Alex Baur  (Red. WELTWOCHE Zürich)*

Es ist nicht so, dass der Basler Geologe Markus O. Häring ein Umweltmuffel wäre. Nachdem er seine wissenschaftlichen Sporen in den siebziger und achtziger Jahren mit der ­Suche nach Erdgas auf der halben Welt verdient hatte, wandte er sich schon früh der Geo­thermie zu. In der Schweiz gilt er als Topexperte auf diesem Gebiet. Allerdings gehört Häring zu den seltenen Forschern im Bereich von Alternativenergien, die es wagen, Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen.

In seinem neusten Buch, «Sündenbock CO2 – Plädoyer für ein lebenswichtiges Gas», setzt sich Häring mit dem ­famosen Kohlendioxid auseinander – der angeblich grössten Bedrohung ­unserer Epoche. Was hat es wirklich an sich mit diesem Stoff? Wie genau wirkt er sich konkret auf das Weltklima aus? Was wäre, wenn morgen keine fossilen Brennstoffe mehr verfeuert würden? Wir glauben die Antworten zu kennen. Tatsächlich ist einiges ziemlich anders, als man denkt – und wenig sicher. Ein Überblick in neun Stichwörtern:

1 – Kohlendioxid: Es handelt sich um eine Verbindung aus einem Atom Kohlenstoff (C) und zwei Atomen Sauerstoff (O), also ein Molekül. Unsere Atmo­sphäre besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff (N), zu 21 Prozent aus Sauerstoff und zu 0,04 Prozent aus CO2. Letzterer Wert hat sich in den letzten sechzig Jahren vor allem infolge der Nutzung fos­siler Brennstoffe und der Herstellung von Zement um einen Viertel erhöht.

2 – Schadstoffe: CO2 ist kein Gift, sondern ein Grundstoff, der hauptsächlich im ­Boden und im Wasser gebunden ist und ohne den es kein Leben gäbe. Eine Erhöhung der CO2-Konzentration in der Luft steigert das Wachstum von Pflanzen markant, was bereits heute messbar ist. Ein Teil des CO2 wird von den Gewässern und vom Boden absorbiert. Das ­gefährlichste Element ist übrigens das Wasser: Ertrinken ist weltweit die dritthäufigste tödliche Unfallursache.

3 – Treibhauseffekt: Neben anderen Gasen sorgt das CO2 dafür, dass ein Teil der Sonnen­einstrahlung als Wärme in der Erdatmosphäre erhalten bleibt, sonst wäre die Erde unbewohnbar. Einen vielfach stärkeren Treibhauseffekt hat das Methan, das etwa auf Reisfeldern entsteht. Bislang verlangt allerdings noch niemand den Verzicht auf Reis. Allerdings verläuft diese Erwärmung nicht linear, sie flacht vielmehr ab, es tritt eine Sättigungsgrenze ein. Zu drei Vierteln ist Wasserdampf für den Treibhauseffekt verantwortlich, der 1896 entdeckt wurde. Wird der Dunst zur Wolke, kann dies ­allerdings auch kühlend wirken, weil die Sonnenstrahlen zurück ins All reflektiert werden.

4 – «Runaway»-Effekt: Gemäss einer weitverbreiteten These könnte die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen zu einer erhöhten Verdampfung und damit zu einer explosionsartigen Erwärmung der Erdatmosphäre führen. Markus O. Häring bezweifelt diesen Rückkoppelungseffekt allerdings; man wisse zu wenig über das von zahlreichen Einflüssen (Niederschlägen, Meeresströmungen, Wind et cetera) bestimmte Geschehen am Himmel.

5 – Erdtemperatur: Dass es in den letzten hundert Jahren wärmer wurde, ist eine Tat­sache. Warum das so ist, weiss niemand mit ­Sicherheit. Es gab Zeiten, in denen es wärmer (etwa das Mittelalter) oder auch kälter (etwa die Eiszeiten) war. Mögliche Ursachen gibt es viele (Verschiebung der Erdachse, Meteoriten, Vulkane, Sonnenaktivität), beweisen lässt sich nichts. Tatsache ist: Kältephasen sind für die Menschen bedrohlicher als Wärmephasen.

6 – Statistiken: Untersuchungen im Eis zeigen, dass die Wärmephasen des Klimas stets von einer erhöhten CO2-Konzentration begleitet waren. Doch damit ist die Frage von Ursache und Wirkung nicht beantwortet. Tatsächlich war die Temperaturkurve der CO2-­Kurve stets etwas voraus.

7 – Klimaabkommen: Obwohl die Schweiz dank einem fast abgasfreien Strommix (Wasser/Atom) pro Kopf viel weniger CO2 produziert als vergleich­bare Industrieländer, hat sie sich die weltweit höchsten Ziele gesetzt. Die Zielsetzung ist freiwillig, Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien begnügen sich damit, den CO2-Ausstoss etwas weniger stark ansteigen zu lassen. Mit der Umstellung von Kohle auf Erdgas haben die USA ihre Emissionen mehr reduziert als alle andern.

8 – CO2-Export: Lenkungsabgaben können zwar den Verbrauch an fossilen Brennstoffen reduzieren, bringen unter dem Strich aber oft nichts. Denn sie ­können auch dazu führen, dass energie­intensive Prozesse einfach ins Ausland verlagert werden. So ging der Treibstoffverkauf in der Schweiz in den letzten Jahren zwar zurück – aber nicht, weil weniger Auto gefahren würde, sondern weil wegen des hohen Frankens mehr im Ausland getankt wird.

9 – EROI: Auch wenn die ganz konkreten Auswirkungen diverser Gase auf das Klima alles andere als gesichert sind, gibt es gemäss Häring gute Gründe für einen möglichst umweltschonenden Umgang mit den Ressourcen. Die Zauberformel lautet EROI (Energy return on investment): Entscheidend ist die Gesamtrechnung. Windräder und Solarpanels mögen als grün gelten; misst man aber den Verbrauch an Ressourcen und grauer Energie (Herstellung, Bau, Unterhalt, Stromspeicherung) am Ertrag, weisen sie eine schlechtere Öko­bilanz aus als etwa Wasser- und Atomkraft­werke. Auch Elektrofahrzeuge sind unter diesem Aspekt nicht a priori umweltfreundlich. Letztlich plädiert Häring für mehr Köpfchen und weniger Hysterie.

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Markus O. Häring: Sündenbock CO2 – Plädoyer für ein lebenswichtiges Gas. Carnot-Cournot-Verlag. 190 S., Fr. 29.–

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)* Anmerkung der EIKE-Redaktion :  Dieser Artikel ist zuerst erschienen in WELTWOCHE Zürich :

Ehrenrettung eines Moleküls | Die Weltwoche, Ausgabe 7 (2018) | 15. Februar 2018; http://www.weltwoche.ch/

EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE und dem Autor Alex Baur für die Gestattung des ungekürzten Nachdrucks.

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