Damals war der verrückte Wissenschaftler eine beliebte Figur in ungezählten Satiren und Horrorfilmen. Es gab den Professor, der riesige Giftspinnen züchtet. Ein anderer kreuzte Menschen mit Fliegen. Besonders populär war der grössenwahnsinnige Atombombenphysiker, der nach der Weltherrschaft greift.

Was in all diesen wunderbaren Filmen von «Tarantula» bis «Dr. Strangelove» zum Ausdruck kommt, sind die Fortschritte in der filmischen Tricktechnik, aber eben auch eine offenbar weitverbreitete, gesunde Skepsis gegenüber dem Wissenschaftler als unfehlbarer Instanz, als anmassendem Alleswisser, der sich in die Politik einmischt.

Niemand machte den Regisseuren damals übrigens den Vorwurf, sie würden einem antiwissenschaftlichen Weltbild hinterherlaufen. Im Gegenteil: Man lobte ihr sensibles Gespür für die gefährliche Vermischung von Wissenschaft und Macht, für die Verführungen, für den Machbarkeitswahn, dem auch und gerade die naturwissenschaftlichen Superhirne verfallen können.

Die Hollywoodvision moderner Frankensteins war nicht aus der Luft gegriffen. Zum einen gab es den Kalten Krieg und die Atombomben. Wach waren aber auch die schlimmen Erinnerungen an teuflische Forscher, Ärzte und Wissenschaftler in den Experimentierkammern der roten und braunen Diktaturen. Hatten nicht auch die Nazis ihre kranke Rassenlehre streng naturwissenschaftlich begründet?

Inzwischen leben wir in anderen Zeiten. Die politische Korrektheit betäubt nicht nur den Humor. Sie schläfert auch das kritische Denken und die Meinungsvielfalt ein. Wer heute Professoren oder, bewahre, Universitäten hinterfragt, macht sich unbeliebt. Wissenschaftskritik ist unerwünscht, allenfalls Experten vorbehalten. Forscher sind Päpste und ihre Universitäten Kathedralen. In den dünnhäutigen Akademikermilieus wird Kritik rasch als Gotteslästerung empfunden.

Am schlimmsten ist es in der Klimaforschung. Die Hysterie um einen angeblich unmittelbar bevorstehenden Klimakollaps hat eine universitäre Randsparte ins Zentrum der Aufmerksamkeit und der Subventionen katapultiert. Die Welt hängt den Klimawarnern an den Lippen. Die Gelder fliessen, die Fakultäten vermehren sich wie Pilze, sofern sie das herausfinden, was die im Alarm vereinte Fangemeinde hören will. Die berühmtesten Klimatologen haben den Status von Druiden und Sehern, die mit ihren Kurvenmodellen die Zukunft punktgenau zu prophezeien wissen.

Wie die mittelalterlichen Maya-Indianer auf ihre Sonnenpriester, so hören heute weite Teile der westlichen Intelligenz und Politik auf die modernen Klima-Schamanen. Es ist eine weltweite Glaubensgemeinschaft, die sich hier zusammenbraut. Wie in allen Gruppen, die stärker glauben als wissen, wird auf Einspruch und Widerrede mit aggressiver Gereiztheit reagiert.

Zu viel Bewunderung aber schlägt aufs Denken. Und wo Skepsis als Verbrechen gilt, endet die Wissenschaft, beginnt der Aberglaube. Es entstehen dann Sätze wie dieser: «Zur Vermeidung des Klimawandels ist völlig klar, was nötig ist: praktisch null CO2-Emissionen bis 2050 in der Schweiz.» Dazu brauche es, heisst es weiter, nichts Geringeres als «eine globale Energie-Revolution».

Diesen hochfahrenden Unsinn hat nicht Greta Thunberg geschrieben, sondern ETH-Professor Reto Knutti, einer der bekanntesten Schweizer Klima-Alarmisten; nachzulesen auf der Homepage der Schweizerischen Energie-Stiftung.

Unsinn ist es deshalb, weil die «Vermeidung des Klimawandels» – ich dachte zuerst an einen Tippfehler – eine ähnlich absurde Forderung ist, wie wenn jemand die Vermeidung des Sonnenuntergangs oder die Abschaffung der hohen Wellen im Ozean verlangen würde.

Kein Mensch, kein Knutti und erst recht nicht die kleine Schweiz können den Klimawandel «vermeiden». Der Klimawandel ist ein unvermeidbarer, weil natürlicher Vorgang, der seit Abermillionen von Jahren stattfindet und weitere Tausende Millionen von Jahren stattfinden wird.

Knuttis «Energierevolution» wäre für die Menschheit viel schlimmer als der unvermeidliche Klimawandel. Denn «null CO2» hiesse Ausstieg aus der fossilen Energie. Alle Verbrennungsmaschinen müssten weltweit abgestellt werden. Damit wäre die industrielle Grundlage beseitigt, dank der ein Grossteil der Menschheit heute überhaupt erst einen gewissen Wohlstand und ein Mindestmass an Zivilisation erreicht hat.

So ein Szenario wäre ohne vorgängige Abschaffung der Demokratie zum Glück allerdings nicht durchsetzbar. In der Schweiz stoppen die Bürger den klima- oder energiepolitischen Wahnsinn an den Urnen, spätestens dann, wenn die theoretische Weltrettung in der Kostenwirklichkeit ankommt.

Die Strangeloves der Hollywoodfilme glaubten an die Allmacht ihres Wissens. Knutti ist überzeugt, dass er mit seiner Energierevolution aus der Schweiz heraus die Welt retten kann, retten muss.

Wird die Welt am Klima untergehen? Kaum. Gut möglich aber, dass die Klimapropheten von heute die verrückten Wissenschaftler von morgen sind.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion  :

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der WELTWOCHE Zürich : Verrückte Wissenschaft | Die Weltwoche, Nr. 19 (2019)| 09. Mai 2019 ; http://www.weltwoche.ch/

EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE und dem Autor Roger Köppel für die Gestattung der ungekürzten Übernahme des Beitrages.

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