Auf dem US-amerikanischen Politblog "Daily Kos" wurde diese Publikation sehr positiv rezensiert und mit über 300 Kommentaren diskutiert. Dieser Artikel erschien bereits am 14.9.2013 auf ScienceSkeptical Der Hauptautor Daniel Weißbach hatte das Paper für ScienceSkeptical aufgearbeitet. Eine weitergehende, detaillierte Zahlenbasis kann der Google-Tabelle, welche auch für das Paper benutzt wurde, entnommen werden.

Die Energiewende und der energetische Erntefaktor

"Photovoltaik – Alles nur eine Frage des Wirkungsgrades" meldete die FAZ im März dieses Jahres. Kurz vorher steigerte Sharp den Wirkungsgrad von Solarzellen auf rund 38%. Auch Fortschritte in der Speichertechnik werden stets auf Messen präsentiert. Immer größer werdende Windkraftanlagen und neuerdings auch Drachen zur Stromerzeugung sollen einen höheren Nutzungsgrad haben. Aber wieso gibt es dann ebenso viele Insolvenzmeldungen bei Solarfirmen und wieso verzeichnet die Windbranche immer mehr Absatzprobleme?
Mit derartigen Erfolgsmeldungen soll zwar suggeriert werden, dass es voran geht mit der Energiewende, dass man den neuen Stromerzeugungstechniken nur einen anfänglichen finanziellen "Klaps" (der inzwischen 15 Jahre andauert und bislang mindestens 100 Mrd. Euro kostete) zu geben bräuchte, um auch dort beliebig Fortschritte zu generieren. Wie jedoch soll man diesen Fortschritt in greifbare Zahlen fassen? Da kommen Begriffe wie "Wirkungsgrad" gerade recht, denn kein Techniker oder Physiker wird widersprechen, dass ein höherer Wirkungsgrad eine gute Sache ist, und für Otto Normalbürger klingt es auch erstmal plausibel.
Tatsächlich sagen diese Begriffe wenig. Was, wenn ein höherer Wirkungsgrad durch einen noch höheren Produktionsaufwand erkauft werden muss? Zur Bewertung muss der gesamte Lebenszyklus der Anlage, einschließlich Bau, Betrieb, Wartung und Rückbau eingeschlossen werden. Hier bedeutet Wirkungsgrad nicht unbedingt Energieeffizienz. Gerade für Stromerzeugungstechniken gibt es zur Bewertung der Energieeffizienz eine wunderbar passende und leicht zu verstehende Größe, den energetischen Erntefaktor, im angelsächsischen Raum eher bekannt unter EROI (Energy returned on invested). Es ist nichts anderes als das Verhältnis zweier Energien, nämlich der elektrischen Energie, die eine Anlage während ihrer gesamten Lebensdauer produziert hat, zu derjenigen Energie, die für Bau, Betrieb/Wartung und Rückbau aufgewendet werden muss. Letztere nennt man auch die graue Energie oder den kumulierten Energieaufwand (KEA).
Natürlich wird Energie nicht "erzeugt", sondern nur umgewandelt. Der genaue Terminus ist Exergie (mit x), d.h. der Anteil einer Energie, die als Arbeit nutzbar ist, im Gegensatz zur Anergie, dem Anteil, der beim Umwandlungsprozess unwiederbringlich verloren geht. Im Gegensatz zu Energie kann Exergie erzeugt und vernichtet werden. Sollte also im folgenden von Energie- oder Stromerzeugung oder -verbrauch die Rede sein, so ist damit letztendlich Exergie gemeint.
Figure 1. Schematische Darstellung des Erntefaktors.
 

"Graue Energie", das hört man manchmal von Verbraucherschützern, wenn sie über den tatsächlichen Energiegehalt z.B. einer Tafel Schokolade oder eines Smartphones informieren wollen. Es ist diejenige Energie, die in der gesamten Produktionskette zur Herstellung eines Produkts aufgewendet werden muss. Diese bezieht man dann auf irgendeine Produkteinheit und erhält die sogenannte Energieintensität, mit merkwürdigen Angaben wie 2,5 kWh pro kg Schokolade oder 8 kWh pro Paar Schuhe. Für das Produkt "Strom" z.B. aus einem Kohlekraftwerk kürzen sich die Einheiten dann weg, und man erhält eine dimensionslose Zahl, die Energieintensität von Kohlestrom, und schon ist man beim Erntefaktor, genauer bei dessen Kehrwert.
Um es nochmals in einer simplen Formel auszudrücken: EROI = W / KEA, wobei EROI der Erntefaktor ist, W die während der Lebensdauer eines Kraftwerks produzierte Strommenge und KEA der kumulierte Energieaufwand. KEA umschließt alles, auch die Förderung des Brennstoffs, falls nötig (s. Abb. 1). Die Energieintensität ist dann 1/EROI. Sie besagt, welcher Anteil der erzeugten Energie zur dessen Erzeugung notwendig ist.
Nicht unerwähnt bleiben sollte neben der Energieintensität auch die energetische Amortisationszeit (energy payback time), d.h. die Zeit, nach der ein Kraftwerk die aufgewendete Energie wieder eingespielt hat. Vernachlässigt man den Wartungs- und Förderaufwand, was für die meisten Techniken eine gute Näherung ist, so ist dies einfach die Lebensdauer des Kraftwerks geteilt durch den Erntefaktor, ansonsten wird sie natürlich länger. Die Aussagekraft der Amortisationszeit ist jedoch gering, eben weil die Lebensdauer aus der Rechnung hinausdividiert wird. Eine kleine Amortisationszeit (die für Solar- und Windanlagen oft noch zu kleineren Werten geschönt wird, siehe Trick 1 unten) klingt zwar toll, führt aber trotzdem nur zu einem EROI=1, wenn die Anlage nach der Amortisationszeit auseinander fällt.

Was ist Energie?

Natürlich soll diese Frage hier nicht grundlegend behandelt werden, aber bei der Ermittlung des Erntefaktors treten ein paar technische Schwierigkeiten auf. Die während der gesamten Lebensdauer eines Kraftwerks produzierte Strommenge zu ermitteln ist einfach – dazu muss man nur auf den Stromzähler schauen. Schwierig ist jedoch die Berechnung der hineingesteckten Energie, denn für die graue Energie muss man jeden Schritt der Produktionskette evaluieren. Hinzu kommt noch das Problem, dass man Energien oft gar nicht genau zuordnen kann. Wie verhält es sich z.B. bei der Roheisenproduktion in Hochöfen, soll hier der gesamte Wärmegehalt des eingesetzten Kokses mit berücksichtigt werden, oder nur der Teil, der tatsächlich zur Reduktion beigetragen hat? Sollen Reibungsverluste bei der Bearbeitung eines Werkstücks berücksichtigt werden? Hier weicht der ideale Prozess stark von der Praxis ab. Da der Erntefaktor aber eine praktisch verwendbare Vergleichsgröße darstellen soll, sollen diese Verluste hier eingeschlossen werden.
Aber selbst dann stellen sich weitere Fragen. Eine moderne Methode der Stahlproduktion ist das Elektrostahlverfahren, bei dem die zum Schmelzen erforderliche Wärme durch einen Lichtbogen oder durch Induktion erzeugt wird. Hierfür wird elektrische Energie benötigt, aber zu deren Produktion muss irgendein Kraftwerk die etwa dreifache Menge an Heizenergie ("Primärenergie") aufwenden. Welche der beiden Energie soll hier eingesetzt werden?
Hier ist es sinnvoll, die Grenzen an der Fabrik zu ziehen, die von außen mit Strom beliefert wird. Dabei ist es unerheblich, ob der Strom aus einem Solarkraftwerk oder einem Verbrennungskraftwerk kommt, die Fabrik ist nicht für die Herkunft des Stroms verantwortlich. Allerdings ist Strom verglichen mit Wärme in der heutigen Wirtschaft eine höherwertige Form von Energie. Dies muss jedoch separat berücksichtigt werden, wie im folgenden weiter erläutert wird.

Der Wert der Energie und der irreführende Begriff "Primärenergie"

Dass Strom einen höheren Wert als Wärme hat, liegt daran, dass er überwiegend in Verbrennungskraftwerken aus Wärme mit einem Wirkungsgrad von durchschnittlich 35% erzeugt wird – der Wert ist demnach 3 mal so hoch anzusetzen. In einigen Bereichen wurde deshalb der Begriff "Primärenergie" geschaffen, der immer den Brennwert eines meist fossilen Rohstoffs beschreibt. Strommengen werden dann mit 3 multipliziert, um z.B. zusammen mit Kraftstoffen den gesamten Energieverbrauch eines Landes ermitteln zu können. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine marktwertgewichtete Addition verschiedener Energieformen. In einem zukünftigen Kraftwerkspark kann die Gewichtung völlig anders aussehen. Man stelle sich z.B. eine vollständig nukleare Energieversorgung vor, die die Förderung fossiler Verbrennungsrohstoffe preislich weit unterbietet, und bei der auch Kraftstoffe synthetisch hergestellt werden. Hier wäre der Wert der chemisch verbrennbaren Kraftstoffe gemessen am Energiegehalt höher als der von Strom, da diese aus der nuklearen Wärme mit geringerer Effizienz synthetisiert werden.
Bereits bei der Stromerzeugung aus Kernkraftwerken gerät man mit dem Begriff "Primärenergie" in Schwierigkeiten, denn für die bei der Kernspaltung entstehende Wärme gibt es momentan überhaupt keinen anderen Verwendungszweck. Man heizt seine Wohnung ja nicht mit einem gemütlichen Nuklear-Kamin, und der Otto-Motor frisst auch keine Uranstäbe. Welchen Marktwert sollte also nukleare Wärme außer dem für das Elektrizitätsäquivalent haben?
Noch interessanter wird es, wenn man nach der Primärenergie eines Wasserkraftwerks fragt. Verantwortlich für den Antrieb der Turbinen ist hier der Höhenunterschied des Wassers, welcher aber letztendlich durch Sonneneinstrahlung zustande kam. Die primäre Energiequelle wäre demnach die Sonne, und richtig, dort findet ja tatsächlich ein (nuklearer) "Verbrennungsprozess" statt. Sollte nun die gesamte Leistung der Sonne in Bezug zur Leistung des Wasserkraftwerks gesetzt werden? Es ist klar, dass diese Überlegung nicht zielführend ist. Bei den sich mit Energiestatistiken befassenden Organisationen hat man diesen Widerspruch leider nicht oder nur schlecht erkannt, und versucht nun, das Problem eher politisch zu lösen. So wichtet BP Strom aus Wasserkraft mit 2,65, IEA/Eurostat hingegen mit 1.
Richtig bizarr wird es, wenn man den Begriff der Primärenergie konsequent anwendet, denn alle Energieträger sind schließlich auch irgendwann aus anderen Energiequellen erzeugt worden. So könnte man wiederum nach dem Ursprung der im Uran enthaltenen Spaltungsenergie oder nach der für fossile Energie sowie Wasser, Wind- und Solarenergie verantwortlichen Sonnenenergie fragen. Das Uran entstand in einer Supernova, die um Größenordnungen höhere Energiemengen bei dessen Aufbau freigesetzt hat. Dies wäre dann die Primärenergie der Primärenergie. Aber auch die Supernova-Energie hat wieder einen Ursprung, und man endet ohnehin beim Urknall als Ursprung jedweder Energie, auch des für die Sonnenenergie genutzten Wasserstoffs. Vom Urknall bis zum zum Strom aus der Steckdose ist Energie in vielen Schritten und jedes mal mit großen Verlusten umgewandelt worden, die "Primärenergie" ist hier nur der vorletzte Schritt.
Aber zurück zur Erde und zu den Energiebilanzen. Für die "Gewichtung" bleibt am Ende nichts als die Berücksichtigung des Marktwertes, der für Strom ca. 3 mal so hoch ist wie der für Heiz- und Kraftstoffe. Im Erntefaktor sollte dies keine Berücksichtigung finden, denn eine gewichtete Energie ist nicht die tatsächlich umgesetzte Energie. Man kann allerdings eine neue, unabhängige Kennzahl einführen, die den Geldwert der unterschiedlichen Energieformen berücksichtigt.
Dies führte uns zur Einführung des EMROI, dem "Energy money returned on invested". Er unterscheidet sich vom EROI darin, dass Elektrizität stets mit eben dem oben genannten marktabhängigem Faktor gewichtet wird[2], der nun allerdings vom momentanen Kraftwerkspark abhängt und auch grob das Verhältnis der Endenergie- zu den reinen Elektrizitätsflüssen abbildet. In den meisten OECD-Staaten ist dieser Faktor knapp 3, in einigen anderen Wirtschaften kann er aber deutlich abweichen (etwa die Ausnahme Frankreich mit etwa 2, wo aufgrund günstiger Strom- und normaler Brennstoffpreise die Nutzung auf die Elektrizität verlagert ist). In zukünftigen Gesellschaften, wie z.B. der oben beschriebenen rein nuklearen, kann er sogar kleiner als 1 werden. Der EMROI ist deshalb keine ausschließlich vom Kraftwerkstyp abhängige Kennzahl, im Gegensatz zum EROI. Letztere bleibt die maßgebliche Größe, die nur von den Produktions- und Kraftwerkstechniken, nicht aber vom gesellschaftlichen Umfeld abhängt.

Die Evaluierung: Lebenszyklus-Analysen

Wie oben erläutert ist das eigentliche Problem der Evaluierung des Erntefaktors nicht der Zähler, die produzierte Strommenge, sondern der Nenner – die graue Energie. Dazu muss die gesamte Produktionskette von der Wiege bis zur Bahre analysiert werden, zum Bau, zum Betrieb und zum Abriss der Anlage bzw. Entsorgungen. Für Verbrennungskraftwerke/Kernkraftwerke beinhaltet dies auch die Förderung und Aufbereitung der Brennstoffe. Diesen Prozess nennt man Lebenszyklus-Analyse (Life cycle assessment/analysis, LCA). In unserer Studie wurden keine eigenen LCAs durchgeführt, sondern vorhandene LCA-Studien auf Plausibilität und Vollständigkeit (Transparenz) geprüft. Gerade am letzten Kriterium scheiterten viele Evaluierungen. Sie konnten in unserer Studie nicht berücksichtigt werden, da die Produktionsflüsse nicht nachvollziehbar waren.
Viele LCA-Studien basieren auf Datenbanken (Ecoinvent, GaBi), die jedoch kostenpflichtig und wenig transparent sind. Überdies sind die Material- und Produktionsflüsse, so wie bei einigen anderen Datenbanken, oft auf die Ermittlung von Emissionen, insbesondere von CO2, fokussiert. Dies ist wohl im Lichte des Zertifikatehandels eine lukrative Einnahmequelle, hilft jedoch wenig bei der Ermittlung der grauen Energie. Es hat sich ohnehin gezeigt, dass diese stets von ganz wenigen Faktoren, insbesondere dem Stahl- und Betoneinsatz dominiert wird, daher erschien es uns sinnvoller, die wichtigsten Material- und Produktionsdaten genau zu prüfen, anstatt sich auf möglicherweise veraltete Datenbanken zu verlassen, entsprechend dem altbekannten Motto "Qualität statt Quantität".
Ein auffälliges Merkmal vieler Evaluierungen war eine stark voreingenommene ökologistische Prägung, die in der Produktionskette, aber oft auch in der Berechnung des Erntefaktors Wind- und Solarenergie stark bevorzugte, bzw. fossile und Kernenergie benachteiligte. Uns begegneten dabei derartig viele Manipulationen und Irreführungen, dass wir es für notwendig erachten, dem hier ein eigenes Kapitel zu widmen. Siehe unten "Beliebte Schummeltechniken".

Welcher Erntefaktor ist gut?

Es versteht sich von selbst, dass eine Technik mit einem Erntefaktor kleiner als 1 bestenfalls batterieartig (z.B. zur Stromversorgung von Satelliten), nicht aber zur primären Stromerzeugung brauchbar ist. Dabei ist positiv anzumerken, dass sämtliche untersuchten Techniken einen Erntefaktor größer als 1 haben.
Dies ist jedoch nicht alles. Auch ein Erntefaktor größer als 1 ist noch nicht unbedingt wirtschaftlich brauchbar, schließlich muss ja auch z.B. Personalaufwand berücksichtigt werden. Gerade in Ländern mit hohem Wohlstand ist der entsprechende Geldwert hoch – ein Arbeiter hat einen hohen Wert. Natürlich kann der Personalaufwand für die verschiedenen Techniken sehr unterschiedlich sein, aber man kann zumindest eine Schwelle ermitteln, ab der eine Stromerzeugungstechnik wirtschaftlich lohnend wird. Diese kann folgendermaßen bestimmt werden.
Setzt man das Bruttoinlandsprodukt eines Landes ins Verhältnis zum gesamten Stromverbrauch, so erhält man einen "Stromwert". Dies ist nicht der Strompreis, sondern der durch die Stromerzeugungstechniken (genauer Exergieerzeugungstechniken) erwirtschaftete Mehrwert pro erzeugter Elektrizitätsmenge. Setzt man dies wiederum ins Verhältnis zum Erzeugungspreis des Stroms, so erhält man ein Maß für Wertvervielfachung der Wirtschaft durch Stromerzeugung. Dieses Verhältnis muss übertroffen werden, um wirtschaftlich zu sein, ansonsten müssen Abstriche am Wohlstand gemacht werden. In Staaten mit OECD-ähnlichen Lebensstandards beträgt dieses Verhältnis 7:1.
Stromerzeugungstechniken mit einem Erntefaktor unterhalb dieser Schwelle können zwar noch energetisch sinnvoll sein, nicht aber mehr wirtschaftlich. Ausgenommen sind Inselanwendungen, bei denen Stromversorgungstechniken mit höherem Erntefaktor nicht möglich sind. In Staaten mit niedrigeren Lebensstandards ist die Schwelle niedriger, so dass sich dort auch weniger effiziente Energietechniken lohnen, den niedrigeren Lebensstandard zu halten.

Speicherung und Überkapazitäten

Figure 2. Funktionsskizze des Raccoon Mountain Pumpspeicherkraftwerk als Beispiel. Pumpspeicherkraftwerke sind die momentan wirtschaftlichste Form der Speicherung mit einem der höchsten Gesamtwirkungsgrade (etwa 80%). Benmore (s. Text, etwa so groß wie Atdorf) wurde stellvertretend für die Energieaufwendungen herangezogen. Um Flauten von 12 Tagen für das deutsche Netz zu überbrücken, braucht man mehr als 1000 Atdorf-Anlagen.

Eine Besonderheit unserer Studie ist die Berücksichtigung von "Stromspeicherung" (besser Exergiespeicherung in Form von Enthalpiezuwachs des Speichers) und Reservekapazitäten (Überkapazitäten) und deren Einfluss auf den Erntefaktor. Beides, zusammen Pufferung genannt, ist für volatile Stromerzeugungstechniken unabdingbar, allerdings gibt es eine wirtschaftlich optimale Mischung von Überkapazitäten und Speicherung, die von dem australischen Geologen Peter Lang bestimmt wurde (begutachtete Publikationen waren dazu nicht zu finden, Langs Überlegungen sind jedoch plausibel und nachvollziehbar). Der so ermittelte Überkapazitätsfaktor fließt direkt proportional in den Erntefaktor ein, während die Berücksichtigung der Speicherung komplizierter ist.
Der Energieaufwand für die Speicherung wurde dabei nach einer Art Mietmodell berechnet. Abhängig von der gewünschten Überbrückungszeit und von der Leistungsabgabe des Kraftwerks ergibt sich eine ständig bereitzustellende Kapazität, für welche Damm-Anlagen und Turbinen gebaut werden müssen – diese muss permanent für das betrachtete Kraftwerk "gemietet" werden. Verrechnet mit der Lebensdauer des Pumpspeicherwerks führt dies zu einem anteiligen kumulierten Energieaufwand, der in den Nenner des Erntefaktors einfließt ihn damit reduziert.
Dabei wurde als Referenz ein großes Pumpspeicherwerk (Australian Benmore station) angenommen – die heute effizienteste und preiswerteste Form der Speicherung (siehe Funktionsweise in Abb. 2). In der Realität wäre dies allerdings zumindest für Deutschland kaum durchführbar, da schon zur Überbrückung von nur 12 Tagen Flaute und Bewölkung, wie es hierzulande gelegentlich passiert, Gesamtkapazitäten von 20 TWh vorgehalten werden müssten. Dies entspricht dem Anheben des gesamten Bodensees um 150 Meter, oder aber des Baus von 1000 Exemplaren des neuen Atdorf Pumpspeicherwerks. Weder die geologischen noch hydrologischen Voraussetzungen sind dafür in Deutschland gegeben, so dass man auf teurere Speichervarianten ausweichen müsste, wie das von den Energiewendeprotagonisten nun favorisierte "Windgas"
Verbrennungskraftwerke haben hier den großen Vorteil, dass sie für eine bedarfsgerechte Stromversorgung keine externen Speicheranlagen benötigen – der Brennstoff selbst ist hier bereits der Speicher. Bei Wasserkraftwerken wird eine geringe Überkapazität benötigt, sonst gibt es Situationen, in der der Wasserstand nicht mehr ausreicht. Der Einfluss auf den Erntefaktor ist zwar merklich, aber nicht dominant. Anders sieht dies bei Solarenergie aus, wo die Pufferung den Erntefaktor um einen Faktor 3 verringert, bei Windenergie sogar um einen Faktor 4. Puffert man Windstrom über Wasserstoff-Elektrolyse und anschließender Methansynthese ("Windgas"), so würden der deutlich geringere Gesamtwirkungsgrad und die höheren Bereitstellungskosten den Abschlagsfaktor schätzungsweise auf 10 erhöhen (hinreichende LCA-Werte für die Elektrolyse-Einheiten stehen nicht zur Verfügung).

Ergebnisse und Vergleich der Techniken

Figure 3. Erntefaktoren (EROIs) der untersuchten Stromtechniken mit ökonomischer Schwelle [1]. Grundlagen: Photovoltaik in Süddeutschland (1000 Jahresvolllaststunden), Windturbine in Nord-Schleswig-Holstein (2000 Jahresvolllaststunden), Biomasse mit 55 t (nass) Mais je ha und Jahr. Kernenergie 83% Zentrifuge, Rest Diffusion, 8000 Jahresvolllaststunden. CSP (Solarthermie) ohne Netzanbindung.

Das Diagramm in Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Studie im Vergleich, zusammen mit der Wirtschaftlichkeitsschwelle (s.o.). Es fällt sofort auf, dass unter den Vorzeigetechniken der "Energiewende" nur Windkraft einen wirtschaftlichen Erntefaktor hat, und dies nur, wenn der Strom ohne Speicherung in das Netz eingespeist wird. Wind hat jedoch die höchste Volatilität, so dass bei massivem Ausbau eine Pufferung unumgänglich wird und der Erntefaktor auf ein Viertel fällt. Photovoltaik, die ähnlich stark schwankt und entsprechend Pufferung braucht, hat bereits ohne Speicher schon so hohe Bereitstellungsaufwendungen (KEA), dass der Abschlag für Speicherung weniger drastisch ausfällt.
Die meisten Szenarien in unserer Studie sind deutschlandbezogen. Bei Solarthermie ist eine Aufstellung in Deutschland wegen des nicht-linearen Zusammenhangs zwischen Sonneneinstrahlung und Stromausbeute jedoch ausgeschlossen. Die Solarthermie ist nur deswegen energetisch effizienter, weil sie an einem sehr sonnigen Standort in Afrika steht, zudem sind Leitungen nach Europa in der Bilanz nicht enthalten. Der gut vorhersagbare Sonnengang reduziert die Speicheraufwendungen verglichen mit Wind oder Photovoltaik. In südlichen Ländern mit geringem Lebensstandard kann Solarthermie aber eine sinnvolle Option sein.
Wasserkraft stellt eine Ausnahme dar, weil hier die natürliche Quelle in räumlich konzentrierter Form (potentielle Höhenenergie von Wasser an Engstellen freigesetzt) vorliegt. Dies trifft aber nur für Talsperren zu, deren Flüsse an dieser Stelle hohe Flussgeschwindigkeiten und auf ein entsprechend großes Wassereinzugsgebiet zurückgreifen. Das oben liegende Wasserreservoir ist als gegebener Puffer nutzbar und reduziert die Volatilität deutlich. Man ist allerdings immer auf die gegebenen geologischen Verhältnisse angewiesen, und diese sind in Europa praktisch ausgeschöpft.
Biomasse (Biogas) benötigt hingegen keinerlei Speicherung, dafür sind die Aufwendungen für konventionelle Intensivlandwirtschaft (d.h. Monokulturen mit Kunstdünger- und Pestizid-Einsatz — bio?) und insbesondere Vergärung aber so extrem hoch, dass der Erntefaktor sogar in den Bereich der ungepufferten Photovoltaik fällt. Stellt man die Landwirtschaft hierfür nach den Kriterien des Biolandbaus um, so erhöht sich der Aufwand zur Bereitstellung der Energiepflanzen beträchtlich. Bei Annahme einer Erhöhung um den Faktor 3 bis 5 hierfür sinkt der Erntefaktor auf Werte um 1,5 bis 2. Dafür hätte man dann "Bio-Bio-Gas" auf der 3-5-fachen Fläche.
Alle fossilen Energietechniken haben relativ hohe Förderaufwendungen und liegen daher hinter der Kernenergie. Dabei dominiert bei Erdgas besonders stark die Gasgewinnung, und bei der Kernenergie spielt die Anreicherung sowie – vor allem zukünftig bei effizienter Anreicherungstechnik – die Uran- bzw. Thoriumgewinnung eine bedeutende Rolle. Während die Laser-Anreicherungstechnik den Erntefaktor auf über 110 treiben kann, können Schnellspaltreaktoren auch energieintensiv zu fördernde Vorkommen nutzen, ohne nennenswerte Effizienzverluste zu erleiden, da sie nur 1% der Menge verbrauchen. Bei Braunkohle sind wegen des sehr niedrigen Energiegehalts nur am Kraftwerk nahegelegene Vorkommen effizient (hohe Transportaufwendungen), während bei der Steinkohle auch lange Transportwege lohnend sein können.
Insgesamt ist mit dieser Studie erstmals ein sinnvoller Vergleich der Energieeffizienzen zwischen "regenerativen" und Verbrennungstechniken möglich. Bisherige Studien konzentrierten sich in der Vergangenheit meist auf fossil-nukleare und in der Gegenwart meist auf "Erneuerbare" Quellen, wobei unterschiedliche Definitionen und Richtlinien verwendet wurden. Ein Vergleich der Erntefaktoren war so nicht möglich, wie im folgenden Kapitel noch ausführlicher erläutert wird.

Beliebte Schummeltechniken und Tricks zur Schönrechnung

Leider bietet der Erntefaktor auch viele Möglichkeiten für Verfälschungen, die – so hat es unsere Erfahrung gezeigt – fast ausschließlich für Solar- und Windenergie regelmäßig zur Anwendung gebracht wurden. Dabei wird oft eine oberflächlich plausibel erscheinende Erklärung vorgeschoben, den gesamten Erntefaktor mit gefälligen Multiplikatoren zu versehen. Nicht selten werden aber auch frisierte Zahlen in der grauen Energie versteckt, wofür die lange Produktionskette ja zahlreiche Möglichkeiten bietet. Es war deshalb für unsere Studie wichtig, neben den Definitionen auch die Produktionsketten und Materialdaten sehr genau zu überprüfen.

Trick 1: Primärenergetische Gewichtung

Figure 4. Die primärenergetische Gewichtung führt auf den EMROI. Allerdings ist die Gewichtung auf sämtliche Techniken, nicht nur auf Wind- und Solarenergie anzuwenden[1]. "Sonnenfreundliche" Quellen bezeichnen den EMROI gerne als "Erntefaktor" und vergleichen diesen für Wind- und Photovoltaik dann mit den tatsächlichen Erntefaktoren für fossil-nukleare Kraftwerke (s. vorheriges Diagramm).

Die "primärenergetische Gewichtung" ist einer der ältesten Tricks, der bevorzugt im deutschen Studien Anwendung findet. Schon 1988 wurde er vom Öko-Institut Darmstadt propagiert, heute wird er sogar standardisierend von der IEA empfohlen. Dabei wird die erzeugte Strommenge und damit der Erntefaktor einer Windkraft- oder Solaranlange kurzerhand mit 3 multipliziert, mit der Begründung, sie würde ja die 3-fache Menge an Primärenergie einsparen. Dies beschreibt dann jedoch nicht mehr den Erntefaktor, sondern eine schwer zu veranschaulichende Größe, so etwas wie den "primärenergetischen Ersetzungsfaktor".
Während diese neue Definition an sich noch keine Fälschung darstellt, wird es jedoch kritisch, sobald man diese wiederum als "Erntefaktor" bezeichnet. Dies suggeriert, man könne diesen nun mit anderen Erntefaktoren vergleichen und stiftet damit zumindest ordentlich Verwirrung, insbesondere, wenn nur Zahlen für Solar- und Windkraftanlagen als Ergebnisse angegeben werden. Starke Verfechter der Solar- und Windenergie, etwa Volker Quaschning (man beachte die abstrusen Begründungsversuche in der Mitte der Seite, "Die energetische Amortisationszeit…", der Mann ist Professor an der HTW Berlin), gehen aber noch einen Schritt weiter und führen diese Gewichtung nur für diese Techniken, nicht aber für Verbrennungskraftwerke durch, womit die Schwelle zur Fälschung endgültig überschritten wird. Dies führt zu Photovoltaik-Pseudo-Erntefaktoren von 9-15, natürlich ohne Pufferung, die auf zahlreichen sonnenfreundlichen Webseiten dann stolz und natürlich ohne Angabe des Rechenweges präsentiert werden (etwa bei Planungsunternehmen, Auftragsagenturen und Vergleichsseiten).
Führt man diese Gewichtung nicht nur beim Zähler des Erntefaktors, sondern auch bei den elektrischen Anteilen des Nenners, der grauen Energie, durch, so landet man übrigens wieder beim EMROI, der bereits oben eingeführt wurde. Auch hier gilt natürlich, dass die Gewichtung bei allen Techniken anzuwenden ist, um die Ergebnisse vergleichen zu können, nicht nur bei den "Erneuerbaren". Dies führt zu dem Diagramm in Abbildung 4. Häufig findet man gewichtete und nicht gewichtete Angaben in Form von Erntefaktor-Spannen, die genau die Anwendung dieser Gewichtung verschleiern und einen objektiven Vergleich behindern, denn es handelt sich ja nicht um Spannen, sondern um ungleiche Berechnungsmethoden.

Trick 2: Lebensdauer frisieren

Die Lebensdauer geht stark in den Erntefaktor ein, bei vernachlässigbarem Betriebsaufwand sogar proportional. Deshalb ist ein beliebter Trick das Einflechten falscher Lebensdauern von Anlagen. Wiederum fallen hier einige Befürworter der "Erneuerbaren" unangenehm auf, vor allem, indem sie fossilen und nuklearen Anlagen absurd niedrige Werte unterstellen. Beispielsweise setzt die Forschungsstelle für Energiewirtschaft für Kernkraftwerke 40 Jahre an. Dies ist jedoch nicht die Lebensdauer, sondern die übliche Lizenzdauer. Viele KKWs in den USA überschreiten diese gerade, Lizenzverlängerungen wurden beantragt und auch genehmigt. Die tatsächliche Lebensdauer liegt bei mindestens 60 Jahren, bei modernen Kraftwerken geht man sogar von 80-100 Jahren aus.
Umgekehrt hat sich bei Wind- und Solaranlagen gezeigt, dass die Lebensdauer erheblich geringer ist, als vom Hersteller garantiert. Dem Hersteller ist das egal, wenn es ihn nach 10 Jahren nicht mehr gibt. Dennoch operieren diejenigen, die Erntefaktoren für solche Anlagen präsentieren, gerne mit Lebensdauern von 25-30 Jahren, jedoch gelten diese offensichtlich nur für Laborbedingungen. Unter Belastung kann die Lebensdauer schon mal nur halb so groß sein. Wir haben in unsere Evaluierung dennoch 25 Jahre für Photovoltaik- und 20 Jahre für Windkraftanlagen angenommen – ein Zugeständnis an die noch geringe Erfahrung im Großeinsatz.

Trick 3: Veraltete Förder- und Anreicherungstechniken

Ebenfalls gegen die Nukleartechnik richtet sich die Verwendung jahrzehntealter Techniken, die heute fast bis gar nicht mehr in Verwendung sind. In der Vergangenheit wurde die graue Energie eines Kernkraftwerks von der Diffusionstechnik zur Anreicherung des Urans dominiert, und der Erntefaktor war entsprechend klein. Die 10 mal effektivere Zentrifugentechnik hat dies erheblich geändert. Heute arbeiten über 80% aller Anlagen so, und die letzten Diffusionsanlagen (Besse, Portsmouth) stehen kurz vor der Abschaltung.
Nahezu systematisch wird die Datenfälschung von Jan Willem Storm van Leeuwen betrieben, der einen Faktor 10 und mehr zu hohe Förderkosten ansetzt, indem er ohnehin schon veraltete Fördertechniken auf viel zu geringe Uran-Konzentrationen extrapoliert. Weiterhin wird dort, wie schon erwähnt, 100% Diffusionsanreicherung angenommen sowie der Energieaufwand für den Bau überwiegend aus den monetären Kosten ermittelt. Alles zusammen führt dann zu absurd niedrigen Erntefaktoren. Immerhin ist diese (wissenschaftlich nicht begutachtete) Arbeit transparent genug, diese "Aussetzer" durch aktuelle Werte korrigieren und die ansonsten gute Datenbasis doch noch verwenden zu können, was etwa vom Schweizer Paul-Scherrer-Institut getan wurde. Dennoch wird sie immer wieder ungeprüft und unkorrigiert als "Beleg" für die Ineffizienz von Kernenergie angeführt.

Trick 4: Brennstoffumsatz einbeziehen

Der wohl kurioseste und auffälligste Trick ist die immer mal wieder auftauchende Methode, den Wärmegehalt (Brennwert) des Brennstoffes selbst mit einzubeziehen. Sie ist deshalb so auffällig, weil Erntefaktoren dadurch nicht nur verfälscht, sondern sogar gänzlich unkenntlich gemacht werden, aber auch, weil diese Methodik kaum noch Berührungspunkte mit einer wissenschaftlichen Vorgehensweise erkennen lässt. Mehr noch, sie wird von deren Vertretern (z.B. Quaschning, s. Trick 1) oft noch zu einer ideologischen Maxime ausgebaut, in der das Werbewort "regenerativ" zum Prinzip einer grundsätzlich neuen Form von Energie erhoben wird.
Es versteht sich von selbst, dass die Verfechter dieser absurden Methodik natürlich nur den Verbrennungskraftwerken den Wärmeumsatz anlasten, nicht aber den "regenerativen", ungeachtet der Tatsache, dass auch letztere vom großen Verbrenner "Sonne" abhängen. Die Folge ist natürlich, dass nur die "regenerativen" einen "Erntefaktor" größer als 1 haben können, was dann mit "unendlichen Ressourcen" und "unerschöpflichen Quellen" weiter begründet wird. Dabei ist dies nur eine Folge der asymmetrischen Definition. In der deutschen Wikipedia liest man dazu wahrhaft esoterische Ergüsse: "Erneuerbare Energien können als einzige Kraftwerkstypen Erntefaktoren größer Eins haben, da deren Energiequellen wie etwa Wind, Wasser oder Sonne nach menschlichem Ermessen nicht endlich sind bzw. sich bei nachhaltiger Nutzung (etwa von Waldbeständen) regenerieren". Der Sonnengott lässt grüßen.
Mal davon abgesehen, dass an keinem Punkt der Produktionskette die Energie in den Brennstoff hineingesteckt wird (der Brennstoff wird ja nicht vom Menschen hergestellt, sondern nur gefördert), zeigt folgende Rechnung, dass der Erntefaktor zur Beschreibung einer derartigen Eigenschaft gar nicht missbraucht werden muss. Der Wärmeumsatz z.B. eines typischen Kohlekraftwerks beträgt über die gesamte Lebensdauer 4000 Petajoule, der kumulierte Energieaufwand (der Nenner bei der Berechnung des EROI) hingegen nur 40 Petajoule, also nur 1% davon. Würde man also den Wärmegehalt des Brennstoffs zum restlichen kumulierten Energieaufwand noch hinzuaddieren, so wäre letzterer völlig bedeutungslos, und der Erntefaktor wäre einfach nur das Verhältnis vom Stromumsatz zum Wärmeumsatz. Dies ist aber nichts anderes als der aus der Physik wohlbekannte thermische Wirkungsgrad, und man endet folgerichtig immer bei Zahlen zwischen 0,3 und 0,4. Wozu wurden dann aber die LCA-Studien überhaupt durchgeführt?
Es gibt sogar Personen im Wissenschaftsbereich, die diese Auffassung allen ernstes vertreten. Selbst in begutachteten Fachmagazinen taucht diese kuriose Methodik, die keinen Bezug mehr zum Erntefaktor hat, gelegentlich auf. So passierte es uns selbst vor wenigen Wochen, dass das renommierte Journal "Energy" zu unserer Publikation einen Kommentar von Raugei (angeblich Experte in LCA-Studien) veröffentlichte, in dem dieser ernsthaft vorzurechnen suchte, dass der Erntefaktor eines Kernkraftwerks nicht 80, sondern nur 0,4 sei. Der Begriff des Wirkungsgrades scheint dem studierten Chemiker nicht bekannt gewesen zu sein.

Trick 5: Recycling

Häufig wird nach der Ermittlung der Bau-Energiekosten jener Teil davon beim Rückbau wieder abgezogen, der recyclebar ist. Dabei wird angenommen, dass diese Materialanteile vollständig ohne Zusatzaufwand für neue Bauvorhaben verwertet werden können. Genau da wird aber verschleiert, dass diese Stoffe bearbeitet und erneuert sowie mit einem frischen Anteil versetzt werden müssen. Eine eventuell vorhandene Ersparnis an Energie kommt dann aber erst der nächsten Generation der Energietechnik zugute. Da oft nicht nach den recycelten Anteilen aufgeschlüsselt wird, kann diese Gutschrift eben nicht einmal ermittelt und herausgerechnet werden. Manchmal, insbesondere bei den "Erneuerbaren" Energien, wird dabei so optimistisch vorgegangen, dass der größte Teil des Baumaterials recycelt wird, was dann den Erntefaktor enorm in die Höhe treibt.
Um diesem Dilemma zu entgehen, ist es stattdessen erforderlich, zeitnah die Energieaufwendungen für Baumaterialien zu aktualisieren und dabei den recycelten Anteil zu erfassen. Nur so werden alle energieverbrauchenden Prozesse vollständig an der richtigen Stelle berücksichtigt.

Charles Hall: Ein Extrembeispiel

Figure 5. Charles Halls berühmt-berüchtiger "Balloon graph". Die EROI-Werte sind das Ergebnis einer bunten Mischung aus verschiedensten Berechnungsmethoden, haben mir der Realität aber nichts mehr zu tun.

In den USA wird der Biologe und Zoologe Charles Hall als "Father of the EROI" gepriesen, sogar das angesehene Magazin "Scientific American" feierte ihn kürzlich in der April-Ausgabe dieses Jahres (hier, hier und hier). Hall hat den Erntefaktor jedoch weder erfunden noch wesentlich zu seiner Ermittlung beigetragen. Im Gegenteil, er ist, zusammen mit Cutler Cleveland, hauptverantwortlich für die ständige Vermischung von Definitionen und sollte deshalb besser den Titel "Father of the EROI confusion" erhalten.
In einer Serie, die in dem bekannten Blog The Oil Drum veröffentlicht wurde, lässt er fast ausschließlich seine eigenen Fakultätsmitarbeiter zu Wort kommen, nachvollziehbare Rechnungen gibt es jedoch keine (siehe dort die Kapitel Einführung, Öl und Gas, Schieferöl und Teersande, Kernenergie, Sonne, Wind und Wasser sowie Wellenwasser und Geothermie). Seine Ergebnisse stellen entsprechend ein Sammelsurium von "Hausnummern" dar, für die man genauso gut einen Würfel hätte bemühen können. Als besondere Leistung ist Hall anzurechnen, dass er es geschafft hat, den Erntefaktor für Kernenergie um einen Faktor 20 zu drücken. Seine antinukleare Haltung wird auch in diesem Blog-Kommentar von Charles Barton sehr deutlich. Auch findet man dort weiter oben einen Text-Kasten "Charles Hall inserts", wo dieser eine völlig korrekte Studie zum schwedischen KKW Forsmark unsachlich verwirft.
Halls Ergebnisse gipfeln in dem "Balloon Graph" (Abb. 5), der in einschlägigen Blogs oft zitiert wird. Der Graph enthält jedoch keine brauchbaren Aussagen, wie wir in unserem Paper[1] detailliert erläutert haben. Scientific American jedenfalls dürfte mit diesen Beiträgen kaum den Kreis der wissenschaftlich interessierten Leser erweitert haben.

Ökonomische Konsequenzen

Alle erwirtschafteten Güter einer Industriegesellschaft basieren letztendlich auf der Vervielfachung von Arbeit und damit auf der Effizienz, Energie (genauer: Exergie) zu erzeugen. Der Wohlstand hängt damit in direkter Weise vom Energiepreis ab, der – ausgedrückt in Energieeinheiten – nichts anderes als der Erntefaktor ist. Der Erntefaktor gibt aber nicht exakt die ökonomischen Verhältnisse wieder. Personalintensive Techniken haben sicher einen schlechteren ökonomischen Erntefaktor, auch aufwändige Sicherheits- und Lizenzverfahren wie bei Kernenergie verschieben das ökonomische Bild gegenüber dem energetischen. Da diese Einflüsse jedoch schwer zu ermitteln sind, ist der energetische Erntefaktor momentan das beste Maß. Er hat dafür den Vorteil, unabhängig von Marktschwankungen oder politischen Auflagen zu sein. Setzt man gleiche Marktbedingungen für alle Kraftwerkstypen voraus, so ist zumindest ein Vergleich zwischen ihnen möglich.
Figure 6. Stromgestehungskosten in Abhängigkeit von der Energieintensität (Kehrwert des Erntefaktors), doppelt logarithmische Darstellung. Referenz ist der durchschnittliche Erntefaktor bzw. mittlere Stromgestehungskosten (aus den Quellenwerten der einzelnen Techniken berechnet) für Deutschland. Für die gepufferten Werte von Windkraft und Photovoltaik (grüne Dreiecke) liegen keine Gestehungskosten vor, sie wurden deshalb aus dem heutigen Mix extrapoliert.

Man betrachte nun für die folgende Diskussion das Diagramm in Abbildung 6. Für den deutschen Strommix (2011) beträgt der gewichtete mittlere Erntefaktor 23, für Frankreich 56. In einem ähnlichen Verhältnis stehen die Strompreise. Stellt man weiter auf "Erneuerbare Energien" um, so kann sich der Strompreis nochmals vervielfachen. Ersetzt man schließlich alle konventionellen Schattenkraftwerke durch Pumpspeicherwerke, so würde sich der Strompreis verzehnfachen. Dies ist jedoch immer noch optimistisch gerechnet, weil man aufgrund der Topologie Deutschlands auch auf teurere Speichertechniken zurückgreifen müsste.
Der umgekehrte Weg in Richtung 100% nukleare Stromversorgung könnte mit dem heutigen Anreicherungsmix den Strompreis um einen Faktor von 2, bei moderner Zentrifugen- oder gar Laseranreicherung sogar um einen Faktor 3-4 senken.

Versteckte Quersubventionierungen

Gemäß dem Erntefaktorverhältnis wäre Solarstrom selbst ungepuffert fast 6 mal so teuer wie der Durchschnittspreis, der etwas über dem Erdgasstrompreis liegt. Tatsächlich sind die Gestehungskosten nur knapp 3,5 mal so hoch. Dies liegt vor allem an folgendem Effekt. Für die Berechnung des Erntefaktors werden gleiche Bedingungen für den Input wie für den Output angenommen. Solarzellen werden mit Solarenergie hergestellt, Kohlekraftwerke mit Kohleenergie, usw. Die Realität sieht aber so aus, dass Solaranlagen mit dem heutigen Energiemix, der überwiegend aus Kohleenergie besteht, hergestellt werden. Da dieser erheblich günstiger ist, findet hier also eine Art Quersubventionierung statt. Würde man Solaranlagen aus Solarenergie herstellen, so würde das Erntefaktorverhältnis voll durchschlagen, und der Strompreis würde sich versechsfachen (ohne die notwendige Pufferung!).
Diese versteckte Subventionierung ist ein bisher unberücksichtigter Faktor, der zur direkten EEG-Subventionierung noch hinzukommt. Eine weitere Subventionierung zugunsten von Wind- und Solarstrom besteht im Abfangen der Volatilität durch fossile und nukleare Kraftwerke. Dies macht einen weiteren Faktor 2-3 aus. Dann würde Solarstrom etwa 60 Cent/kWh kosten und damit etwa 15% des Bruttoinlandsprodukts (BIP), wenn man Deutschland komplett damit versorgen würde. Hinzu kämen hier noch drastische Reduktionen der Wirtschaftskraft, weil sich die Energiekosteneffekte durch die ganze Ökonomiekette fortpflanzen würden. Man kann durchaus eine deutliche Reduzierung des BIP annehmen, wenn alle von Elektrizität abhängig hergestellten Produkte verteuert sind. Dann erhöht sich der Kostenanteil der Stromproduktion auf etwa einen noch höheren Teil des BIP. Der Erntefaktor (1,6) ist zwar niedriger als der dann zu erwartende Erntefaktor (der Kehrwert ist ja höher), wenn die Wirtschaft zu 100% von Elektrizität abhinge, was eben daran liegt, dass noch nicht die ganze Wirtschaftsleistung vom Energiepreis abhängt. Andererseits würde eine Erhöhung des Erntefaktors (man vergleiche den französischen mit dem deutschen Mix) durch Umstellung auf einen effizienteren Kraftwerkspark die Kosten reduzieren und damit die Wirtschaftskraft wegen preiswerterer Technologieprodukte entsprechend erhöhen können. Diese Sensitivität der Energie auf die Ökonomie wird sich wohl mit höherem Automatisierungs- und Technologiegrad weiter erhöhen.
Oft wird dann argumentiert, dass im Rahmen der Umstellung auf "Erneuerbare" Energien auch eine höhere (Verwertungs-)Effizienz Einzug hält, sodass die geringer angenommenen Kostensteigerungen mehr als ausgeglichen werden würden. Verschwiegen wird aber, dass diese Verbesserungen auch mit einem effizientem Elektrizitätssystem genauso durchgeführt werden können – mit entsprechend viel höherer Wirtschaftskraft. Hier soll der direkte Vergleich verschiedener Energieerzeugungstechniken verwässert werden.

Berücksichtigung der Ressourcenreichweite

Oft wird argumentiert, dass die primärenergetische Gewichtung (Diskussion siehe oben) wichtig sei, um die Einsparmenge an endlichen fossilen Energieträgern durch die Stromproduktion der "Erneuerbaren" darzustellen. Dies ist aber irreführend, da auch die "regenerativen" Energietechniken eben nicht aus dem Nichts Elektrizität generieren, sondern streng genommen ja auch Primärenergie, nämlich Fusionsbrennstoff der Sonne anzapfen. Sogleich wird man dann den Einwand hören, dass dies aber viel länger reiche als die fossilen Brennstoffe. Da stellt man sich nun die Frage, inwiefern diese Betrachtung zielführend in Bezug auf die Frage, wie energieeffizient eine Energietechnik arbeitet, ist. Dies ist schließlich die Kernaussage des Erntefaktors.
Die Reichweite an sich von Brennstoffvorräten beeinflusst aber nicht die Aufwendungen einer Gesellschaft für die Bereitstellung der entsprechenden Energietechnik, sie darf also beim Erntefaktor keine Rolle spielen. Es ist doch etwa völlig egal, ob die Kohle für 100 oder 1000 Jahre reicht, solange der Förderaufwand der Gesellschaft derselbe bleibt (wobei natürlich der Vorrat mindestens so lang reichen muss wie das Kraftwerk betrieben wird). Erst eine erschwerte Förderung durch Verdünnung infolge Versiegen der Quelle beeinflusst die Aufwendungen und damit den Erntefaktor. Damit ist dieser auch unabhängig von der Frage ermittelbar, ab welcher Reichweite man von "Erneuerbaren" spricht. Da Kernenergie oder Kernfusion für mehrere 100 Millionen bis Milliarden Jahre nutzbar ist, müsste sie ja als "erneuerbar" gelten, denn die Sonne erlaubt uns auch nicht, länger auf der Erde zu verweilen. Eine andere Argumentation wäre, generell einfach so die Nutzung von Brennstoffen, unabhängig von deren Reichweite, als "nicht regenerativ" zu bezeichnen. Hier beträte man aber den Bereich der Esoterik. Für den Erntefaktor sind aber eben alle Reichweitenbetrachtungen uninteressant, solange dies nicht den Aufwand der Energieproduktion beeinflusst. Damit sind alle Techniken untereinander objektiv vergleichbar.

Anhang A: Stromgestehungskosten

Die in der nachfolgenden Tabelle geklammerten Werte wurden dahingehend modifiziert, dass die Diskontrate durch eine lineare Abschreibung der Overnight-Kosten über die Laufzeit ersetzt und die Laufzeiten selbst an die bei der EROI-Berechnung genutzten Werte angepasst wurden. Diese bilden die physikalisch-ökonomische Effizienz wesentlich besser ab, da rein (finanz-)politische Faktoren hierbei kaum eine Rolle spielen. Dies beeinflusst nur die Kapitalkosten, da Wartungs- und Brennstoffkosten (entgegen der Quelle) nicht diskontiert wurden und weiterhin mit der Laufzeit linear zunehmen, also die anteiligen Kosten je ausgestoßene Energieeinheit konstant bleibt. Bei der Braunkohle wurden aber die Brennstoffkosten zu niedrig angesetzt (vgl. Tabelle 2-3 aus [4] mit etwa 1,70 Euro/GJ aus [3]), so dass hier etwa 0,7 Cent/kWh hinzukommen, bei Steinkohle etwa 0,3 Cent/kWh (2,40 statt 1,90 Euro/GJ).
Table 1. 

Typ Anteil [%] Kosten[cent/kWh]
Kernenergie 16 3,3 (1,5)[4]
Braunkohle 26 2,7 (2,2)[4]
Steinkohle 18,5 3,3 (2,5)[4]
Erdgas 12 4,2 (3,8)[4]
Wasserkraft 3,5 3,0 (2,5)[5]
Wind 8,1 7,0[6]
PV 4,2 14[7]
Biomasse 6,2 19[8]

Anhang B: Wirtschaftliche Zahlen

2012:

  • 41.500 US$ pro Kopf = 32.300 € pro Kopf.

  • 2,65 Bio. € gesamt.

Stromverbrauch 2013

  • 595 TWh

Strommix für Deutschland 2012

  • Braunkohle: 26%, Steinkohle 18,5%, Kernenergie: 16%, Erdgas: 12%, Wind: 8,1%, Biomasse: 6,2%, PV: 4,2%, Wasser: 3,5%, Öl 1,3%, Sonstige: 4,9%

Quellen

[1] D. Weißbach, G. Ruprecht, A. Huke, K. Czerski, S. Gottlieb, A. Hussein. Energy intensities, EROIs (energy returned on invested), and energy payback times of electricity generating power plants. Volume 52 (Energy), 1 April 2013, Pages 210–221.
[2] Mathematisch lehnt sich der EMROI direkt an den EROI an, wobei Elektrizität mit dem Wichtungsfaktor f multipliziert wird: EMROI = f W / (KEAth + f KEAel), wobei die Indizierung th und el den thermischen bzw. elektrischen Aufwandsanteil kennzeichnet.
[3] "Analysis: Poland to get dirtier as it leans towards lignite coal", Artikel von "NewsDaily" vom 31.07.2013)
[4] Uni Stuttgart (Abb. 3-4)
[5] BMU (S. 46). Dort findet man 5 cent/kWh für 50 MW. Wir hatten 90 MW untersucht, außerdem 100 Jahre statt 60 Jahre Lebensdauer.
[6] Fraunhofer IWES
[7] Fraunhofer ISE
[8] WBGU. Aufpassen mit KWK. Nur "Hauptabnahme Strom" für Mais ist interessant.

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