Bild rechts: © Berliner Wetterkarte e. V.
Zunächst einmal gilt es, drei Begriffe sauber voneinander zu trennen, die in der öffentlichen Diskussion immer durcheinandergewürfelt werden. Da ist zunächst das Wetter: es ändert sich von Tag zu Tag oder auch von Stunde zu Stunde – oder auch mal nicht. Dann gibt es den Begriff Witterung: Er beschreibt den Wettercharakter bei unveränderter Wetterlage. Beispielsweise herrschte in diesem November in Deutschland trockene und milde, teils neblige Witterung. (Anderes Beispiel: eine wechselhafte Westwindwetterlage bei uns kann von Tag zu Tag sehr unterschiedliches Wetter bringen. Es herrscht dann eben wechselhafte Witterung. Oder, wie mein Freund Chris Frey zu sagen pflegt: es ist „beständig unbeständig“).
Und dann gibt es natürlich den Begriff Klima: Er beschreibt Wetter und Witterung im Verlauf von Jahrhunderten und Jahrtausenden, wobei man Schwankungen im Zeitmaßstab von Jahrzehnten als Klimavariationen bezeichnet.
Alle drei haben eines gemeinsam: Sie ändern sich ständig! Das war schon immer so, seit die Erde besteht, und wird auch immer so bleiben, solange die Erde besteht! Einziger Unterschied bei den Änderungen ist der unterschiedliche Zeitscale.
In diesem Beitrag geht es also am ehesten um Witterung. Zunächst zur Wetterlage, die sich seit Ende Oktober bemerkenswert stabil verhält: Einem Höhentrog über dem Ostatlantik steht ein Höhenhoch über Ost- und Südosteuropa gegenüber (siehe Bild oben rechts). Deutlich erkennbar ist die Südanströmung der Alpen. Zusätzlich zur dynamischen Hebung durch das Zusammentreffen von warmer und kalter Luft im Bereich der Hauptfrontalzone (Vorticity-Advektion) kommt hier noch die erzwungene Hebung an den Alpen hinzu. Außerdem hat die von Süden heran wehende Luft über dem Mittelmeer viel mehr Feuchtigkeit aufgenommen, als eine entsprechende Strömung vom Atlantik her je enthalten kann.
Diese Feuchtigkeit ist also südlich der Alpen sozusagen aus der Luft herausgefallen. Auf dem Weg über die Alpen kann kaum neue Feuchtigkeit aufgenommen werden, außerdem sorgt das erzwungene Absinken auf der Alpennordseite für Wolkenauflösung – es herrscht dort Föhn. Die Föhneigenschaften verlieren sich mit der weiteren Nordverlagerung dieser Luftmasse, doch fehlen auch dann noch Feuchtequellen. Allenfalls bildet sich bei fehlendem Wind aus der bei uns vorhandenen Bodenfeuchtigkeit Nebel und Hochnebel, aus der die höheren Berge herausragen. Wesentlichen Regen kann es dabei nicht geben.
So weit, so gut – oder schlecht. Man erkläre mir mal, was an dieser Witterung (!) so ungewöhnlich ist, und ob es so etwas bislang wirklich noch nie gegeben hat.
Nun zur Intensität der mit dieser Wetterlage verbundenen Wettererscheinungen. Blättert man in den Statistiken, findet man schnell heraus, dass es südlich der Alpen auch schon mal viel mehr geregnet hat, und zwar bemerkenswerterweise offenbar zu Zeiten, in denen es kälter war als derzeit. Womit wir einen Bogen zum Klima schlagen können.
Klimaschwankungen gleich in welchem Zeitscale machen sich an den Polen, in unserem Falle also in der Arktis, viel stärker bemerkbar als in den Tropen. Das gilt sowohl für den jahreszeitlichen Verlauf als auch für Klimaschwankungen im Bereich von Jahrhunderten. Der jahreszeitliche Temperaturunterschied ist nun mal in der Arktis viel größer als in Afrika. Das bedeutet allgemein: Je kälter die Atmosphäre, umso größer der Temperaturgegensatz zwischen Polen und Äquator! Und je größer der Temperaturgegensatz, umso stärker auch die Wettervorgänge, jedenfalls dort, wo diese unterschiedlichen Luftmassen aufeinandertreffen, also im Bereich der Westwindzone der mittleren Breiten.
Das gilt im großräumigen Maßstab genauso wie im kleinräumigen Bereich. Im großräumigen Bereich, also Europa- Atlantik, äußert sich ein starker Temperaturgegensatz in der Bildung riesiger Orkanwirbel, die es im Sommer überhaupt nicht gibt. Auch diese fallen in einem kälteren Klima noch intensiver aus als in einem milderen Klima bei geringerem Temperaturgegensatz (Ausnahmen bestätigen die Regel, denn der Temperaturgegensatz allein bewirkt noch nicht viel). Im vorigen Winter beispielsweise gab es seit Oktober 2013 praktisch den ganzen Winter über auf dem Atlantik einen Super-Orkanwirbel nach dem Anderen. Immer wieder sank der Kerndruck unter 950 hPa, teils sogar unter 930 hPa. Dies habe ich lange nicht mehr so ausgeprägt gesehen, und man könnte es durchaus als Indiz für eine sich abkühlende Welt sehen. Dies gilt auch dann, wenn eine solche zyklonale Aktivität bei uns eine südwestliche Strömung bringt mit der entsprechenden milden Witterung. Dass das beispielsweise in den USA im vergangenen Winter (und auch ganz aktuell jetzt) noch ganz anders aussah, ist vielleicht noch in Erinnerung.
Und damit zurück zur aktuellen Wetterlage. Es ist zu befürchten, dass – wenn die von seriösen unabhängigen Wissenschaftlern befürchtete (!) Abkühlung noch weitergeht, sich derartige Wettervorgänge noch weiter verstärken. Das gilt auch für sommerliche Gewitterstürme bei uns, die bei größerem Temperaturgegensatz entsprechend stärker ausfallen dürften.
Schlusswort: Auffällig ist in diesem Jahr in krassem Gegensatz zum Vorjahr, dass es auf dem Atlantik, genauer im Bereich Island, praktisch keine richtige zyklonale Aktivität gibt. Vielmehr zeigen die Modelle im Bereich der nächsten 7 Tage (weiter reichen sie nicht!!), dass sich über Nordskandinavien bis nach Island ein umfangreiches und kräftiges Hochdruckgebiet bilden soll. Damit haben milde Luftmassen vom Atlantik keine Chance mehr, nach Mitteleuropa zu gelangen.
Schauen wir mal, ob sich das im Winter fortsetzt. Man lese hierzu noch einmal meinen Beitrag zu den Bauernregeln hier.
Hans-Dieter Schmidt

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