Bild rechts: Alles rot und braun: Ausnahmsweise waren die Modellprognosen für den Februar 2016 (viel zu mild) größtenteils richtig. Bildquelle: Amerikanischer Wetterdienst (NOAA).

Vor der Prognoseprüfung muss noch ein weit verbreiteter Irrtum geklärt werden. Viele Prognosen scheiterten an der falschen Annahme, massive El- Nino- Ereignisse wie das von 2015/16 hätten überwiegend strenge Winter in Mitteleuropa zur Folge. Die nächste Abbildung zeigt anhand des sogenannten MEI (Multivariate ENSO Index) alle El Nino- (Rot, positive Werte) und alle La- Nina- Ereignisse (blau, negative Werte) von 1871 bis 2005. Diesen wurden alle in Deutschland markant zu kalten Winter (solche ab minus 2°C abwärts im Deutschland- Mittel, hellblau) und die mildesten Winter ab mindestens +3°C (orange) seit 1871 zugeordnet (Quelle: http://www.esrl.noaa.gov/psd/enso/mei.ext/index.html ):

Von den 16 sehr kalten Wintern seit 1870/71 (hellblaue Pfeile) fallen 9 in eine La- Nina- Phase, nur 7 in eine El- Nino- Phase. Der absolut kälteste Winter seit 1870/71 (1962/63) und der bislang letzte sehr kalte Winter 1995/96 fielen in schwächere La- Nina- Phasen. Bei dieser Häufigkeitsverteilung ist keine seriöse Aussage möglich! Den bislang kräftigsten El- Nino- Ereignissen von 1982/83 und 1997/98 folgten sehr milde Winter, der von 1997/98 war mit +3,0°C sogar sehr mild und erscheint deshalb in der Abbildung mit orangem Pfeil. Auch der bislang mildeste Winter, 2006/07, fällt in eine (nur schwache) El- Nino- Phase (die MEI- Werte ab 2006 fehlen in dieser Abbildung, sind aber bekannt). Strengwinter nur wegen starkem El Nino- mitnichten!

Und nun zur Bewertung der Prognosen.

HASLINGER SEPP: (Quelle unter anderem http://www.merkur.de/lokales/bad-toelz/wetter-winter-2015-schnee-sepp-haslinger-liest-koenigskerze-5372618.html Die ursprüngliche Prognose stammte vom August. Sie versprach einen knackig kalten Hochwinter und wurde später anhand der Realität mehrfach „angepasst“. Bewertung: Der vorhergesagte „Strengwinter“ blieb aus. Eine glatte Fehlprognose- Note 6. Dass der Blütenstand der Königskerze Rückschlüsse auf die Winterwitterung zulässt, gehört ins Reich der Phantasie.

UKMO (Großbritannien): Stand 09.11.2015. Winter (D, J, F) mit mehr als 60ig prozentiger Wahrscheinlichkeit zu mild (folgende Karte):

Bewertung: Insgesamt zutreffend, aber sehr allgemein gehalten, Note 4.

METEO SCHWEIZ, Stand Nov. 2015: Leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit besonders für einen normalen Winter. Zu milder Winter etwas wahrscheinlicher als der Zufall (33,3%); zu kalter weniger als 20% wahrscheinlich. Die „doppelten T“ sind die Fehlerbalken:

Bewertung: Nur bedingt zutreffend und dazu sehr allgemein gehalten, die am höchsten bewertete Wahrscheinlichkeit für einen normalen Winter traf nicht zu, Note 5.

LARS THIEME (langfristwetter.com), Vorhersage von Anfang November 2015: Dezember zu kalt, Januar zu mild, Februar deutlich zu kalt. Winter insgesamt normal bis etwas zu kalt. Vorhersage vom 01.12.: Dezember normal, Januar zu mild, Februar deutlich zu kalt. Winter insgesamt normal. Bewertung: Nur der insgesamt milde Januar wurde getroffen, alles andere waren krasse Fehlprognosen, Note 5.

Kaltwetter.com, Stand 18. Oktober 2016: Kaltwinter mit Schwerpunkt im Jan./Feb. 2016. Bewertung: Der Name „Kaltwetter“, einer sehr alarmistisch getönte Seite, stand diesmal nicht für Qualität. Glatte Fehlprognose, Note 6.

IRI (folgende Abbildung), Vorhersage vom Nov. 2015: Mit leicht erhöhter Wahrscheinlichkeit zu mild.

Bewertung: Insgesamt grob zutreffend, aber sehr allgemein gehalten, Note 4.

DWD (Offenbach): Mit erhöhter Wahrscheinlichkeit (etwa 55%) zu mild (Stand Nov. 2015):

Bewertung: Insgesamt zutreffend, aber sehr allgemein gehalten, Note 4.

NASA (US- Weltraumbehörde), Karten vom November 2015: Dezember (linke Karte) und Januar etwas zu mild, Feb. (hier nicht gezeigt) etwas zu kalt. Bei diesen Karten liegt Mitteleuropa am jeweils linken Kartenrand, weit oben.

Bewertung: Dezember stark unterschätzt, Januar annähernd getroffen, Februar verfehlt. Note 5.

CFSv2- Modell des NOAA (Wetterdienst der USA, folgende 2 Abbildungen, Eingabezeitraum 12. bis 22.11.2015): Dezember (links) etwas und Januar (rechts) deutlich zu mild; Februar (hier nicht gezeigt) zu mild. Die vorhergesagten Temperaturabweichungen beziehen sich auf die Mittelwerte der Periode 1981 bis 2010. Die fast täglich aktualisierten, aber leider oft falschen Prognosen unter http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/people/wwang/cfsv2fcst/ (Europe T2m, ganz unten in der Menütabelle; E3 ist der aktuellste Eingabezeitraum).

Bewertung: Dezember unter- und Januar überschätzt, aber keine krassen Fehlprognosen. Februar fast zutreffend, Note 4.

STEFAN KÄMPFE (23./24.11.2015): „Ein durchgehend strenger Winter bleibt aus. Es deutet sich ein eher milder, wechselhafter Winter an, dessen Temperaturmittel besonders in Norddeutschland mehr oder weniger deutlich über dem Langjährigen Mittel von 1981 bis 2010 liegt. Längere Phasen mit Frost und Schnee oder gar ein einzelner, sehr kalter Wintermonat sind trotz der milden Grundtendenz nicht völlig ausgeschlossen. Der Dezember verläuft insgesamt etwas zu mild; in den Mittelgebirgen bestehen aber zumindest zeitweise Wintersportmöglichkeiten; auch im Tiefland sind vereinzelte winterliche Episoden (mäßig kalt) möglich; sehr strenge Kälte fehlt wahrscheinlich. Geschätzte Dezember- Monatsmitteltemperatur für Erfurt- Bindersleben (Mittel 1981- 2010 +0,5°C) +0,5 bis +3,0°C (normal bis deutlich zu mild). Für Jan/Feb. 2016 lässt sich noch kein Temperaturbereich schätzen!“ Nachtrag zum Januar (Ende Dezember 2015): „Vermutlich verläuft der Januar in Mitteleuropa insgesamt eher normal bis mild (ohne neue Wärmerekorde).“ Nachtrag zum Februar (Ende Januar 2016): „Insgesamt dürfte sich der Februar 2016 durch eher veränderliches, mitunter windiges Westwetter auszeichnen.“ Bewertung: Winter insgesamt und Januar/Februar grob richtig getroffen, aber Dezember stark unterschätzt und Aussagen sehr allgemein gehalten, Note 4.

Die Bilanz fällt also ernüchternd aus, aber etwas besser als 2015. Von den 10 untersuchten Prognosen waren 2 völlig mangelhaft, 3 ungenügend, und immerhin 5 konnten als befriedigend eingestuft werden. Angesichts dieses bescheidenen Ergebnisses schon für nur wenige Monate im Voraus stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der langfristigen Klimaprognosen. Abschließend wollen wir anhand des NASA- Modells CFSv2 dessen „Lernprozess“ anhand der Realität verdeutlichen:

Links die ältere Version mit den Eingabebedingungen vom 11. bis zum 20. Dezember 2015; mit Ausnahme von Island wurde ein sehr milder Januar für ganz Europa berechnet. Rechts mit den Eingabebedingungen vom 31.12.2015 bis zum 09. Januar 2016 zeigt sich eine ganz andere, der Realität schon eher entsprechende Temperaturverteilung, doch da war der Januar längst angebrochen… .

Fazit: Prognosen sind schwer- besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.

Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

Josef Kowatsch, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

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