Unter den reißerischen Überschriften „Murks in Germany“ und „Grüner Blackout“ äußert sich das verdiente Autorenkollektiv Dohmen, Jung, Schultz und Traufetter zum Stand der deutschnationalen Energiewende. Zu offensichtlich führt wohl deren Weg in die Sackgasse, so dass das Projekt medialer Unterstützung des ehemals renommierten Hamburger Hauses bedarf.

Bisherige Veröffentlichungen lassen nichts Gutes ahnen. Bürger Traufetter war schon an einem Beitrag (Spiegel Nr. 41/2016) beteiligt, der ausgemachte Fakes enthielt. Oder sagen wir es deutsch: Lügen. So wurde damals behauptet:

Weil die deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerke auch an solchen Tagen (gemeint sind Starkwindtage) praktisch ungebremst weiterlaufen, drückt die deutsche Überproduktion die Strompreise europaweit in den Keller.“

Jeder redliche Journalist hätte recherchieren können, wie die Fahrpläne der Kraftwerke entstehen, wie der Einspeisevorrang grünen Stroms umgesetzt wird, wie der europäische Stromhandel funktioniert, dass es eine „Überproduktion“ von Strom nicht geben kann und welche Standortrestriktionen die Komplettabschaltung mancher Kohlekraftwerke verhindern. Dazu käme das Thema Netzdienstleistungen, aber das hätte die Schreiber dann komplett überfordert.

Viel leichter, bequemer und in jedem Fall Beifall versprechend das flache und klischeebedienende Kohle-Bashing. Wenn in der DDR die Beurteilung oder Einschätzung eines Werktätigen aus fachlicher Sicht nicht gut ausfiel, konnte manchem noch mit dem Hinweis geholfen werden, er habe wenigstens einen festen Klassenstandpunkt.

SPIEGEL-Schreiber wissen, welchen Standpunkt man von ihnen erwartet.

Die Zutaten des Hauptbeitrags im aktuellen Spiegel (19/2019) sind ein paar reale Fakten, angereichert und vermischt mit Szenarien, Optionen und Visionen und einer Prise Klimaziele. Was können wir also von den von gymnasialen Physikkenntnissen offenbar befreiten Autoren lesen?

Zunächst gibt es aktuelle Informationen zum vergangenen Ostermontag, an dem die „Erneuerbaren“ etwa 56 Gigawatt einspeisten und so dafür sorgten, dass der Börsenstrompreis wieder ins Minus drehte (bis zu -8 Cent pro Kilowattstunde), was alle Stromkunden mit bezahlen dürfen. So addierten sich zur EEG-Vergütung an diesem Tag von 115 Millionen Euro noch knapp 17 Millionen Euro, die zusätzlich zum Strom den Nachbarn geschenkt wurden. Negative Strompreise als Perversion der Marktwirtschaft.

Dazu steht im Beitrag natürlich nichts, sondern es werden nur die 56 Gigawatt erwähnt und man hakt das Thema mit einer quasireligiösen Formulierung ab:

Es war ein Zauber, das perfekte Zusammenspiel aus Natur und moderner Technik.“

Mehr Realitätsverweigerung geht kaum. Dann leitet man unvermittelt um auf das Thema Verkehr:

Deutschlands Straßen gehören den Autos von gestern, angetrieben von schweren, benzin- und dieselgetriebenen Motoren.“

Wenn man die Augen schließt, sieht man förmlich die Rußwolken der Mercedes 300D, Baujahr `82, oder den von der Ampel lossprintenden Senator 3,0 ohne Kat.

Es folgt Energiewendekritik aus den Häusern McKinsey und des Bundesrechnungshofes. Merkels wohl größtes Scheitern bestünde darin, so die Spiegler, dass sie klimapolitisch wenig bewegt habe. Könnte das mit der Abschaffung der emissionsarmen Atomstromerzeugung zusammen hängen? Kann man Klimapolitik losgelöst von Energie-, Wirtschafts- und Sozialpolitik denken?

Fragen über Fragen, die der Beitrag nicht thematisiert. Stattdessen ein schräger Vergleich mit Schweden, das aus dem Atomausstieg ausgestiegen ist und heute schon seinen Strom so gut wie emissionsfrei erzeugt. Deshalb haben die Wikinger keine Probleme mit einer CO2-Steuer. Wir hätten sie durchaus.

Dann steigert sich der Beitrag zu fulminantem Unfug. Deutschland hätte versäumt, mit dem Atomausstieg auch den Abschied von der Kohle einzuleiten.

Es wurden Windräder und Solarpaneele errichtet, und die Kohlemeiler liefen fröhlich weiter.“

Und warum?

„Um bloß niemandem wehzutun, keinem Unternehmen, keinem Bürger.“

So einfach ist das. Kein Wort darüber, dass ein sicheres System erhalten bleiben muss, wenn das hippe neue System nur liefert, wenn es Lust hat. Stattdessen weiter hinten der abenteuerliche Satz, Deutschland habe sich „daran gewöhnt“, zwei Systeme, von denen „die Gesellschaft“ nicht so leicht loskomme, laufen zu lassen. Keine Idee der Autoren dazu, wie die grüne Infrastruktur grund- und regellastfähig gemacht werden kann, stattdessen solle man sie weiter ausbauen.

Dann geht es noch ein bisschen um das politische Triumvirat Kanzleramt / Umweltministerium / Wirtschaftsministerium mit Verweisen auf Trittin (der mit der Eiskugel) und den aus dem Amt geflüchteten ehemaligen grünen Staatssekretär Baake, natürlich ohne den Hauch einer kritischen Beurteilung. Weiter zum Thema Netze und einem ausführlichen Lamento über deutsche Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen. Der Schutz von Mopsfledermäusen und Rotmilanen wird kritisch hinterfragt, so als wenn Feldhamster oder Hufeisennasen nicht auch Gewerbegebiete verhindert und Brückenbauten gefährdet hätten. Kein Wort zu den verheerenden Auswirkungen der immer größer werdenden Windkraftanlagen auf Vögel, Fledermäuse und Insekten und auch auf Menschen. Die Themen Infraschall und Gesundheit der Anwohner werden sorgfältig verschwiegen.

Die immer länger dauernden Genehmigungsverfahren werden verantwortlich gemacht, dass es „keinen Wettbewerb“ mehr gäbe. Auch hier systemisches Unverständnis. Unter dem EEG hat es noch nie Wettbewerb gegeben (höchstens um die windhöffigsten Standorte), sondern bis 2017 immer feste Vergütungen. Es gibt sogar Geld für Strom der nicht produziert wird, weil er nicht abtransportiert werden kann. Das katastrophale Missmanagement bei der Koordinierung von Zubau volatiler Erzeugung und Netzausbau ist kein Thema für die Autoren, denn dies zeigt, wer das Sagen hat: Die Ökolobby. 1,4 Milliarden Euro Redispatchkosten im Jahr 2017 werden mit Schulterzucken quittiert. Passiert.

Der Versuch, mit der EEG-Novelle die Windkraft an den Markt heranzuführen, ist nun sichtbar am Scheitern. Keine Angebote aus der Windbranche in der vergangenen Ausschreibung der Bundesnetzagentur zum Stichtag 1. April 2019. Das Vergütungsband von 6,2 bis 8 Cent pro Kilowattstunde ist der Windbranche offenbar zu niedrig.

Absehbare Strafzahlungen sind ein weiteres Thema. Wenn Deutschland die Klimaziele nicht erfüllt, muss es an seine Nachbarn zahlen. So ist das, wenn Politiker EU-Zielen zustimmen in Unkenntnis darüber, wozu man eigentlich in der Lage ist – und wozu nicht. Aber schon mal ein Hinweis darauf, wie die Einnahmen aus der CO2-Steuer verwendet werden könnten.

Dann folgt eine Beschreibung der Sektorziele in Verkehr und Wärme wozu die alte Suppe P2V (Power to Vehicle – Stromspeicherung mittels E-Mobilen) aufgewärmt wird. Man berichtet von einem Fahrzeug des Versorgers Enervie, das auch rückspeisen kann. Da lehnt man sich gelangweilt zurück, denn bereits 2014 wies die

BTU Cottbus in einem Projekt nach, dass und wie man in einem E-Mobil ein- und ausspeisen kann. In einer Woche hätte ein E-Autobesitzer 20 Euro verdienen können mit dieser Stromspeicherung, erwähnt das Autorenkollektiv. Ob er mit dem Gerät nebenbei auch hätte fahren können, wird nicht erwähnt.

Nicht zu vergessen auch der Hinweis auf die „Wasserstoffrevolution“, für die die Zeit jetzt „reif sein sollte“. Das erinnert an Hermann Honnef, der schon in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts den überschüssigen Strom seiner im Berliner Stadtgebiet vorgesehenen „Reichskrafttürme“ (vierhundert Meter hoher Windkraftanlagen) „zur Erzeugung billigen Wasserstoffs“ nutzen wollte. Fast achtzig Jahre später die Erkenntnis der SPIEGEL-Autoren, dass sich die Umwandlung von Strom in synthetische Energieträger in gas- oder flüssiger Form nicht rechnet.

