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Von Alex Reichmuth (Red. WELTWOCHE Zürich)
Die Umsetzung der neuen Energiestrategie harzt. Physikalische Grenzen und der fehlende Wille der ­Bevölkerung stehen ihr entgegen. Der Bund sucht nun nach der wirksamsten Methode, wie er die ­Schweizerinnen und Schweizer subtil in die gewünschte Richtung lenken kann.Weg vom Atomstrom. Weg von fossilen Brennstoffen. Das sind die Eckpfeiler der Energiewende, wie sie Regierung und Parlament beschlossen haben. Das Volk hatte dazu bisher nichts zu sagen. Allzu tiefe Sachkenntnisse braucht es nicht, um zu erkennen, dass die Wende kaum gelingen wird: Wind und Sonne als alternative Stromquellen taugen wenig, weil keine Technologie zur Verfügung steht, um die unregelmässig anfallende Energie zu finanziell vernünftigen Bedingungen zu speichern. Die Stromversorgung kann darum nicht gewährleistet werden, insbesondere nicht in den Wintermonaten. Andererseits sind deutliche Abstriche beim Lebensstandard notwendig, um den Energieverbrauch wie beabsichtigt stark zu reduzieren. Die Bevölkerung ist aber nicht bereit zu Einschränkungen wie in Kriegszeiten. Sie sträubt sich gegen die angemahnten Verhaltensänderungen.
Der Energiewende stehen somit physika­lische Gesetze und gesellschaftliche Widerstände entgegen. Die Protagonisten des ökologischen Umbaus bei Behörden und Parteien spüren den immer stärkeren politischen Gegenwind und fürchten einen Gesichtsverlust, wenn ihre Pläne scheitern.

Über hundert Projekte

In diesem Moment lanciert der Schweizerische Nationalfonds auf Geheiss des Bundesrats zwei Nationale Forschungsprogramme (NFP). Mit eindrücklichen 45 Millionen Franken will der Bund der ins Stocken geratenen Öko­wende neuen Schub verleihen. Beteiligt sind die ETH, kantonale Universitäten, Fachhochschulen und private Institute, also fast die gesamte Forschungslandschaft der Schweiz. Die über hundert Projekte sind aufgeteilt in NFP 70 «Energiewende» (84 Projekte), das «technologische Potenziale zur Umsetzung der Energiestrategie 2050» untersuchen soll, und in das NFP 71 «Steuerung des Energieverbrauchs» (19 Projekte), das «nachfrage­seitige gesellschaftliche Fragestellungen im Blick» hat. Es geht im Wesentlichen um die ­Behebung der erwähnten Schwachpunkte der neuen Energiepolitik: der fehlenden Speichermöglichkeiten und des fehlenden Willens in der Bevölkerung. «Die gleichzeitige Umsetzung der Energiestrategie 2050 und die zu ­erreichenden Klimaziele stellen das schweizerische Energiesystem vor grosse Herausforderungen», steht in der Pressemitteilung zur Lancierung der Programme. Die Probleme werden also unverhohlen eingestanden.

«Wie schaffen wir die Wende?»

Ob man diese lösen kann, ist allerdings mehr als fraglich. Das NFP 70 umfasst zwar auch Projekte, die auf seriöse und sinnvolle Technologieforschung schliessen lassen. Da geht es ­etwa um verbesserte Batterientechnik, um technische Optimierung der Fotovoltaik oder um Stromspeicherung über Luftkomprimierung. Bei letzterem Projekt handelt es sich ­gemäss Beschrieb um «das einzige grossangelegte Stromspeicherkonzept, das derzeit über das Potenzial verfügt, die Pumpspeicherkraftwerke in der Schweiz zu ergänzen» – ein Eingeständnis, dass es nebst dem Rückpumpen von Wasser in Stauseen heute keine andere brauchbare Speichertechnik gibt.
Doch die Pumpspeicherkraft kann die Stromversorgung nach einem Atomausstieg bei weitem nicht gewährleisten, und «Ergänzungen» wie die Luftkomprimierung in leerstehenden Tunneln und militärischen Kavernen lösen die Probleme schon gar nicht, sondern sind im besten Fall ein Tropfen auf den heissen Stein. An der Verbesserung der Batterientechnik wird weltweit zwar intensiv geforscht. Dennoch ist zu bezweifeln, dass hier bahnbrechende Durchbrüche anstehen, auf die die Energiewende angewiesen wäre. Etwas zusätzliche Batterienforschung im eigenen Land ändert daran nicht viel.
Beim NFP 71 fallen die vielen Worthülsen auf. Es gehe um eine «innovative Kommunikation mit den Stromverbrauchern», die diesen «Impulse geben» soll, liest man etwa. «Angesprochen werden ökonomische, rechtliche, politische, psychologische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Entwicklungen, welche das Ausschöpfen von Effizienz- beziehungsweise Suffizienzpotenzialen fördern oder hemmen», heisst es in der Pressemitteilung. Das Soziologen-Geschwurbel zieht sich durch die Projektbeschriebe. Es gehe um «komplexe, aber strukturierte politische Empfehlungen für die Erhöhung der Akzeptanz», liest man zum Projekt «Wie schaffen wir die Wende?» der Universität Bern. Hinter dem Projekt steht Professorin Isabelle Stadelmann-Steffen, die vor kurzem die direkte ­Demokratie als Hemmnis für die Entwicklung des Wohlfahrtsstaats bezeichnet hat.
Bei den Projekten des NFP 71 geht es immer mehr oder weniger um dasselbe: Die Bevölkerung soll auf Kurs gebracht werden. Sie soll Energie sparen, Verzicht üben und der neuen Energiepolitik nicht mit unerwünschten ­Urnenentscheiden im Wege stehen. Dass die meisten Projekte inhaltlich fast identisch sind, zeigen schon ihre Titel: Neben dem Projekt «Effizienter Energieverbrauch in Privathaushalten» werden etwa die Projekte «Energie­effizienz in Privathaushalten», «Verhaltensmechanismen beim Stromverbrauch in Privathaushalten», «Energiesparpotenziale in Haushalten von älteren Menschen» oder «Nachhaltige Lebensstile und Energieverbrauch» gestartet. Alle denkbaren Methoden, wie man Menschen beeinflussen kann, werden in Betracht gezogen: staatliche Informationskampagnen, Lenkung über Beratungsstellen, «Rankings, Belohnungen und Wettbewerbe», Gruppendruck sowie preisliche Anreize und gezielte Veränderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.
Es gelte, «Modelle zu entwickeln, welche ­sicherstellen, dass der politische Wille im ­europäisch eingebetteten Schweizer Föderalismus wirksamer als bisher vollzogen werden kann», steht in der Ausschreibung des NFP 71 – als ob unser Land ein Demokratiedefizit ­hätte. In den Projektbeschrieben ist von ­«Steuerungsmechanismen», «erfolgreicher Implementierung» oder «Etablierung von ­Gewohnheiten» die Rede. Was hier als ­Forschung unter den Etiketten Ökonomie, Psychologie und Soziologie daherkommt, ist die Suche nach den effizientesten Methoden der Indoktrination.

Resultat steht im Voraus fest

Die beiden Forschungsprogramme sollen gemäss Ankündigung Wissen hervorbringen, «welches die Politik und die Wirtschaft bei der Umsetzung der ‹Energiestrategie 2050› sowie bei der Erreichung weiterer energie- und ­klimapolitischer Ziele unterstützt». Bei wirklicher Wissenschaft müsste man jedoch offenlassen, ob deren Resultate dem angestrebten Zweck dienen oder nicht. Hier aber werden schon zu Beginn «umsetzungsreife Ergeb­nisse» angekündigt.
Die Liste der Projektverantwortlichen liest sich wie eine Tour d’Horizon durch das Personal, das an den Hochschulen seit Jahren durch vorbehaltlosen Support für die ökologische Wende auffällt – etwa Christophe Ballif von der ETH Lausanne, der Subventionen für unrentablen Sonnenstrom als «Unterstützung zur Marktfähigkeit» bezeichnet, oder Lucas Bretschger von der ETH Zürich, Koautor der Studie «Energiezukunft Schweiz», die der Energiepolitik des Bundes scheinbar das Siegel «wissenschaftlich geprüft» verlieh. Natürlich fehlt auch Irmi Seidl nicht, die eine Gesellschaft ohne Wachstum predigt, sowie Rolf Wüstenhagen, dessen Lehrstuhl an der Universität St. Gallen von einer Investment­firma für erneuerbare Energie finanziert ist. Welche Forschungsvorhaben auch immer ­solche Leute anpacken, das Resultat steht im Voraus fest: Die Energiewende ist machbar, es braucht nur ein paar «Steuerungsmassnahmen».
Doch Physik bleibt Physik. Und staatliche Gehirnwäsche scheitert in einem demokratischen Staat meist. Jetzt, wo in der Wirtschaft nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses gröbere Probleme anstehen, zerbröckelt der politische Konsens für die Energiewende zunehmend. Die neuen Forschungsprogramme sind nicht mehr als eine teure Parfümwolke, um ­einer angemoderten Energiestrategie kurzfristig etwas Wohlgeruch zu verleihen.

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Anmerkung EIKE-Redaktion :

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in WELTWOCHE Zürich:

| Die Weltwoche, Ausgabe 05/2015 |  Donnerstag, 29. Januar 2015 ; http://www.weltwoche.ch/

EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE für die Gestattung des ungekürzten Nachdrucks.

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