Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Großwindanlagen

Schutzpflicht des Staates – Infraschall als pars pro toto – Persönliche Haftung von Stadtratsmitgliedern

Aus dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ergibt sich für den Staat die Pflicht, "das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, d.h. vor allem auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren" (z.B. Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 115, 320/346). Die Verletzung dieser Schutzpflicht kann von allen Grundrechtsträgern geltend gemacht werden, "auch von besonders empfindlichen Personen" (Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 2 GG Rn. 91 f.). Selbst dann also, wenn die These zutrifft, dass nur ein bestimmter Ausschnitt aus der Bevölkerung eine Anfälligkeit für die Gesundheitsgefahren des Infraschalls zeige, führte dies somit nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung: Lässt der Staat (in diesem Sinne umfasst der Begriff auch die Kommunen) es zu, dass Großwindanlagen in einem völlig unzureichenden Abstand von teilweise nur wenigen 100 Metern zu menschlichen Wohnungen errichtet werden, verletzt er seinen staatlichen Schutzauftrag und kann für die gesundheitlichen Folgen haftbar gemacht werden.
Vor diesem Hintergrund birgt es große Gefahren auch für Kommunen und ihre Akteure, wenn diese bei ihrer Planung von sog. "Windkraft-Vorrangflächen" bereitwillig den "Abwägungsvorschlägen" der beauftragten Planungsfirmen folgen, die meist zum – dieser Begriff ist wohl inzwischen angemessen – ökologisch-industriellen Komplex gehören. Diese unseriöse Vorgehensweise bringt nicht nur für die Gebietskörperschaften, sondern vor allem auch für die Stadtratsmitglieder persönlich eine Reihe von schwerwiegenden Haftungsrisiken mit sich, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren für den Menschen.
So sind die Dinge leider – nur ein Beispiel von vielen – auch in Ottweiler abgelaufen, einer altehrwürdigen nassauischen Residenz und preußischen Kreisstadt, in der Marschall Blücher sich in seiner berühmten Ansprache an die Bevölkerung wandte, bevor er Wellington nach Waterloo zu Hilfe eilte, um Napoleon endgültig zu schlagen. Trotz ihrer großen Tradition hat die Stadt Ottweiler heute keinen Verwaltungsjuristen mehr, da zu viele Personalmittel durch Parteigänger ohne besondere Befähigung gebunden sind (leider kein Einzelfall in deutschen Kommunen). Das machte anfällig dafür, den "Abwägungsvorschlägen" der planenden Drittfirma geradezu blind zu folgen und diese uno actu ohne Einzelprüfungen in den Flächennutzungsplan zu übernehmen. Damit übernahm die Stadt auch haftungsträchtige Fehler der Planungsvorschläge, was hier für den praktisch wichtigen Fall der Gesundheitsproblematik von Großwindanlagen in Form des Infraschalls gezeigt werden soll: Bei seiner ersten Offenlage enthielt der Entwurf zur Teiländerung des Flächennutzungsplans noch gar keine Einbeziehung des Infraschalls in die Planabwägung. Bei einer zweiten Offenlage wurde dies nachgeholt, aber äußerst mangelhaft – unter Missachtung der Reichweite der Ermittlungspflichten der planenden Gemeinde.
So heißt es: "Schädliche Umweltwirkungen durch Infraschall, der von Windenergieanlagen ausgeht, konnten bisher durch wissenschaftliche Studien nicht belegt werden." (SR/002/2014 v. 10.4.2014, S. 25 Mitte). Diese Aussage ist schlicht falsch und außerdem wird verkannt, dass die staatliche Schutzpflicht für Leib und Leben des Menschen nicht erst dann einsetzt, wenn eine Gefahr endgültig nachgewiesen ist.
Mit bemerkenswerter Ignoranz wird in der Vorlage postuliert, dass in Siedlungen, die 400m (!) von einer Großwindanlage entfernt sind, deren Infraschall zu keinen erheblichen Belastungen der menschlichen Gesundheit führen könne (SR/002/2014 v. 10.4.2014, S. 25 Mitte). Mit keiner Silbe gewürdigt werden z.B. die wichtigen Erkenntnisse zum Infraschall, die bereits in DIN 45680 zusammengefasst waren: "Bei der Ausbreitung der Schallwellen im Freien bewirken Luft- und Bodenabsorption eine erhebliche Pegelabnahme des hochfrequenten Schalls in großen Entfernungen von der Schallquelle. Geräusche bei tiefen Frequenzen können sich jedoch auch über große Entfernungen kilometerweit nahezu ungehindert ausbreiten. Hindernisse, die klein sind gegenüber der Wellenlänge (entspricht beim Infaschall einer Wellenlänge von 17m und mehr), können Schallwellen nicht wirkungsvoll abschirmen. Je größer die Wellenlänge und je kleiner das Hindernis desto geringer ist dessen abschirmende Wirkung." Die Auswirkungen des Infraschalls reichen daher weit über die nach der TA Lärm für höherfrequenten Schall zu ermittelnden Abstände hinaus. Leicht nachvollziehbar ist dieser Effekt, wenn man von der Musik des Nachbarn nur einen besonders unangenehmen "Beat" aus tiefen Tönen und Bässen hört. Entsprechend heißt es in DIN 45680 zum Infraschall weiter:
Hier bitte auf Wunsch des dav im Originalartikel weiterlesen
Wir danken dem dav für die freundliche Genehmigung des teilweisen Nachdrucks.

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