Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) verkündete die frohe Botschaft auf Twitter: Neuer Rekord! Am Ostermontag hatten die neuen erneuerbaren Energien (NEE) einen Anteil von 77 Prozent an der öffentlichen Nettostromerzeugung! Auch der SPIEGEL feierte den 22. April 2019 als Datum, an dem die grüne Welt fast Realität geworden sei: «An diesem Tag schien die Sonne von morgens bis abends, der Wind trieb die Windmühlen im ganzen Land zur vollen Leistung. [. . .] Es war ein Zauber, das perfekte Zusammenspiel aus Natur und moderner Technik. Leider hielt er nur für diesen einen Tag.»

In der Euphorie ging fast vergessen, dass dieser Erfolg nicht nur einer aussergewöhnlichen Wetterlage, sondern auch einer tiefen Nachfrage zu verdanken war. Am Ostermontag wurde auch in Deutschland kaum gearbeitet. Tatsächlich wurde der deutsche Strombedarf schon einmal für ein paar Minuten sogar zu hundert Prozent vom Wind gedeckt, nämlich in den frühen Morgenstunden des 1. Januar 2018. Nur war das keine gute Nachricht für die Stromversorger.

Produzenten bezahlen

Der Marktpreis sackte damals auf minus 76 Euro pro Megawattstunde (MWh). Das heisst: Die Produzenten lieferten die Elektrizität nicht nur gratis, sie bezahlten sogar dafür, dass ihnen jemand den Strom abnahm. Und das nicht zu knapp. Es liegt an der Physik: Man darf nicht mehr ins Netz einspeisen, als man herausnimmt, sonst bricht es zusammen. Oft ist es aber billiger, für die Abnahme des Stroms zu bezahlen als Kraftwerke herunter- und später wieder hochzufahren. Sofern sich der Strom nicht ins Ausland verramschen lässt, bietet sich etwa die Deutsche Bahn als Abnehmerin an. Sie vernichtet den Strom gewinnbringend, indem sie etwa Weichenheizungen im Sommer hochfährt. Ob es nun feiner Ökostrom ist oder verpönter Kohlestrom, ist dem Netz egal. Strom ist Strom.

Der Ostermontag 2019 war in dieser Hinsicht noch verheerender als der Neujahrstag 2018. Das lässt sich einer Grafik (siehe unten) entnehmen, die das eingangs erwähnte Fraunhofer-Institut verdienstvollerweise veröffentlicht hat. Hier wird aufgeschlüsselt, wie viel Elektrizität fossile Kraftwerke, Solar- und Windgeneratoren in Deutschland jeweils produzieren, wie viel unter dem Strich exportiert oder importiert wird und wie sich der Marktpreis an der Strombörse entwickelt. Am Ostersonntag fiel der Preis auf bis zu minus 155 Euro pro MWh.

Insgesamt dürften sich die Verluste der deutschen Stromproduzenten an der Börse für jenen Tag auf fast 17 Millionen Euro summieren. Zählt man die Subventionen für Grünstrom im Umfang von 115 Millionen Euro hinzu, läppert sich ein Negativsaldo von über 130 Millionen Euro zusammen.

Störfaktor im Netz

Wie die Grafik zeigt, trieb der Wind die Preise schon am frühen Morgen des 22. April auf unter null. Dramatisch wurde es ab zehn Uhr, als die Solarproduktion einsetzte: Von minus 22 Euro über minus 90 Euro rasselte der Preis auf minus 155 Euro (14 Uhr). Nach 17 Uhr ging es ebenso rasant wieder in Richtung null. Doch damit war der Albtraum noch nicht ausgestanden. Nach 21 Uhr liess eine Windspitze die Preise wieder fallen; zwei Stunden lang mussten die Produzenten 20 Euro pro MWh zahlen, damit ihnen jemand die Energie abnahm.

Doch es blieb nicht beim schwarzen Ostermontag. Verfolgt man die Strombörse über die ganze Woche, stellt man erstens fest: Just um die Mittagszeit, wenn der Solarstrom fliesst, fallen die Preise mit sturer Regelmässigkeit. Und zweitens: Während der Windstrom im Laufe der Woche zusehends abflaut, steigen auch die Marktpreise. Im Klartext: Der hochsubventionierte Flatterstrom aus Wind- und Sonnenenergie macht nicht nur die Marktpreise kaputt, sondern macht sich damit auch selber unrentabel.

Da die der Wetterlaune ausgesetzten Solar- und Windanlagen den Strom selten liefern, wenn man ihn braucht, kann auch Deutschland nicht auf konventionelle Kraftwerke verzichten. In der Praxis erweist sich der teuer subventionierte Ökostrom oft nur als Störfaktor im Netz.

=================================================================

)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion  :

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der WELTWOCHE Zürich : Deutschlands Flatterstrom-Drama | Die Weltwoche, Nr. 21 (2019)| 23. Mai 2019 ; http://www.weltwoche.ch/

EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE und den Autoren Martin Schlumpf und Alex Baur für die Gestattung der ungekürzten Übernahme des Beitrages.

=================================================================

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken