Wölfe, lautet das gängige Stereotyp, hätten, unter Menschen zumindest, ein schlechtes Image. Stimmt das? Keineswegs. Das schlechte Image, vulgo: Die auf früheren Kulturstufen eingeübte, „tief verwurzelte“ Angst davor, ihnen in freier Wildbahn zu begegnen, ist irgendwann zur dringend benötigten Negativfolie des Guten mutiert. So geht Werbung. Sie reicht von der nötigen Aufklärung in Bezug auf arteigenes Verhalten über die strikte Zurückweisung der alten, noch immer im Umlauf befindlichen Märchen bis hin zur prototypischen, allgegenwärtigen Opfer-Verklärung. Der Schaden, wenn davon unbedingt die Rede sein soll, bleibt an ein paar Bauern hängen, die es versäumen, ihren Viehbestand zweckdienlich zu schützen. Härter soll es umherwandernde Hirten treffen – auch eine vom Aussterben bedrohte Art. Für einen der ihren kann die nächtliche Begegnung mit dem wieder eingebürgerten Medienstar leicht das ökonomische Aus bedeuten. Das sind exotische Zielkonflikte, die der zeitunglesende Mitmensch betroffen zur Kenntnis nimmt, um sie umgehend wieder zu vergessen.

Mufflons ohne Chance

Um auf den Kern des Berichts zu kommen, der meine Aufmerksamkeit fesselte: Der norddeutsche Mufflon, kommentierte der eilends befragte Förster und Wolfsberater, hat es in der Kürze der Zeit nicht für nötig befunden, sich an die neue Mitpopulation anzupassen. Vielleicht war er dazu, aus der Arroganz des schon länger in den hiesigen Wäldern Lebenden heraus, nicht bereit. Vielleicht reichte seine Intelligenz nicht aus, um Einsicht in die Notwendigkeit der Anpassung an die neuen Gegebenheiten zu gewinnen und damit Schillers vergessener Freiheitsdefinition Genüge zu leisten. Vielleicht – hier nähern wir uns den dunklen Bereichen des biologistischen Weltbildes und denken schaudernd an das Schicksal, das die genbereinigte SPD in diesen Tagen dem Altgenossen Thilo Sarrazin bereitet – reichte die Zeit nicht für die benötigten Genmutationen, um dem wolfsbeständigen Mufflon in den niedersächsischen Wäldern zu einem wissenschaftlich gesicherten Dasein zu verhelfen.

Vielleicht. Vielleicht? Vielleicht! Gesichert erscheint allein, dass der norddeutsche Bauer in der Regel besser mit der entstandenen Situation umzugehen weiß als der tumbe Mufflon. Gewiss liegt das auch an seinen Genen, wenngleich darüber nicht laut spekuliert werden sollte. Hauptsächlich jedoch liegt es an gewissen kulturellen Besonderheiten seines Berufsstandes, bei dem das Klagen vor der Schadensermittlung steht, während die Kompensation im Fall der Fälle längst eingespeist und in die Wege geleitet wurde. Sicher liegt es nicht an seiner fixen Mutationsfertigkeit. Insofern stoßen wir hier auf ein Mufflon-Problem, das nicht durch den obligaten Verweis auf positive Beispiele von Integration hätte gelöst werden können – denn nun ist es ohnehin zu spät. Der dumme Mufflon, spezialisiert auf die falschen, im gegebenen Fall nicht zielführenden Sprünge, hatte nie eine Chance, dem über seinesgleichen im Zuge der Pflege der Artenvielfalt verhängten Schicksal zu entgehen: der einzelne ohnehin nicht, die „Art“ genauso wenig.

