Anliegen der DIW-Autoren ist es, einen wissenschaftlichen Nachweis dafür zu finden, dass der (ausschließliche) Einsatz alternativer Energien, speziell von Wind- und Solarenergie, ökonomisch vorteilhafter als der Einsatz von Kernenergie oder von fossilen Energieträgern mit anschließender CO2-Abscheidung, -Transport und -Speicherung (Carbon Capture, Transport, and Storage, CCTS) ist. Ohne weitere Beweisführung wird die These aufgestellt, dass Kernenergie noch nie wettbewerbsfähig gewesen sei und es auch nie sein wird. Den Alternativenergien dagegen wird ein „atemberaubender Produktivitätszuwachs“ bescheinigt – der selbstverständlich auch anhält (Interview Chr. von Hirschausen).
Die Autoren erheben den Anspruch, in ihren Berechnungen die „Gesamtkosten einschließlich sozialer Umwelt- und Transaktionskosten“ zu bewerten. Diese völlig richtige Forderung wird bedauerlicherweise von den Autoren selbst ignoriert. So wird bei unliebsamen Techniken (Kernkraftwerke) kritisiert, dass bestimmte Kostenfaktoren von der Kommission nicht einbezogen wurden, woraus vom DIW eine (dauerhaft) fehlende Wirtschaftlichkeit abgeleitet wurde. Bei den Alternativenergien dagegen werden wichtige Kostenbestandteile ignoriert, wodurch diese „schöngerechnet“ wurden.
Der Kommission wird vorgeworfen, bei den Kernkraftwerken die Versicherungskosten für potentielle Nuklearunfälle, die Kosten des Kraftwerks-Rückbaus, der nuklearen Endlagerung sowie „Fertigstellungsrisiken“ nicht berücksichtigt zu haben. Ebenfalls unberücksichtigt worden seinen die „Umweltkosten“ von fossilen Energieträgern.
Umgekehrt werfen die DIW-Mitarbeiter der Europäischen Kommission vor, die alternativen Energien, insbesondere Photovoltaik und Onshore-Windenergie, zu pessimistisch angesetzt zu haben.
Tatsächlich wird in der Studie die Einsatzweise und Verfügbarkeit der betrachteten Alternativenergien völlig außer Betracht gelassen. Es wird nicht berücksichtigt, dass fossile und nukleare Kraftwerke in der Lage sind, den täglich und jahreszeitlich schwankenden Elektroenergiebedarf voll zu befriedigen, während Photovoltaik- und Windenergieanlagen das nicht können, weil ihre Erzeugung – völlig unabhängig vom tatsächlichen Energiebedarf – sporadisch, unplanmäßig und unbeeinflussbar erfolgt. Um sie betreiben zu können, bedarf es zusätzlicher Anlagen. Dazu gehören konventionelle Kraftwerke Kernkraftwerke, Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke), die aus dem Standby-Status jederzeit sekundenschnell einspringen, um ausfallende Leistung von Solar- und Windenergieanlagen zu ersetzen. Während in der Vergangenheit Kraftwerke in Verbraucherschwerpunkten gebaut wurden (oder sich um Kraftwerke energieintensive Industrien entwickelten – siehe Ruhrgebiet oder mitteldeutsches Chemiedreieck),  so werden nach bisherigen Vorstellungen die Entfernungen zwischen Erzeugungsanlagen und Bedarfsschwerpunkten immer größer, was den Bau zusätzlicher Freileitungen (oder Kabel) zwischen Nord- und Süddeutschland erforderlich macht. Theoretisch könnten anstelle der Standby-Kraftwerke auch Energiespeicher eingesetzt werden. Allerdings werden sie in absehbarer Zeit nicht verfügbar sein. In gleicher Richtung soll der Einsatz sog. Smart-meter wirken, mit denen Verbraucher angeregt werden sollen, genau dann Wäsche zu waschen oder Geschirr zu spülen, wenn gerade der Wind weht oder die Sonne scheint.
Praktisch bedeutet das die Installation eines zweiten, parallelen Erzeugungs- bzw. Transportsystems, das nur dann genutzt wird, wenn die Alternativenergien nicht bereitstehen. Daraus resultieren neben Investitionskosten auch zusätzliche enorme Betriebskosten (Personalkosten, Netzverluste, erhöhter Brennstoffverbrauch infolge schlechter Kraftwerks-Auslastung, Speicher-Verluste), die umso größer werden, je mehr Anlagen zur Wind- und Solarenergienutzung installiert werden. – All diese mit dem Betrieb alternativer Stromerzeugungsanlagen notwendigerweise verbundenen Kosten werden in der Studie des DIW unterschlagen.
Während immer wieder auf die Risiken der Kernenergetik verwiesen wird, werden die durch Windenergieanlagen verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden mit keinem Wort erwähnt. Das gilt analog auch für Risiken bei Biomasse-, Sonnenenergie- oder Geothermienutzung.
Bemerkenswert ist, dass Angaben zu Kosten und Risiken bei Bau und Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen nicht zu finden sind. Den Autoren genügt es, in einer Fußnote zu vermerken, dass auf Offshore-Windanlagen „aufgrund noch unsicherer Kostenschätzungen hier nicht eingegangen“ wird, obwohl die mit 10.000 MW bis 2020 künftig einen großen Anteil der installierte Leistung übernehmen sollen. Aber gerade hier muss mit hohen Versicherungskosten, nicht zuletzt wegen des Risikos von maritimen Havarien, mit erheblichen Kosten für den zukünftigen Rückbau und mit „Fertigstellungsrisiken“ gerechnet werden. Es sind gegenwärtig auch keine Investitionskosten-Senkungen sichtbar.
Zu Recht wird der Aufbau der CCTS-Technik von den Autoren abgelehnt. Ihre Argumentation beruht allerdings lediglich auf Kostenrechnungen. Die mit dieser Technik verbunden lebensbedrohlichen Risiken, die zur generellen Ablehnung in Deutschland führten, werden ignoriert. Auch hier werden die „Gesamtkosten“ nicht beachtet.
Unterschlagen werden auch die Risiko-Kosten, die mit der wachsenden Unzuverlässigkeit der Elektroenergieversorgung durch zunehmende Nutzung fluktuierender Erzeugungsanlagen verbunden sind: Wie hoch sind die volkswirtschaftlichen  Kosten eines landesweiten Blackouts über einen Tag oder gar eine Woche? Im DIW-Bericht taucht eine solche Überlegung nicht auf.
Der EU wird vorgeworfen, dass in ihren Szenarien „nicht die gesellschaftlichen Kosten der Stromerzeugung, wie zum Beispiel die Risikokosten für Atomenergie oder auch die Umweltkosten von fossilen Energieträgern“ berücksichtig werden. Daher würden „die tatsächlichen Kosten dieser thermischen Stromerzeugung weit unterschätzt“ und „die Kosten der Erneuerbaren werden perspektivisch überschätzt. Das vom DIW monierte „ungleiche Bild der Stromerzeugungsperspektiven“ wird – allerdings  mit umgekehrten Vorzeichen – vom DIW selbst gezeichnet!
Ähnlich einseitig wie bei Kostenbetrachtungen gehen die Autoren mit der Bewertung der künftigen technischen und wirtschaftlichen Entwicklung um.
So unterstellen sie bei den Alternativenergien Wind und Sonne „angesichts technischer Innovationen sowie noch reichlich vorhandenem Lernpotential bis 2050 weitere Rückgänge spezifischer Produktionskosten.“ Sie begründen das mit folgenden Aussagen:
–          Photovoltaik: Es gab „sowohl steigende Wirkungsgrade als auch Kostensenkungen bei den Anlagen; dies führte zu erheblich rückläufigen Durchschnittskosten“
–          Onshore-Windkraftanlagen: Es gab „in den vergangenen Jahren erhebliche Produktionszuwächse sowie Kostenrückgänge. Die meisten Szenarien rechnen damit, dass auch in Zukunft Kostensenkungen möglich bleiben.“
Bei der (ungeliebten) Kernenergie dagegen nehmen die Autoren an, dass es dort keinen technischen Fortschritt gibt, der zur Kostendegression führt: „Entsprechend den bisherigen empirischen Erfahrungen steigender sicherheitstechnischer Anforderungen ist auch für diese Generation von Kraftwerken (die dritte – D. U.) künftig nicht mit Kostendegression zu rechnen; vielmehr werden konstante Kapitalkosten angenommen.“
Es wird zwar eingeräumt, dass Alternativenergien „heute noch mit höheren Investitionskosten verbunden“ sind „als einige konventionelle Stromerzeugungstechnologien“, jedoch wird eine „starke Kostendegression“ in den vergangenen Jahren lediglich bei den (geliebten) Alternativenergien konstatiert.
Also: Technisches Entwicklungspotential gibt es nur bei den alternativen Energien, nicht aber bei der Kernenergie!

Zusammenfassung:

Die DIW-Studie zeichnet sich insbesondere durch zwei grundlegende Fehler aus:
1. Es werden selbstgestellte – und sehr berechtigte – Forderungen nach einer Gesamtkosten-Betrachtung bei der Bewertung von Techniken zur künftigen Elektroenergieerzeugung nur sehr einseitig realisiert, nämlich nur dann, wenn eine Technik-Richtung diskriminiert werden soll (Kernenergie). Bei den politisch-ideologisch gewünschten Technologien werden entscheidende Bestandteile der Gesamtkosten völlig außer Betracht gelassen.
2. Ebenso einseitig wird einigen Techniken (Alternativenergien) ein großes technisches Entwicklungspotential unterstellt, während der Kernenergie überhaupt kein Entwicklungspotential eingeräumt wird.
Aufgrund der dilettantischen Herangehensweise an die Bearbeitung des hochwichtigen Problems der künftigen Elektroenergieversorgung in Deutschland kann die DIW-Studie „Europäische Stromerzeugung nach 2020: Beitrag erneuerbarer Energien nicht unterschätzen“ von Chr. von Hirschhausen, C. Kemfert, F. Kunz und R. Mendelevitch nicht als wissenschaftliche Arbeit bewertet werden.
Dr. Dietmar Ufer ist promovierter Energiewirtschaftler und Gründungsmitglied von EIKE
Hier ein paar links zum Hintergrund von Frau Kemfert
http://kuerzer.de/8PyVQBTdN
http://kuerzer.de/VpSsstYo8
http://kuerzer.de/3cp9OADVc
Mit Dank an Leser C. Thumulla

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