Mit der Unterzeichnung des „Klimaschutzabkommens“ von Paris (COP 21) hat sich die Bundesregierung ehrgeizige Zeile gesetzt, was die Reduzierung von CO2-Emissionen und die damit verbundene „Dekarbonisierung“ der Volkswirtschaft angeht. Wie schwer dies fallen dürfte, kann man daran ermessen, dass es trotz zahlreicher seit Jahren massiv betriebener politischer Maßnahmen – Stichwort Energiewende – nicht gelungen ist, die deutschen CO2-Emissionen von ca. 1051 Mio. t im Jahre 1990 weiter als bis auf ca. 800 Mio. t/ Jahr zu senken. Bild 1 zeigt, dass man hier offensichtlich an eine „harte“ Grenze gestoßen ist, die sich nicht so ohne weiteres überwinden lässt. Zumindest dann nicht, wenn man sich als Regierung dem Erhalt von Arbeitsplätzen und dem Wohlstand des Volkes verpflichtet sieht.

Bild 1. Trotz großer politischer und finanzieller Anstrengungen erwies es sich bisher als nicht möglich, die CO2-Emissionen dauerhaft unter die Marke von ca. 800 Mio. t/ Jahr zu senken. Gelb: Zielmarke 2020, Blau: Obergrenze für 2050, Schwarz: Untere Zielmarke für 2050 

Allerdings hat Deutschland eine Regierung, die diesbezüglich offensichtlich anders gestrickt ist. Mit Unterzeichnung des COP21-Abkommens hat man sich verpflichtet, die deutschen CO2-Emissionen bis 2050 auf maximal 210 Mio. t/ Jahr, möglichst sogar auf nur noch 53 Mio. t/ Jahr zu reduzieren. Jetzt gibt es in diesem Zusammenhang einen Entwurf zu einer Neuauflage der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, der im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden soll [SUDE]. Das wird nur mit brutalem Zwang gehen. Beispielsweise durch weitgehende Vernichtung der deutschen Industrie, allen voran der Autobranche, an der noch 2015 rund 800.000 Jobs hingen [AUBE]. Denn die aktuellen Planungen der Regierung beweisen, dass der Stab über das Auto bereits gebrochen ist und selbst eine Umstellung auf E-Mobile diese Branche nicht mehr retten dürfte.

Bild 2. Diese Festlegungen laufen darauf hinaus, dass im Verkehrssektor bis auf Flugzeuge und Schiffe keine Verbrennungsmotoren mehr zulässig sein werden

Kaum Interesse an Elektroautos

Dieser Kurs dürfte selbst angesichts der bereits jetzt erkennbaren Probleme unverändert beibehalten werden. Auch hierbei zeigt sich, dass unseren Regierenden Ideologie alles und praktische Daseinsvorsorge nichts bedeutet. Wenn man den Straßenverkehr in Deutschland komplett auf elektrisch betriebene Fahrzeuge umstellen will, dann sollte man als verantwortliche Regierung eigentlich auch dafür sorgen, dass hierdurch auch die Mobilitäts- und Transportbedürfnisse der Bevölkerung in gleichwertiger Weise abgedeckt werden können wie bisher. Dies ist beim derzeit verfügbaren Stand der Technik nicht der Fall.

Die Zahl der in Deutschland fahrenden reinen Elektrofahrzeuge ist mit rund 25.500 Zulassungen bis Ende 2015 [AUBI] im Vergleich zu den erklärten Zielen (1 Mio. bis 2020 und sechs Mio. bis 2030) geradezu lächerlich niedrig. Trotz intensiver Fördermaßnahmen ist die diesbezügliche Politik bisher kläglich gescheitert. Auch die ab Juli 2016 gewährte Prämie von bis zu 4000,- € beim Kauf eines E-Fahrzeugs wurde im ersten Monat lediglich  1.791 Mal abgerufen [PRAE]. Die Fahrzeuge werden in der Breite der Bevölkerung nicht angenommen, weil sie zu unpraktisch und zu teuer sind. Zu den größten Hindernissen zählen die geringen Reichweiten, die langen Ladezeiten, die geringe Batterielebensdauer und die hohen Wertverluste.


Bild 3. Auch massive Fördermaßnahmen konnten bisher dem E-Auto in Deutschland nicht zum Durchbruch verhelfen

Stromer-Pkw brauchen Strom

Es gibt allerdings noch einen weiteren wichtigen Nachteil, der wegen der geringen Zahl zugelassener Elektroautos im öffentliche Bewusstsein bisher keine Rolle gespielt hat: Den Strombedarf der E-Mobile. Immerhin beträgt der aktuelle Pkw-Bestand in Deutschland rund 45 Mio. Stück [STPK], und ihre durchschnittliche Jahresfahrleistung liegt nach Erkenntnissen des Kraftfahrtbundesamtes [JAFA] bei 14.260 km. Die Frage muss daher zunächst lauten, wieviel Strom für die vollständige Elektrifizierung benötigt wird.

Hierzu gibt es zahlreiche geschönte Angaben der Hersteller. Zum Glück gibt es realistische Zahlen von unabhängiger Seite. Im Rahmen einer sehr ausführlichen Studie des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der Technischen Universität Wien vom Oktober 2012 [OEST] wurde festgestellt, dass der durchschnittliche Energiebedarf eines typischen Elektro-Automobils mit üblichem Nutzerprofil (Stadt- und Landfahrten, 15.000 km/ Jahr) bei 25,5 kWh/ 100 km liegt. Hinzu kommen allerdings noch Lade-/ Entladeverluste von 24,7 % sowie Leitungsverluste zwischen Kraftwerk und Anschlusspunkt von knapp 6 % [VERL]. Wird dies korrekt berücksichtigt, so benötigt ein typisches E-Automobil eine Energiebereitstellung ab Kraftwerk von 36 kWh/ 100 km. Für die komplette Umstellung der deutschen Pkw-Flotte ergibt sich demnach bei Annahme ansonsten konstanter Verhältnisse ein Gesamtbedarf an elektrischer Energie ab Kraftwerk von 231 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. 

…und strombetriebene Lkw ebenso

Angesichts der klaren   Regierungsvorgaben bezüglich der Reduktion von verkehrsbedingten CO2-Emissionen wäre es unrealistisch zu erwarten, dass man bei Nutzfahrzeugen etwas anderes als 100 % Strombetrieb zulassen würde. Da es in diesem Bereich kaum repräsentative Untersuchungen zum Bedarf an elektrischer Energie gibt, ist es für eine entsprechende Abschätzung am einfachsten, wenn man dabei den Umweg über die Flottenverbräuche wählt. So beziffert eine Studie der Deutschen Energieagentur für das Jahr 2010 den Energiebedarf der deutschen Pkw-Flotte mit 1.441 PJoule (PetaJoule), während Nutzfahrzeuge und Busse zusammen auf 669 PJoule kamen [DENA]. Das Verhältnis lag demnach bei 0,46/1. Bei Umstellung aller Lkw und Busse auf E-Antrieb würden diese demnach im Jahr rund 106 TWh an elektrischer Energie benötigen. Zusammen mit dem Pkw-Bereich wären für eine vollständige Elektrifizierung dieser Sektoren demnach 337 TWh/ Jahr bereitzustellen.

Selbstverständlich gelten diese Annahmen nur unter der Voraussetzung mehr oder weniger konstanter Verhältnisse. Bei Projektionen über derart lange Zeiträume sind erhebliche Veränderungen zu erwarten. Aufgrund dieser Unsicherheiten müssen die oben errechneten Relationen zwischen Pkw und Nutzfahrzeugen als reine Anhaltswerte für grobe Abschätzungen genügen. (Mathematiker vertreten in solchen Situationen häufig die Ansicht, es sei besser, ungefähr richtig als genau falsch zu kalkulieren).

Gleichzeitig soll die Stromproduktion sinken

Natürlich ergibt sich aus diesen Überlegungen als nächstes die Frage, wo dieser zusätzliche Strombedarf herkommen soll. Im Prinzip müssten bereits jetzt Planungen anlaufen, um bis zum Jahre 2050 zusätzliche Kapazitäten für die geplante „Elektrifizierung“ des Straßenverkehrs zu schaffen. Bis dahin, so die normalerweise naheliegende Schlussfolgerung, müssten ja voraussichtlich zusätzlich zum aktuellen Stromverbrauch von ca. 510-524 TWh/ Jahr [AGEB] weitere 337 TWh/ Jahr für den Verkehrssektor erzeugt werden.

Wer jedoch so denkt, gehört anscheinend zur megaveralteten Denkkategorie der „schwäbischen Hausfrau“. Stattdessen will die Bundesregierung übergeordneten Aspekten der Klima- und Planetenrettung Priorität einräumen und legt sich unter dem Motto „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie“ [SUVA] auf eine massive Verringerung fest, Bild 4. Da der Verbrauch 2008 bei 524 TWh lag, dürften nach diesen Planungen im Jahre 2050 nur noch 393 TWh erzeugt werden.


Bild 4. Die Regierung hat sich darauf festgelegt, bis 2050 den Gesamt-Stromverbrauch von 524 TWh/ Jahr auf 393 TWh/ Jahr zu senken. Das reicht nicht einmal ansatzweise für die angeblich angestrebte Elektrifizierung des Verkehrssektors, für die allein 337 TWh/ Jahr benötigt würde

Die wundersame Stromvermehrung

Damit geht die deutsche Regierung bezüglich des künftigen Stromverbrauchs nochmals deutlich über die Reduktionsziele einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahre 2010 mit dem Titel „Energieziel 2050: 100% Strom aus erneuerbaren Quellen“ [UMBA] hinaus. Dort war für 2050 noch von insgesamt 468,4 TWh Stromverbrauch ausgegangen worden, davon 396,7 TWh für Haushalte, Gewerbe, Dienstleistungen und Industrie sowie immerhin 71,7 TWh für den Verkehrsbereich. Selbst diese zusätzlichen 71,7 TWh für den elektrifizierten Straßenverkehr hat die Bundesregierung im jetzt vorliegenden Entwurf [SUDE], der noch im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden soll, gestrichen. Ausweislich dieses offiziellen Dokuments scheint man davon auszugehen, dass für den 2050 nahezu vollständig auf E-Mobilität umzustellenden Verkehrssektor gar keine Stromerzeugung erforderlich sein wird. Es ist demnach völlig egal, ob es der Industrie in den nächsten Jahren gelingen wird, Wunderakkus zu entwickeln, welche eine Speicherdichte wie Benzin bieten, ewig halten und selbst an den Polen ohne Beheizung eingesetzt werden können: Wo kein Strom ist, kann auch nichts geladen werden. Helfen könnte dann nur noch ein Wunder, das selbst die aus der Bibel überlieferte wundersame Brotvermehrung Jesu weit in den Schatten stellen würde. Doch auch solche Herausforderungen werden wir dank unserer höheren Pfarrerstochter mit bestem Draht „nach oben“ sicherlich problemlos schaffen.

Fred F. Mueller

Das Narrenschiff 4.0

Das Barometer fällt, es dreht auf Sturm

Nur Schwachsinn kommt vom Kommandoturm

Es knirscht gewaltig in den Turbinen

Bekifftes Lachen tönt aus den Kabinen,

Die Spannung schwankt wild wie stürmische See

Doch im Fernseh’n kommt nur: Humbatätärä

Die Infrastruktur krankt, Szenarien sind frisiert

Die Netze am Limit und Reserven blockiert

Die Trafos ächzen, die Leitungen summen

Von Windparks ertönt laut warnendes Brummen,

Das Staatsschiff krängt, es stampft wie wild

Doch auf der Brücke setzt sich niemand ins Bild

Die Medien lügen, der Käpt’n ist selfie-trunken

Die Industrie in tiefe Lethargie versunken

Im Wissenschaftsrat lauter meineid’ge Halunken

Die Bürokraten zu feig um SOS zu funken

So führt „Burning Barbara“ das Narrenschiff

Mit Volldampf voraus und exakt Richtung Riff!

Sehr frei nach einem bekannten deutschen Liedtext

Quellen

[AGEB] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland 1990–2014 Stand August 2015. http://www.ag-energiebilanzen.de/

[AUBE] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/30703/umfrage/beschaeftigtenzahl-in-der-automobilindustrie/

[AUBI] http://www.autobild.de/artikel/kaufpraemie-fuer-elektroautos-update-8535657.html

[DENA] Verkehr. Energie. Klima. Alles Wichtige auf einen Blick. Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena). ISBN: 978-3-9813760-7-4

[EINH] http://www.ag-energiebilanzen.de/33-0-Energieeinheitenumrechner.html

[JAFA] http://www.auto-motor-und-sport.de/news/pkw-fahrleistung-in-deutschland-2013-9730895.html

[OEST] Geringer, B.; Tober, W. K.: Batterieelektrische Fahrzeuge in der Praxis. Kosten, Reichweite, Umwelt, Komfort (2. erweiterte und korrigierte Auflage). Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik, Technische Universität Wien, Oktober 2012.

[PRAE] http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/kaufpraemie-fuer-elektroautos-floppt-a-1106201.html

[STPK] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/12131/umfrage/pkw-bestand-in-deutschland/

[SUDE] Bericht der Bundesregierung zum High-Level Political Forum on Sustainable Development 2016. 12 Juli 2016.

[UMBA] Energieziel 2050: 100% Strom aus erneuerbaren Quellen. Umweltbundesamt. 2010. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energieziel-2050

[VERL] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbertragungsverlust

[WIVE] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbertragungsverlust

[ZEV] http://www.zevalliance.org/

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken