«Zudiener von Politikern» : Thomas Stocker.
Wie ein Prediger droht er mit der Apokalypse. Der weltbekannte Klimaforscher kündet von verheerenden Dürren und zerstörerischen Unwettern, vom Aussterben der Arten und vom Abschmelzen allen Eises in Grönland, was dazu führe, dass die wichtigsten Städte der Welt im anschwellenden Meer versänken.
Thomas Stocker, Professor für Klimaphysik an der Uni Bern, tritt am Donnerstag, 4. September, zwischen 13.30 und 14.40 Uhr am Swiss Energy and Climate Summit auf: Gemeinsam mit zwei Kollegen präsentiert er gemäss Programmheft «erstmals Auszüge aus dem im Oktober zu erwartenden Synthese­bericht [des Uno-Klimarates IPCC, Anm. der Red.]». Den Entwurf zu diesem Bericht kann derzeit nur ein kleiner Kreis von Experten einsehen, das Referat lag der Weltwoche nicht vor. Doch sein Inhalt und auch seine Tonlage lassen sich risikolos voraussagen.
Die Synthese fasst eigentlich nur die drei Berichte zusammen, die der Klimarat veröffentlicht hat, seit Thomas Stocker als Vorsitzender im September 2013 in Stockholm den ersten Teil zu den physikalischen Grundlagen des Klimawandels vorstellte. Die wissenschaft­lichen Erkenntnisse liegen alle vor, sorgfältig nach Unsicherheiten untersucht, auf Widersprüche abgeklopft und nach Bedeutung gewichtet, aber auf Drängen von Stocker auch bereits zu simplen Alarmbotschaften zugespitzt – obwohl viele Fragen offener sind denn je.
So glaubt das IPCC: Der Klimawandel seit 1950 ist mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent, und nicht wie bisher nur von 90 Prozent, menschengemacht.
Schon bei den drei Teilberichten rüttelten vereinfachende Zusammenfassungen die Politiker auf. Trotzdem braucht es nochmals eine Synthese. Vom 1. bis zum 12. Dezember findet in ­Lima die nächste grosse Klimakonferenz statt, eine entscheidende: Die Delegationen samt Regierungschefs müssen die Konferenz von Paris im nächsten Jahr vorbereiten, an der alle Staaten ein Abkommen schliessen sollen, das sie zur Begrenzung ihres CO2-Ausstosses verpflichtet – die Chance, dass es zustande kommt, strebt aber gegen null. Der Entwurf des Synthese­berichts liegt derzeit zur Begutachtung bei den Regierungen. Ende Oktober feilschen die Spitzen des IPCC in Kopenhagen darum, Anfang Dezember stellen sie ihn in Lima den Politikern vor. Da sind dramatische Botschaften gefragt, um die Weltöffentlichkeit zu erwecken.

Gezielte Indiskretionen

Zur PR-Strategie gehören auch gezielte Indiskretionen. So verfügt die New York Times, stets verlässlich, wenn es um Klima-Alarmismus geht, bereits über den vertraulichen Entwurf.
«In schonungsloserer und eindrücklicherer Sprache als die Berichte, auf denen die Synthese beruht, betont der Entwurf die Dringlichkeit der Risiken, zu denen der anhaltende Ausstoss von Treibhausgasen führt», schreibt das Weltblatt. So warne der Bericht, die globale Temperatur nähere sich bereits dem Punkt, da sich der Verlust des gewaltigen Eisschildes über Grönland nicht mehr verhindern lasse: «Das Abschmelzen würde zwar Jahrhunderte dauern, aber es liesse sich nicht mehr aufhalten und könnte, zusammen mit anderem Schmelzwasser, zu einem Anstieg des Meeresspiegels um sieben Meter führen, also zur Überschwemmung der wichtigsten Weltstädte.»
Die Autoren der Synthese, zu denen wie immer auch Umweltaktivisten gehören, müssen mit einer Apokalypse drohen, die kein Zeitgenosse erleben wird. Denn sie haben ein Pro­blem: Ohne den Alarm der Forscher käme niemand auf die Idee, dass sich das Klima gefährlich wandelt. Die Erde heizt sich seit bald zwei Jahrzehnten kaum mehr auf, und diese «Erwärmungspause» könnte gemäss neusten Studien dreissig Jahre dauern.

Die gemessenen Temperaturen liegen deshalb seit geraumer Zeit unter allen, die das IPCC in den letzten zwanzig Jahren voraussagte;
zahllose Forscher mit millionenteuren Modellen haben sich blamiert.

Schon bisher zeigten die Chinesen, die Inder oder die Brasilianer keinerlei Willen, die Warnungen des Klimarates ernst zu nehmen, also ihren CO2-Ausstoss einzuschränken. Jetzt wehren sich auch die Australier, die Kanadier oder die Japaner gegen Massnahmen, und selbst in der vorbildlichen EU warnen immer lautere Stimmen vor deren wirtschaftlich verheerenden Folgen.
In den USA muss Präsident Barack Obama gar in Diktatorenmanier den Kongress ausschalten – der das weniger weit gehende ­Kioto-Protokoll von 1997 nicht einmal behandeln wollte –, um ein Abkommen durchzu­drücken. Alle bockenden Politiker soll der Synthesebericht des IPCC gemäss New York Times in der Hinsicht aufschrecken, «dass das Risiko von abrupten und irreversiblen Klimaänderungen steigt».
Das Problem haben gerade auch die Schweizer Forscher, die weltweit zu den lautesten und rührigsten zählen:
Einerseits müssen sie Studien verteidigen, die eigentlich gemäss den Grundregeln der Wissenschaft als falsifiziert in den Papierkorb gehörten.
Anderseits müssen sie Resultate von eigenen Forschungsarbeiten herunterspielen, die ihren Dogmen widersprechen.
Rechtfertigen muss sich vor allem Reto Knutti, einst Doktorand von Stocker, jetzt Professor an einem eigens für ihn geschaffenen ETH-Institut: Der weltweit führende Spezialist für Klimamodelle arbeitete als Sekundant seines Doktorvaters massgeblich am neuen ­IPCC-Bericht mit – dabei lag er mit seinen Prophezeiungen von stark ansteigenden Temperaturen so falsch wie alle anderen Experten. Mit einer vor zwei Wochen veröffentlichten Studie will er deshalb erklären, «warum die Klimaerwärmung Pause macht».
Erstmals, verkündete die ETH, habe Reto Knutti «alle gängigen Hypothesen gemeinsam und systematisch untersucht»,

weshalb sich die Erde seit 1998 kaum mehr erwärmt – was die tonangebenden Forscher übrigens bis letztes Jahr bestritten.

Als Ursache finde er ­einerseits die Meeresströmungen El Niño ­(erwärmend) und La Niña (abkühlend) im Pazifik, andererseits Schwankungen in der Sonnenaktivität. Wenn man die Modelldaten um diese Naturphänomene nach unten und die Messdaten, die angeblich zu tief sind, nach oben korrigiere, «stimmen Modell und Beobachtung ausgesprochen gut überein» – nach dem bewährten Grundsatz der Klimaforscher:

Was nicht passt, wird passend gemacht.

Trotz Erwärmungs­pause gebe es deshalb keinen ­Anlass, «an den neusten Klimamodellen zu zweifeln».
Das bescherte dem unfehlbaren Propheten allerdings weltweit mehr Hohn als Lob. ­«Offensichtlich dämmerte den Autoren nicht, dass sie mit wirklich soliden Modellen ihre Vorhersagen nicht aufgrund neuer Beobachtungen anpassen müssten», spottete der amerikanische Think-Tank Science & Environmental Policy Project. «Ungewollt beweist die Studie gerade einmal mehr, dass das IPCC falschlag, als es seine Behauptungen mit 95-prozentiger Sicherheit verkündete.» Vor allem wiesen auch andere Experten darauf hin, dass die Erwärmung oder die Abkühlung der Ozeanströmungen und die Schwankungen der Sonnenaktivität in regelmässigen Zyklen auftreten und sich deshalb über Jahrhunderte beobachten lassen

der Klimarat weigert sich aber erbittert, diesen Naturphänomenen einen nennenswerten Einfluss auf das Klima zuzugestehen.

Sonne als Klimafaktor

Dabei deuten gerade jüngste Studien von Schweizer Forschern darauf hin, wie stark dieser Einfluss sein könnte. Fortunat Joos, Professor an der Uni Bern, zeigte mit einem internationalen Forscherteam in einer umfassenden Studie, dass die Sonne zwischen 1950 und 2009, also in der Phase mit einer angeblich einzigartig schnellen Erderwärmung, so stark schien wie nie in den letzten 3000 Jahren (Weltwoche Nr. 33/14). Jürg Beer, Professor am ETH-Forschungsinstitut Eawag, machte bei einem Projekt mit, das die Sonnenakti­vität anhand von Eis aus Grönland bis mehr als 20 000 Jahre zurück untersuchte und herausfand, dass die Sonne das Klima stark beeinflusste. Und Thomas Stocker legte schon letztes Jahr mit Berner Kollegen eine auf­sehenerregende Studie vor, die den Einbruch der kleinen Eiszeit im 15. Jahrhundert mit Sonnenaktivität, Vulkanausbrüchen und Ozeanströmungen erklärte. Sowohl die mittelalterliche Warmphase wie die Kleine Eiszeit leugnete das IPCC übrigens bis vor zehn Jahren – der Verantwortliche, der amerikanische Forscher Michael Mann, zerrt derzeit seine Kritiker vor Gericht.
Die Wissenschaftler stellen Hypothesen auf, überprüfen sie und verwerfen sie, wenn sie sich mit den Beobachtungen nicht bestätigen lassen:

Als (vorläufige) Wahrheit gilt nur, was alle Widerlegungsversuche übersteht. Die Klimaforscher dagegen arbeiten seit einem Vierteljahrhundert daran, mit allen Mitteln ihre ­Theorie zu beweisen. Wenn sie dabei scheitern, denken sie sich – wie Reto Knutti – flugs eine neue Hilfshypothese aus. Denn dass ihre ­Theorie nicht stimmen könnte, darf nicht sein und kann deshalb nicht sein.

«Hätte das Holz gar nicht finden dürfen»

Umso gereizter geben sich die Klimaforscher, wenn einer aus ihrer Gemeinschaft die Glaubenssätze in Frage stellt. So führte der Bund im Juni ein Gespräch mit dem Berner Geologen Christian Schlüchter, der mit Holzfunden nachwies,

dass vor Jahrtausenden in den Alpen Wälder wuchsen, wo es heute noch Gletscher gibt.

«Ich hätte das Holz gar nicht finden dürfen», sagt der emeritierte Professor; die Kollegen ächteten ihn wegen seiner Zweifel an ihrer Theorie. Umso lauter äussert sie Christian Schlüchter jetzt:

«Viele Naturwissenschaftler sind heute Zudiener von Politikern, aber nicht mehr Naturwissenschaftler, denen es um ­neues Wissen und um Daten geht.»

Und er spottete über die Warnungen des Klimarates: «Die Erfindung des Teufels war die grandioseste Erfindung, die die Menschheit je gemacht hat. Man kann viel Geld machen, wenn man ihn an die Wand malt.»
Die Getroffenen heulten auf. «Es gibt eine einfache quantitative Erklärung für den weltweit dokumentierten Gletscherschwund», hämmerte Thomas Stocker dem Gletscherfachmann in einer Entgegnung ein: «den vom Menschen verursachten Klimawandel, also den Anstieg der CO2-Konzentrationen, die zur Erwärmung führen.» Christian Schlüchter verschweige, dass der menschengemachte Klimawandel mehrere Jahrhunderte dauere und zu irreversiblen Änderungen führe. «Das leistet der Verharmlosung des globalen Klimawandels und seiner regionalen Auswirkungen Vorschub. Gerade von Wissenschaftlern erwartet die Öffentlichkeit fundierte und verlässliche Informationen, inklusive der dazugehörigen Unsicherheiten
Daran wird sich Thomas Stocker bei seinem Auftritt am Swiss Energy and Climate Summit in Bern selbstverständlich halten.
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Anmerkung EIKE-Redaktion :
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in WELTWOCHE Zürich:
| Die Weltwoche, Ausgabe   36/2014 | 4. September 2014 ; http://www.weltwoche.ch/
EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE für die Gestattung des ungekürzten Nachdrucks.
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