Aber natürlich funktioniert Klima nicht so. Dennoch bleibt die Frage, ob es schon die Klimakatastrophe ist, wenn eine sommerliche Hitzewelle gleich so extrem ausfällt wie dieser Tage. Und nach vier Tagen ist dieser Hitzespuk schon wieder vorbei. Ist das noch normal? Ja, natürlich! Unter bestimmten Bedingungen. Dazu einige Anmerkungen aus meteorologisch-synoptischer Sicht.
Zunächst einmal: Der abrupte Wechsel zwischen längeren kühlen Perioden einerseits und kurzen, aber intensiven Hitzewellen andererseits im Sommer ist eine eindrucksvolle Bestätigung der hier beim EIKE veröffentlichten Arbeiten von Leistenschneider et al. zu diesem Thema. Diesmal war dieser Wechsel erst in die eine, dann in die andere Richtung sogar sehr gut ausgeprägt.  In ihrem letzten diesbezüglichen Beitrag haben Leistenschneider et al. diese Erkenntnis noch einmal untermauert.  Die ersten Vorhersagen dieser Art seitens der Autoren gab es jedoch schon vor Jahren. Ihnen zufolge sind solche abrupten Wechsel von kalt nach heiß und umgekehrt typisch für den Übergang in eine Kaltzeit.
Nun ist eine aktuelle Wetterlage natürlich nicht Klima. Aber solche starken Schwankungen gab es auch schon während der letzten Jahre. Der Autor möchte diese starken Schwankungen hier einmal aus synoptischer Perspektive beleuchten. Sie haben nämlich alle eines gemeinsam.
In diesem Jahr kommt aber noch ein zweites hinzu. Dem Autor war schon seit Beginn dieses Jahres etwas aufgefallen, das aus der folgenden Abbildung hervorgeht:

