zu erwartenden Schäden wie folgt zusammen:

„Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit bisherigen nationalen wie internationalen Stromausfällen lässt sich sagen, dass ein langandauernder Stromausfall erhebliche Kosten verursachen wird: durch primäre Personen- und Sachschäden sowie weitere betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Folgeschäden aufgrund von Verzögerungen und Ausfällen bei Dienstleistungen und produzierendem Gewerbe. Diese werden weit über das eigentliche Schadensereignis hinausreichen … Es darf vermutet werden, dass für ein mehrwöchiges Stromausfallszenario mit einer Vielzahl von Nebenfolgen sowie Auswirkungen auf andere kritische Infrastrukturen weitere unmittelbare Kosten zu erwarten sind, wobei diese wahrscheinlich nach kurzer Zeit exponentiell ansteigen. Ferner müssen die späteren Kosten für die Beseitigung von Schäden und die sukzessive Wiederinbetriebnahme aller Abläufe in Wirtschaft und Gesellschaft in Rechnung gestellt werden … Über die ökonomische Perspektive hinaus sollten aber auch die gesellschaftlichen Kosten eines in seinen Folgen katastrophalen Stromausfalls bedacht werden.“

Menschen haben ihr Leben verloren, Nutztiere sind verendet und Lebensmittel im Wert von Milliarden Euro vernichtet. Die logistischen Ketten sind zerbrochen – das bedeutet u.a., dass Apotheken weiterhin keine lebensnotwendigen Medikamente ausliefern können. Billiges Fleisch aus der Massentierhaltung gibt es nicht mehr – was nicht nur Tierschützer begeistert, wird zum Bumerang: Um nicht zu verhungern, werden die Menschen auf andere Kost ausweichen – die dadurch für BAFöG- und Hartz4-Empfänger unbezahlbar wird. Auch die „Tafeln“ können nicht helfen, da sie keine Lebensmittel mehr erhalten, deren Mindesthaltbarkeitsdatums abgelaufen ist.

Viele Fabriken haben nur noch Schrottwert

Krankenhäuser, Schulen und zahlreiche andere Gebäude müssen wieder zum Gebrauch hergerichtet werden. Viele Fabriken haben nur noch Schrottwert, private und öffentliche Immobilien sind durch Vandalismus zerstört. Viele Häuser sind unbewohnbar – um den Menschen kurzfristig ein Dach über dem Kopf zu sichern, kommt es zur Wohnraumbewirtschaftung, das heißt zu Zwangseinweisungen in solche Immobilien, deren Bewohner mehr als zum Beispiel 20 Quadratmeter/Kopf zur Verfügung haben.

Vermögen im Wert von Billionen Euro sind ausgelöscht. Sparguthaben und Wertpapiere werden durch einen „Lastenausgleich“ oder im Rahmen einer Währungsreform abgewertet – in der Folge können Lebensversicherungen und Versorgungswerke ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen. Und weil die Steuern nur noch spärlich fließen, wird auch der öffentliche Dienst nicht ungeschoren davon kommen. Gehälter und Pensionen müssen gekürzt werden, überflüssige Aufgaben fallen weg. In den Universitäten werden ganze Lehrstühle aufgelöst, Subventionen nicht nur für Kulturschaffende werden gestrichen. Erst mit wochenlanger Verspätung beginnt das große Aufräumen wenn die Tage wieder länger werden.

Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario? Mögliche Probleme beurteilt man hinsichtlich ihrer Tragweite und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit. Werden für ein zukünftig eventuell eintretendes Ereignis beide Parameter als bedeutend eingestuft, muss dieses Problem gelöst werden: Tragweite und Eintrittswahrscheinlichkeit des möglichen Ereignisses müssen, soweit vertretbar, minimiert werden.

Allgemein anerkannt wird, dass ein auch nur regionaler Stromausfall über mehrere Tage für die Betroffenen zumindest lästig ist, sie aber zeitnah mit Hilfe aus anderen Regionen rechnen können. Wegen der hohen und zunehmenden Abhängigkeit von elektrischer Energie sowie der wachsenden Komplexität der Informationsflüsse stellt ein großräumiger und langandauernder Ausfall der Stromversorgung jedoch hinsichtlich der Tragweite eine Katastrophe dar – deren Eintreten sich die meisten Menschen allerdings bislang nicht vorstellen können (siehe S. 14 der BT-Drucksache). Durch die angepeilte „Energiewende“ ist die Eintrittswahrscheinlichkeit einer solchen Katastrophe jedoch drastisch gestiegen.

Zweimal am Tag je eine Stunde lang Strom

Wie eingangs beschrieben, stellten im Januar 2017 die Windkraft- und Solaranlagen genau zehn Tage lang kaum Leistungen zur Verfügung – regenerative Energien konnten nur zehn Prozent des Strombedarfs decken. Die seinerzeitige Wetterlage kann sich jederzeit wiederholen – und zwar mehrfach innerhalb eines Jahres, und dann können es fünf, zehn oder auch mehr Tage sein. Doch schon in naher Zukunft haben wir weder ausreichend Kern- noch Kohlekraftwerke, die uns versorgen – das KKW Philippsburg 2 soll zum Beispiel am 1.1.2020 vom Netz gehen. Selbst wenn der Wind wieder kräftig weht, wird kein Strom erzeugt, denn Windkraftwerke sind nicht „schwarzstartfähig“. Tausende Windräder müssen zunächst mit elektrischer Kraft, die vermutlich aus Erdgas gewonnen wird, in Position und in Schwung gebracht werden. Aber Gaskraftwerke soll es ja bald auch nicht mehr geben.

Vielleicht werden die Stromversorger und die Bundesnetzagentur bei einem drohenden Blackout aber gut vorbereitet sein: Smartmeter könnten so programmiert werden, dass pro Haushalt maximal noch 200 Watt zur Verfügung stehen – damit kann man entweder seine Brennwerttherme betreiben oder die LED-Beleuchtung einschalten. Alle großen Haushaltsgeräte, aber auch Kaffeemaschine und Fön, bleiben außer Betrieb.

Oder die Elektrizitätsunternehmen sorgen rechtzeitig für lokale beziehungsweise regionale Stromabschaltungen. Wenn nur zehn Prozent der üblichen Strommenge zur Verfügung stehen, bekommt jeder Verbraucher eben nur zweimal am Tag je eine Stunde lang Strom. Gleiches gilt für Supermärkte und Tankstellen. Nur jeder zehnte Intercity und Regionalzug dürfte dann noch fahren – gleiches gilt für den ÖPNV. Wenn Krankenhäuser, Versorgungseinrichtungen u.ä. keinen Einschränkungen unterliegen sollen, muss der private Verbrauch noch weiter reduziert werden. Alles, was Spaß macht, wird ohnehin abgesagt – es gibt keine Kino-, Konzert-, Sport- und Theaterveranstaltungen mehr; Einkaufszentren, Kaufhäuser und Kneipen werden geschlossen. Kurzum: Bei Flaute verödet das gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Leben.

Wir wissen, dass es Menschen gibt, die sich freuen würden, wenn Deutschland durch einen Blackout und die daraus folgende Deindustrialisierung seinen Anteil am globalen CO2-Ausstoß in kurzer Zeit von zwei auf ein Prozent halbieren könnte – auch wenn es innerhalb weniger Tage auf den Stand von 1945 zurückfällt.

Wer kann, wird Deutschland jedoch nach einem solchen Ereignis verlassen – Ärzte, Ingenieure und qualifizierte Handwerker können sich anderswo eine neue Existenz aufbauen.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Zuerst erschienen bei der Achse des Guten.

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken