Eines der auf der Sitzung angesprochenen Themen wird Schiefergas sein. Mr. Newton zufolge ist noch nicht klar, dass die „Schiefergas-Revolution“ in Nordamerika die globalen Erdgasmärkte durcheinander wirbeln wird.

 „Die Auswirkungen schielen, um ein Sprichwort zu gebrauchen, vielleicht schon um die Ecke”, witzelte er und fügte hinzu: „Mit Sicherheit wird Schiefergas sehr große Auswirkungen auf die amerikanischen Energiemärkte haben, obwohl wir jedoch während der letzten Monate, vielleicht ziemlich überraschend, den Unterschied [the differential] von 20 Dollar gesehen haben, den es während der letzten Jahre zwischen NYMEX und Brent gegeben hat, wobei sich zahlreiche Infrastruktur-Ereignisse in den USA ereignet haben, das heißt mehr Ölerzeugnisse verlassen die USA“.

Inzwischen, sagt er, bleibt der gewaltige Preisunterschied für Erdgas bestehen, und erklärt weiter: „Als ich das letzte Mal bei Henry Hub Wholesale schaute, zahlte man um die 3,50 Dollar /TCF [TCF = Thousand Cubic Feet?]. Das steht in starkem Kontrast zu Mitte 2008, als man dafür etwa 10,50 Dollar zahlen musste“.

Während er einräumt, dass die Öl- und Gaspreise zu jener Zeit rekordhoch waren, stellten diese Preise eine deutliche Wegmarke dar, wenn man Faktoren wie die Wettbewerbsfähigkeit der USA in Betracht zieht, vor allem hinsichtlich der Energie- und der Chemieindustrie.

Ihm zufolge könnte sich wirklich alles ändern, falls die USA mehr Lizenzen vergeben, um sein unkonventionelles Gas zu exportieren. Inzwischen dürften die niedrigen Erdgaspreise dort wahrscheinlich nicht so niedrig bleiben.

„Es ist keineswegs klar, ob es besonders ökonomisch ist, es für 3,50 Dollar aus dem Boden zu holen”, kommentiert er. „Das ist der Grund, warum wir in den letzten eineinhalb Jahren ein viel größeres Interesse an herkömmlichem Öl [tight oil] als an Schiefergas gesehen haben, welches einen starken Auftritt in der Ölerzeugung der USA hatte – Ich denke an 190000 Barrel pro Tag, das ist nicht alles tight oil, aber man kann erkennen, dass jene Ölreserven kommerziell zunehmend attraktiv aussehen, wenn der Preis auf diesem Niveau verharrt“.

Aber immer noch, sagt er, ist es unwahrscheinlich, dass die Preise auf  den niedrigen Stand wie vor einem Jahrzehnt fallen werden. Aber wie wahrscheinlich ist es Mr. Newton zufolge, dass sich die Schiefergas-Revolution in anderen Gebieten der Welt wiederholt?

„Technisch gesehen wartet das Zeug nicht einfach darauf, aus dem Boden geholt zu werden. Nach meinem Verständnis hat jedes Feld seine eigenen Charakteristika, und das bedeutet, dass eine Technologie, die auf einem Feld wunderbar funktioniert, auf einem anderen Feld stark überarbeitet werden muss, um dort ebenfalls zu funktionieren.

Zweitens, Amerika ist signifikant führend hinsichtlich der Erfahrungen mit Technologien, mit denen man unkonventionelles Gas und Öl extrahieren kann, und wahrscheinlich dauert es eine Weile, bis man in der restlichen Welt auch diese Erfahrungen gesammelt hat – es sei denn, sie können die amerikanische Technologie importieren“, fügt er hinzu.

Drittens unterstreicht er, dass dies nicht allein eine USA-Angelegenheit ist, sondern eine in ganz Nordamerika. „Schaut man sich Projektionen der Selbstversorgung bzgl. Energie an einem ‚Tag X’ an, scheint es so, als könnten die USA bis zum Jahr 2035 energie-unabhängig werden, aber für Nordamerika könnte es schon früher soweit sein, vor allem, wenn der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto damit Erfolg hat, im mexikanischen Energiemarkt eine signifikante Liberalisierung einzuführen und ausländische Investitionen ins Land zu holen. Dies wäre notwendig zur Ausbeutung der mexikanischen Schiefergasreserven. Schätzungen der EIA zufolge belaufen sich diese Reserven auf die sechstgrößte Menge weltweit; wenn man bedenkt, dass die kanadischen Reserven an 5. und die USA an 4. Stelle stehen, unterstreicht dies, dass das ganze Thema ein nordamerikanisches ist und nicht eines der USA allein“.

Während Mr. Newton es für realistisch hält, dass Nordamerika in der Lage sein wird, große Mengen unkonventionellen Gases in die ganze Welt zu exportieren, verweist er auf die politischen Hindernisse. „Einige Lobbyisten argumentieren, dass die USA das Gas für sich selbst behalten sollten, das Öl noch viel mehr. Man braucht eine Lizenz des US-Energieministeriums, um Öl und Gas zu exportieren, und von denen wurden während der letzten Jahre nicht allzu viele ausgestellt.

„Es gibt klare Anzeichen, dass sich die USA dem Export immer weiter nähern, und das erste Ziel wird meiner Einschätzung nach Japan sein: Schon jetzt gibt es Verträge über japanische Investitionen in Flüssiggas (LNG) mit dem Ziel, Gas dorthin zu verschiffen, und es wäre für mich überhaupt keine Überraschung, ein sauber ausgehandeltes Rahmenabkommen zwischen den USA und dem über wenig Energie verfügenden Japan zu sehen. Man zahlt dort derzeit Preise für Gas, die signifikant über dem Marktraten liegen“.

Er verweist auf die diplomatischen Bemühungen Japans, mit Russland ins Gespräch zu kommen, um die gegenwärtig fehlende Energiesicherheit in Japan zu stärken. Hier wirken sich die Schwierigkeiten aus, die japanischen Kernkraftwerke nach Fukushima wieder anzufahren.

Mittlerweile macht Mr. Newton die Entwicklung von Schiefergas in China geltend, was die Energieszene im Nahen Osten, wenn nicht in ganz Asien grundlegend verändern könnte. Er stellt fest: „Die EIA schätzt, dass China über die größten Schiefergas-Reserven der Welt verfügt: über 1000 BCF [= Milliarden Kubikfuß]. Bislang war man in China nicht sehr erfolgreich damit, das Zeug aus dem Boden zu holen, aber ich denke, wir sollten nicht die Fähigkeit Chinas unterschätzen, dieses Problem auf die eine oder andere Weise rasch zu lösen“.

Mr. Newton erinnert daran, dass er und einer seiner Kollegen im Jahr 2001 vorhergesagt hatten, dass Energiesicherheit in China oberste Priorität sei, zumindest für die folgende Dekade.

 „Wir haben nur teilweise recht gehabt”, räumt er ein, „weil wir einen etwas zu engen Blickwinkel hatten. Realität ist, dass die wirtschaftliche Sicherheit – damit meine ich Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel – Chinas oberste Priorität hinsichtlich seiner Außenpolitik ist. Aber Energiesicherheit ist unabdingbar notwendig, um Chinas Wachstums-Maschinerie zu füttern, und das wird auch so bleiben, auch wenn die Wirtschaft im Verlauf des nächsten Jahrzehnts deutlich weniger energieintensiv wird“.

Die heimische Energiegewinnung hat angesichts schwindender konventioneller Ölreserven sehr hohe Priorität für das Land, vor allem auch, weil man sich saubereren Energiequellen zuwenden möchte als Öl oder Kohle.

Mr. Newton sagt, dass er viel von dem Argument hält, wonach die rasante Zunahme von Erdgasreserven die weitere Verbreitung von Erneuerbaren verlangsamen wird. „Nichtsdestotrotz stecken wir derzeit noch in einer auf Kohlenstoff basierenden globalen Ökonomie, und da muss man akzeptieren, dass Gas sauberer ist als Öl oder Kohle“.

Gefragt nach dem Nachhall des Gefühls, dass Erdgas die sauberste Kohlenstoff-Energiequelle ist, erwidert er, dass das davon abhänge, mit wem man redet. „Es gab jüngst einen Artikel in der FT über die Haltung der britischen Regierung zu Schiefer. Aber er bewirkte nicht viel, erlaubte er es doch im Grunde der Anti-Schiefer-Bewegung, die Medien mit ihren Botschaften zu dominieren. Es wird immer irgendwelche Neinsager geben, und es ist Sache der anderen, diese zu neutralisieren“.

Hinsichtlich der geopolitischen Lage Europas sagt Mr. Newton, dass ihn die Zusammenhanglosigkeit hinsichtlich Energie immer wieder überrasche. Als Beispiel führt er Deutschland an. Lange Zeit stand das Land an vorderster Front der Befürwortung erneuerbarer Energie, aber nach dem Unfall in Fukushima hat sich die Regierung entschlossen, sich aus der Kernkraft zurückzuziehen. „Und es scheint, als ob Deutschland als Folge davon in absehbarer Zukunft immer abhängiger von Kohle werde. Außerdem, den Deutschen vorzuschlagen, etwas Dramatisches hinsichtlich ihrer Autoabgase zu unternehmen ist in etwa so, als würde man die Amerikaner auffordern, das Recht zum Tragen von Waffen aufzugeben“.

Genauso verworren ist die Politik des Kontinents hinsichtlich Schiefer. Frankreich und Belgien haben Fracking verboten, Polen und UK sind nach wie vor enthusiastisch. „Obwohl die Polen in technische Schwierigkeiten geraten sind“.

Aber wird Europa von den russischen Erdgasquellen abhängig bleiben, und falls nicht, wohin wird das Gas strömen?

„Das oberste Problem Russlands ist, dass es tatsächlich derzeit nicht sehr viel neues Gas aus dem Boden holt. Eine große Zahl existierender Gasfelder leert sich. Zweitens, derzeit fehlen Russland sehr viele Kapazitäten durch Pipelines in Richtung Osten; drittens, bei allem Respekt der Bemühungen von Japans Premierminister Shinzo Abe, die Option offenzuhalten, von Russland Gas zu kaufen, lautet die Lektion der vergangenen Jahre, dass Russland als Versorger nicht so zuverlässig ist wie zu Sowjetzeiten, als die Gashähne praktisch niemals zugedreht worden waren. Es gibt also immer Fragezeichen“.

Inzwischen war China eifrig damit beschäftigt, starke Beziehungen mit anderen Gasversorgern in Mittelasien zu knüpfen. Beispielhaft hierfür stehen die aus Turkmenistan herausführenden Pipelines.

„Das nützt mit Sicherheit auch den mittelasiatischen Republiken, die nicht komplett von Russland als Transitkorridor abhängig sein wollen“, sagt Newton zum Schluss. Viel wahrscheinlicher sei es, dass nichtrussische Gasquellen in Ost- und Südostasien in den Brennpunkt rücken.

Link: http://www.naturalgaseurope.com/shale-gas-revolution-still-in-the-pipeline

Übersetzt von Chris Frey EIKE

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