Mainstreamkompatibel folgt noch die Kritik am europäischen Emissionshandel (ETS), der angeblich nicht funktioniere und untauglich sei. Natürlich fehlt die Information, dass ETS und EEG gegenläufig arbeiten: Das EEG wirkt nur national und sorgt durch den Einspeisevorrang für die Verdrängung des fossilen Stroms – und der Zertifikate, die dann europaweit gehandelt werden. Damit wird der Preisdruck von den Zertifikaten genommen.

Subtil gibt es noch etwas unterschwellige Werbung für eine „Klimasteuer“ und die Behauptung, dass bis 2050 der Ausstieg aus den Fossilen möglich sei. Die „Studien, Strategien und Anlagen“ stünden bereit. Hier hätte gern etwas ausführlicher beschrieben werden können, welche Anlagen gemeint sind.

Der „zweite Teil“ der Energiewende werde teuer und anstrengend, ähnlich der Wiedervereinigung. Da bin ich anderer Meinung. Sie wird teurer, anstrengender, vor allem aber in dieser Form erfolglos sein.

Anmerkung der Redaktion.

Der SPIEGEL lobt die Ergebnisse des e-SOLCAR Projektes der BTU Cottbus. Auch hier wurde miserabel recherchiert und mit ideologischen Scheuklappen miese Ergebnisse schön geredet.

EIKE hat vor einem Jahr dieses „Leuchtturmprojekt“  der Brandenburger „Energiestrastegie 2030“ untersucht. Das Ergebnis sehen Sie weiter unten. Fazit – wer diesen Leuchttürmen folgt landet todsicher auf einem Riff.

lt Factsheet(https://www-docs.b-tu.de/fg-evh/public/esolcar/FactSheet_esolcar.pdf) der BTU Cottbus lief das Projekt eSOLCAR vom Juni 2011 bis Dezember 2014 und kostete insgesamt 9 233 000 EUR. Es wurde u.a gefördert durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE).(Vermutlich auch von Vattenfall die 22 der 45 Fahrzeuge betrieben)  Im Rahmen von e-SolCar wurden etwa 10.000 Ladevorgänge durchgeführt. Das entspricht einer Ladeenergie von ca.130 MWh.

Insgesamt waren 45 Fahrzeuge beteiligt mit einer Gesamtfahrleistung von 400.000 km. Das sind pro Monat der Projektdauer von insgesamt 42 Monaten nur ca. 211 km/Monat und Fahrzeug. Völlig ungeeignet, weil viel zu wenig für die Erprobung dieser Technik! Weder für ein Flächenland wie Brandenburg noch eine Großstadt wie Berlin. Denn die durchschnittliche Fahrleistung über alle Altersgruppen und Wohngebiete betrug 2013 rd. 13.000 km p.a das sind 1083 km/Monat. Also rd. das 5 fache der Versuchs-Kfz.

Die ausgegebene Ladeenergie (130 MWh) betrug umgerechnet und im Mittel pro Fahrzeug und Monat nur ca. 69 KWh (das sind 825 kWh p.a.) In etwa soviel wie ein kleiner sehr effizienter Kühlschrank (145 l) pro Jahr[1]verbraucht.

Zum Vergleich: Ein 50 l Dieseltank enthält bei 11,9 kWh/kg rd. 500 kWh, ist in 2 Minuten betankt und erlaubt eine Strecke von 1000 km zu fahren. D.h das ca. 5 fache der Versuchsfahrzeuge mit einer einzigen „Ladung“ Diesel.

Insgesamt wurden mit 130 MWh 400.000 km elektrisch gefahren. Um 130 MWh „Strom“ zu erzeugen mussten 2016 lt Emissionsfaktor  des UBA[2]ca. 527 g/kWh x 130.000 emittiert werden. Hier sind das also 69.510 kg.

Für 400.000 km wären hingegen rd. 20.000 l Diesel erforderlich. Diese hätten bei rd. 3 kg/l CO2 Emissionen rd. 60.000 kg CO2 emittiert. Der reine Dieselbetrieb hätte also rd. 16 % weniger CO2 emittiert.

[1]https://www.stromverbrauchinfo.de/stromverbrauch-kuehlschraenke.php

[2]https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-der-spezifischen-kohlendioxid-3

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