Allerdings stellte sich inzwischen heraus, dass Marotzkes Versprechen lediglich ein weiterer Trick war. Schlimmer, es stellt sich heraus, dass Marotzke bereits wusste, dass der Bericht nicht angemessen auf den Stillstand eingehen würde – was Marotzke in einem enthüllenden Interview einem „Versehen“ zuordnete (siehe Judith Curry hier). Noch schlimmer, es stellt sich heraus, dass die IPCC-Autoren während einer Plenarsitzung selbst dabei konspiriert haben, Informationen über die Diskrepanz zwischen den Modellen und den Beobachtungen aus der SPM herauszuhalten.

Unmittelbar vor Veröffentlichung der SPM hat Judith Curry auf ein Interview mit Marotzke hingewiesen, und zwar im ‚Spiegel’ vom 23. September 2013, vor der Veröffentlichung am 27. September. In dem Interview hat Marotzke versprochen, dass sich das IPCC „direkt“ [„head on“] mit dem Stillstand befassen werde.

In meinem Beitrag (hier) habe ich auf einen verzweifelt zusammen geschusterten Ad-Hoc-Kasten (Kasten 9.2) im Regierungsentwurf hingewiesen und auf die nachträglichen und total unbefriedigenden Bemühungen des IPCC, mit dem Stillstand umzugehen. Ich wies darauf hin, dass die Fähigkeit des IPCC, den Stillstand aus der begutachteten Literatur heraus abzuschätzen, gefährdet war, weil sowohl das IPCC als auch dessen Umfeld damit gescheitert ist:

Aber das Problem tauchte nicht erst in der „vorigen Woche“ auf. Während das Ganze erst vor Kurzem akut geworden ist, dann wegen der sich summierenden Fehlschläge im Prozess des AR 5, einschließlich Fehler und Fehlinterpretationen durch das IPCC hinsichtlich der zur Begutachtung eingereichten Abschätzungen; wegen des nahezu totalen Scheiterns der akademischen Klimagemeinschaft, die Diskrepanz anzusprechen und wegen der Überwachung durch Mitläufer unter den Herausgebern von Zeitschriften, die die Kritik an den Schwächen der begrenzten akademischen Literatur zu diesem Thema unterdrückt haben.

In einem Beitrag mit dem Titel How the IPCC Forgot to Mention the Pause [etwa: Wie das IPCC den Stillstand zu erwähnen vergessen hat], lenkt Judy die Aufmerksamkeit auf einen Artikel im Christian Science Monitor (27. September 2013). Darin enthalten ist ein Interview mit Marotzke, in dem er etwas ganz anderes sagt als das, was der dem Spiegel erzählt hatte.

Thomas Stocker, Vizevorsitzender der WG 1 sowie involviert in Klimagate, wurde ebenfalls interviewt und hat dabei meine Beobachtung bestätigt, dass es nur vernachlässigbar wenig Literatur zu diesem Thema gab (allerdings wurde er nicht nach der Rolle mit dem IPCC sympathisierender Zeitschriften-Herausgeber hinsichtlich der Zurückweisung von Manuskripten befragt):

Die Gruppe, die sich für ihre Arbeit auf in begutachteten Zeitschriften veröffentlichte Studien stützte, hatte nicht viel zu tun, räumt der Vizevorsitzende der Arbeitsgruppe Dr. Stocker ein. „Ich fürchte sagen zu müssen, dass es nicht viel veröffentlichte Literatur gibt, die es uns erlaubt, uns eingehender und in der geforderten Tiefe dieser sich entwickelnden wissenschaftlichen Frage nachzugehen“, sagt er.

Marotzke machte für das Scheitern des IPCC, den Stillstand angemessen anzusprechen, ein „Übersehen“ verantwortlich und nicht so sehr Absicht, in die Irre zu führen. Er „erklärte“ dem Reporter, dass die Autoren jedes Kapitels gedacht hatten, dass sich jemand anders mit dem Problem befassen würde. Zitat:

Wissenschaftler der Arbeitsgruppe 1 haben auch versucht, das Thema Stillstand der Erwärmung seit 15 Jahren anzugehen – obwohl sie darauf etwas spät im Rahmen des Prozesses gekommen sind, räumt Jochem Marotzke ein, Direktor des Max Planck Instituts für Meteorologie in Hamburg und Leitautor eines der Kapitel in der Hauptausgabe.

Etwa 200 mit dem ersten Bericht befasste Autoren haben sich im Januar in Hobart, Australien getroffen, um abschließend die Formulierungen festzuklopfen, und zwar angesichts von Begutachtungen, die sie über eine vorangegangene Version erhalten hatten.

„Wir haben eine ganze Reihe von Begutachtungs-Kommentaren zu verschiedenen Kapiteln bekommen, in denen es heißt: Was ist da los? Wir müssen abschätzen, was wir wissen über den Stillstand“, sagte Marotzke während eines Briefings am Freitag.

Er machte für das Übersehen eine Tendenz jeder Arbeitsgruppe verantwortlich, sich bei diesem Thema in jedem der 14 Kapitel auf jeweils ein anderes Kapitel zu verlassen. Und jeder, der überhaupt daran dachte, ging davon aus, dass das Thema in einem anderen Kapitel angesprochen würde.

Hier muss man die Erbse betrachten. Marotzkes Entschuldigung – fehlende Koordination unter den Autoren der verschiedenen Kapitel – hätte für die erste Version noch gelten können, nicht aber für die folgenden beiden Versionen. Die zweite Version, die Gegen­stand der Diskussion in Hobart war, war (mindestens) die dritte Version, die an die Leitautoren verteilt worden ist. Das im Januar 2013 in Hobart beobachtete „Übersehen“ kann genauso in den beiden Entwürfen zuvor identifiziert werden. Das Problem war nicht ein einzelner Vorgang, sondern sich akkumulierende Fehlschläge.

Das Ganze wurde weiter verschlimmert durch Interventionen der koordinierenden Leitautoren des IPCC (CLA, darunter vermutlich auch Marotzke und Stocker) in der Plenarsitzung (siehe hier bei Judith Curry), auf der die CLA gegen die Bekanntgabe der Inkonsistenzen zwischen Modellen und Beobachtungen in der SPM gekämpft haben – ein Vorgang, über den ich separat berichten möchte:

Bei der Erklärung der beobachteten Verlangsamung des Erwärmungstrends im Zeitraum 1998 bis 2012 hat Saudi-Arabien stark darauf gedrängt, die Sprache aus der Technical Summary einfließen zu lassen, in der es um die Überschätzung des Erwärmungstrends in den Modellen gegangen war. Die CLAs stimmten gegen die Übernahme dieses Statements in die SPM und sagten: Die Forschung lässt gegenwärtig keine Rückschlüsse zu; die Überschätzung seitens der Modelle ist zu klein, um den Effekt zu erklären, und statistisch nicht signifikant; und es ist schwierig, die Rolle der Änderungen des Strahlungsantriebs auszumachen, die zu dem reduzierten Erwärmungstrend führen. Vize Stocker sprach diesbezüglich von einem „auftauchenden wissenschaftlichen Thema“.

Ich möchte diesen Vorgang separat diskutieren, aber die Behauptung, dass der Effekt „Statistisch nicht signifikant“ ist, ist unwahr.

Link: http://climateaudit.org/2013/09/30/marotzkes-broken-promise/

Noch am gleichen Tag hat McIntyre einen weiteren Beitrag hier zu geschrieben:

IPCC: Festschreiben der Tatsachen

Abbildung 1.4 in der zweiten Version zeigt eindeutig die Diskrepanz zwischen Modellen und Beobachtungen, obwohl es im begleitenden Text des IPCC anders dargestellt wird. Ich habe darüber in einem zum IPCC-Bericht führenden Beitrag geschrieben und auf den Artikel von Ross McKitrick in der National Post und den Beitrag von Reiner Grundmann auf der Klimazwiebel hingewiesen. Unnötig zu sagen, dass das Diagramm nicht überlebt hat. Stattdessen hat das IPCC das verdammte (aber zutreffende) Diagramm durch ein neues Diagramm ersetzt, in dem die Inkonsistenz verschwunden war.

Hier folgt Abbildung 1.4 aus der zweiten Version, die belegt, dass sich die Beobachtungen nach der Veröffentlichung des AR 4 außerhalb der Bandbreite der Projektionen früherer IPCC-Zustandsberichte bewegen (siehe die vorangegangene Diskussion hier).


Abbildung 1: Bild 1.4 aus der zweiten Version. Gelbe Pfeile zeigen die Digitalisierung der erwähnten Abbildung 10.26 im AR 4.

Und hier folgt die Ersatzgraphik in der verbesserten Version: diesmal liegen die beobachteten Werte nicht mehr außerhalb der in früheren Berichten projizierten Bandbreite. Das IPCC hat dazu Folgendes gesagt:

Obwohl die Modellprojektionen niemals als Vorhersagen über einen so kurzen Zeitraum gedacht waren, liegen die Beobachtungen bis 2012 allgemein innerhalb der Projektionen aller früheren Berichte.


Abbildung 2: Bild 1.4 in der verbesserten Version

Wie also haben sich die Beobachtungen von außerhalb nach innerhalb der Bandbreite bewegt? Man muss etwas ausholen, um diese Bewegung der Erbse zu rekonstruieren.

In der nächsten Abbildung habe ich eine Vergrößerung der neuen Abbildung 1.4 gezeigt, und zwar in einem vergleichbaren Zeitraum (1990 bis 2015) wie in der zweiten Version. Die zweite Version zeigte die Diskrepanz zwischen Modellen und Beobachtungen viel klarer. Ich glaube nicht, dass die Entscheidung des IPCC, eine verschleierndere Skala zu verwenden, zufälliger Natur war.

Abbildung 3: Details aus Abbildung 1.4 mit Verdeutlichung. Gelbe Punkte – HadCRUT4 jährlich (einschließlich YTD 2013 [?]).

Zuallererst und höchst offensichtlich ist die Bandbreite der AR 4-Projektionen in der neuen Graphik total unterschiedlich. In der zweiten Version wurde die Quelle der Bandbreiten wie folgt beschrieben:

Die farbig hinterlegte Fläche zeigt die projizierte Bandbreite der globalen jährlichen Änderung der Mitteltemperatur von 1990 bis 2015, und zwar für die im AR 1 verwendeten Modelle (Szenarien D und weiter-wie-bisher), AR 2 (IS92c/1.5 and IS92e/4.5), AR 3 (full range of AR 3 Figure 9.13(b) based on the GFDL_R15_a and DOE PCM parameter settings), and AR 4 (A1B and A1T).

Die im AR 4 verwendeten Daten stammen aus Abbildung 10.26 in Kapitel 10 des AR 4 (zur Verfügung gestellt von Malte Meinshausen). Jährliche Mittelwerte wurden verwendet. Die obere Grenze wird durch das A1T-Szenario festgelegt, die untere durch das A1B-Szenario.

Die Einhüllende in der Abbildung der zweiten Version kann tatsächlich aus Abbildung 10.26 im AR 4 abgeleitet werden. Im nächsten Bild habe ich in die Originaldarstellung von Abbildung 10.26 die Beobachtungen hinein geplottet, so dass die Diskrepanz eindeutig hervortritt. Ich habe auch die Einhüllende der Jahre 2005, 2010 und 2015 mit roten Pfeilen markiert (die ich aus anderen Diagrammen zur Verdeutlichung verschoben habe). Es ist offensichtlich, wie sehr die Beobachtungen außerhalb der Projektions-Einhüllenden in der Abbildung im AR 4 liegen.


Abbildung 4: Abbildung 10.26 im AR 4.

In der neuen IPCC-Graphik wird nicht mehr auf eine Abbildung im AR 4 hingewiesen. Statt der im AR 4 präsentierten Bandbreite zeigen sie jetzt eine Spaghetti-Graphik mit CMIP3-Modellläufen, von denen sie sagen:

Für den AR 4 wurden die Ergebnisse präsentiert als Läufe eines Einzelmodells aus dem CMIP3-Ensemble, und zwar für die historische Periode von 1950 bis 2000 (hellgraue Linien) und für drei Szenarien (A2, A1B und B1) von 2001 bis 2035. Die Balken in der Graphik rechts zeigen die volle Bandbreite für das Jahr 2035 für jeden Zustandsbericht. Für die drei SRES-Szenarien zeigen die Balken das Mittel des CMIP3-Ensembles und die wahrscheinliche Bandbreite zwischen -40% und +60% des Mittels wie bei Meehl et al. 2007 beschrieben. Die Jahre der Veröffentlichung der jeweiligen Berichte sind eingezeichnet. Siehe Anhang 1.A für Details der Daten und der Berechnungen zur Konstruktion dieser Abbildung…

Die Temperatur-Projektionen des AR 4 werden für drei SRES-Szenarien präsentiert: B1, A1B und A2.

Gezeigt werden die mittleren Anomalien relativ zur Periode 1961 bis 1990 der individuellen CMIP-Ensemble-Simulationen (wie verwendet in der SPM des AR 4, Abbildung SPM5). Ein Ausreißer ist eliminiert worden, und zwar aufgrund von Hinweisen der Modellentwickler wegen der Modellabweichung, die zu einer unrealistischen Temperaturentwicklung führt. Wie von Meehl et al. 2007 abgeschätzt ergibt sich die wahrscheinliche Bandbreite der Temperaturänderung durch die Temperaturänderung des Ensemble-Mittels im Bereich +60% und -40% [Original: the likely-range for the temperature change is given by the ensemble mean temperature
change +60% and –40% of the ensemble mean temperature change]. Man beachte, dass die Bandbreite der Unsicherheit im AR 4 explizit für die Ergebnisse Ende des 21. Jahrhunderts abgeschätzt worden war. Hier wird sie für das Jahr 2035 gezeigt. Die Zeitabhängigkeit dieser Bandbreite wurde von Knutti et al. 2008 abgeschätzt. Die relative Ungewissheit ist annähernd konstant mit der Zeit, und zwar in allen Schätzungen aus verschiedenen Quellen, außer für die sehr klar hervor tretenden Jahrzehnte, in denen die natürliche Variabilität betrachtet wird (siehe Abbildung 3 bei Knutti et al. 2008).

Verglichen mit den ersten drei Zustandsberichten wurden die Einhüllenden relativ zu den Beobachtungen nach unten verschoben, obwohl die gleichen Quellen angegeben sind wie in Abbildung 1.4 der zweiten Version. Dadurch liegen die Beobachtungen jetzt innerhalb dieser Einhüllenden. Man kann dies durch Vergleich der beiden Versionen eindeutig erkennen. Gegenwärtig habe ich keine Ahnung, wie sie das zu rechtfertigen gedenken.

Nichts in diesem Teil des IPCC-Berichtes stammt aus begutachtetem Material. Auch ist nichts davon konsistent mit den an externe Begutachter übermittelten Dokumenten.

Anmerkung des Übersetzers: Der 1. Kommentar nach diesem Beitrag ist in Gedichtform. Das möchte ich dem Auditorium hier nicht vorenthalten:

No need for peer-reviewing!
Just make the models colder!
But there is trouble brewing:
Their acts are trending bolder

They hoped you’d find this slower
Your research here is nifty
Their morals have slid lower
And like their lines, are shifty

Keith DeHavelle

Link hierzu: http://climateaudit.org/2013/09/30/ipcc-disappears-the-discrepancy/

Übersetzt von Chris Frey EIKE

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken