Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick von Berlin – Worte zur Eröffnung der VIII. Wahlperiode 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bezirksverordnete, liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, liebe Gäste und Vertreter der Medien, 

als Alterspräsident habe ich die Ehre, gemeinsam mit den beiden jüngsten Stadtverordneten,  die Konstituierende Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick von Berlin in der VIII. Wahlperiode zu eröffnen und bis zum Tagesordnungspunkt 4.1  – Wahl eines neuen Bezirksverordnetenvorstehers – zu leiten. 

Nun gibt es in deutschen Volksvertretungen den guten Brauch, dass der Alterspräsident zu Beginn einer Legislatur das Wort erhält. Ich will hier keine Grundsatzrede halten, aber doch auf einige Entwicklungen der letzten Jahre eingehen, die nicht nur die Menschen in unserem Stadtbezirk, in unserer Heimatstadt Berlin, sondern in ganz Deutschland bewegen, und warum unter anderem ich als Ältester der Bezirksverordneten heute hier stehe und meine Fraktion gleich mir 12 Vertretern in die BVV von Treptow-Köpenick eingezogen ist . 

Zunächst möchte ich ein paar Worte über meinen Lebensweg im Ostteil des lange Jahre geteilten Berlins verlieren.

Ich bin seit über 50 Jahren verheiratet, habe  mit meiner Frau 3 Kinder großgezogen, und mit 6 Enkelkindern und 2 Urenkeln noch eine halbwegs  glückliche Familie und ein weites Betätigungsfeld. Nach dem Abitur 1958 habe ich 2 Jahre „freiwillig“ in der Nationalen Volksarmee gedient, um einen Studienplatz zu bekommen. Ich habe Chemie und später noch Elektrotechnik studiert und konnte mich dann im Kombinat NARVA Berliner Glühlampenwerk an der Warschauer Straße 24 Jahre in der Forschung und Entwicklung, zum Schluss als Leiter der Abteilung „Entwicklung Werkstoffe und Verfahren“, mehr oder weniger erfolgreich auf die fachliche Arbeit konzentrieren. Ganz bewusst habe ich eine kritische Distanz zum realen Sozialismus a la DDR gehalten. Ich bin weder in die SED noch in eine der Blockparteien eingetreten. Meine Frau und ich sind nicht aus der Kirche ausgetreten, die Kinder sind getauft und wurden konfirmiert, verbunden mit Nachteilen in ihrer Ausbildung und in meinem beruflichen Fortkommen. 

1989 ging dann alles sehr schnell. Die friedliche Revolution fegte praktisch über Nacht das Unrechtsregime der DDR hinweg. Groß war die Freude über die endlich errungene Freiheit und voller Optimismus habe ich mich  entschieden, eine Firma zum Lampenrecycling in Strausberg aufzubauen, nachdem klar war, dass NARVA Berlin keine Überlebenschance hatte. Etwa 5 Millionen DM haben wir in moderne umweltverträgliche Gebäude und Anlagen investiert und neue Arbeitsplätze in dem von hoher Arbeitslosigkeit geprägten  Kreis Strausberg (später Märkisch-Oderland)  geschaffen. Der damalige Umweltminister-Minister im Land Brandenburg Matthias Platzeck hat die Firma WEREC GmbH Berlin 1993 eingeweiht. 1993 erhielt ich den Berliner Umweltpreis, übereicht durch den Umweltsenator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Volker Hassemer, und 1994 den Umweltschutzpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, den ich aus den Händen des Präsidenten Tyll Necker (verstorben 2001) und dem Bundesumweltminister Klaus Töpfer erhielt. Dann habe ich die Arbeitsgemeinschaft „Lampen-Verwertung im Fachverband Elektrische Lampen“ im ZVEI e.V. mit gegründet und bis zu meinem Eintritt in den Ruhestand 2003 geleitet. In dieser Zeit ist in Deutschland das flächendeckende Sammel- und Recycling-System für die quecksilberhaltigen Entladungslampen aufgebaut worden. Ich lernte also noch die Welt aber auch die Höhen und Tiefen der kapitalistischen Produktionsweise (Marktwirtschaft) von der Pike auf kennen, war also nicht mehr nur gelernter Ossi, sondern kann mich seither auch erfolgreich auf der gesamtdeutschen Ebene bewegen. 

Als Rentner hatte ich nun Zeit mich mit den Dingen näher zu beschäftigen, die in mir zunehmend Zweifel an der Politik der Bundesregierungen und der Berlinern Senate hat aufkommen lassen. Beispielhaft will ich hier näher auf ein Themenfeld eingehen, das mich persönlich als Naturwissenschaftler, Ingenieur und Lichttechniker beschäftigt und zunehmend meinen Unmut ausgelöst hat. Es geht um die deutsche Energie- und Klimapolitik, die gerade in diesem Jahr sowohl im Bund als auch in Berlin in eine neue Phase eingetreten ist. Diese  wird die ganze Republik und auch Berlin bis hinein in unseren Bezirk Treptow-Köpenick in der kommenden Legislaturperiode  bis 2021 belasten und, wenn sie denn wie geplant umgesetzt wird, in dem Zeitraum bis 2050 völlig umgestalten. Gegen diese geplante Große Transformation der gesamten deutschen Wirtschaft und Gesellschaft werden die gegenwärtigen Probleme verblassen.   

·      Im Jahr 2000 wurde das s.g. Erneuerbare Energien-Gesetz  (EEG) verkündet, das in der Zwischenzeit eines der sichersten und kostengünstigsten Energieversorgungssysteme der Welt in große technische und wirtschaftliche Schwierigkeiten  geführt hat. Die EEG-Umlage steigt 2017 auf 6,880 ct/kWh mit Mehrwertsteuer sind das 8,187 ct/kWh. Das sind fast 1/3 des Strompreises. 2017 werden die Stromverbraucher 24 Mrd. € nur an EEG-Umlage an die Profiteure der Energiewende bezahlen müssen. Die größte Umverteilung von unten nach oben aller Zeiten in Deutschland, die gerade die Geringverdiener, die Sozialhilfeempfänger und Mindestrentner immer stärker belastet.

·      Während des letzten Berliner Wahlkampfs 2011 wurde von der Bundeskanzlerin die Energiewende ausgerufen, um einen grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg zu verhindern. Heute ist die CDU dort der Juniorpartner der Grünen. Die gegenüber der rot-grünen Vorgängerregierung weiter verkürzten Laufzeiten der Kernkraftwerke führten seitdem wieder zu einem Anstieg der CO2-Emissionen in Deutschland. Die Kohlekraftwerke müssen nun den fehlenden Strom ersetzen, da trotz des großen Zubaus von Windkraft- und  Photovoltaikanlagen die ständig schwankenden und nicht planbaren erneuerbaren Energien die Lücke nicht schließen können.

·      Kurz vor den Wahlen hat das Berliner Abgeordnetenhaus, weitgehend in der Öffentlichkeit verschwiegen, das Berlinern Energiewendegesetz (EWG Bln) verabschiedet, das gesetzlich das Erreichen der  Klimaneutralität für Berlin bis 2050 vorschreibt. Diese Klimaneutralität kann nur durch die so genannte Dekarbonisierung durchgesetzt werden. Die einzige „Opposition“ kam von den Grünen, die die Absenkung der CO2-Emissionen nicht nur auf größer 85% festschreiben wollten sondern auf mehr als 95%. Da ein Mensch im Jahr etwa 400 kg an CO2 ausatmet, jeder Person aber nur 1000 kg als so genannten CO2-Fussabdruck 2050 zugestanden wird, bleibt also kein Freiraum für jegliche Aktivitäten, die mit der Verbrennung fossiler Energieträger in Zusammenhang stehen.

·      Hecktisch wurden von der Bundesregierung die Weichen für das Klimaneutrale Deutschland 2050 ebenfalls gestellt.  Am 22. September 2016 beschloss der Bundestag die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens vom Dezember 2015 einstimmig, was stark an die Abstimmungen in der Volkskammer der DDR erinnert. Damit hat sich nun ganz Deutschland dazu verpflichtet 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Das soll mit Hilfe des Klimaschutzplans 2050 umgesetzt werden, der bereits als Entwurf des BMUB vorliegt  und  nach Abstimmung in den Ministerien als Verordnung der Bundesregierung in Kraft gesetzt werden soll. Dem Bundestag wurde der Entwurf „großzügig“ zur Kenntnis gegeben. Das Vorhaben der Dekarbonisierung ist auch unter dem Begriff „Große Transformation“ bekannt. Da gibt es das 446-seitige Hauptgutachten „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ des „Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung  Globale Umweltveränderungen“ (WBGU), in dem detailliert die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung beschrieben sind. Wichtig ist noch zu wissen, dass in dem Hauptgutachten behauptet wird, dass die materiellen Ressourcen der Erde nicht dafür ausreichen, die gesamte Erdbevölkerung auf das hohe Lebensniveau der westlichen Staaten anzuheben. Deswegen muss eine Umverteilung von den reichen zu den armen Völkern erfolgen, was natürlich eine Absenkung des Lebensstandards in den wohlhabenden Ländern erfordert. Da die Autoren wissen, dass die völlige Umgestaltung der Wirtschaft und Gesellschaft nicht mit einem vom Volk gewählten Parlament und schon gar nicht über eine Volksbefragung zu machen ist, wird immer wieder nebulös vom „Gestaltenden Staat“, von Pionieren des Wandels und den gesellschaftlichen Akteuren, die den Wandel wagen, gesprochen. Solche autokratischen und diktatorischen Strukturen kennen speziell wir als gelernte Ossis noch sehr gut. 

Es gibt eine Reihe weiterer Problemfelder in der Politik, die in den vergangenen Jahren die Bürger zunehmend beunruhigen, und von denen ich hier einige aufzähle:

·      Die Einführung des Euro als Bargeld 2002 über die Köpfe der Menschen hinweg

·      Die Bildung eines Euroraumes aus wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwachen Ländern ohne gemeinsame Finanzverwaltung. Der Euro wurde zum Spaltpilz in Europa

·      Das Brechen der Defizitquote von 3% bei den Staatsausgaben zuerst von Deutschland, dann in großem Maßstab von andern Ländern nachgemacht. Die No-Bailout-Klausel, die besagt, dass kein Staat die Schulden eines anderen Landes übernehmen darf, steht nur noch auf dem Papier. Die  Sparguthaben der Bürger, Pensions- und Rentenfonds werden entwertet.

·      Die Entwicklung der EU zu einem undemokratischen Konstrukt mit einem großen Wasserkopf. Die Mitgliedsstaaten werden oft mit sinnlosen bürokratischen Verordnungen überzogen.  Die zunehmenden Zerfallstendenzen der EU sind scheinbar nicht mehr aufzuhalten.

·      Die Gefährdung der inneren Sicherheit einschließlich die zunehmende Bedrohung durch islamistischen Terror

·      Die Vernachlässigung der traditionellen Familie

·      Schließlich die Migrantenkrise, das Ausrufen eines bedingungslosen Willkommens durch die Bundeskanzlerin ohne die Verteilung der Flüchtlinge mit den EU-Staaten zu vereinbaren und weitgehend ohne Grenzkontrollen. Die ganze Bürde muss nun von Deutschland über Jahre hinweg getragen werden. 

Das alles führte zunehmend zu Verdruss in der Bevölkerung. Insbesondere seitdem die große Koalition im Bund und auch in Berlin regiert gibt es praktisch keine Opposition in den Parlamenten. Die CDU hat mit ihrer Besetzung  links-grüner Politikfelder auf der rechten Seite eine große Lücke aufgemacht, und  damit einem großen  Teil der Gesellschaft keine Heimat mehr geboten. Der Politikverdrossenheit nahm  immer mehr zu. Die Wahlbeteiligung erreichte Tiefststände. Da war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Kräfte im Volk, die sich von keiner der etablierten Parteien mehr vertreten fühlten und praktisch keine Wahl mehr hatten, zusammengefunden haben und eine neue demokratische und auf dem Grundgesetz stehende Partei, die Alternative für Deutschland, gründeten. Das sind die Gründe, warum ich vor gut 3 Jahre im Alter von 73 Jahren das erste Mal in eine politische Partei eingetreten bin und heute hier 12 neue Bezirksverordnete eingezogen sind.  Überall da, wo Wahlen in Deutschland stattgefunden haben, hat uns ein zunehmend großer Anteil der Wähler das Vertrauen gegeben. Aus allen großen Parteien sind die Wähler zu uns gekommen, und wir sind stolz, das wir schon einen bedeutenden Teil der Nichtwähler wieder an die Wahlurnen zurückgeholt haben. Schon alleine unsere Existenz und unser Grundsatzprogramm, das für fast alle Politikfelder solide Lösungsvorschläge anbietet, wirken. Selbst die Bundeskanzlerin hat bis auf die Obergrenze die von uns geforderten Maßnahmen zur Lösung der Migrantenkrise angenommen. Wir sind nicht das Volk aber wir sind aus der Mitte des Volkes. Wir haben das Recht und die Pflicht, die Sorgen und Nöte unserer Wähler öffentlich zu machen im demokratischen Wettstreit auf eine Veränderung zu dringen. 

Ich denke, ich kann hier für die Bezirksverordneten der AfD in Treptow-Köpenick sprechen und ihnen versichern, dass wir angetreten sind, mit den Mitgliedern der anderen Fraktionen fair und sachlich an einer Lösung der vielen praktischen Aufgaben und Probleme in unserem Stadtbezirk mitzuarbeiten.  Wir wollen für die Bürger da sein.

Wir werden uns da, wo es notwendig ist, auch politisch um den richtigen Weg streiten, aber auch das wollen wir mit Anstand und Respekt vor dem politischen Kontrahenten tun.  Wir bitten auch um Verständnis, dass die meisten von uns noch in keiner Volksvertretung mitgearbeitet haben. Wir bemühen uns aber, schnell den Anschluss an die Routine der parlamentarischen Arbeit zu finden.  Wir wollen unseren Sachverstand und die Erfahrungen aus dem täglichen Leben einbringen. 

Ich wünsche uns allen einen erfolgreichen Start in die VIII. Wahlperiode und dass wir durch unsere Arbeit dazu beitragen, dass unsere Bürger gerne in Treptow-Köpenick leben, dass sie erfolgreich ihrer Arbeit nachgehen und die Freizeit genießen können, dass wir ein kinderfreundlicher Bezirk für die Familien und alle Alleinerziehenden  bleiben und dass unsere  ältere Generation in Zufriedenheit ihren Ruhestand gestalten kann. 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit 

Burkard Reimer

Alterspräsident 

Berlin, 27. Oktober 2016

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