Wo Bio- und Sozio-Slang sich die Felder teilen

Das Reizwort „Integration“ steht an dieser Stelle nicht ohne Bedacht. Des Försters Statement erinnert daran, wo überall heute Bio- und Sozio-Slang sich Felder teilen, auf denen teilnehmende Zeitgenossen sich lange Zeit vor ihnen sicher wähnten. Immerhin wird eher selten behauptet, der nordamerikanische Bison habe es seinerzeit versäumt, sich in Windeseile an die flintentragenden Jagdgesellschaften anzupassen, bevor sie ihm den Garaus machten. Der ganze mühsam ins Leben gerufene, noch immer lückenhafte Artenschutz soll schließlich der Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten durch menschliche Unbedachtheit, sprich: die Folgenkette ignorierende ökologische Blindheit Schranken setzen, sie am besten ganz unterbinden. So schien und scheint es. Doch wo etwas geschieht, geschieht stets auch etwas Anderes. Die künstlich ins Werk gesetzte „Rückkehr“ der Wölfe in einstmals angestammte Reviere geschah und geschieht, oft willentlich ausgeblendet, vor der Kulisse zwischenzeitlich gewandelter und neu besiedelter Kulturräume. In ihnen hätte auch der wehrlose Lüneburger Mufflon ein Recht auf sein zweifellos gegebenes Dasein reklamieren können, hätte er nur die passenden Dolmetscher oder überhaupt eine Berufungsinstanz finden können. Nun gut, es gab professionelle Hilfestellung vor Ort, aber sie allein konnte das Desaster nicht abwenden.

Wie soll man eine Denkweise nennen, in der sich Prozesse biologischer Anpassung, sprich Evolution, hemmungslos mit sozialen Praktiken mischen (unwillkürlich denkt hier mancher an die berühmt-berüchtigte „Armlänge Abstand“, welche die Kölner Oberbürgermeisterin nach der Kölner Silvesternacht ihren entsetzt-amüsierten Mitbürger*innen empfahl)? Denn um eine Denkweise handelt es sich, kein Zweifel. Davon legt die Selbstverständlichkeit, mit welcher die Fachperson ihre Erklärung ausrollt und die recherchierende Seite sie „akzeptiert“, ohne sich die naheliegende Frage zu gestatten, wie die Anpassung der Mufflons an die menschengeschaffene neue Konstellation denn hätte vonstatten gehen sollen, ein beredtes Zeugnis ab. Es waren ja Menschen, die sie in die Region einführten – durften sie das überhaupt?

Damals Mufflons, heute Wölfe: insofern sind „wir ein ganzes Stück weiter gekommen“, um es im Jargon der Weitergekommenen zu formulieren. Wer zuletzt kommt, passt am besten. Systemforscher nannten dergleichen einst nüchtern „Konzeptualismus“, die peinliche Verwechslung von Plan und Realität. Dabei wird unter Realität im theoretisch schlichtesten Fall der Umstand verstanden, dass zu jedem System, also auch dem planmäßig installierten, sich umgehend eine passend-unpassende, im besten Fall eher freundliche, im schlimmsten Fall todbringende „Umwelt“ einstellt.

Das Wörtchen „todbringend“ erinnert daran, dass Fallen, wo immer sie appliziert werden, ein Analogon zur biologischen Selektion schaffen. Wem sie zum Verhängnis werden und wem nicht, hängt einerseits von ihrer Beschaffenheit – und der des potenziellen Opfers –, andererseits von der Umwelt ab. In diesem Fall heißt das: In einer anderen Umwelt hätte der Mufflon vielleicht überlebt. Wer das Glück hat, unbehelligt zu bleiben, nimmt die Falle, aus Mangel an Gründen, vielleicht nicht einmal wahr. Fallen sind „Selektoren“. Wer sie auslegt und gleichzeitig darauf vertraut, die „Natur“ der nicht gemeinten Mitwesen werde sich schon durch Anpassung helfen, der erhebt, ob er will oder nicht, Langzeitprozesse, die meist erst nachträglich konstatiert und analysiert werden können, in den Stand abrufbarer sozialer Praktiken (der berühmten skills, auf die Personalchefs so großen Wert legen). Die Gestaltbarkeit der Welt wird ‒ jedenfalls auf dem Monitor ‒ dadurch überaus gesteigert. Kein Wunder, dass eine profilsüchtige Politik mit dem Klugsprech liebäugelt, wann immer sich Gelegenheit dazu findet.

Die größte Illusion von allen

Umweltpolitik beschäftigt sich bekanntlich nicht allein mit dem Aufstellen von Fallen, sondern auch mit ihrer Beseitigung, wie der anhaltende Glaubenskrieg um das Agrargift Glyphosat ad oculos demonstriert. Glaubenskrieg deshalb, weil die Kosten-Nutzen-Rechnung augenscheinlich in solchen Fällen versagt: Wer den Schaden hat (landwirtschaftliche Betriebe, die um ihre Erträge fürchten), muss nach dem Willen der Reformer durch – praktische, nicht biologische, aber biologisch wirksame – Anpassung besser werden oder zugunsten besserer Anbaumethoden verschwinden. Ähnlich rigoros geht es im Kampf um Stickoxide und CO2-Werte zu. Jedes Mal soll die Gesellschaft den Nutzen davontragen, während die Produzentenseite zu ihrem Glück gezwungen, sprich: in Konkurrenz- und Existenzkämpfe getrieben wird, aus denen einige als Sieger, andere als Verlierer hervorgehen werden.

Die homogene Gesellschaft als solche steht hier der real zerklüfteten, von Interessen zerfurchten Gesellschaft gegenüber, in der sich stets Gewinner und Verlierer unterscheiden lassen. Wer gewinnt, wer verliert, das bemisst sich nicht ausschließlich an der Geschicklichkeit der Bewerber. In Boom-Zeiten wächst die Zahl der Gewinner, in Zeiten der Rezession oder des Niedergangs die der Verlierer, womit keineswegs nur oder vorrangig Aktionäre gemeint sind.

Im Kampf der Interessen gilt das Gemeinwohl als nicht verhandelbar. Allerdings ist dies die größte Illusion von allen. Die Berufung aufs Gemeinwohl ist stets gezinkt: In jedem Kampf ist sie das finale, von beiden Seiten rituell ins Spiel gebrachte Überredungsmodell, vom Konsumenten in den meisten Fällen mit einem soliden Wir wollen beides quittiert, es sei denn, die ungleiche Werteverteilung – bloße Logik reicht in der Regel nicht – lässt nur die Kapitulation einer Seite zu. Top-Gewinner ist, wer glaubhaft das Überleben der menschlichen Spezies ins Spiel zu bringen versteht. An dieser Grenze endet jeder Aushandlungsspielraum und es beginnt das Diktat der Vernunft. Denn der in jedem Gutgläubigen sich zu Wort meldende „Mensch“, der pariert, sobald das eigene Gattungsschicksal ins Spiel kommt, aber nichts dabei findet, um eines flüchtigen räumlichen Verteilungsseffekts willen die Existenz einer anderen Gattung zu opfern, wird in diesem Fall selbst das Opfer eines einfachen biologischen Mechanismus: der Angst.

Der Weg zur Leibsteuer

Man kann die Angst mit Fug und Recht eine Falle nennen ‒ einen Selektor, der mit dem rationalen Diskurs gerade an einer Stelle kurzen Prozess macht, an dem die Notwendigkeit, ihn zu führen, ihren höchsten Grad erreicht. Wer das politische Spiel mit der Angst beherrscht, der beherrscht seine Mitmenschen … und über kurz oder lang auch den Staat. Aus diesem und keinem anderen Grund wird es immer Bewegungen geben, die Ängste in der Gesellschaft schüren und dabei nach jeder Wahrscheinlichkeit greifen, so unwahrscheinlich sie auch sei. Angst lässt jede entfernte Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit reifen und diese fast zur Gewissheit – fast, denn als pure unbezweifelbare Gewissheit ließe sie nur den Sturz in den Defätismus zu und büßte damit die motivierende Kraft ein, auf die es den Profiteuren der Angst gerade ankommt.

Sehr schön lässt sich das bei Fridays for Future beobachten, einer Schülerbewegung, die den biologisch angelegten Generationenkonflikt ausbeutet, um Zuversicht in der Verzweiflung zu kommunizieren: Hört auf die Jugend und alles wird gut. Gut ausmachen lässt sich bei dieser Bewegung auch, wo die wirklichen Profiteure der Angstmacherei zu suchen sind. Neben Teilen der Wirtschaft, die rein zufällig die passende Produktpalette anbieten können, mit der sich Angst in Lifestyle verwandeln lässt, beeilt sich der Staat, über eine Zusatzsteuer die angstinduzierte Willfährigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger abzuschöpfen – ein wahrhaft zukunftsweisender Akt, der unverzüglich neue Hoffnung für alle keimen lässt. Man kann das Ablasshandel nennen, aber es ist anders und mehr: die Art und Weise, in der Gesellschaft für ihr Überleben in geordneten Bahnen zahlt. Je stärker die Einzelnen ums Überleben bangen, je stärker sie sich mit ihrer gegenwärtigen Lebensform identifizieren, desto mehr sind sie für ihren Erhalt zu zahlen bereit, selbst um den Preis, sie just damit zu verspielen.

Eine Leibsteuer ist eine staatlich erhobene Abgabe auf die physische Existenz seiner Bürger. Betrachtet man die CO2-Steuer unter diesem Gesichtspunkt, so stellt man fest: Sie ist eine Leibsteuer (jeder Mensch atmet mehr CO2 aus, als er einatmet), bei welcher der Staat – vorerst – großzügig darauf verzichtet, sie außerhalb gewisser Anwendungen zu erheben. Unter dem nicht zu verachtenden Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit ergibt es keinen Sinn, einzelne CO2-Quellen gegenüber anderen zu bevorzugen bzw. zu benachteiligen. Ebensowenig unter dem Gesichtspunkt der Effizienz: Sieben Milliarden Menschen verfügen über ein gewaltiges Emissionspotenzial, das jeden regulativen Eingriff rechtfertigt. Es ist also Willkür, wenn der Staat Verbrennungsmotoren besteuert und die sich ihrer bedienenden Menschen nicht. Es ist Willkür, wenn der Staat ‒ was nicht sicher ist ‒ Flugbenzin besteuert und den fliegenden Teil seiner Bürger nicht. Es ist Willkür, wenn der Staat, wie gefordert, den Methanausstoß von Rindern besteuert und die Steakesser, falls die längst erhobene Forderung sich nicht durchsetzt, ungeschoren davonkommen lässt. Es ist Willkür, wenn der Staat in einem Rundumpaket seinen Bürgern einen tiefgreifenden Industrieumbau zumutet und um des lieben Friedens willen vorerst darauf verzichtet, das bevölkerungspolitische Instrument der CO2-Abgabe auf das lebende Individuum in Anschlag zu bringen. Willkür aber, so lautet der Grundsatz der Billigkeit, muss früher oder später gerechten Lösungen weichen.

Das Ende der Macht

An dieser Stelle erhebt sich vermutlich ein müdes Gelächter: Das ist ja, das wäre ja… Was gilt, unter Juristen und Finanzexperten, ein ungläubiges Staunen? Nichts. Vielmehr weniger als nichts ‒ als potenzieller Überrumpelungsort für den Fall, dass die Umstände entsprechende Beschlüsse nahelegen. Was also wäre so befremdlich (um das Wort „furchtbar“ zu vermeiden) an einer CO2-Leibsteuer? Wie gesagt, gerechtfertigt wird sie (oder ihr unvollständiger Vorläufer) als Steuerungsinstrument zur Erzwingung von Anpassung ‒ survival of the fittest ‒, die damit aus dem sozialen Raum in den biologischen zurückkehrt, aus dem die Gesellschaftsplaner sie entlehnt haben. In diesem Fall gilt sie der Auswahl derer, die sich das Atmen dann noch leisten können – eine unfreundliche, überaus polemische Beschreibung, die gleichwohl den Nagel auf den Kopf trifft. Darüber hinaus allerdings brandmarkt jene Steuer, wenn sie denn kommt, das einfache biologische Verhalten des Menschen als zu vermeidendes, wenngleich nicht vermeidbares Fehlverhalten. Diese gewollte Eigenschaft markiert sie, pardon, als tendenziell rassistisch. Ihr Objekt ist nicht der aufgeklärte oder aufzuklärende Mensch, sondern der Mensch als naturgeschaffenes, mit unabstellbaren tierischen Funktionen ausgestattetes Lebewesen. „Dass Emissionssteuern oder Verbote zurzeit schwer umsetzbar erscheinen, liegt auch daran, dass vielen Menschen der Zusammenhang zwischen dem Konsum tierischer Produkte und dem Klimawandel nicht bewusst ist“, tönte die FR noch im Januar 2019. Ein halbes Jahr später ist der obligate „Bewusstseinswandel“ in der Bevölkerung vorhanden und die Bepreisung der Grundbedürfnisse staatlicherseits kann beginnen.

Es ist nicht ganz richtig, wenn behauptet wird, Steuern stellten ganz allgemein eine Bestrafung für Fehlverhalten dar. Fehlverhalten kann und muss rechtlich geahndet werden. Allenfalls wird es ‒ stillschweigend oder lautstark, siehe den Fall der Abtreibung ‒ vom Gesetzgeber oder den Organen der Rechtspflege geduldet. Steuern hingegen zählen zu den Bedingungen, unter denen gemeinverträglich gewirtschaftet werden darf, weil, nun, weil gewirtschaftet werden muss. Niemand zahlt Steuern, um sich dafür zu schämen. Strafsteuern des oben genannten Typus sind Maßnahmen zur Eindämmung von Aktivitäten, die nicht ohne Schaden für die Wohlfahrt eines Landes und das Wohlergehen seiner Bürger abgestellt werden können. Der Staat, der sie einführt, bekundet mit ihnen ein doppeltes, in sich widersprüchliches und diesen Widerspruch auf das Handeln der Bürger überwälzendes Interesse, sowohl am Fortbestand jener Aktivitäten als auch an ihrer Einstellung. Im Fall der CO2-Steuer bedeutet das: Das Wohl und Wehe der Gesellschaft wird dem Gesetz der Auslese, dem survival of the fittest unterworfen, ohne dass einzusehen wäre, inwiefern das Überleben gerade derjenigen, die sich ihren CO2-Ausstoß dann noch leisten können, einen Gewinn für die Gesellschaft darstellen soll. Denn prämiert, wirklich prämiert wird in diesem Fall – vorausgesetzt, die CO2-Vermeidung sei ein über jeden Zweifel erhabenes Gemeinziel – nicht der vermeidende Teil der Gesellschaft, sondern derjenige, der es sich dennoch leisten kann, seine asozialen Aktivitäten auszuleben. Dieser Effekt lässt sich auch nicht kompensatorisch dadurch beheben, dass der Gesetzgeber Meideverhalten – etwa durch Steuererstattung – belohnt, weil ein solches Verfahren den Sinn der Erhebung einer solchen Steuer insgesamt ins Gegenteil verkehrt: Wer mehr Geld in der Tasche hat, kann sich mehr leisten, ergo…

Fanatischen Weltrettern ist das Dasein des Individuums Hekuba. Genauer gesagt: Sie nehmen es, Grundgesetz hin oder her, gar nicht wahr. Abgesehen davon, dass sie den Eigencharakter (und die Eigeninteressen) der Wissenschaft verkennen, auf deren Erkenntnisse ihr Fanatismus sich stützt, scheinen sie nicht zu wissen, dass zwischen ihren verwaschenen Zielen und den von ihnen ausgelösten Prozessen ein Graben verläuft, den keine Gesinnung auf Dauer zu überbrücken vermag. Was sie überhaupt nicht begreifen wollen, ist das zynische Kalkül, das ihrem Wunsch, Schöpfung (oder Evolution) zu spielen, unerkannt als Muster zugrunde liegt: Evolution kennt weder Menschenrecht noch Menschenwürde, sie ignoriert großflächig den einst von Kant formulierten kategorischen Imperativ, den Menschen jederzeit als Zweck, nicht als Mittel zu begreifen. Ernüchterte wissen: Jede Großorganisation, jeder Staat verfügt über seine Mufflons ‒ Kreaturen, die zu allerlei, auch propagandistischen Zwecken vorgehalten werden, um sie im gegebenen Fall preiszugeben. Doch solange der bürgerliche Staat für den Menschen da ist, endet seine Macht an dem, was nun einmal die biologische Existenz des Menschen ausmacht. Es ist, um das schöne Wort hier zu benützen, unverhandelbar. In diesem Fall gilt der Satz: Besser man kämpft ums Prinzip, als, ein paar Schraubendrehungen weiter, um die Existenz.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf: Iablis, Jahrbuch für europäische Prozesse und auf der Achse des Guten

Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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