Am besten illustriert dieser Versuch, auch dem Schlechten noch etwas Gutes abzugewinnen, schon der Titel. In Anlehnung an Willy Brandts erste Rede als frisch gewählter Bundeskanzler mit dem Satz:“ Mehr Demokratie wagen“ wurde der Titel gewählt „Mehr Energie wagen“. Dass Willy Brandt mit diesem, nicht nur von seinen Anhängern umjubelten Satz, keineswegs die Einführung der direkten Demokratie meinte, sondern in erster Linie den Einfluss der Verwaltung vergrößern und die Staatsquote hochfahren wollte und auch  fuhr, erschloss sich – wie auch der Rezensent zähneknirschend und tief bereuend, zugeben muss- den betroffenen deutschen Zahlern erst später.
Doch anders als vermutlich Willy Brandt, meint der Autor es ehrlich, zumindest dahingehend, dass er viele alternative Quellen der Energieerzeugung detailliert auf ihre Stärken und Schwächen untersucht und Handlungsanweisungen für die Politik vorgibt, die durchaus rational sind. Titel und Untertitel „Mehr Energie wagen“ und „Plädoyer für eine erfolgreiche Energiewende“ lassen zunächst ein „Pro-Buch“ vermuten. Lediglich das auf dem Cover dargestellte brennende Windrad passt nicht zu dieser Schublade.
Den scheinbaren Widerspruch versucht Patzner wird im Buch aufzulösen. Patzner nimmt eindeutig Stellung zum Konzept der bundesdeutschen Energiewende, da lässt er praktisch kein gutes Haar dran. Er findet aber eine ganze Reihe von Gründen, die eine Energiewende ratsam erscheinen lassen. Ob die zutreffend sind oder nicht, darüber kann oder sollte man sogar streiten. Sein Grundtenor lautet demnach: Energiewende ja – aber richtig. Eine Vorgehensweise, die man gutheißen kann, wenn man davon überzeugt ist, dass „es sooo nicht weitergehen kann“. Eine Überzeugung, der sich der Rezensent nicht anschließen kann, aber die von vielen auch in der Sache kompetenten Leuten durchaus geteilt wird.
Die meisten „contra-Bücher“ erläutern mehr oder weniger ausführlich die technischen Unzulänglichkeiten der Energiewende, die ordnungspolitischen Fehler, die ökologischen Folgen oder die höchst fragliche Begründung der Energiewende, nämlich die angebliche CO2-indizierte Klimaänderung.
Erweitert werden im vorliegenden Buch diese Themen durch einen Ausflug in die ideologischen und politischen Auseinandersetzungen der letzten 50 Jahre. Patzner beginnt bei den Ideen der sog. „68er“ und endet bei der durch die opulenten Segnungen des Erneuerbaren Energiegesetzes entfachten Gier, sich an der Energiewende zu bereichern.
Für Patzner ist die Energiewende nichts anderes als ein Vehikel der in den 1968er Jahren lautstark vernehmbaren „Systemüberwinder“, die im Zuge ihres „Marsches durch die Institutionen“ endlich einen Hebel gefunden haben, die ungeliebten Energieriesen in die Knie zu zwingen. „Strukturwandel in der Energieerzeugung“ oder „dezentrale Energieerzeugung“ ist genauso untauglich wie „dezentrale Automobilherstellung“. Schon Mao-Tse-Tung ist mit seinen dezentralen Stahlkochern gescheitert.
Kombiniert wird diese ideologische Grundströmung mit den Drohkulissen einer angeblichen Klimakatastrophe, einem undefinierten Naturschutz, Antiatomhysterie und religiösen Leerräumen.
Patzner mutmaßt allerdings, dass es die Ideologen bei der Energiewende allein nicht belassen werden. Er verweist auf Traktate von leider sehr einflussreichen Instituten, die die gesamte „industrielle Zivilisation“ über Bord werfen wollen. Patzner befürchtet hinter diesem Geflecht von Ideologen, militanten Umweltschützern, Atomgegnern und Profiteuren die „brisante Mischung“ für eine drohende Ökodiktatur und mahnt zur Wachsamkeit. Die Politik scheint nicht mehr in der Lage zu sein, diesen Kräften Herr zu werden.
Als Ingenieur will er diese Dinge nur anreißen und schlägt vor, dass unabhängige Wissenschaftler sich intensiver mit dieser doch erschreckenden Entwicklung beschäftigen mögen.
Statt einer angeblichen Klimakatastrophe gibt es laut Patzner zahlreiche ernstere globale Bedrohungen und kommt zu dem verblüffenden Ergebnis, dass die meisten dieser Gefahren mit dem Einsatz von mehr Energie klar abwendbar seien. Ja, im Gegensatz zu den Umweltbewegten aller Parteien sogar Voraussetzung für ihr Gelingen ist. Im Gegensatz zu der Forderung, den globalen Energieverbrauch auf dem heutigen Niveau einzufrieren bzw. sogar zu senken, müssen wir „mehr Energie wagen“. Alles andere führe in die globale Katastrophe. Der Zugang zu billiger (nicht „bezahlbare“ Energie, bezahlbar ist ein Rolls Royce auch, für den der das Geld dafür hat) Energie ist die Voraussetzung jeglichen Wohlstands und dieser wieder für eine intakte Umwelt und die Vermeidung von Kriegen.
Ein weiteres Thema sind die globalen Interessenlagen, geprägt von Billionenumsätzen und nationalen Reichtümern, die jede „Energiewende“ gleich welcher Art, bereits im Keim zu ersticken versuchen.
Patzner legt dar, wenn auch nicht sehr überzeugend, dass mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten eine Energiewende – wenn auch beschränkt – möglich sei. Die Ausführungen stehen unter der hypothetischen Prämisse der Richtigkeit der CO2 – bedingten Klimaänderung. Mit Windenergie oder mit Photovoltaik geht es ganz sicher nicht. Patzner stellt mehrere andere Technologien vor.
Den Schlüssel zu einer allseits befriedigenden Energiewende sieht Patzner in einer Intensivierung der Forschung und beklagt, dass die in Deutschland behindert würde.
Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch bzw. eine Pflichtlektüre für alle, die sich mit dem Thema der Energiewende auseinandersetzen wollen, und an die Notwendigkeit eines „Energiemixes“ glauben, also vor allem für Entscheidungsträger in der Politik, für Bürgermeister, Landräte und Ministerpräsidenten. Patzner versucht, den Blick über den Tellerrand zu lenken und stellt die Energiefrage in einen größeren Kontext globaler Probleme.
Buchtitel: „Mehr Energie wagen – Plädoyer für eine erfolgreiche Energiewende“
Autor: Norbert Patzner
Vorwort: Enoch zu Guttenberg
Verlag: Wittgenstein-Verlag, ISBN-Nr. 978-3-944354-28-6

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