Hier ist die Temperaturverteilung im 850 hPa-Niveau jeweils vom 12. Juni 2012 und 2013 dargestellt – ein völlig willkürlich gewählter Termin zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Aufsatzes – und kein ausgewählter Parade-Termin. Es gibt augenfällige Unterschiede, und der Deutlichkeit halber sei hier betont, dass damit nicht die gänzlich andere Wetterlage über Mitteleuropa gemeint ist, obwohl in beiden Fällen kühle Witterung herrschte.
Sondern: Im Jahr 2012 erkennt man die 15°C-Isotherme, die über Osteuropa weit nach Norden reicht. Gleichzeitig ist über dem Nordmeer ein großer Bereich erkennbar, in dem die Temperatur in dieser Höhe unter -5°C liegt. Diese Verteilung ist Mitte Juni zu erwarten.
Anders dagegen in diesem Jahr: Die 15°C-Isotherme ist rudimentär ganz weit im Osten am Kartenrand zu finden, und nur die 10°C-Isotherme reicht weit nach Norden. Gleichzeitig findet sich über dem Nordatlantik lediglich eine größere Zone mit Temperaturwerten unter dem Gefrierpunkt. Die -5°C-Isotherme ist lediglich über Nordskandinavien erkennbar.
Nebenbemerkung: Solche Schwankungen am Nordzipfel Europas von Jahr zu Jahr sind nicht ungewöhnlich. Die größere Kälte im Norden spiegelt sich jedoch in der im Vergleich zum vorigen Jahr deutlich geringeren jahreszeitlichen Abschmelzrate der nordpolaren Eiskappe (hier).
Aber zurück zum Thema. Im atlantisch-europäischen Raum zeigt sich also in diesem Frühsommer ein signifikant geringerer Temperaturgegensatz zwischen warm und kalt als im Frühsommer des vorigen Jahres. Dies hat auch eine Abschwächung des zonalen Grundstromes zur Folge, d. h. vereinfacht ausgedrückt, der Westwindimpuls ist herabgesetzt.
Ähnlich starke Schwankungen zwischen mild und sehr kalt gab es auch schon im vergangenen Winter. Einer in Osteuropa tödlichen Extrem-Kältewelle im Dezember 2012, die gerade noch bis in den Nordosten unseres Landes reichte, folgte um Weihnachten ein ausgeprägtes „Weihnachtstauwetter“. Nicht nur, dass es in Deutschland Heiligabend ungewöhnlich mildes Wetter gab, sondern milde atlantische Luftmassen setzten sich innerhalb weniger Tage bis zum Ural durch. Auch in Moskau war es daher nach der wochenlangen extremen Kälte zu einem Weihnachtstauwetter gekommen.
Worin besteht nun die Gemeinsamkeit? Wie kann es zu so abrupten Wetter- und Temperaturänderungen kommen?
Antwort: Die Höhenströmung – oder der Jet-Stream – ist stark meridional orientiert. Die Luftmassen werden also nicht im Bereich einer vom Atlantik kommenden Westwindzone nach beiden Richtungen abgemildert, sondern strömen direkt von Norden bzw. von Süden nach Mitteleuropa. Dies ist typisch für eine schwache NAO, worauf Leistenschneider et al. ebenfalls schon hingewiesen haben. Eine stark meridionalisierte Strömungskonfiguration kommt natürlich immer wieder vor und muss vom Zeitscale her unter dem Begriff „Witterung“ eingeordnet werden. Unter Witterung versteht der Fachmann eine längere Periode ähnlichen Wetter- und Temperaturverlaufs, also beispielsweise warm/trocken, kühl/nass, im Winter stürmisch/mild, usw. Der Zeitscale für Witterung beträgt etwa drei bis sechs Wochen mit ziemlich großer Streuung.
Bleibt jedoch ein solches Strömungsmuster mehrere Monate bis zu über einem Jahr erhalten, ist das nicht mehr Witterung, aber natürlich auch immer noch nicht Klima. Der Begriff dafür lautet „Zirkulationsanomalie“.
Eine Zirkulationsanomalie liegt vor, wenn der Jet Stream mehrere Monate lang nicht in seiner klimatologisch normalen Position verläuft, sondern deutlich weiter südlich, und/oder wenn der deutlich schwächer als üblich ist. Musterbeispiel für eine Zirkulationsanomalie ist beispielsweise ein die Westströmung blockierendes Hochdruckgebiet über Nord- und Mitteleuropa. Ist ein solches mehrere Monate lang mit höchstens kurzen Unterbrechungen vorhanden, kann man das schon als Anomalie bezeichnen.
Eine solche Anomalie bewirkt auch die Verschiebung der Wetteraktivitäten. Wetterereignisse, die für ein Gebiet typisch sind, finden jetzt ganz woanders statt und sind dort sehr untypisch, das heißt extrem. Der Sommer 2003 war ein klassisches Beispiel dafür.
Bei einer Zirkulationsanomalie kann Mitteleuropa also Monate lang auf der warmen (Sommer 2003), aber auch auf der kalten Seite liegen. Eine ausgesprochen langlebige Anomalie dieser Art gab es zuletzt 1962/63, als auf einen ungewöhnlich kühlen Sommer einer der kältesten Winter des vorigen Jahrhunderts folgte. Es war auch das letzte Mal, dass der Bodensee so zugefroren war, dass man mit dem Auto über das Eis von Lindau nach Konstanz fahren konnte.
Und was soll das Ganze hier?
Nun, nach Einschätzung des Autors liegt derzeit eine solche Zirkulationsanomalie vor. Durch den stark verringerten Temperaturgegensatz im europäisch-atlantischen Raum ist auch der Jet-Stream schwächer ausgeprägt. Dann aber erreicht die meridionale Komponente eine deutlich größere Varianz im Zirkulationsmuster. Die Luftmassen werden also nicht beim Transport über den Atlantik erwärmt bzw. abgekühlt, sondern erreichen uns hier in Mitteleuropa mehr oder weniger direkt von Norden bzw. Süden. Insofern ist die drastische Erwärmung innerhalb weniger Tage und auch die vier Tage später erfolgte, genauso drastische Abkühlung leicht zu erklären. Leistenschneider zufolge lag während der sonnenbasierten Erwärmungsphase der Polarfrontjet in höheren Breiten, und daher war Deutschland in den Genuss vergleichbarer langer und warmer Sommerperioden kam, die sonst typisch für europäische Südländer sind.
Es kommt aber noch etwas hinzu. Der verringerte Temperaturgegensatz zwischen kalt und warm (der noch dazu offenbar zu Lasten der Wärme geht), führt zu einer Verlagerung des subpolaren Jet Streams nach Süden. Man vergleiche diesen mit der Wand einer Schüssel mit flachem Boden. Wird der Boden angehoben, verschiebt sich der geneigte Rand nach außen. Die warme Luft auf der warmen Seite des Jet Streams ist damit weiter südlich als sonst. Die kurze Unterbrechung derzeit ändert an diesem Bild nichts, denn die Warmluft ist nicht nur aus Deutschland ostwärts abgedrängt worden, sondern vollständig aus dem Wetterkartenbild verschwunden.
Wir haben es also in diesem Jahr offenbar mit zwei Phänomenen zu tun, die in die gleiche Richtung gehen: Einmal überwiegt die meridionale Komponente, zum anderen ist der zonale Grundstrom abgeschwächt, und der Jet Stream verläuft weiter südlich. Nach Beobachtungen des Autors liegt eine derartige Anomalie seit etwa Mitte Januar dieses Jahres vor. Das Fehlen jeglicher Warmluft in ganz Europa deutet jedenfalls darauf hin.
Und damit kommen wir allmählich zu dem Punkt, der mir etwas Sorgen macht. Sollte sich die Anomalie – wodurch auch immer gekennzeichnet – in diesem Sommer fortsetzen und vor allem im Juli längere Zeit eher kühles und regenreiches Wetter bringen (muss ja nicht immer gleich Hochwasser bedeuten), ist die Chance groß, dass die Anomalie auch im kommenden Winter noch andauert. Die Parallelen zu 1962/63 sind nämlich im Großen und Ganzen recht deutlich. Dann (aber nur dann!) dürften wir vor einem extrem kalten Winter stehen mit lange andauernden Ostwind-Wetterlagen. Leistenschneider, dem ich u. A. diese Arbeit zur Begutachtung vorgelegt habe, merkt dazu noch an: Dies dürfte noch dadurch verstärkt werden, da sich der derzeitige 24. Solare Zyklus zu seinem 2. Maxima aufmacht – das er im Juni oder Juli erreicht – und die solare Aktivität wird dann im Winter auf low sein, wie nach jedem solaren Maximum im Schwabe-Zyklus . Im Frühjahr dieses Jahres gab es solche Lagen ja schon, nur war die Jahreszeit damals schon so weit fortgeschritten (März/April), dass es wohl zu starken Frösten reichte, nicht aber mehr zu Superkälte.
Fazit: Es besteht in dieser Hinsicht unabhängig von allen Klima-Überlegungen die Gefahr eines kommenden Extrem-Kaltwinters. An sich ist das natürlich nichts Anomales, denn Anomalien sind durchaus normal und treten immer wieder auf. Anomal wäre es höchstens, wenn es solche Anomalien gar nicht mehr gäbe. Und was den Winter betrifft, wäre das natürlich kein Beweis für eine Klima-Abkühlung. Man sollte ihn aber, so er wirklich auftritt, als Fingerzeig sehen, wohin der Klimazug aller Wahrscheinlichkeit nach bei uns rollt.
Was aber Sorgen bereitet: Wenn es im kommenden Winter wirklich wochenlang extrem kaltes Wetter gibt und man dies vor dem Hintergrund der Stromlücke in Deutschland sieht…
Dipl.-Met. Hans-Dieter Schmidt

Leistenschneider fügt aus seiner 750 Seiten starken Abhandlung noch folgende Abbildung hinzu und macht dazu folgende Bemerkungen:

 

Die Abbildung links zeigt im Vergleich Juli 2004 mit August 2003, wie der Jetstream  das Wettergeschehen einstellt, Quelle: http://myweb.tiscali.co.uk/g0sd/Weather.htm. Die Abbildung rechts zeigt den Jetstreamverlauf über ganz Europa, Quelle: ZDF. Der beispielhaft gezeigte Verlauf war typisch für den Sommer 2008 und zeigt wandernde Tiefdruckgebiete über Mittel- und Nordeuropa, die Deutschland die niedrigen Temperaturen und das nasse Wetter bescherten. Aufgrund der Druckunterschiede können die Hochs den Jetstream nicht überwinden und verbleiben südlich seines Wellenverlaufs.

Anmerkung:
2003 war bekanntlich der Hitzesommer in Europa, als der Hauptsonnenzyklus (208-jährige de Vries/Suess-Zyklus, einige Quellen geben das Jahr 2002 an, könnte auch stimmen, da z.B. ein El Nino immer!!!! 11 Monate nach seinem solaren Ereignis ausgelöst wird und es durchaus sein kann, dass die Sonne dieselbe Zeitverzögerung auf die anderen großen irdischen Wettersysteme hat) sein Maximum hatte und besonders über die Hadleyzellen die Sonne ihre erhöhte Energie auf das irdische Wettersystem einbrachte. Diese Energieeinfuhr führt zu einer höheren Temperatur- und Druckkomponente, wodurch die Jet´s weiter nach Norden wandern. Wie ich zeigen konnte, löst die Sonne über die Hadleyzellen (deutliche Änderung der Luftmassenströmung) einen El Nino aus und zwar kann man die Uhr danach stellen. Über den Drehimpulserhaltungssatz hat ein El Nino weiter globale Auswirkungen, auch auf Ferrel- und Polarzelle (meine These erklärt z.B. die Untersuchungen von Brönnimann, ETH, zu El Ninos). Auf EIKE hatte ich dies gezeigt.
Folgend die solare Aktivität im 24. Sonnenzyklus (Stand 03. Juni 2013). Sie sehen, dass wir derzeit auf ein 2. Maximum zugehen. Ich rechne noch bis einschließlich Juli (maximal August) mit einer Zunahme, dann wird die Aktivität wieder fallen. Vergleichen Sie dazu das 1. Maximum und dessen Rückgang. Leider kann ich (außer bei El Ninos) nicht belegen und erklären, wie schnell die Sonne ihre Aktivitätsschwankungen auf die irdischen Wettersysteme einprägt und wie sie dies macht (habe mich auch schon seit geraumer Zeit nicht mehr wirklich damit beschäftigt). Sie sollten jedoch Recht behalten, dass wir wieder einen kalten Winter bekommen. Alles, was wir kennen, spricht dafür.

Schlusswort des Autors: Ich danke Herrn Leistenschneider für die fachliche Begutachtung dieses Aufsatzes.
Und ich bedanke mich bei  meinem Freund, dem Schriftsteller Chris Frey, der diesen Aufsatz stilistisch überarbeitet hat.
H.-D. S.

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