Die Forsythienblüte in Seesen:

Der Phänologe Georg von Petersdorff-Campen in Seesen./Kirchberg schickte uns ebenfalls seine Beobachtungsdaten der Forsythienblüte zu. Der Ortsteil Kirchberg hat 550 Einwohner und liegt südwestlich vom Harz. Bei der folgenden Grafik wieder beachten: Nach oben sind die Tage nach Neujahr aufgetragen. Je höher der Ausschlag, desto später der Blühbeginn. Eine steigende Trendlinie heißt Verspätung des Frühlingsbeginns.

Abb.1: Auf der x-Achse sind die Tage nach Neujahr eingetragen. Seit 34 Jahren erfolgt die Forsythienblüte auch in Seesen mit einer deutlichen Verspätung. 2019 war der Aufblühtermin der 16/17.März. Wie zu erwarten ist der Blütenbeginn im eher ländlichen Kirchberg gegenüber der großen Wärmeinsel Hamburg allgemein um gut eine Woche später. Aber sonst stimmen die Beobachtungsdaten, vor allem der Trendlinienverlauf mit der Grafik in der Innenstadt Hamburgs überein. Datenquelle: Phänologe Georg v. Petersdorff-Campen.

Der Versuch einer Deutung ist schwierig. Nicht nur die Lufttemperatur, gemessen in 2 m Höhe ist ausschlaggebend. Wie wir aus diversen Artikeln auch der Autoren Kämpfe/Kowatsch wissen, wurde es ab 1940 und erst recht nach Kriegsende in Deutschland kälter. Zum einen wegen der Umstellung der Großwetterlagen, das sind natürliche Gründe dieser Klimaabkühlung, aber auch wegen der fehlenden Wärmeinseleffekte bei den Wetterstationen: weil die Städte ausgebombt waren und das Überleben auf Sparflamme kochte, und Eistage auch in den Häusern wahrgenommen wurden. Der steigende Wohlstand, die rege Bautätigkeit und die Beheizung aller Räume nebst steigendem Warmwasserverbrauch im Haus, sowie die zunehmende Industrialisierung und das Bevölkerungswachstum brachten wieder Wärme in Deutschlands Wohnorte. Diese positive Nachkriegsentwicklung begünstigte den früheren Frühlingsbeginn, er folgte dem Wohlstand. Ein Vorgang, der in den 80-er Jahren wohl sein Ende gefunden haben dürfte, in der Innenstadt Hamburgs eher als in dem kleinen Weiler Kirchberg. Seitdem werden die Wintermonate wieder leicht kälter.

Ein ähnliches Verhalten zeigen auch die andere Frühblüher und die Tierwelt. Der Start der Krötenlaiche am Bächweiher im Heimatort des Verfassers ist diesmal der 31. März/ Anfang April, vollkommen übereinstimmend mit den Beobachtungen der letzten 3 Jahrzehnte. Die in den Medien immer wieder behauptete Wintererwärmung und einen früheren Frühlingsbeginn gibt es nicht, außer in den Medien. So wurde auch dieses Jahr in den Tageszeitungen wieder Anfang März auf die Krötenwanderung aufmerksam gemacht. Da herrschten nachts im Ostalbkreis noch deutliche Minusgrade. Der Laich wäre erfroren. Aber weil die Menschen keinen Bezug mehr zu Natur haben, bemerken sie solche Unwahrheiten nicht.

Dafür steht in den Tageszeitungen: Die Störche sind diesmal verfrüht da. Kein Wunder, denn die Störche brühten nicht in der kalten Natur, sondern auf den warme Dächern beheizter Gebäude oder Erhöhungen innerhalb der Ortschaften und ihre Nahrung finden sie auf den warmen Mülldeponien. Dort tummeln sich auch Mäuse zuhauf, denn Frösche und Kröten waren noch nicht unterwegs.

Weshalb verspäten sich die Forsythien und andere Märzfrühblüher?

Ein Blick auf die Temperaturentwicklung der beiden Monate Februar und März bringt uns der Erklärung näher. Zusammengefasst benennen wir sie mit Vorfrühling.

Abbildung 2: Die Temperaturtrendlinie der Vorfrühlingsmonate Februar und März hat seit 30 Jahren einen eindeutig fallenden Trend. Dabei sind die letzten 40-50 Tage vor Blütenbeginn maßgeblich. Die letzten 10 Märztage beeinflussen bereits die Aprilblüher.

Solange der fallende Temperaturtrend der beiden Vorfrühlingsmonate keine Änderung erfährt, wird der Verspätungstrend der Forsythienerstblüte noch weitere Jahre anhalten. Schließlich kühlt auch der Erdboden bis in 1m Tiefe zunehmend aus, somit fehlt auch das Startsignal aus dem Erdreich. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Verspätungstrend in Hamburg und Seesen sogar leicht verstärkt. Das ist kein gutes Vorzeichen.

Die unter anderem auch bei WIKIPEDIA geäußerte Behauptung „…Hinzu kommt, dass die Forsythie, wenn kein ausreichender Kältereiz vorhanden ist, nicht unbedingt der Temperatur folgt. …“ lässt sich relativ leicht widerlegen (Quelle). Zwar bezogen sich diese Aussagen auf Hamburg. Doch setzt man die Daten von Seesen zum Temperaturmittel des Zeitraums Februar und März (01.02. bis 31.03.) in Relation, so erkennt man den engen Zusammenhang zwischen Temperatur und Blühbeginn:

Abbildung 3: Je niedriger die Temperaturwerte im Vorfrühling (Februar und März), desto mehr Tage vergehen bis zum Beginn der Forsythienblüte (deshalb die negative Korrelation; Temperaturerhöhung wirkt stark verfrühend). 76% der Variabilität der Blühtermine am Standort Seesen wurden von der Temperatur des Vorfrühlingszeitraumes bestimmt – ein erstaunlich enger, signifikanter Zusammenhang.

Logischerweise gibt es auch andere Gründe, die das Aufblühen der Erstfrühlingsblüher beeinflussen, die haben wir ausführlich auch im Artikel Forsythienblüte Hamburg, siehe link oben beschrieben.

Und ganz lange Zeiträume: Das Märzenveilchen erblühte auch dieses Jahr in der freien Fläche außerhalb der Städte in der zweiten Märzhälfte wie schon zu Goethes und Mozarts Zeiten.

Bislang sehr wechselhafter Frühling 2019 – besteht Hoffnung auf Besserung?

Zwar fiel der März wegen häufiger, sehr windiger Westwetterlagen relativ mild aus; doch bei dem eher trüben, oft sehr wechselhaften Wetter kamen keine dauerhaften Frühlingsgefühle auf. Die Ausgangslage ist eine ganz andere als 2018. Damals brach der stratosphärische Polarwirbel schon Ende Januar zusammen, und bei einer markanten QBO-Ostwindphase folgte einem bitterkalten Spätwinter ein sehr warmer, leider auch trockener Voll- und Spätfrühling. Diesmal hält sich der Polarwirbel sehr lange, was wohl auch noch im ersten Aprildrittel wechselhaftes Westwetter begünstigen könnte; ab spätestens Mitte April deuten die meisten Mittelfrist-Modelle aber den Übergang zu mehr oder weniger warmen Ostwetterlagen an. Erfahrungsgemäß hat die vorausgehende Januar-Witterung, welche diesmal von Nordwestlagen dominiert war, aber auch einen gewissen Einfluss auf die Frühjahrswitterung; einzelne Kälterückfälle aus Nordwest bis Nord sind also mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch in den kommenden Wochen zu erwarten. Insgesamt dürften die Monate April und Mai also zwar nicht ganz so freundlich und warm wie 2018 verlaufen – trotzdem deuten sich Temperaturen über dem Mittelwert von 1981 bis 2010 zumindest vage an.

Ergebnis: Der Frühling beginnt in Deutschland seit über 30 Jahren etwas später. Viele Märzblüher sind verspätet. Wir führen das hauptsächlich auf die seit gut 30 Jahren kälter werdenden Monate Januar, Februar und März zurück. Damit kühlt sich auch der Boden am Standort der Pflanzen aus.

Es wird Zeit, dass die deutschen Medienvertreter endlich davon Kenntnis erhalten, die drei Wintermonate kälter werden und die Erstblüher sich deshalb verspäten.

Auch die Erstblüher zeigen erneut, dass wir keinesfalls inmitten einer gefährlichen CO2-erzeugten Klimaerwärmung stehen. CO2 hat zugenommen und wirkt als Düngemittel sogar leicht verfrühend.

Josef Kowatsch, Naturbeobachter und unabhängiger, weil unbezahlter Klimaforscher.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

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