Während bisher vor allem das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) dafür sorgte, dass die Strompreise und Energie-Einsparverordnung (EnEV) dafür sorgten, dass die Mieten in den Himmels schossen, geht es jetzt mit den neuesten Gesetzentwürfen und Vorschlägen des Wirtschafts (1)- und Umwelt-Ministeriums (2) vielen weiteren Jobs an den Kragen. 

"Saurierindustrien" hat sie der ehemalige Bundesumweltminister bei der Einführung des „Energiekonzeptes“ genannt, auf die man keine Rücksicht nehmen müsse. Das wird nun Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt.

Auf ACHGUT finden wir eine Bewertung der Konsequenzen dieses Vorhabens für die rheinische Braunkohleverstromung, die Märkische Allgemeine berichtet über den Protestmarsch von 4000 des Lausitzer Kohlereviers. Erst jetzt merken die Gewerkschaftler der Energiewende-treuen  Bergbau Gewerkschaft (IGBCE) und einige Landespolitiker, dass ihre Klientel davon betroffen ist und machen gegen diesen Kahlschlag des wichtigsten Brandenburger/Sächsischen  Industriezweiges auf ihre Weise mobil. Der Beitrag von Tim Tressel analysiert die Folgen für NRW  

Gabriels Klimabeitrag macht NRW den Garaus. Ist das noch Sozialdemokratie?

Von Tim Tressel

Der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers könnte 100.000 Arbeitsplätze im rheinischen Braunkohlerevier bedrohen. Die Stromkonzerne sollen zusätzlich zum Emissionshandel mit einem nationalen Klimabeitrag in dreistelliger Millionenhöhe belastet werden, was den Industriestandort NRW und die Existenzgrundlage vieler Bürger in beispiellosem Ausmaß gefährdet.

Die Energiewende

Deutschland hat bekanntermaßen ambitionierte Klimaziele. Der Kohlendioxidausstoß in der Bundesrepublik soll bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Die Tatsache, dass Deutschland im Zuge einer Panikreaktion nach Fukushima, beschlossen hat, vollständig aus der Kernkraft auszusteigen, hat das Erreichen dieser Ziele erheblich erschwert.

Der Strom, den die abgeschalteten Atomkraftwerke produziert haben, muss nun irgendwie ersetzt werden. Aber selbst die optimistischsten Vertreter der erneuerbaren Energien müssen zugeben, dass diese neuen Technologien noch nicht soweit sind, die abgeschalteten Kraftwerke jetzt oder in näherer Zukunft zu ersetzen. Das hat dazu geführt, dass wieder mehr fossile Energie produziert wurde, wie beispielsweise Braunkohlestrom, der oft von sehr alten Kraftwerken produziert wird und natürlich sehr viel CO2 ausstößt, was wiederum dem Klimaziel schadet. Objektiv gesehen hat das irrationale Abschalten der Atomkraftwerke zu mehr CO2-Ausstoß geführt.

Der Strompreis

Anscheinend findet der Bundeswirtschaftsminister, dass der durchschnittliche Verbraucher durch die Energiewende und vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz bei der Stromrechnung aktuell noch nicht genug zur Kasse gebeten wird, denn sonst würde er ja nicht so hart daran arbeiten, den Strompreis noch weiter in die Höhe zu treiben. Der SPD-Politiker spricht jedoch lediglich von einer Erhöhung um 0,2 Cent pro Kilowattstunde. RWE nimmt hingegen an, dass der Großhandelspreis um mindestens 5 Euro pro Megawattstunde ansteigen würde, was für den Verbraucher langfristig eine Erhöhung des Strompreises um 30 Prozent bedeuten könnte.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz übrigens die einzige Umverteilung durch den Staat ist, die tatsächlich von Arm nach Reich umverteilt, denn selbst die Ärmsten der Armen müssen ja über ihre Stromkosten die EEG-Umlage bezahlen, während die Betreiber von Solaranlagen, also die Empfänger der Umlage, gemeinhin nicht dem Prekariat angehören.

Der nationale Klimabeitrag

Der SPD-Vorsitzende plant jetzt den Katalog der Maßnahmen der deutschen Umweltpolitik noch um eine neue Strafabgabe für Energieerzeuger, den so genannten nationalen Klimabeitrag, zu erweitern. Bekanntermaßen funktioniert der Emissionshandel innerhalb der Europäischen Union kaum, und aus Sicht des Wirtschaftsministers liegt dies unter anderem an den zu geringen Preisen für die Zertifikate. Dieses Problem möchte Sigmar Gabriel jetzt beheben, indem das neue Gesetz Kraftwerken, die älter als 20 Jahre sind, eine feste Menge von CO2-Ausstoß gestattet und darüber hinaus Strafzahlungen von 18 bis 20 Euro für jede Tonne, die den festgelegten Betrag übersteigt, vorsieht. Mit diesem Geld möchte der SPD-Vorsitzende CO2-Zertifikate am Markt einkaufen und somit die Preise erhöhen.

Abb 1: CO2 Wirkung mit (nicht vorhandener) Rückkoplung, die das IPCC aber voraussetzt. Diese Berechnung setzt außerdem voraus, dass der gesamte Zuwachs an Konzentration  1. anthropogen ist 2. der deutsche Anteil daran 3 % beträgt. Anders ausgedrückt: Was Deutschland bis 2050 einparen will emitiert China in einem Jahr zusätzlich (Quelle ). Daten Statista Grafik Michael Limburg 

Es könnte dadurch zu einer Situation kommen, dass ein 40 Jahre altes Braunkohlekraftwerk nur drei Millionen Tonnen CO2 ausstoßen darf, obwohl es in der Realität jährlich mindestens acht Millionen Tonnen ausstoßen muss. Die zusätzlichen Belastungen können dann schnell einen dreistelligen Millionenbetrag erreichen und sollen das Betreiben älterer Kraftwerke auf Dauer unattraktiv machen. Einige Umweltschützer begrüßen diesen Vorschlag, während andere, wie beispielsweise Greenpeace, sogar anmahnen, dass die Strafen noch viel zu milde ausfallen würden.

Dramatische Konsequenzen für NRW

Es ist seltsam, dass dieses Thema so wenig in den Medien vorgekommen ist,  obwohl der Vorschlag noch diese Woche im Kabinett verabschiedet werden könnte. Denn, was dort beschlossen werden soll, ist nicht viel weniger als das faktische Ende des rheinischen Braunkohlereviers.

Diese hohen Belastungen kann ein Konzern wie RWE, der finanziell erstens schon sehr stark unter Druck steht, zweitens viele alte Kohlekraftwerke betreibt und drittens noch unter dem Einspeisevorrang für erneuerbare Energien leidet, nicht verkraften. Die Konsequenz wird sein, dass binnen weniger Jahre sehr viele Kraftwerke ganz abgeschaltet werden müssen. Braunkohlekraftwerke wie Frimmersdorf, Weißweiler, Neurath und Niederaußem werden wohl erheblich von der neuen Abgabe betroffen sein und wahrscheinlich abgeschaltet werden müssen. Das wird nicht nur schwere Folgen für die Region, sondern für ganz Deutschland haben.

RWE selber spricht von 100.000 Stellen, die in Gefahr seien, davon 30.000 direkt in der Braunkohleindustrie und 70.000 Stellen bei Zulieferern in der Wertschöpfungskette. Es gibt viele Städte im rheinischen Braunkohlerevier, die quasi komplett von den Ausgaben, Investitionen, Steuern und Arbeitsplätzen des großen Energieversorgers abhängig sind. Diesen Menschen würde die Große Koalition einfach mal eben so die Existenzgrundlage entziehen. Man muss sich vorstellen, was das für die Betroffenen bedeutet. In dieser Region steht durch ein Abschalten der Kohlekraftwerke zusätzlich auch der Verbleib der Aluminiumindustrie plötzlich zur Disposition. Von deren Verbleib in Deutschland ist angesichts der aktuellen Energiepolitik nicht auszugehen. Schlagartig könnte Gabriels Klimabeitrag so manche Stadt ein Drittel ihrer Arbeitsplätze kosten.

Das Allerschlimmste an diesem Vorhaben ist, dass es reine Kosmetik ist, um die deutschen Klimaschutzziele im Alleingang zu erreichen. Denn, wenn die Kraftwerke abgeschaltet werden, dann zahlen sie auch keine Strafen und der Minister nimmt kein zusätzliches Geld ein, um neue CO2-Zertifikate einzukaufen. Dann stehen sowohl die Zertifikate aus dem gestatteten Betrieb des Kraftwerks als auch die, die der Minister kaufen wollte dem europäischen Emissionshandel weiterhin zur Verfügung. Der CO2-Austoß wandert ins europäische Ausland, ohne dass die CO2-Menge auf europäischer Ebene sinkt. Der CO2 Ausstoß verlagert sich lediglich innerhalb Europas, verringert sich aber insgesamt nicht.

Es ist erschreckend, wie leichtfertig die Sozialdemokraten und auch die Landesregierung in NRW unter Ministerpräsidentin Kraft bereit sind, die Existenz von Hunderttausenden von Menschen für solch eine kosmetische Maßnahme einfach aufs Spiel zu setzen.

Tim Tressel (26) gehört zu den Initiatoren der Internet Plattform „Guns an Burgers“

Weiterführende Links:

(1) BMWI Energie der Zukunft; Eine Gesamtstrategie für die Energiewende (Hier)

(2) BMU Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 (Hier)

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