Er hat angekündigt, bis zum Jahr 2020 mindestens 20.000 neue Windräder aufstellen zu lassen. Doch bei den betroffenen ländlichen Gemeinden löste er dadurch keine Begeisterungsstürme aus. Im Gegenteil: Nach anfänglicher Euphorie in manchen entlegenen Gegenden, in denen große Windräder als potenzielle Tourismus-Attraktion galten, lösen Pläne für neue Windparks heute fast überall Alarmstimmung aus. Denn die Landbewohner haben inzwischen erkannt, dass gerade das Tourismus-Geschäft darunter leidet. Obendrein zieht der Bau der bis zu 200 Meter hohen Windmonster zahlreiche Unannehmlichkeiten wie Wald- und Buschrodungen für die Anlage von Transportwegen, Erdarbeiten für die Verlegung der Anschlusskabel usw. nach sich.
Besondere Sorgen bereiten den Bewohnern der „France profonde“ die bis zu 1.500 Tonnen schweren Stahlbeton-Fundamente der Windräder, die nach dem Ende der auf 15 bis 20 Jahre veranschlagten Betriebszeit der Windkraftanlagen höchstwahrscheinlich im Boden bleiben werden. Die Betreiber müssen für den Rückbau ihrer Anlagen lediglich eine Sicherheitsleistung von 50.000 Euro hinterlegen, während die tatsächlichen Kosten auf mindestens 300.000 Euro geschätzt werden. Die Franzosen fühlen sich hier an die zahlreichen Beton-Bunker erinnert, die ihnen die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg hinterlassen hat. Das macht die Auseinandersetzung um die Errichtung von Windparks im Binnenland zu einer höchst emotionalen Angelegenheit. Hinzu kommt die praktische Unmöglichkeit, die Windradflügel aus glasfaserverstärktem Kunststoff zu recyceln.
Der Widerstand vor Ort hat dazu geführt, dass neue Windräder in Frankreich nur noch dort errichtet werden können, wo schon welche stehen – oder vor der Atlantik- oder Kanal-Küste, wo kommunaler Widerstand nicht möglich ist. So konzentriert sich der heute unter dem Firmennamen Engie auftretende ehemalige Staatskonzern GDF-Suez zusammen mit der französischen Staatsbank Caisse des Dépôts und dem portugiesischen Konzern EDP auf die Projektierung von Windparks in den Fischereizonen vor den Küsten der Bretagne und der Normandie. Weder auf die Interessen der Fischer und der Ferieninseln noch auf historische Gedenkstätten wird dabei Rücksicht genommen. Zum Beispiel sind dort, wo die Alliierten 1944 ihre verlustreiche Landeoperation durchführten (Juno Beach, Gold Beach und der Hafen von Arromanches nicht weniger als 75 riesige Windräder geplant.
Was aber das Fass zum Überlaufen bringt, ist die Nachricht, dass der chinesische Konzern China Three Gorges sich anschickt, das Wind-Geschäft von Engie ganz oder teilweise zu übernehmen. Viele Franzosen fürchten nun zu Unrecht, dass ihre Steuergelder letzten Endes in den Taschen chinesischer Milliardäre landen werden. Die von Nicolas Hulot beschworene planetare Solidarität bekäme dadurch ein besonders Geschmäckle. Kein Wunder, dass sich inzwischen in Frankreich eine außerordentlich breite überparteiliche Oppositionsbewegung gegen Windkraftprojekte gebildet hat, die von Anhängern des linksradikalen Jan-Luc Mélenchon bis zu konservativen Schlossherren reicht. Im Augenblick stecken die Franzosen allerdings noch in der Sommer-Lethargie, die durch die Hitzewelle noch gefördert wird. Aber schon im bevorstehenden Herbst könnten sich die Konflikte zuspitzen, zumal immer mehr Franzosen mitbekommen, dass die ihnen als so vorbildlich hingestellte deutsche „Energiewende“ sich längst als Sackgasse erwiesen hat.

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