Sehr geehrter Herr Landesbischof Meister,
beim folgenden Brief handelt es sich um einen offenen Brief, da ich mich auf Ihre Aussagen beziehe, die Sie am 28.07.2014 bei der Endlagerdebatte in Hannover öffentlich geäußert haben. Ich beziehe mich aber auch auf Ihr Antwortschreiben, das mir Herr Adler in Ihrem Auftrag hat zukommen lassen. Dafür möchte ich mich hiermit zuerst einmal herzlich bedanken.
Gefreut hat mich die Aussage von Herrn Adler, dass Sie meine fachlichen Beiträge bei ‚achgut‘, ‚eike‘ und auch ’novo-argumente‘ zur Kenntnis genommen haben und das Material in Ihren Materialpool übernommen haben, um meine Argumentation bei den sich Ihnen bietenden Gelegenheiten in Ihre Urteilsbildung einfließen zu lassen. Dies ist leider weder am 28.07.2014 in Hannover noch am 17. bis 29.10.2014 in Loccum geschehen.
Dazu Folgendes: 
Frau Dr. Barbara Hendricks, Ministerin des Bundesministeriums für Umwelt Naturschutz Bau und Reaktorsicherheit, sagte in der RHEINISCH POST vom 21.12.2013 „Wir beginnen jetzt nach strengen wissenschaftlichen Kriterien die Suche nach einem bestmöglichen Endlagerstandort … Für sie als überzeugte Christin sei es immer ‚gotteslästerlich‘ gewesen, dass Menschen dachten, sie könnten etwas für Millionen Jahre garantieren …“ . Damit behauptet diese Dame in aller Öffentlichkeit, dass die bisherige Suche keinen strengen wissenschaftlichen Kriterien genügt habe. Das sollte nicht so stehen bleiben.
Landesbischof Meister von Niedersachsen hat anlässlich der neuerlichen Endlagerdebatte am 28.07.2014 laut HAZ vom 30.07.2014 folgendes Statement abgegeben: „Wenn Naturwissenschaftler meinen, sie könnten über die Wahrheit entscheiden, dann ist das schon der erste Grundirrtum.“
Dies sind nur zwei von zahlreichen Zitaten, mit denen in der Vergangenheit von offizieller evangelischer Seite zusammen mit NGOs wie GREENPEACE, BUND etc. die Geowissenschaften in Bezug zur Endlagerung öffentlich abgewertet, ja verunglimpft werden. Wo bleibt bei der Endlagerung in der Politik und in der evangelischen Kirche in Deutschland Verantwortung und Respekt vor der Natur? Als Naturwissenschaftler sind wir darüber fassungslos, sprachlos und als praktizierender Christ auch traurig. Das Ausmaß an geheuchelter Ignoranz, bewussten Verdrehungen von Sachverhalten sowie zynischen Herabwürdigungen gegenüber einer Wissenschaft, die die Entwicklung der Erde seit Milliarden von Jahren verfolgt, sie immer besser versteht und uns einen sehr detaillierten Einblick in die geologische Vergangenheit aber auch in das physikalisch-chemische Verhalten von Erzen, von Metallen und auch von Uran über Jahrmilliarden gibt, ist in unserer aufgeklärten Zeit unbegreiflich. Werden hier nicht in aller Öffentlichkeit ethische Prinzipien gegenüber aktuellen wissenschaftlichen und technischen Standards verletzt?

Video: „Spuren der Zukunft“ zum natürlichen Kernreeaktor in Oklo Gabun
Unabhängig ob man für oder gegen Kernkraft ist, die durch Kernkraft erzeugten radioaktiven Abfälle müssen langfristig sicher entsorgt werden, wobei uns die Natur gezeigt hat, dass dies grundsätzlich und nachhaltig möglich ist.
 

Oklo: Ancient African Nuclear Reactors
Credit & Copyright: Robert D. Loss, WAISRC

Explanation: The remnants of nuclear reactors nearly two billion years old were found in the 1970s in Africa. These reactors are thought to have occurred naturally. No natural reactors exist today, as the relative density of fissile uranium has now decayed below that needed for a sustainable reaction. Pictured above is Fossil Reactor 15, located in Oklo, Gabon. Uranium oxide remains are visible as the yellowish rock. Oklo by-products are being used today to probe the stability of the fundamental constants over cosmological time-scales and to develop more effective means for disposing of human-manufactured nuclear waste.
Denn vor ca. zwei Milliarden Jahren gab es im heutigen Gabun an der Grenze von Tongesteinen zu Sandsteinen in hoch konzentrierten Uranerzgängen mehrere „Kern-Reaktoren“, die über mehrere hunderttausend Jahre funktionierten. Dabei wurde eine Wärme von rund 100 Milliarden Kilowattstunden frei (bei einem modernen KKW entspricht das einer Betriebszeit von vier Jahren). Ungefähr vier Tonnen Plutonium und rund zehn Tonnen Spaltprodukte sind entstanden. Die bei OKLO gebildeten Spaltprodukte und deren Migration in den Sandsteinen wurden genauestens untersucht. (Siehe bei Google OKLO-Literatur). Die bei dieser natürlichen Kernspaltung natürlich entstandenen Spaltprodukte („radioaktiver Abfall“) sind über sehr, sehr lange Zeiträume direkt neben den Naturreaktoren festgehalten. Dies liefert auch für Ideologen verständlich den Beweis, dass ein langfristiges und nachhaltiges Einschließen dieser Abfälle in der Natur möglich und auch nachgewiesen ist.
Für politische (und kirchliche?) Entscheidungsträger ist es anmaßend, die Schwächen und Ängste der Bürger zu missbrauchen, um sie heimlich, still und leise so zu manipulieren, damit sie die für sie erwünschten Entscheidungen treffen, und nicht diejenigen, die sie mit gesundem Menschenverstand unbeeinflusst selbst getroffen hätten. Diese machtpolitische Taktik (Ideologie?) wird von diesen Entscheidungsträgern für ihre eigenen Zwecke gezielt genutzt, anstatt unsere Mitbürger bewusst an den wachsenden wissensbasierten Kenntnissen von natürlichen und wissenschaftlich-technischen Prozessen informativ und aktiv teilnehmen zu lassen – aus welchen Gründen auch immer.
Die von Ministerin Frau Dr. Hendricks und von Herrn Landesbischof Meister veröffentlichen Aussagen ‚gotteslästerlich‘ und ‚Grundirrtum‘ sind der tatsächlichen Situation nicht angemessen, denn sie führen bei der Öffentlichkeit zu Fehlbotschaften mit entsprechenden Folgen. Ist eine derartige Vorgehensweise unter Beachtung des achten Gebotes gerechtfertigt?

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen nächsten!

Mit freundliche Grüßen
vom gotteslästerlichen und von Grundirrtum geplagten
Helmut Fuchs
P.S. für Interessierte sind weitere Veröffentlichungen zu diesem Thema bei Google unter helmut fuchs geologe zu finden.
Mit dem noch verbleibendem Galgenhumor kann man die heutige Situation in Deutschland nur noch in einem Gedicht zusammenfassen:
Minister Stefan Wenzel lud am 28 Juli ein; ein „großes Gespräch“ sollt‘ es sein.
Im Leineschloss traf sich die Runde, beharkte sich so manche Stunde.
Man labert und man diskutiert – ob dies auch zum Konsens mal führt?
Was ist das Fazit denn gewesen? Man konnte es in der Zeitung lesen:
Statt „Konsens“ nur „Nonsensens“ – leider! Nur Rechthaberei –
bringt die uns weiter?
Wer löst die Fragen aller Fragen, die ungelöst in all den Tagen?
Wo bleibt der Müll, der atomare? Hier gibt es Streit schon viele Jahre!
Ich sehe für die Lösung schwarz! Beginnt die Suche man am Harz?
Versucht man es am Nordsee-Strand? Oder anderswo im Land?
Der Schwarzwald käme auch in Frage – dort im Granit, tief unter Tage…
Doch unser Landesbischof Meister reaktiviert nun alte Geister,
indem er lautstark konstatiert: Die Wissenschaft hat sich geirrt!
Die Theologie besitzt die Wahrheit – das sage ich in aller Klarheit.
(Galileo musst‘ es einst schon spüren und seine Thesen revozieren…)
Gemeinsam gehen sie jetzt ran: Bei „Null“ fängt alles wieder an.
Die Theologen vorneweg; zieh’n sie die Karre aus dem Dreck?
Gestützt von Greenpeace, NABU, BUND; läuft künftig dann die Sache rund?
Bin schon gespannt, ob das was bringt und ob es wirklich jetzt gelingt,
zu einem Standort „ ja“ zu sagen, statt alte Schlachten neu zu schlagen!
Rudolf Eberhart, Hannover
P.S.
Hintergrund
Leserbrief in der F.A.Z vom 31.07.14 „GORLEBEN SOLL LEBEN“ von Klaus Brunsmeier, Stellv. Vorsitzender des BUND und MITGLIED DER KOMMISSION HOCH RADIOAKTIVE ABFÄLLE.
„ … Denn jenseits aller politischen Fehler, die gemacht wurden, hält Gorleben einer geologischen Überprüfung schlicht nicht stand. So hat der Geologe Jürgen Kreusch den Salzstock als möglichen Endlagerstandort anhand der Kriterien untersucht, die die Bundesanstalt für Geowissenschaften (BGR) aufstellte, um Salzformationen für die Endlagerung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu bewerten. Eindeutiges Ergebnis: Der Salzstock Gorleben ist diesen amtlichen Kriterien zufolge nicht als untersuchungswürdig anzusehen. Der ehemalige Fachbereichsleiter für Endlagerung im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und heutiges Mitglied der Atommüll-Kommission Ulrich Kleemann weist in einer weiteren Studie nach, dass der Salzstock in Gorleben nicht einmal in die engere Auswahl hätte gelangen dürfen. …“
Meine Antwort auf oben zum Teil zitierten Leserbrief von Herrn Brunsmeier BUND lautet in der F.A.Z vom 14.08.14 „GORLEBEN – DIE IDEOLOGIE HAT GESIEGT“ von Helmut Fuchs, Geologe
Zum Beitrag „Gorleben soll leben“ (F.A.Z. vom 31. Juli) von Herrn Brunsmeier vom BUND erübrigt sich ein fachliches Kommentar, denn er zeugt von  Unwissenheit. Über die Eignungshöffigkeit von Gorleben gibt es bisher keine fachlichen Zweifel, wie in der Studie „Vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben“ der GRS vom März 2013 deutlich dargestellt wird. Dieser wichtige Bericht wird in dem langen Kommentar bewusst oder unbewusst nicht erwähnt, obwohl er bei Google in voller Länge zu finden ist.
Herr Brunsmeier stützt sich bei seiner Bewertung dagegen ausschließlich auf die kurzen Gutachten von Herrn Kreusch (Greenpeace) und Herrn Kleemann (Rechtshilfe Gorleben), in denen nur geologische Einzelthemen angesprochen werden. Die veröffentlichte Stellungnahme der BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) zu diesem Bericht lautet: „Die in der Studie von Kleemann enthaltenen Aussagen, mit denen vermeintliche Fehlinterpretationen der BGR belegt werden sollen, können einer fachlich-inhaltlichen Überprüfung nicht standhalten. Sie stützt sich im Wesentlichen auf eigene und teilweise aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen aus den vier zusammenfassenden Gorleben-Bänden der BGR. Dabei wird kaum Bezug auf die mehrere hundert zugrunde liegende Fachberichte der BGR genommen. Eigene wissenschaftliche Leistungen, wie zum Beispiel eigene Untersuchungen, werden vom Autor nicht dargestellt.“
Ein weiterer Hinweis für die wohl gewünschten Fehlinformationen von Herrn Brunsmeier ist die Tatsache, dass er nicht die Ergebnisse der „Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben“ nennt. Denn der zusammenfassende Bericht ist 424 Seiten lang. Er fasst die Ergebnisse von 15 Arbeitspaketen zusammen, die auf insgesamt 20 Einzelberichten der GRS und 5 Einzelberichten der BGR basieren. Sie umfassen insgesamt 5628 Seiten. Alle Einzelberichte der VSG sind von ausgewiesenen Fachleuten erstellt, die nicht von den Abfallverursachern bezahlt wurden. Eines der wichtigen Ergebnisse der VSG-Studie lautet (Seite 288): „Aus den im vorangegangenen dargelegten Gründen wird davon ausgegangen, dass die Anforderungen an die langzeitsicherheitsgerichteten Nachweise, soweit diese den dauerhaften Einschluss der aus den Abfällen stammenden Radionuklide betreffen, auf konzeptioneller Basis umgesetzt wurden …“ Auch wenn der zusammenfassende Bericht nicht einfach zu lesen ist, sollten sich Politiker und Gegner von Gorleben, wenn sie sich zur Qualität des Projektes äußern, so ehrlich sein, zumindest die aussagekräftigen Bewertungen zu den einzelnen Kapiteln zur Kenntnis zu nehmen. Aus rein gesellschaftspolitischen Gründen kann man dann trotzdem mit allen Konsequenzen dagegen sein.
Der F.A.Z muss man für die Veröffentlichung derartiger Leserbriefe vom BUND dankbar sein. Denn er zeigt der Öffentlichkeit anschaulich, wie bei Gorleben – einmalig in Deutschland – Ideologie über die Geologie (Wissenschaft) gesiegt hat.
Verkürztes Literaturverzeichnis zu OKLO
Bodu, R., Bouzigues, H., Morrin, N. & Pfiffelmann, J.P. 1972: Sur l´existence d´anomalies isotopiques recontrées dans l´uranium du Gabon. Acad. Sci. Paris, Contemptes Rendus v. 275 p. 1731-1732.
Bonhomme, M, Gauthier-Lafaye, F. & Weber, F. 1982: An example of lower Proterozoic sediments: The Francevillain in Gabon. Precambrian Res. V.18, p. 87-102.
Cowan, G. A. 1976. A Natural Fission Reactor, Scientific American, 235:36.
Gauthier_Lafaye, F. & Weber, F. 1989: The Francvillian (Lower Proterozoic) Uranium Ore Deposits of Gabon. Econ. Geol. 84, p. 2267 – 2285.
Gauthier-Lafayette, F., Weber, F. & Ohmoto, H. (1989): Natural Fission Reactors of Oklo. Econ. Geol. 84, 2286 – 2295.
GRS Naturreaktor Oklo: Google
Hagemann, R., Lucas, M., Nief, G. & Roth, E. 1974. Mesures isotopiques du rubidium et du strontium et essais de mesure de l´age de la mineralisation de l´uranium du réacteur naturel de l´Oklo. Earth Planet. Sci. Letters, V.23, p. 170 – 176.
Hohenberg C. M., O. V. Pravdivtseva: Record of Cycling Operation of the Natural Nuclear Reactor in the Oklo/Okelobondo Area in Gabon In: Phys. Rev. Lett. 93, 182302 (2004)
John de Laeter Centre – Natural Reactors: jdlc.curtain.edu.au
Lancelot, J.R., Vitrac, A. & Allegre, C.J. 1975. The Oklo natural reactor: Age and evolution studies by U-Pb and Rb-Sr systematics. Earth and Planet. Sci. Letters V 25, p. 189 – 196.
Lovelock, J. 1991. Das Gaia-Prinzip. Artemis, Zuerich, Muenchen, p. 166f.
Meshik A. P. Meshik, C. M. Hohenberg, O. V. Pravdivtseva: Record of Cycling Operation of the Natural Nuclear Reactor in the Oklo/Okelobondo Area in Gabon In: Phys. Rev. Lett. 93, 182302 (2004),
Hohenberg C. M., O. V. Pravdivtseva: Record of Cycling Operation of the Natural Nuclear Reactor in the Oklo/Okelobondo Area in Gabon In: Phys. Rev. Lett. 93, 182302 (2004)
Naudet, R. 1978a. Etude paramétrique de la criticité des réacteurs naturels. in: The natural fission reactors. Int. Atomic Energy Agency, Wien, p. 589-600.
Naudet, R. 1978b. Conclusion sur le déroulement du phénomène. in: The natural fission reactors. Int. Atomic Enetgy Agency, Wien, 715-734.
OKLO -American Nuclear Society: www.ans.org/pi/np/oklo
Ries, Gunar 2011 der natürliche Reaktor von Oklo inLagerstätten /Rohstoffe, SciLogs
Weber, F. 1968: Une série du precambrienne du Gabon: Le Francevillian. Sédimentologie, géochimie, relations avec le gites minéraux associés. Strasbourg, Services Cartes Géol. Alsace-Lorraine Mém. 28, 328 p.
Dr. Helmut Fuchs
Verteiler: Landesbischöfe, EKG Deutschland, Mitglieder der Endlagerkommission, NOGs Politiker, Sonstige, Presse!

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken