Bild rechts: EE-Zukunftsperspektiven: Abgebrannte Windenergieanlage in la Drôme, Frankreich [FRA]

Das deutsche Wechselstromnetz ist ein vom Funktionsprinzip her instabiles System, in das mehr als eine Million Produzenten Strom einspeisen, während gleichzeitig Millionen von Verbrauchern erwarten, dass sie jederzeit jede gerade benötigte Menge Strom daraus beziehen können. Da Wechselstrom nicht direkt gespeichert werden kann, hängt die Stabilität der Versorgung entscheidend davon ab, dass Einspeisung und Verbrauch von Strom jederzeit ziemlich genau gleich groß sind. Das System reagiert schon auf vergleichsweise kleine Abweichungen sehr empfindlich mit Schwankungen der Netzfrequenz. Um dies auszugleichen, müssen die Netzbetreiber Produktion und Verbrauch ständig präzise überwachen und Ungleichgewichte durch Erhöhung oder Verringerung der Erzeugung von Kraftwerken ausgleichen. Reaktionen müssen dabei oft blitzschnell innerhalb von wenigen Minuten oder gar Sekunden erfolgen. Die Tätigkeit der Schaltwarten ähnelt dabei der von Jongleuren, die jedoch nicht nur ein paar wenige, sondern gleich hunderte von Bällen gleichzeitig in der Luft halten müssen.

Teure Regelenergie…

Während der Handel mit „normalem“ Strom heute weitgehend über die Börsen läuft, gelten für die Beschaffung von Regelenergie, die zum Ausgleich nicht geplanter Versorgungsschwankungen benötigt wird, ganz andere Vorschriften [BUDE]. Grundsätzlich müssen sich Kraftwerke, welche Regelenergie liefern wollen, an einer entsprechenden Ausschreibung beteiligen und Gebote in der Hoffnung abgeben, dass sie im Bedarfsfall dann auch zum Zuge kommen. Insgesamt liegt der Bedarf aller deutschen Netzbetreiber an Regelleistung bei ca. 7.400 MW.

Bild 1: Reaktionszeiträume für die Bereitstellung von Regelenergie und die entsprechenden Bezeichnungen im deutschen Netz (Grafik: [REGE])

Da Regelenergie grundsätzlich kurzfristig – bei Primärregelleistung quasi sofort – benötigt wird, liegt ihr Preis meist deutlich über dem an der Strombörse üblichen Niveau. Je nach Versorgungslage im Stromnetz berechnen die Lieferanten für eine Kilowattstunde manchmal bis zu 1,50 Euro – etwa fünfmal mehr, als Endverbraucher zahlen – [CARE, REGE]).

Genaue Zahlen sind schwer zu bekommen. Als Anhaltspunkt kann man Angaben aus Österreich heranziehen, einem Land, dessen Bevölkerung und dessen Strommarkt etwa um den Faktor 10 kleiner sind als Deutschland. Dort hat Regelenergie zum Ausgleich von Kurzfristschwankungen im Netz allein 2012 140 Mio. € gekostet, 65 Mio. mehr als noch zwei Jahre zuvor. Rechnet man diese Zahlen auf das viel größere deutsche Stromnetz um, so kommt man auf rund 1,5 Mrd. € im Jahr – Kosten, die der Verbraucher gar nicht zu sehen bekommt, weil sie in den Netzentgelten versteckt sind. Und die Tendenz ist stark steigend, wie das vorgestellte Beispiel (+ 43 % im Jahr) zeigt [STAN]. In einem deutschen Blogeintrag wird eine Steigerung der Netzgebühren (Jahresleistungspreissystem) von 0,95ct/kWh im Jahre 2011 auf für 1,93ct/kWh2014 angeführt [STST].  

Sachverstand?

Kaum ein Urteil dürfte die derzeitige deutsche Energiepolitik treffender und zugleich vernichtender charakterisieren als das folgende Zitat aus dem kürzlichen Jahresgutachten 2013/ 2014 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel „Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik“ [WIGU], wo es heißt: „Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde von der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP die beschleunigte Energiewende ausgerufen. Dieses Großprojekt wird derzeit ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept verfolgt.“

zum Ausgleich von Schwankungen aus Wind- und Solarstrom

Die Frage, warum so viel Regelenergie benötigt wird und warum der Bedarf und damit die Kosten so steil nach oben gehen, lässt sich leicht beantworten: Man braucht sie vor allem zum Ausgleich des schwankenden Angebots an „erneuerbarem“ Strom aus Wind- und Solarkraftwerken, deren Produktion von jeder Wolke und jedem Windstoß beeinflusst werden. Bei konventionellen Kraftwerken ist das anders: Wenn dort der Regler um 9.00 Uhr auf 845 MW eingestellt wird, dann wird die Anlage von diesem Zeitpunkt an diese Leistung konstant halten, bis die Einstellung geändert wird.

Als Beispiel für die aktuelle Situation in Deutschland kann die Stromproduktion im Dezember 2013 dienen, einem Monat, der sich zur grossen Freude der EE-Vertreter durch eine überdurchschnittliche „Windernte“ auszeichnete. Das Gesamtstromaufkommen in diesem Monat zeigt Bild 2.

Bild 2. Stromerzeugung in Deutschland im Dezember 2103. Die wild gezackten roten Kurven verdeutlichen, in welchem Ausmass konventionelle Kraftwerke gezwungen waren, das schwankende Angebot von Wind- und Solarstrom auszugleichen (Daten: [EEX])

Prognoseabweichungen – der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Wie bereits erwähnt, liefern konventionelle Kraftwerke für genau definierbare Zeiträume exakt festgelegte Strommengen ins Netz. Dank moderner elektronischer Systeme zur Datenerfassung und Regelung sind Schwankungen faktisch kein Thema. Ganz anders beim Wind- und Solarstrom. Zwar wird seitens der Vertreter der EE-Energien oft behauptet, die Produktion aus solchen Quellen lasse sich heute mit hoher Sicherheit vorhersagen und Schwankungen einzelner Standorte würden durch die grossräumige Verteilung ausgeglichen. Das stimmt jedoch nicht, wie ein Blick auf die Realität sofort beweist. Bild 3 stellt die Unterschiede zwischen den Prognosen und der tatsächlichen Leistungsbereitstellung der deutschen Wind- und Solaranalgen im Dezember 2013 grafisch dar.

Bild 3. Abweichungen zwischen Prognosedaten  und tatsächlicher gemeinsamer Leistung von Wind- und Solarstrom im Dezember 2013 (Daten: [EEX])

Da die beiden Quellen vom Wetter unterschiedlich beeinflusst werden, wurden sie bei dieser Betrachtung der Fairness halber kumuliert betrachtet, d.h. da, wo sich ihre Schwankungen gegenseitig kompensierten, wurde dies entsprechend berücksichtigt. Die Kurve verdeutlicht die Unzuverlässigkeit der Prognosen: An vielen Tagen muss zum Ausgleich der Abweichungen kurzfristig positive oder negative Regelleistung in einer Größenordnung von mehr als 1000 MW beschafft werden. Das entspricht der Leistung eines konventionellen oder nuklearen Großkraftwerks.

Was bringt die Zukunft?

Das Interessante an diesen Fakten ist nicht so sehr der aktuelle Umfang der Prognoseabweichungen – er liegt immer noch deutlich unterhalb der vorgesehenen Reserven -, sondern die künftige Entwicklung, falls der Ausbau so fortgeführt wird, wie es die aktuellen Energiewendeplanungen bis 2050 vorsehen. Im Jahr 2013 lag der Solaranteil an der Jahresstromerzeugung bei 4,7 %, während der Windanteil 8,4 % erreichte. Die aktuellen Planungen sehen 35 % EE-Stromanteil bis 2025 und von 80 % bis 2050 vor. Da die sonstigen „Erneuerbaren“ Energien weitgehend ausgereizt sind, dürfte der weitere Ausbau im Wesentlichen bei Wind und Solar stattfinden. Bezüglich der Projektion der wahrscheinlichen Entwicklung des Strombedarfs wurde vereinfachend angenommen, dass die „normale“ Stromerzeugung auf dem Niveau des Jahres 2012 von 629 Terawattstunden (TWh) mehr oder weniger unverändert verharrt. Zusätzlich zu berücksichtigen ist allerdings die von der Bundesregierung gewünschte Umstellung des Verkehrs auf Elektromobilität. Für 2025 wurde hierfür ein zusätzlicher Bedarf von 20 TWh angenommen, während für 2050 130 TWh angesetzt wurden.

Für das Jahr 2025 kann bei einem eher konservativen Ansatz (EE-Anteil 40%) dann überschlägig mit folgender Erzeugung bei Wind- und Solarstrom gerechnet werden:

                                                                                                                                                    TWh

Wind Onshore (erforderl. Kapazität 86660 MW, Nutzungsgrad 17,4 %)   132,1

Wind Offshore (erforderl. Kapazität 6500 MW, Nutzungsgrad 34,8 %)     19,9

Solar (erforderl. Kapazität 52000 MW, Nutzungsgrad 8,3 %)                   37,8

Lebensmittel (Biomasse inkl. Müll, leichter Zuwachs)              48,5

Wasser (Kap. etwa konstant)                                                                 21,7

Gesamt für 40 % EE-Anteil                                                                   260,0                 

Für 2050 wurden ausgehend von einer Gesamterzeugung von 759 TWh folgende Annahmen gemacht:        TWh

Wind Onshore (erforderl. Kapazität 272500 MW, Nutzungsgrad 17,4 %       415,4

Wind Offshore (erforderl. Kapazität 27500 MW, Nutzungsgrad 34,8 %)  83,8

Solar (erforderl. Kapazität 52000 MW, Nutzungsgrad 8,3 %)  37,8

Lebensmittel (Biomasse inkl. Müll, konstant ab 2025)                                 48,5

Wasser (Kap. etwa konstant)  21,7

Gesamt für 80 % EE Anteil           607,2

EE-bedingter Regelenergiebedarf 2025 und 2050

Mit der Fixierung auf die beiden extrem volatilen Energiequellen Wind und Strom wird deren Instabilität die Netze in den kommenden Jahren sowohl prozentual als auch absolut gesehen mehr und mehr überlasten. Die Folgen sind umso gravierender, als gleichzeitig die konventionellen Kraftwerke als die einzigen Garanten der Stabilität immer mehr verdrängt werden. Wenn Wind- und Solarstrom mit ihrer Bevorzugung die Netze überfluten, bleibt den Betreibern konventioneller Kraftwerke gar nichts anderes übrig, als ihre Einheiten herunterzufahren. Damit ergibt sich das Paradoxon, dass trotz steigenden Bedarfs an Regelenergie das Angebot immer mehr zurückgehen wird. Die Zunahme des Regelenergiebedarfs aufgrund von Prognoseabweichungen für Wind und Solarerzeugung für einen fiktiven Monat Dezember 2025 bzw. 2050 zeigen Bild 4 und Bild 5.

Bild 4. Fiktiver Verlauf der Prognoseabweichungen für Wind- und Solarstrom bei Annahme eines Wettergeschehens, das dem des Dezembers 2013 entspricht

Wie Bild 4 zeigt, dürfte es schon im Dezember 2025 nicht mehr gelingen, die erratischen Abweichungen der Stromproduktion aus Wind und Sonne noch mit den derzeit vorhandenen Regelenergie-Reserven von 7400 MW aufzufangen. Das Problem liegt vor allem darin, dass an Tagen mit starkem Windaufkommen praktisch keine konventionellen Kraftwerke mehr am Netz wären: Bereits im Dezember 2013 sowie im Januar und im Februar 2014 zeigte sich, dass die Netzbetreiber nicht mehr imstande waren, die Mindestkapazität an konventionellen Kraftwerken am Netz zu halten, um ihre internationalen Verpflichtungen im Rahmen des Europäischen UCTE-Verbundnetzes (Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity) zu erfüllen. Mit anderen Worten: Deutschland hat über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg die Stabilität des europäischen Verbundnetzes mehrfach grob fahrlässig gefährdet.

Noch katastrophaler stellt sich die Lage dar, wenn man die gleiche Projektion mit den Daten für die im Jahr 2050 zu erwartenden Kapazitäten im Bereich Wind- und Solarstromerzeugung durchrechnet. Hier ergeben sich Abweichungen zwischen Prognose und tatsächlicher Erzeugung, die wild zwischen +10000 und – 13000 MW hin und her schwanken. Nach derzeitigem Stand der Technik ist kaum vorstellbar, dass man unter diesen Bedingungen noch eine stabile Netzversorgung hinbekommen könnte.

Bild 5. Fiktiver Verlauf der Prognoseabweichungen für Wind- und Solarstrom bei Annahme eines Wettergeschehens, das dem des Dezembers 2013 entspricht. Der Bedarf an Regelenergie wäre überhaupt nicht mehr darstellbar.

Fred F. Mueller

Quellen:

[BUDE] http://www.energieverbraucher.de/de/Energiebezug/Strom/Stromwirtschaft/Regelenergie__1096/

[CARE] http://www.care-energy-online.de/index.php/stromgas/strom/oekostrom.html?showall=&start=19

[EEX] http://www.transparency.eex.com/de/

[FRA] http://www.la-croix.com/afp.static/pages/100919164756.1vaiksyv.htm

[REGE] http://amprion.net/systemdienstleistungen-regelenergie

[STAN] http://derstandard.at/1363707299122/Stabilisierung-der-Strom-Netze-wird-immer-teurer

[STST] http://www.eike-klima-energie.eu/climategate-anzeige/energiewende-grotesk-suedlink-noch-mehr-milliarden-fuer-blanken-unfug/  Kommenrtar # 55

[WIGU] Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik Jahresgutachten 2013/14 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Statistisches Bundesamt 65180 Wiesbaden November 2013

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