Dr. rer. oec., Ing. Dietmar Ufer

Sächsische Staatskanzlei 01095 Dresden info@sk.sachsen.de

Betr.: Kohleausstiegspläne der Bundesregierung

Sehr geehrte Damen und Herren,

04103 Leipzig, 17. Januar 2019 Grünewaldstr.  E-Mail: Ufer-l@t-online.de

Ihre ganzseitige „Sonderveröffentlichung“ in der Leipziger Volkszeitung vom 29. Dezember 2018, Berichte über das Treffen im Kanzleramt zum Kohleausstieg am 15. Januar 2019 und die nach wie vor anhaltende öffentliche Debatte über den Sinn dieses Plans (u. a. über die Absicht, die Fernwärmeversorgung Leipzigs vom Kraftwerk Lippendorf abzukoppeln) regen mich an, Ihnen dazu einige Überlegungen mitzuteilen.

Ausschnitt aus Sonderveröffentlichung der sächsischen Landesregierung

Vorab begrüße ich es sehr, dass sich Herr Ministerpräsident Kretschmer und Wirtschaftsminister Dulig – ebenso wie die Regierungsspitzen von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen – gegen den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohlenindustrie in Deutschland aussprechen.

Für unabdingbar halte ich die Forderung, allen direkt und indirekt in der Braunkohlenindustrie Beschäftigten eine wirtschaftliche und soziale Zukunft nicht nur zu versprechen, sondern zu sichern, bevor in Lausitz und Mitteldeutschland – wieder einmal! – Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet werden.

Zehn Punkte Plan – Ausschnitt aus Sonderveröffentlichung

Ein Aspekt der künftigen Entwicklung der Braunkohle-Regionen kommt in allen bisherigen Debatten m. E. viel zu kurz weg. Lediglich Ministerpräsident Michael Kretschmer hat ihn in der Sonderveröffentlichung der Sächsischen Staatskanzlei benannt:

„Schließlich braucht das Industrieland Deutschland eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Tag und Nacht, das ganze Jahr.“

Braunkohle wird primär nicht deshalb gefördert und verarbeitet, weil damit Arbeitsplätze gesichert werden, sondern weil sie in Deutschland für die Elektroenergieversorgung benötigt wird. Nach der beabsichtigten Stilllegung aller Kernkraftwerke und dem geplanten Braunkohlen- ausstieg würde es hier keine ausreichenden Kraftwerksleistungen mehr geben, um unser Land zuverlässig („Tag und Nacht, das ganze Jahr.“) mit elektrischer Energie zu versorgen. Dass das mit Wind- und Solarenergie nicht möglich ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Hoffnungen auf ausreichende Speicherkapazitäten sind aus technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Gründen illusorisch. Der Wegfall der– speziell in Ostdeutschland – modernsten Braunkohlenkraftwerke Europas führt unweigerlich zum Verlust einer zuverlässigen Stromversorgung, wie sie für Industrie, Verkehr und letztlich für die gesamte Gesellschaft, gebraucht wird. Bisher gibt es weder aus der Kohlekommission noch von der Bundesregierung konkrete Hinweise darauf, wie die Elektrizitätsversorgung Deutschlands ohne Kernenergie und ohne Kohle gewährleistet werden soll – viel weniger gibt es konkrete Konzepte.

Rein theoretisch sind Gaskraftwerke als Ausgleich denkbar. Sie führen allerdings zu erheblich höheren Stromkosten und machen die gesamte Energieversorgung des (Noch-)Industrielandes Deutschland importabhängig. Zudem liegen bisher noch keinerlei konkrete Standortplanungen vor. Auch Gaskraftwerke emittieren das angebliche „Klimagift“ Kohlendioxid!

Ebenfalls hypothetisch könnte man sich den Import von elektrischer Energie aus Nachbarländern vorstellen. Das würde jedoch voraussetzen, dass in Frankreich, Tschechien und/oder Polen zusätzliche Kohle- bzw. Kernkraftwerke und zusätzliche Hochspannungsleitungen (vorwiegend in West-Ost-Richtung, nicht in Nord-Süd- Richtung wie bisher geplant) gebaut werden müssten. Konkrete, international abge- stimmte Planungen dafür liegen nicht vor.

Eine weitere Möglichkeit wäre der Bau neuer Kernkraftwerke, was zu einer langfristig zuverlässigen Energieversorgung führen würde. Allerdings ist das unter den gegen- wärtigen politischen Verhältnissen in Deutschland (bis heute) nicht denkbar ist, zumal sich hierzulande offenbar kaum ein Politiker darüber im klaren ist, welchen Fortschritt die Nukleartechnik in anderen Ländern inzwischen gemacht hat.

Aus dieser Situation ergibt sich die Forderung:

„Bevor Braunkohlekraftwerke liquidiert werden, muss abgesichert werden, dass die zukünftige Elektroenergieversorgung Deutschlands dauerhaft zuverlässig und kostengünstig gewährleistet wird.“

Weder von der Bundesregierung noch von der Kohlekommission hat man bisher eine solche Forderung vernommen! Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch (relativ vage) zugesagte milliardenschwere Unterstützungen des Bundes für die betroffenen Regionen nicht automatisch zu einer zukunftsträchtigen Energieversorgung führen.

Schließlich sei auf die immer wieder diskutierten klimapolitischen Aspekte hingewiesen. Jeder unserer Politiker sollte sich darüber im klaren sein, dass der Wegfall der Braunkohlenförderung in unserem Land keine – ich betone: absolut keine! – Auswirkungen auf die Entwicklung des Klimas auf der Erde haben wird! Das zeigen schon die geringen Anteile der deutschen Kohle am Welt-Kohleverbrauch (< 3 % 2017),aber auch die unbeweisbare Behauptung von der „Klimaschädlichkeit“ der Kohle.

Auch ökologisch setzen schlüssige Planungen über die Zukunft der Braunkohlenregionen eine zeitliche Abstimmung des Braunkohlenausstiegs und der nachfolgenden Landschaftsgestaltung, insbesondere der Flutung der Tagebaurestlöcher, voraus. Die zwar kostspieligen aber äußerst wertvollen Erfahrungen bei der Gestaltung der Seenlandschaften in Lausitz und Mitteldeutschland müssen dabei berücksichtigt werden.

Soweit einige Überlegungen zur Zukunft der deutschen Braunkohlenindustrie, die bisher gar nicht oder völlig ungenügend berücksichtigt worden sind.

Ich erwarte von der Bundesregierung, die den Ausstieg aus der Kohlenutzung veranlasst hat, (nicht von den Braunkohle-Ländern!) eine ehrliche und sachlich- wissenschaftlich nachvollziehbare Aufwands-Nutzen-Analyse, und zwar bevor „die Axt“ an diesen Industriezweig angelegt wird! Den Bürgern Deutschlands sind konkrete Rechnungen vorzulegen, aus denen hervorgeht:

  • –  Um wieviel Tausendstel Kelvin wird durch den deutschen Kohleausstieg eine Annäherung an das „Klimaziel“ von 2 bzw. 1,5 Kelvin (Pariser Klimaabkom-men von 2015) erreicht?
  • –  Wieviele Milliarden Euro müssen in Deutschland aufgewendet werden, um dieses (rein hypothetische!) Ziel zu erreichen?
  • –  Wieviele Arbeitsplätze werden dadurch verloren gehen (oder gewonnen)?
  • –  Mit welchen sozialen und psychologischen Folgen für die Bevölkerung ist der Strukturwandel in den Braunkohleregionen verbunden?
  • –  Welche ökologischen Auswirkungen wird der Kohleausstieg in Deutschland verursachen?Ich würde mich sehr freuen, wenn meine Überlegungen Eingang in weitergehende Untersuchungen der Braunkohleländer und der Bundesregierung finden würden. Bit- te informieren Sie mich über entsprechende Aktivitäten.

Mit freundlichen Grüßen (gez.) Dietmar Ufer

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