Vor einigen Tagen hat Kurt Bock, der geschäftsführende Direktor der Firma davor gewarnt, dass das Werk in Ludwigshafen bald gezwungen sein könnte zu schließen und die Arbeitsplätze aus Deutschland anderswohin zu verlagern. Der Grund hierfür seien die rasant steigenden Energiekosten und die lähmenden grünen Abgaben, die benutzt werden, um ‚Erneuerbare‘ wie Windparks zu bezahlen. Angesichts der verglichen mit den USA doppelt so hohen Energiepreise, die wahrscheinlich immer weiter steigen werden, ist es an der Zeit, die ‚Wettbewerbsfähigkeit des Standortes‘ neu zu überdenken.

Die britischen Konkurrenten von BASF sollten sich darob nicht bequem zurücklehnen. Jahrelang hat UK wie Deutschland grüner Energie den Vorzug vor billiger Energie gegeben – und den Versorgern von fossilen Treibstoffen eine Vorschrift nach der anderen, eine grüne Abgabe nach der Anderen auferlegt. In Deutschland werden die Auswirkungen jetzt immer offensichtlicher: Die Opferung der Industrie auf dem Altar des Umweltaktivismus‘. Es kann wie wirtschaftlicher Selbstmord klingen, aber das ist genau die Politik, die die Regierung von David Cameron verfolgt.

Energie steht inzwischen zentral im Mittelpunkt britischer Politik, ein Thema, dem durch Ed Millibands Versprechen, die Energiekosten der Haushalte einzufrieren, Leben eingehaucht worden ist. Seine Politik ist total populistisch, haben sich doch die Gas- und Strompreise während der letzten zehn Jahre in etwa verdreifacht. Jetzt naht der Winter, und die Wahl zwischen Heizen oder Essen [Wortspiel: heating or eating] ist kein abstrakter Slogan mehr, sondern ein tägliches Dilemma. Jeden Winter sterben in UK etwa 25.000 Menschen durch die Kälte.

Aber die Debatte war bizarr. Politiker auf allen Seiten des Unterhauses haben Spaß daran gehabt, auf die Großen Sechs Energieunternehmen einzuschlagen ohne ihre eigene Schuld  zu erwähnen. Milliband spricht davon, die Energiebosse zu zwingen, ihr Einkommen zu beschneiden. Inzwischen schlagen David Cameron und Ed Davey, der liberaldemokratische Minister der Klimaänderung, als Antwort vor, mit Schemata wie ‚Öko‘-Abgaben herumzufuchteln, um damit die Wärmedämmung der Häuser zu subventionieren. Außerdem sollen sie nicht mehr Treibstoffrechnungen bezahlen, sondern einer allgemeinen Besteuerung unterworfen werden. Das soll die Rechnungen um 7% verbilligen. Nichts, was egal von welcher Seite vorgeschlagen wird, wird zu mehr führen als einer vorübergehenden kosmetischen Differenz.

Während man sich darum zankt, ein paar Pfund mehr hier oder dort zu verteilen, hatte sich das Parlament mit dem Endstadium des Energiegesetzes befasst. Dieses Gesetz, zusammen mit seinem Vorgänger aus dem Jahr 2008, dem Climate Change Act, wird zur größten Preissteigerung bei Treibstoffen führen. Die Maßnahme des Jahres 2008 setzt ein gesetzlich bindendes Ziel der Kohlenstoffemissionen bis zum Jahr 2020. Aber weil es viel schwieriger ist, Emissionen aus Transporten und Heizung zu reduzieren als bei der Stromerzeugung, bedeutet das eine Verdreifachung der von Erneuerbaren erzeugten Energie von gegenwärtig 11 Prozent während nur sechs Jahren.

Die Kosten dieser schnellen und radikalen Transformation marginalisiert Themen wie z. B. die Umweltabgabe. Dem durch das Energiegesetz etablierten ‚levy control framework‘ zufolge müssen dann die Subventionen bis zum Ende dieser Dekade auf 7,6 Milliarden Pfund verdreifacht werden. Die Gesamtsubventionen für Erneuerbare, die die Verbraucher in UK über höhere Stromrechnungen bezahlen müssen, werden sich bis zum Jahr 2020 auf wahnsinnige 46 Milliarden Pfund belaufen.

Und selbst diese gewaltige Zahl ist eine massive Unterschätzung. Vor Kurzem hat das National Audit Office gesagt, dass die Rechnungen wahrscheinlich während der nächsten 17 Jahre stärker steigen werden als die Inflation, mit Kosten durch Verordnungen der Regierung von mindestens 700 Pfund pro Haushalt. Den Energieexperten Prof. Gordon Hughes von der Edinburgh University und Peter Atherton von Liberum Capital zufolge ist in den Energierechnungen nicht der Faktor enormer Kosten enthalten, die Windturbinen mit dem nationalen Netz zu verbinden; und auch nicht die Einrichtung der komplizierten Schalter-Mechanismen, die benötigt werden, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass keine Windturbine mehr als ein Drittel der Zeit Energie erzeugt. Sie sagen, dass die wirkliche grüne Rechnung bis zum Jahr 2020 über 100 Milliarden Pfund betragen könnte, wobei jeder einzelne Haushalt allein für Strom 400 Pfund zusätzlich bezahlen müsste.

Für die Wähler bedeutet dies weitere Härten bei den Lebenshaltungskosten. Aber für das Geschäftsleben könnte es sehr leicht zum Bankrott wie in Deutschland kommen [!!!]. Etwa zwei Drittel dieser legal verordneten Abgaben müssen die Unternehmen aufbringen. Einige werden das unerträglich finden und es den früheren Opfern der grünen Revolution in UK gleichtun wie z. B. den Aluminiumwerken – sie werden gehen. Jene die bleiben werden kaum eine andere Wahl haben, als ihre Kosten an die Verbraucher weiterzugeben – so dass auch viele andere Dinge teurer werden.

In diesem Jahr hat UK als einzige Nation eine Steuer auf den Ausstoß von Kohlendioxid eingeführt, den ‚carbon price floor‘. Das bedeutet, dass Stromerzeuger 16 Pfund für jede Tonne CO2 bezahlen müssen, die sie emittieren. Das Climate Change Committee, ins Leben gerufen durch das Gesetz aus dem Jahr 2008, hat festgelegt, dass sich dies bis zum Jahr 2030 vervierfachen soll – weil das Emissionsziel 2020 nur der Anfang ist. Der Climate Change Act führt schon jetzt noch ambitioniertere Ziele bis 2027 ein, was mit ‚dem vierten Kohlenstoff-Budget‘ bezeichnet wird. Die Stromerzeugung soll dann weitgehend ‚dekarbonisiert‘ sein. Atherton zufolge werden die Kosten auf eine Revolution der wesentlichen Industrien hinauslaufen, von denen alle anderen abhängen – werden die Kosten doch rund 300 Milliarden Pfund betragen. Auch hier sind die Schmerzen für das Britische Geschäftsleben eindeutig. Niemand sonst hat bindende Ziele über das Jahr 2020 hinaus festgelegt.

An diesem Punkt wird die gegenwärtige Agonie in Deutschland instruktiv. Die Infrastruktur der teuersten Energieerzeugung, die je eingeführt worden ist, nämlich Offshore-Wind, ist dort weit fortgeschritten, während sie in UK noch in den Kinderschuhen steckt. Jüngsten Berichten im Spiegel zufolge haben grüne Subventionen schon fast ‚ein Niveau vergleichbar mit den Rettungsschirmen der Eurozone‘ erreicht. In diesem Jahr werden die deutschen Verbraucher insgesamt 20 Milliarden Euro für Energie aus Wind, Solarpaneelen und Biomasse zahlen – von denen atemberaubende 17 Milliarden Euro Subventionen sind.

Anfang dieses Jahres hat BASF beschlossen, eine neue Ammoniak-Fabrik in den USA zu errichten, weil der amerikanische Schiefergas-Boom die Stromkosten hat abstürzen lassen, was zu einer industriellen Wiedergeburt führte. Vor ein paar Tagen hat Hariolf Kottmann, Chef des BASF-Konkurrenten Clariant in der Schweiz, gesagt, dass er ‚keinerlei Grund mehr sehe, warum er noch einen Penny in Deutschland investieren sollte‘: „Wir hatten noch zwei oder drei Projekte geplant. Jetzt ziehen wir es vor, in den USA zu investieren!“ Ihm zufolge haben sich die Abgaben, die seine Firma für Erneuerbare zahlen muss, seit dem Jahr 2011 fast verdoppelt – was Energie doppelt so teuer macht wie in China oder Amerika. Und ja, er nannte diese beiden Länder im gleichen Atemzug.

Wie deutsche Unternehmen inzwischen wissen, könnten die Dinge für sie noch viel schlimmer werden. Bislang waren viele Unternehmen von den meisten ihrer Abgaben für Erneuerbare befreit. Die Europäische Kommission hat eine Untersuchung eingeleitet und könnte zu dem Ergebnis kommen, dass es sich dabei um eine illegale staatliche Subvention handelt. Wenn die Ausnahmeregelungen fallen, erwartet BASF zusätzliche Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro pro Jahr allein für das Werk in Ludwigshafen – eine Gesamtsumme, die natürlich noch weiter steigen kann. Weitere etwa 300 deutsche Unternehmen sind von diesen Abgaben befreit. Welchen Sinn machen die Rettungsschirme der Eurozone, falls die deutsche Industrie, die so gut durch die Große Rezession gekommen ist, kollabiert?

Die Gruppe energieintensiver Unternehmen in UK, von der 800.000 Arbeitsplätze abhängen, hat die Regierung gedrängt, ihnen ähnliche Befreiungen zu gewähren. Einige wurden auch angeboten, obwohl im vorigen Jahr in einem Bericht der Regierung eingeräumt worden war, dass die britischen Unternehmen demnächst die höchsten grünen Kosten werden tragen müssen im Vergleich zu 11 anderen großen Industrienationen – 50 Prozent mehr als in Deutschland und fast doppelt so viel wie in Frankreich. ‚Die Unternehmen mit der stärksten Abhängigkeit von Strom sind auch diejenigen, die am stärksten im Wettbewerb mit dem Ausland stehen‘, sagte der Direktor der Gruppe Jeremy Nicholson. ‚Tausende Arbeitsplätze werden verloren gehen!‘

Es ist nicht einfach, die Auswirkungen der Klima- und Energiepolitik zu erkennen. Offizielle Dokumente sind in einem Stil geschrieben, der nahezu undurchschaubar ist. Schlimmer noch ist die schiere Unehrlichkeit der Regierungsvertreter. Das Klima- und Energieministerium von Ed Davey sagt, dass die Energierechnungen am Ende des Jahrzehnts 11 Prozent niedriger liegen werden, und der Minister heischt nach unserem Applaus. Aber das Kleingedruckte enthüllt den Unterschied zwischen ‚Preisen‘ und ‚Rechnungen‘. Der Strompreis, räumt er ein, wird wegen der grünen Politik um mindestens ein Drittel steigen. Warum also die niedriger werdenden Rechnungen? Bessere Isolierung und Heizungen – und, könnte man hinzufügen, geringere Nachfrage infolge explodierender Preise und dickerer Wollpullover.

Es ist nicht schwer, einen Ausgang aus dieser Strategie zu finden: man ziehe das Climate Change Act zurück, lasse deren Ziele fallen und setze die Energierechnung außer Kraft. Wir könnten mit dem Fracking weitermachen und so unsere kolossalen Reserven sauberen Erdgases erschließen. Prof. Hughes zufolge würde es etwa 15 Milliarden Pfund kosten, die Energieindustrie auf den Bau moderner Gaskraftwerke mit ‚kombinierten Zyklen‘ umzurüsten. Subventionen sind dabei nicht vonnöten. Das würde dem amerikanischen Beispiel folgen, wo die Kohlenstoff-Emissionen auf ein 20-Jahres-Tief gefallen sind, weil Gas viel weniger davon freisetzt als Kohle. Danach könnten wir die Milliarden, die gegenwärtig noch für Windenergie ausgegeben werden, in Forschungen bzgl. Nichtfossiler Energiequellen investieren wie z. B. Kernfusion – die viel schneller zu verwirklichen wäre als die meisten Menschen glauben.

Aber die intellektuelle Blockade britischer Politik in dieser Hinsicht bedeutet, dass man solchen Gedanken nicht öffentlich Ausdruck verleihen darf. Einige Mitglieder des Kabinetts – vor allem George Osborne und Umweltminister Owen Paterson, der ein starker Befürworter von Fracking ist – haben ein Gespür für die herauf ziehende Krise. Aber solange die Koalition im Amt bleibt, sind sie machtlos: den Liberaldemokraten steht die grüne Energie näher als die Religion. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Ed Milliband das Climate Change Act zurückzieht, das er selbst geschaffen hat – und überhaupt ist es für ihn politisch nützlich, Energieunternehmen als nationale Schurken anzuprangern.

Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Konservativen eine echte Mehrheit gewinnen, ist alles andere als klar, ob die Partei überhaupt in der Lage ist, über eine Vermeidung dieser Katastrophe nachzudenken. Selbst Osborne unterzeichnete schließlich das teuerste Abkommen der Energiegeschichte. Erstaunlicherweise hat der Kanzler garantiert, EDF 40 Jahre lang fast den doppelten Marktpreis für Energie aus dem Kernkraftwerk zu zahlen, das in Somerset gebaut werden wird. Warum würde er das tun? Weil es sich die Torys seit mindestens acht Jahren nicht erlaubt haben, rationell über Energie nachzudenken. Selbst wenn sie die Katastrophe umgehen wollen, wissen sie nicht, wo sie anfangen sollen.

UK schlafwandelt sich in die gleichen wirtschaftlichen Kalamitäten, denen sich Deutschland jetzt gegenüber sieht. Selbst den Ministern, die das kommende Desaster erkennen, fehlt die Macht (oder das Wissen), um den Kurs zu ändern. Sie werden die absurde Wahrheit nur zu klar erkennen: trotz aller Krokodilstränen hinsichtlich steigender Energiekosten haben sich alle drei Parteien auf ein Bündel politischer Maßnahmen geeinigt, die vor allem dazu dienen, die Preise weiter steigen zu lassen – mit den unvermeidlichen Folgen für Familien und Wirtschaft. Das gegenwärtige Geplänkel hinsichtlich der Energiepreise ist nur ein Vorgeschmack auf eine weitaus größere, tiefere und gefährlichere Krise, die bereits am Heraufdämmern ist.

Hier kann man einem Interview von David Rose zuhören.

David Rose schreibt für die Mail on Sunday. Sein erster Roman ‘Taking Morgan’, ein Thriller mit Schauplätzen in Oxford und dem Gaza-Streifen, wird im Januar erscheinen.  

Link: http://www.spectator.co.uk/features/9078561/the-real-energy-scandal/

Übersetzt von Chris Frey EIKE

Anmerkung des Übersetzers: Zwar geht es auch in diesem Artikel wieder um UK, aber die Problematik in D ist ja ähnlich. Was mich am meisten bewegt: D wird öfter zum vergleich herangezogen – mit dem Tenor, dass die vom Autor in UK erwartete Krise dort bereits am Eintreten ist. Das hat mich, bildlich gesprochen, fast vom Sessel auffahren lassen.

Leben wir, d. h. die deutsche Politik, wirklich derartig in einem kostspieligen Wolkenkuckucksheim?

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken