Diese Änderung wurde noch untermauert durch eine Verschiebung der Generationen: junge Wähler bewegen sich von den traditionellen Linksparteien hin zu aufkommenden grünen Gruppen, und ältere Wähler bewegen sich von den Zentrumsparteien links und rechts der Mitte hin zur populistischen Rechten. Vereinfacht ausgedrückt, die grüne Welle wurde getragen von wirtschaftlichen Überschüssen wie in Deutschland, und die populistische Welle von wirtschaftlichen Defiziten wie in Frankreich. In diesem Gesamtbild erscheinen Klima- und Energiepolitik relevant.

In Deutschland, wo man sich an Vollbeschäftigung und großen Haushaltsüberschüssen berauscht, werden hohe Energiepreise nicht als Bedrohung angesehen außer bei den Schichten mit geringem Einkommen. In Deutschland unterstützen die jungen, gebildeten und der Mittelklasse entstammenden Jugendlichen die Partei der Grünen, welche die Sozialdemokraten weit hinter sich ließen. Die Grünen sorgen sich nicht um Arbeitsplätze oder Einkommen, sondern um die Umwelt und das globale Klima. In Deutschland treten die Grünen dafür ein, die Sozialdemokraten als Koalitionspartner der konservativen CDU/CSU zu ersetzen.

Bislang sehen die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands gut aus, das Ergebnis wird vermutlich eine noch ambitioniertere Klima- und Umweltpolitik sein sowie ein mögliches beschleunigtes Ende der Kohleindustrie. Die etablierte Praxis, den Strompreisen Abgaben hinzuzufügen, um die erneuerbare Energie zu finanzieren, wobei großen Firmen Preisnachlässe gewährt werden, wird sich fortsetzen, obwohl es einen beachtlichen Transfer des Einkommens der Haushalte zur Industrie ausmacht. Auch die Strompreise repräsentieren eine regressive Umverteilung des Einkommens. Sollte jedoch die Wirtschaft beeinträchtigt werden, könnte die politische Akzeptanz dieses Vorgehens rasch verschwinden.

In Frankreich sind hohe Energiekosten ein großes Problem für weite Teile der Bevölkerung. Viele sehr junge Menschen wandten sich von den Linksextremen den Grünen zu, die Menschen in mittlerem Alter, darunter viele Arbeiter, stimmten mehrheitlich für die rechtsgerichtete Rassemblement National; die Älteren unterstützen die LREM von Macron. Die sehr jungen Leute scheinen sich Sorgen zu machen hinsichtlich Klima und Umwelt, diejenigen im Arbeitsalter um Ersparnisse und Pensionen. Alter, Einkommen und Bildung sind die Faktoren, die Macron gegenüber Le Pen bevorzugen, aber sie geriert sich als Sprecherin der jüngeren, nicht so hoch gebildeten Menschen mit mäßigem Lebensstandard.

Im Wahlkampf präsentierte sich Präsident Macron selbst als die einzige Alternative der extremen Rechten, aber dabei präsentierte er auch die extreme Rechte als die einzige Alternative zu seiner eigenen Politik. In Frankreich, wo man unter endemischer Arbeitslosigkeit und persistenten Defiziten leidet, sind viele Wähler besorgt bzgl. Arbeitsplätzen und Einkommen. Die traditionelle französische Linke liegt in Trümmern, wobei die Grüne Partei zugewinnt, aber keine kohärente ökonomische Agenda vorweisen kann.

Ende 2018 löste eine Erhöhung der Treibstoffsteuer in einem Umfeld sich erweiternder ökonomischer und sozialer Ungleichheit weit verbreitete Proteste in Frankreich aus, welche vielleicht ein Hinweis auf soziale Grenzen einer aggressiven Energiepolitik sind. Die offizielle Begründung der Erhöhung der Treibstoffsteuern war Klimaschutz, aber im Hintergrund stand wohl eher die Notwendigkeit, eine frühere Senkung der Vermögenssteuer auszugleichen. Die Regulierungsbehörde warnte, dass die beantragten Erhöhungen der Strompreise Haushalte mit geringem Einkommen hart treffen würden. Auch in Frankreich enthält die Energiepolitik eine Komponente einer regressiven Umverteilung des Einkommens.

Das EU-Energieprojekt, wie es in dem Dokument Clean Energy for All im Jahre 2018 vorgestellt worden war, verspricht, den ,EU-Verbrauchern – Haushalten und Geschäften – sichere, nachhaltige, wettbewerbsfähige und bezahlbare Energie‘. Die gewünschte wettbewerbsfähige und bezahlbare Energieversorgung ist jedoch nirgendwo erkennbar; und sie liegen um das Zwei- bis Dreifache über den Preisen, welche die Verbraucher in den USA aufbringen müssen.

Das explizite Ziel der EU-Energiepolitik ist die Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen mittels Vorantreiben und Subventionierung von Erneuerbaren, einer Verbesserung der Energieeffizienz sowie Begrenzung der Energienachfrage. Implizit kann dies das wirtschaftliche Wachstum behindern. Tatsächlich verzeichnete Europa seit der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 das geringste Wachstum aller Kontinente mit Ausnahme der Antarktis.

Höhere Strompreise haben der Europäischen Union nicht geholfen, mehr voranzukommen als die USA bzgl. Energieintensität, gemessen als Energieverbrauch relativ zum wirtschaftlichen Wachstum. Gleiches gilt für Kohlenstoff-Emissionen. Trotz wesentlich höherer Energiepreise hat es Deutschland schlechter gemacht als die USA, und zwar sowohl hinsichtlich Energieverbrauch als auch Kohlenstoff-Emissionen. Unter den EU-Ländern steht UK in dieser Hinsicht am besten da.

Von 2009 bis 2017 verzeichnete die EU-Ökonomie ein Wachstum von 13%, gemessen an konstanten Preisen, während der primäre Energieverbrauch um 1% gesunken ist. Während dieser Zeit wuchs die Wirtschaft in Deutschland um 19%, während der Energieverbrauch um 6% und die Kohlenstoff-Emissionen um 2% stiegen. Zum Vergleich, in den USA gab es ein reales wirtschaftliches Wachstum von 19% und eine Zunahme des Primär-Energieverbrauchs um 3% mit wesentlich niedrigeren Energiepreisen. Japan erging es noch besser mit einem realen ökonomischen Wachstum von 13% und einem Rückgang des primären Energieverbrauchs um 3% relativ zur Wirtschaftsentwicklung. Die stärkste Reduktion brachte man in UK zuwege, gefolgt von den USA und Frankreich. Im Falle eines Brexits dürften die übrigen 27 EU-Nationen Schwierigkeiten haben, die kollektiven Ziele zu erreichen.

Trotz ambitionierter Ziele, hoher Energiepreise und hohen Ausgaben für erneuerbare Energie ist Deutschland bzgl. Energie- und Kohlenstoff-Effizienz weit hinter den USA zurückgeblieben. Offenbar waren die hohen Energiepreise in Deutschland keine ausreichende Bedingung bzgl. Energieeffizienz. In den USA waren sie keine notwendige Bedingung. Preise müssen nicht unbedingt das effizienteste Mittel der Energiepolitik sein.

Der EU-Schwerpunkt liegt zunehmend auf Klima und Überwachung, wobei die Fortschritte der Mitgliedsländer verfolgt werden hinsichtlich vorgeschriebener integrierter Energie- und Klimapläne. Das über allem stehende Ziel ist die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen um 85% bis 90% bis zum Jahr 2050, verglichen mit dem Niveau des Jahres 1990. Die EU verfolgt dabei das so genannte „20-20-20“-Ziel, welches man im Jahre 2007 bis zum Jahr 2020 gesetzt hatte: eine Reduktion von Treibhausgas-Emissionen um 20% im Vergleich zu 1990, ein Anteil von 20% an Erneuerbaren im Energiemix sowie eine Verbesserung der Energie-Effizienz um 20%. Die wirtschaftliche Stagnation hilft der EU beim Erreichen dieser Ziele, aber es ist bemerkenswert, dass die EU keinerlei Ziele hat bzgl. Beschäftigung oder Einkommen.

Der soziale Kahlschlag im Zuge dieser Maßnahmen erregt kaum Aufmerksamkeit. Von 2009 bis 2017 wuchs die Weltwirtschaft mit einer mittleren Rate von 3,4% mit einem kumulativen Wachstum von 35%. Die entsprechenden Zahlen für die EU betrugen 1,6% bzw. 14%. Einige Mitgliedsländer wie Griechenland, Frankreich und Italien verzeichneten bis 2017 hohe Arbeitslosigkeit – rund 10% der Arbeitskraft – während andere wie z. B. Deutschland und UK diese Zahl bei 4% lag, ähnlich wie in den USA. Hohe Energiekosten addieren sich zu den Schwierigkeiten, welche der Euro im südlichen Europa mit sich gebracht hat.

Die EU plant, integrierte, nationale Klima- und Energiepläne über 10 Jahre (NCEPs) (hier) vorzuschreiben, und zwar mit Beginn im Zeitraum 2021 bis 2030. Ziel ist es sicherzustellen, dass die Mitgliedsländer eine Politik verfolgen, die konsistent mit dem Paris-Abkommen, aber auch mit den Energie-Union-Zielen der EU ist. Die Überwachung impliziert die Einrichtung einer zentralen Kontrollstelle bzgl. der Energiepolitik sowie die Zuständigkeit der Mitgliedsländer bzgl. Energiepolitik und -besteuerung von den Landeshauptstädten an Brüssel zu übertragen. Dies würde eine Revision der gegenwärtig gültigen Verträge erfordern. Jedweder Transfer der Zuständigkeiten an Brüssel wird wahrscheinlich bedeutenden nationalen Interessen zuwiderlaufen.

Energiearmut ist eine große Herausforderung in der gesamten EU. Energiekosten betreffen private Verbraucher nicht gleichmäßig. Mit steigendem Einkommen neigt der Energieverbrauch dazu zuzunehmen, aber die Proportion eines Haushaltsbudgets bzgl. Ausgaben für Energie neigt dazu abzunehmen. Haushalte mit hohem Einkommen, komfortablen Budgets und hohen Sparraten dürften bzgl. Strom- und Beinzinverbrauch kaum von den Preisen beeinflusst werden. Deren wirtschaftliche Lage ermöglicht es ihnen, Preissteigerungen auszusitzen oder effizientere Geräte zu kaufen, um Energiekosten zu senken.

Im Gegensatz dazu werden Haushalte mit geringem Einkommen und angespannten Budgets sowie kaum vorhandenen Ersparnissen schwer getroffen durch Energiepreise. Für diese Schichten hat der Energieverbrauch die höchste Dehnbarkeit, machen doch die Energiepreise einen vergleichsweise hohen Anteil an den Haushaltsbudgets aus. Die Verteilung von Ausgaben für Energie ist gleichmäßiger als die der Einkommen. Mit steigendem Einkommen nehmen die Energiekosten einen immer geringeren Anteil am Haushaltsbudget aus. Als Folge davon haben politische Maßnahmen zur Verteuerung der Energie antisoziale Auswirkungen, mit welcher belanglosen umweltlichen Rechtfertigung auch immer.

Hohe Arbeitslosigkeit hat die Energienachfrage in der EU stagnieren lassen, aber die Unterdrückung ökonomischer Aktivitäten und die Entlassung von Arbeitskräften sind ein teurer Weg, den Energieverbrauch zu senken. Millionen arbeitsloser EU-Bürger repräsentieren ein Potential für eine Zunahme der Energienachfrage. Millionen junger Menschen in der EU, besonders in Südeuropa, können sich ihre eigenen Wohnungen nicht leisten. Mit ihren eigenen Wohnquartieren würden sie mehr Energie für Licht, Heizung und Kochen verbrauchen. Das Scheitern der EU bzgl. des Erreichens dieser Ziele wird vermutlich immer mehr Menschen den Populisten in die Arme treiben.

In unserem politischen Vokabular wird eine Politik, welche wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten verstärkt, als rechts angesehen, und eine Politik der Reduktion dieser Ungleichheiten als links. Aus dieser Perspektive ist die Klima- und Energiepolitik der EU ihrer Natur nach rechtsgerichtet und die Opposition dagegen linksgerichtet. Vor diesem Hintergrund sollte die Popularität von Marie Le Pen unter den französischen Arbeitern keine Überraschung sein. Deren Wähler reagieren viel empfindlicher auf Energiepreise als die Wähler von Präsident Macron. Wie alle Wähler mit geringem Einkommen überall betrachten die Unterstützer von Le Pen Klima-begründete Kosten als einen Angriff auf ihre Kaufkraft und ihren Lebensstandard. In dieser Hinsicht kann man Klima getrost als neuen polarisierenden Faktor betrachten, der den alten Konflikt zwischen Kapital und Arbeit wiederbelebt.

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This is a trailer of an article, “EU Energy Union – A critical view”, to be published in the autumn of 2019 by The Journal of Energy and Development.

Link: https://www.thegwpf.com/oystein-noreng-eu-energy-dis-union/

Übersetzt von Chris Frey EIKE

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