Der Leser wird sofort mit dem Themenbereich ,Klimawandel‘ konfrontiert. Die Kontroverse um den Klimawandel ist lediglich ein Beispiel einer polarisierten öffentlichen Diskussion, die vom tatsächlichen Status der Wissenschaft entfernt und abgekoppelt ist: innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt es einen allgegenwärtigen Konsens, dass sich die Erde durch Emissionen von Treibhausgasen erwärmt (Anderegg, Prall, Harold, & Schneider, 2010; Cook et al., 2013; Doran & Zimmerman, 2009; Oreskes, 2004; Shwed & Bearman, 2010), aber außerhalb der Wissenschaft wird diese Tatsache fest verwurzelt geleugnet, zumindest in einigen Teilen der Gesellschaft (e.g., Dunlap, 2013; Lewandowsky, Gignac, & Oberauer, 2013). (Hervorhebung von mir [= dem Autor]).

Hoppla! Substantiell geht es bei ,Klimawandel‘ nicht einfach darum, ob sich der Planet durch Treibhausgasemissionen erwärmt hat. Wichtigere und damit zusammenhängende Fragen sind u. A. wie viel er sich erwärmt hat, was noch außer Treibhausgasen dabei mitgewirkt hat, oder ob die Erwärmung beispiellos ist oder nicht, spielt es überhaupt eine Rolle (ist Erwärmung nicht besser als Abkühlung?) neben vielen anderen. Genau genommen gibt es keine Notwendigkeit, einen Konsens mit dem Adjektiv allgegenwärtig [pervasive] zu schmücken. Falls es ein Konsens ist, ist er definitionsgemäß allgegenwärtig, was ,durchdrungen‘ [permeated] bedeutet oder ,diffundiert durch‘ usw.

Dann könnten sich interessierte Leser fragen, wo man das fest verwurzelte Leugnen der vermeintlichen Tatsache findet, dass sich die Erde durch Treibhausgasemissionen erwärmt. Die skeptische Gemeinschaft akzeptiert meiner Ansicht nach großenteils, dass Treibhausgase zur Erwärmung beigetragen haben, zu der es im vergangenen Jahrhundert oder so gekommen war (was nicht wirklich das Gleiche ist). Es gibt jedoch ein paar Abweichler [dragon-slayers], die anderer Ansicht sind (hier). Aber tief verwurzeltes Leugnen? Davon sehe ich nichts. Die Links helfen nicht, befasst sich doch die Studie von Dunlap 2013 mit 108 Klimawandel-Leugungs-Büchern [climate change denial books], wobei das größte Interesse den vermeintlichen Links zu Industriegruppen gilt. Der Lewandowsky-Link ist sogar noch weniger hilfreich, abgesehen davon, dass es sich um eine intellektuell scheußliche Studie (hier) handelt. Ich weiß nicht, was ich als Beispiel für tief verwurzeltes Leugnen zu finden erwarte im Gegensatz zu allgegenwärtigem Konsens, aber dafür gibt es hier keinen Beweis. Weiter heißt es:

In Medienberichten wird sogar gelegentlich proklamiert, dass die Erwärmung aufgehört hat (Ridley 2014) oder dass wir einer globalen Abkühlung entgegen gehen (z. B. Rose 2013). Diese Einwürfe haben keine wissenschaftliche Unterstützung…

Nun, das Op Ed von Matt Ridley im Wall Street Journal mag keine Spitzen-Wissenschaft sein, obwohl er sich auf die Wissenschaft beruft (hier), aber das UK Met. Office hat tatsächlich bestätigt, dass es bzgl. der Erwärmung einen Stillstand gibt (hier) und dass sich dieser noch bis 2017 fortsetzen werde. Die Wissenschaftler, die die Möglichkeit einer Abkühlung ins Spiel bringen, sind zumeist Solarphysiker, und ihre Ansichten mögen falsch sein. Aber die ,Abkühlungs‘-Sicht HAT einige wissenschaftliche Unterstützung (siehe z. B. hier).

Diese einführenden Bemerkungen sind ein wenig misstönend im Zusammenhang mit der reinen Plattitüde, die noch kommen wird. Öffentliche Debatte und Skeptizismus sind in einer funktionierenden Demokratie essentiell. Tatsächlich hat sich der Skeptizismus als fähig erwiesen, den Menschen die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge leichter zu machen. Wie könnte man anderer Ansicht sein? Wie also können wir feststellen, ob das, was man uns sagt, wissenschaftliches Faktum oder Leugnen ist? Aber – es gibt drei Faktoren, die immer gegenwärtig sind, wenn Leugner involviert sind. Erstens bauschen sie alles auf. Zweitens, Leugnen enthält immer Bemerkungen hinsichtlich einer Verschwörung. (Ich glaube, dass der o. g. Dunlap 2013 ein perfektes Beispiel für die Art und Weise ist, wie Verschwörung ins Spiel gebracht werden kann, aber ich glaube nicht, dass die Autoren ihn im Sinn hatten). Drittens, Leugner fahren persönliche und professionelle Angriffe auf Wissenschaftler sowohl öffentlich als auch hinter den Kulissen und stoßen reichlich Klagen aus gegen die Institutionen, an denen die Wissenschaftler arbeiten mit Vorwürfen bzgl. des Forschungsgebahrens. Zwei der Autoren dieses Beitrags geben an, Derartiges schon erlebt zu haben.

Die Autoren behaupten aufgrund von etwas, das sie jüngste Beweise nennen, dass bis zu 1 Milliarde US-Dollar in Stiftungen und Denkfabriken in den USA fließen, jedes Jahr, deren Zweck es ist, politische Lobbyarbeit zu leisten für alle möglichen Themen. Eine der prinzipiellen Objektiven dieses Netzwerkes ist es, eine Klima-„Gegenbewegung“ zu unterstützen, die danach trachtet, das öffentliche Gerede um Klimawandel umzuleiten von einem überwältigenden wissenschaftlichen Konsens hin zu Zweifel, Diskussion und Unsicherheit (Brulle, 2014; Plehwe, 2014). Zur Verdeutlichung: über 90% aller jüngst erschienenen Bücher, die Umweltprobleme nicht ernst nehmen, wurden mit konservativen Denkfabriken in Verbindung gebracht (Jacques, Dunlap, & Freeman, 2008),, und solche Bücher werden niemals einer Begutachtung unterzogen (Dunlap & Jacques, 2013).Das sieht mir schon nach Verschwörung aus, zumindest auf den ersten Blick, aber auch hier glaube ich nicht, dass die Autoren dies im Sinn hatten.

Jetzt kommen weitere Plattitüden: In einer Demokratie sind Aufforderungen zu einer echten Debatte willkommen und müssen ernst genommen werden. Angesichts des Umstandes, dass wissenschaftliche Dinge weit reichende politische, technologische oder umweltliche Konsequenzen haben können, kann eine stärkere Teilhabe der Öffentlichkeit nur willkommen sein und zu einer besseren Politik führen. Wer würde dem nicht zustimmen? Man gibt uns hier ein kleines Beispiel, wie dies in der Praxis ausgesehen hat (es geht nicht um Klimawandel): Trotz des Anspruchs der Öffentlichkeit, in Dinge involviert zu sein, die wissenschaftliche Bildung voraussetzen, müssen wissenschaftliche Debatten immer noch geführt werden, wenn man den Regeln der Wissenschaft folgt. Argumente müssen auf Beweisen beruhen und Gegenstand von Begutachtungen sein, bevor sie einstweilig akzeptiert werden. Halt! Falls Argumente auf Beweisen beruhen müssen und diese Beweise die Argumente nicht stützen – was dann? Müssen wir wirklich auf gute Politik warten, bis der Begutachtungsprozess (etwas, dass fast ausschließlich akademische Arbeiten betrifft) sich mit der Angelegenheit beschäftigt hat? In der Arena der Klimawissenschaft haben es selbst sehr angesehene skeptische Wissenschaftler sehr schwer gehabt, dass kritische Studien zur Veröffentlichung akzeptiert worden waren.

Was das Thema Nichtübereinstimmung betrifft: die beiden erstgenannten Autoren räumen die Unsicherheit von Klimaprojektionen ein, machen aber geltend, dass im Gegensatz zur populären Intuition jedwede Unsicherheit sogar noch größeren Auftrieb für Klima-Entschärfung [climate mitigation] bietet. Diese Argumentationskette ist mir schon früher begegnet, und ich muss hier der ,populären Intuition‘ folgen. Falls es Unsicherheiten gibt darüber, ob etwas getan werden muss, weil die Beweise schwach oder zweifelhaft sind, würde es wirklich seltsam daherkommen zu sagen ,Ha! Das ist sogar noch mehr Grund, meinem gewählten Pfad zu folgen!‘ Ich bin offen dafür, überzeugt zu werden, aber nicht für diese Art der Beteuerung.

Was meiner Ansicht nach in dieser seltsamen, wirren und von Beweisen freien Studie vor sich geht, ist eine Art expliziter Argumentation, dass Begutachtung der einzige Weg ist, und sei es nur, weil die Blogosphäre (welche die Autoren verunglimpfen) kaum etwas zur Stützung des vermeintlichen Konsens‘ bietet. Inzwischen haben die Autoren den Titel der Studie vergessen, und wir bekommen dies: Menschen, die wissenschaftliche Fakten leugnen, die sie unakzeptabel finden, sind im Gegenteil in keiner Weise Skeptiker. Im Gegenteil, sie scheuen demonstrativ zurück vor einer wissenschaftlichen Debatte, indem sie es umgehen, ihre Gedanken einer Begutachtung zu unterziehen. Man muss noch einmal sagen, dass Begutachtung etwas für Akademiker und nicht der goldene Standard der Wissenschaft ist. Schlechte Daten, schlechte Argumentation und Eigeninteresse werden normalerweise rasch erkannt, und jedweder Vorschlag, der daraus resultiert, wird gewöhnlich verworfen oder zumindest beiseite gelegt. Was ,Klimawandel‘ davon unterscheidet ist, dass politische Maßnahmen wie die Kohlenstoffsteuer eingeführt wurden, bevor die Wissenschaft ordnungsgemäß durchgeführt worden ist (was immer noch nicht der Fall ist), und dass aus politischen Gründen diese Maßnahmen bestehen bleiben, trotz des Fehlens bekräftigender wissenschaftlicher Beweise.

Oha, schon wieder eine engstirnige, zwielichtige begutachtete Studie. Wer hat diese durchgewunken? Oh, ich habe vergessen, die Leitlinien zu erwähnen. Die erste davon mit dem Titel [übersetzt] ,vorgeschlagene Leitlinien für kritisches wissenschaftliches Engagement durch Mitglieder der Öffentlichkeit‘ beginnt mit dieser kleinen Präambel: Falls man etwas zu einer wissenschaftlichen Konversation beitragen will, muss man bestimmten Regeln folgen. Eine dieser Regeln lautet, dass wissenschaftliche Argumente in der begutachteten wissenschaftlichen Literatur behandelt worden waren. Falls man hierzu unwillig ist, haben diese Leitlinien kaum einen Wert. Tatsächlich! Viel Glück, du Möchtegern-Beitragender!

Der zweite Satz ist für Wissenschaftler gedacht, die von einem Mitglied der Öffentlichkeit angegangen werden, das nach kritischem Dialog trachtet. Die Leitlinien sagen, dass man sorgfältig vorgehen soll – es könnte jemand kommen der nicht gutgläubig ist und der Fehler in der Arbeit der Wissenschaftler finden will. Man helfe ihnen nicht!

Und wenn man beiden Leitlinien genügt hat, weiß man immer noch nicht, was die Autoren meinen mit ,echtem Skeptiker‘, oder wie er oder sie von einem ,Leugner‘ unterschieden werden kann. Und doch ist das eingebettet in den Titel des Beitrags.

Und schließlich die Autoren. Die ersten beiden Namen werden Lesern dieser Website bekannt vorkommen, ebenso wie jedem, der am Thema ,Klimawandel‘ interessiert ist: Stefan Lewandowsky, Michael E. Mann, Nicholas J. L. Brown und Harris Friedman. Über den dritten und vierten Autor erfährt man etwas aus der Lektüre des Artikels. Sie scheinen irgendwie vernünftiger als die ersten beiden. Oh, es gibt 96 Referenzen, von denen 22 von den Autoren selbst stammen, 16 von Lewandowsky allein. Ich kann mich irren, aber ich konnte nur drei Referenzen finden, die kritisch gegenüber dem Standpunkt der Autoren eingestellt waren. Nicht wirklich eine begutachtete Studie, wenn man all die Ansprüche betrachtet.

Und ich frage mich selbst wieder einmal: diese schlimme, kaum durch Argumente belegte und eigensüchtige Studie hat den Begutachtungsprozess erfolgreich durchlaufen? Wohin sind wir in der Welt der Journale schon gekommen?

Link: http://donaitkin.com/the-distinction-between-true-scepticism-and-denial/

Übersetzt von Chris Frey EIKE

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