Längerfristige Projektionen sind notorisch ungenau, und Ölpreise sind fast unmöglich auch nur für ein paar Jahre im Voraus vorherzusagen, geschweige denn auf ein paar Jahrzehnte in die Zukunft. Preismodulationen involvieren eine ganze Palette von Variablen, und geringe Veränderungen bei einigen Hypothesen – wie etwa das globale BIP oder das Tempo des Bevölkerungswachstums – können zu dramatisch anderen Ergebnissen führen. Daher sollten diese Schätzungen lediglich als ein Bezugspunkt betrachtet werden und nicht als einen ernsthaften Versuch, die Rohölpreise 25 Jahre im Voraus vorherzusagen. Nichtsdestotrotz zeigt die Schätzung der OPEC, dass man glaubt, noch ziemlich lange über eine ausreichende Menge Öl zu verfügen – genug, um Preisausschläge wie während der letzten Jahre zu verhindern.
Teilweise hat das mit etwas zu tun, das die OPEC als eine graduelle Verschiebung hin zu Effizienz und Alternativen zu Öl ansieht. Der Report enthält Schätzungen zur Steigerung der Nachfrage während fünf Jahren insgesamt, wobei die Nachfrage graduell sinkt. Beispiel: Die Welt wird zusätzliche 6,1 Millionen Barrel (MB) Öl pro Tag verbrauchen zwischen heute und dem Jahr 2020. Danach verlangsamt sich die Nachfrage jedoch: 3,5 MB zwischen 2020 und 2025, 3,3 MB zwischen 2025 und 2030, 3 MB von 2030 bis 2035 und schließlich 2,5 MB zwischen 2035 und 2040, jeweils pro Tag. Die Gründe hierfür sind vielfältig: langsameres wirtschaftliches Wachstum, abnehmende Bevölkerungsraten, und – ein entscheidender Punkt – Bemühungen bzgl. Effizienz und Klimawandel, die alle den Verbrauch verringern. Tatsächlich hat die OPEC seine Projektion zur Nachfrage nach Öl im Vergleich zum vorigen Bericht WOO 2014 um 1,3 MB pro Tag erniedrigt, weil sie deutlich mehr ernsthafte politische Maßnahmen zur Klima-Abschwächung [climate mitigation] sieht als im vorigen Jahr.
Natürlich könnte man nun argumentieren, dass selbst diese Schätzung – dass nämlich die Welt im Jahre 2040 110 MB pro Tag verbrauchen wird – noch viel zu optimistisch ist. Aus einer ganzen Reihe von Öl exportierenden Ländern kann man das erwarten. Energie-Übergänge sind schwer im Voraus abzuschätzen, aber wenn es dazu kommt, tendieren sie dazu, rapide Änderungen hervorzurufen. Jede Maßnahme [any shot] zur Erreichung der offiziell festgesetzten Klimaziele wird wesentlich ambitioniertere Bemühungen erfordern. Während Regierungen seit Jahren hin und her schwanken, scheinen deren Bemühungen aber jetzt ernsthafter zu werden. Mehr auf den Punkt gebracht: Die Kosten für Elektroautos werden mit der Zeit nur in wirklichen Dollartermen sinken, und die Anpassung sollte weiterhin in nicht-linearer Manier erfolgen. Dies stellt eine bedeutende Bedrohung langfristiger Ölverkäufe dar.
Gleichzeitig hat die OPEC aber auch in dem Report zur Vorsicht gemahnt. Während die Ölmärkte in naher und mittlerer Zukunft noch mit einer Überversorgung konfrontiert sind, werden massive Investitionen in Erkundung und Erzeugung immer noch gebraucht, um die Nachfrage langfristig decken zu können. Die OPEC glaubt, dass dazu 10 Billionen Dollar während der nächsten 25 Jahre ausgegeben werden müssen, um angemessene Ölpreise sicherzustellen. „Werden die richtigen Signale hier nicht jetzt gesetzt, besteht die Möglichkeit, dass der Markt herausfinden könnte, dass es nicht genug neue Kapazität und Infrastruktur gibt, um zukünftig steigende Nachfragen zu decken. Dies hätte offensichtlich eine ruckartige Auswirkung auf die Ölpreise“, heißt es bei der OPEC. Etwa 250 Milliarden Dollar pro Jahr müsste aus Nicht-OPEC-Staaten kommen.
In einer ähnlichen, aber noch beunruhigenderen Schlussfolgerung kam die in Oslo ansässige Rystad Energy jüngst zu dem Ergebnis, dass der gegenwärtige Zustand der Überversorgung „sich schon während der nächsten paar Jahre in sein Gegenteil umkehren könnte“. Wegen der drastischen Kürzungen bei den Investitionen heute wird es innerhalb weniger Jahre zu einer Verknappung kommen. Um die Dinge ins richtige Verhältnis zu setzen, sagt Rystad, dass die Ölindustrie „34 Milliarden Barrel Rohöl in jedem Jahr fördern muss – ähnlich des gegenwärtigen Verbrauchs“. Aber als eine Folge des Preiskollapses hat die Industrie ihre Investitionen in allen Bereichen zurückgefahren, und „im Jahre 2015 wurden nur Investitions-Beschlüsse für lediglich 8 Milliarden Barrel Öl getroffen. Diese Menge ist weniger als 25% dessen, was der Markt langfristig erfordert“. Im Jahre 2015 wurden die Investitionen um 250 Milliarden Dollar zurückgefahren, weitere 70 Milliarden Dollar könnten es in diesem Jahr 2016 sein. Letzteres hat noch nicht den jüngsten Beschluss der OPEC berücksichtigt, wonach die OPEC ihr Produktionsziel aufgeben will, was die Ölpreise auf eine weitere Talfahrt schickt.
Was bedeutet das alles nun für uns? Es könnte massenhaft Ölvorräte in Zukunft geben, aber wie es jetzt aussieht, tätigt die Industrie massiv viel zu wenig Investitionen. Dies illustriert eine besorgliche Spannung innerhalb der Ölindustrie. Ölpreise werden durch marginale Kosten der Erzeugung gesetzt, und Fortschritte bzgl. Effizienz in letzter Zeit haben trotz der marginalen Kosten allgemein zugenommen. Erzeugung zu niedrigen Kosten läuft aus, und die Industrie wird abhängiger von Öl aus der Tiefsee, aus Schiefer oder aus der Arktis, welche allesamt höhere Investitionen erfordern. In vielen Fällen ist diese Art von Projekten bei den jetzigen Preisen nicht profitabel. Die Preisspitzen im Zeitraum 2011 bis 2014 legten den Grundstein für die gegenwärtige Krise, aber der Rückzug heute könnte Bedingungen für eine weitere Preisspitze in der Zukunft schaffen. Die OPEC könnte ein wenig zu optimistisch sein hinsichtlich seiner Forderung nach 95 Dollar für Öl im Jahre 2040.
Gleichzeitig enthalten zukünftige Preisspitzen die Möglichkeit wesentlich stärkerer Einbrüche bzgl. der Nachfrage, besonders falls Alternativen machbarer werden. Dies ist die schwierige Balance, mit der sich die Industrie während der nächsten paar Jahrzehnte befassen muss.
Article Source: OilPrice.org
Oilprice.com by Nick Cunningham
Link: http://canadafreepress.com/article/77796
Übersetzt von Chris Frey EIKE

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