Heute (Silvester 2016) hat der offensichtlich bevorstehende Witterungs(!)-Wechsel deutliche Konturen angenommen. Zum ersten Mal seit mehreren Jahren scheint der große atlantische Langwellentrog seine Position aufzugeben. Die bisherige Position war für die ewigen Südwestlagen bei uns verantwortlich, von denen ja Kämpfe sowie Kämpfe & Kowatsch (2016) eine Häufung während der letzten Jahre nachgewiesen haben.

Das sich wohl ganz grundlegend etwas ändert, mag zunächst die Graphik oben belegen:

Sie zeigt das Ensemble-Mittel für 240 Stunden (= 10 Tage) im Voraus. Dazu folgende allgemeine Bemerkungen: Bei der Quelle www.wetterzentrale.de gibt es auch unter dem Menüpunkt „ENS“ einen Spaghetti-Plot, der auf den ersten Blick sehr wirr aussieht. Kurzwellige Wettersysteme mitteln sich bei der Mittelung heraus, so dass ein stark verallgemeinertes Bild übrig bleibt. Üblicherweise zeigt sich im Mittel eine mehr oder weniger (meist weniger) mäandrierende Westströmung.

Obige Graphik weist jedoch einen markanten Hochkeil über dem Atlantik auf. Eine so deutliche Struktur bei einem Ensemble-Mittel ist sehr ungewöhnlich und zeugt davon, dass die Simulation eines solchen Hochkeils dort für 10 Tage im Voraus außerordentlich zuverlässig ist. Wie gesagt, einen solchen Vorgang hat man während mindestens der letzten drei Winter vergeblich gesucht. Die ewigen Südwestlagen dürften damit vorläufig beendet sein.

Bis dahin sieht es aus heutiger Sicht so aus, dass sich bereits in der Woche nach Neujahr ein erster Vorstoß von Meereskaltluft bis zu den Alpen durchsetzen soll. Danach folgen ein paar Sturmtiefs, die aber schon nicht mehr wie bisher üblich eine Südwest-, sondern eine West- bis Nordwestströmung erzeugen. Im Flachland wird sich dabei erst einmal nasskaltes Wetter einstellen, wobei Niederschläge zwar häufig als Schnee fallen, der aber noch nicht liegen bleibt. Für die Berge bedeutet das jedoch ein Ende des bisher gravierenden Schneemangels.

Am kommenden Wochenende sowie der darauf folgenden Woche hat sich dann das Hochdruckgebiet über dem Atlantik voll ausgebildet, und die Strömung dreht bei uns auf Nord bis Nordost.

So viel zur aktuellen Lage bei uns. Wie aber kann man diesen Vorgang statistisch-synoptisch bewerten? Nun, eine so gravierende und seit Jahren nicht mehr beobachtete Umstellung ist natürlich nicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, sondern erfolgt hemisphärisch. Außerdem ist es für mich als Wetterfreak immer faszinierend, wenn sich ein langwelliges Wellenmuster auf der Nordhemisphäre, das Wochen und Monate, ja mit kurzen Unterbrechungen Jahre lang etabliert war, praktisch von einer Woche zur anderen vollständig umstellt. Das sich neu einstellende Muster hat dann wieder einige Zeit Bestand. Soll heißen: der offenbar bevor stehende Wintereinbruch scheint keine kurzfristige Angelegenheit zu sein. Das jedoch bleibt abzuwarten, denn schon eine Vorhersage bzw. Simulation von 10 Tagen im Voraus ist üblicherweise mit immer größeren Unsicherheiten behaftet. Jedenfalls nehmen wir Synoptiker nicht für uns in Anspruch, in der Lage zu sein, das Wetter für 50 oder sogar 100 JAHRE im Voraus vorhersagen zu können!

Philosophisch angehauchte Naturen wie zum Beispiel unser Übersetzer Chris Frey haben dazu noch ganz andere Gedanken. Zum Einen: einen Jahreswechsel gibt es jedes Jahr (ach?), aber einen so drastischen Witterungswechsel genau zum Jahreswechsel schon erheblich seltener, wenn überhaupt schon mal. Aber auch anderswo gibt es drastische Wechsel, die nichts mit Wetter oder Klima zu tun haben: In der Politik beispielsweise in den USA. Der designierte Präsident Trump hat ja schon verlauten lassen, dass er nicht den Mensch als Verursacher von Klimawandel sieht, den es schon seit Urzeiten gab (in den Medien oft als „den Klimawandel leugnend“ diffamiert), und dass er demzufolge die Axt an sämtliche diesbezüglichen Maßnahmen der Obama-Regierung legen wird. Fast scheint es so, als ob das Wetter selbst auf Trumps Seite steht.

Nun ja, als Wissenschaftler halte ich diese Koinzidenz natürlich für völlig unwissenschaftlich. Aber wer weiß? Haben nicht schon viele klimarealistische Autoren und vor allem Astronomen darauf hingewiesen, dass wegen der schwächelnden Sonnenaktivität eine neue Abkühlungsphase bevorsteht? Hat vielleicht nur der El Nino zum vorigen Jahreswechsel das Eintreten einer solchen Abkühlungsphase nur verzögert?

Und könnte es sein, dass sich die Berichterstattung zu diesem Thema auch langsam zu ändern beginnt? Unter Anderem bei WUWT hier beschreibt der Autor Kip Hansen erste Tendenzen in diese Richtung. Was für ein Jahreswechsel!

Aber noch einmal zurück zur Statistik. Die sorgfältig und sicher sehr zeitaufwändig recherchierten Beiträge von Kämpfe und Kowatsch sind ja allesamt statistischer Natur. Statistik heißt aber immer, dass eine bestimmte feste Basis vorhanden sein muss, in diesem Falle also ein bestimmtes Klimaregime. Zur Mittelalterlichen Warmzeit, aber auch während der Kleinen Eiszeit herrschte sicher ein anderes Klimaregime als im vorigen Jahrhundert. Daher steht die nicht beantwortbare Frage im Raum, ob die von den beiden Autoren genannten Statistiken auch in einem anderen Klimaregime als dem im vorigen Jahrhundert gelten. Andererseits darf man auf keinen Fall einen direkten Zusammenhang herstellen zwischen einer eher zufälligen Witterungsumstellung innerhalb von ein paar Wochen einerseits mit einem sich neu einstellenden Klimaregime im Zeitmaßstab von Jahrzehnten oder Jahrhunderten andererseits.

Für mich als Beobachter wird es spannend sein zu sehen, ob auch im kommenden Sommer die ewigen und sehr unwetterträchtigen Südwestlagen ein Ende haben.

Dipl.-Met. Hans-Dieter Schmidt


Aktualisierung vom 1. Januar 2017: So schnell kann das gehen! Mit dem heutigen Modelllauf von 00 UTC ist nichts, aber auch gar nichts merh von irgendeinem Wintereinbruch in der zweiten Woche dieses Jahres zu sehen. Nach vorübergehend etwas kälterem Wetter in dieser Woche mit Schnee bis ins Flachland (der vielfach noch nicht einmal liegen bleiben dürfte), soll sich nun in der Woche ab dem 9.1 wieder mildes Westwindwetter einstellen.

Nun ja, daraus lassen sich aber indirekt wieder ein paar Erkenntnisse  erzielen (weshalb ich die Redaktion auch nicht gebeten habe, diesen Beitrag zu entfernen). Es bestätigt sich nämlich eine Erfahrung bzgl. Modellvorhersagen, die ich schon seit den achtziger Jahren beobachte: Immer wenn die Modelle den Übergang zu kaltem Wetter simulieren, liegen sie sehr häufig daneben (etwa 70% bis 80% aller Fälle). Simulieren sie dagegen den Übergang zu milder Witterung bzw. deren rascher Wiederherstellung, sind sie stets richtig (über 90%). Dies scheint für alle Modelle zu gelten, denn alle einschlägigen Modelle weltweit zeigen diesen Vorgang. Das heißt im Klartext: Winterfreaks werden wohl weiter auf richtiges Winterwetter warten müssen. Immerhin ist eine Westlage aber für Schnee auf den Bergen gut.

Ich halte also die neuesten Modellläufe für absolut zuverlässig. Sollte es nun aber doch in der zweiten Woche dieses Jahres kalt werden, darf man gerne entsprechende Kommentare posten!

Hans-Dieter Schmidt

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