Hinsichtlich des Energiehungers füllen derzeit Indien und China das Loch, das die verringerten Importe in die USA gegraben haben. Der Pro-Kopf-Verbrauch in beiden Ländern wächst rasant, und bis zum Jahr 2017 wird China die USA als größtes Öl-Importland abgelöst haben. Im ‚Energy Outlook-Bericht’ von BP heißt es, dass Indien bis zum Jahr 2030 90% seines Öls importieren wird. Beide asiatischen Länder haben daher ein viel größeres Interesse an diesem Spiel als die USA. Extreme politische Gruppierungen in den USA sagen bereits, dass die Militärpräsenz ihres Landes in der Region die Energieversorgung von Indien und China sichert. Wenn das Öl aus dem Nahen Osten jetzt eher nach Osten als nach Westen zu fließen beginnt, wird das gemäßigte Amerika nur wenig Anlass sehen, die Energiesicherheit anderer Länder zu stützen.
Während seines Besuchs in Mumbai Anfang dieses Jahres hat einer der populärsten Visionisten der Energieindustrie, Christof Ruhl, die Renaissance der Ölproduktion in Nordamerika als eine der dramatischsten Entwicklungen in der globalen Energielandschaft bezeichnet. Ruhl ist der leitende Ökonom bei BP, und seine Karriere basiert auf der Erkundung von Trends und der Vorhersage des Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage hinsichtlich Petroleums in der Zukunft. Er sagt, dass die Erschließung massiver Reserven von Schieferöl, das Wachstum der Biotreibstoffe in den USA und in Brasilien ebenso wie das Aufkommen kanadischen Schweröls zu der Revolution geführt haben. Er sagt voraus, dass Nord- und Südamerika zusammen dabei sind, den Nahen Osten als größte Quelle flüssiger Treibstoffe noch in diesem Jahrzehnt zu überholen und diese Position bis etwa zum Jahr 2030 halten. Danach würde der Nahe Osten wieder aufholen. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklungen, vor allem in Kanada und den USA, wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.
In einer kürzlich von dem Analysten Ross McCracken bei der Firma Platts veröffentlichten Studie zu Schiefer- und Energiesicherheit werden einige dieser Punkte angesprochen. McCracken sagt, dass die Auswirkungen der Fortschritte in den USA in Richtung Selbstversorgung überbewertet werden. Die politische Gemeinschaft in Washington trachtet danach, die Tendenz unter den Spezialisten der Energiesicherheit in Frage zu stellen, wonach alle Außenbeziehungen der USA im Zusammenhang mit Energie gesehen werden müssen. Die USA kämpfen in Afghanistan nicht, um den Zugang zu Öl und Gas sicherzustellen, sondern um den Anti-westlichen islamistischen Terror in Schach zu halten, sagt er. Die engen Beziehungen zu Israel basieren nicht auf Energie. Die Allianzen mit Japan und Südkorea sind langzeitliche Sicherheitsgarantien, die auf beiderseitigen politischen und militärischen Interessen beruhen. Er argumentiert, dass internationale Beziehungen viel umfassender sind als das.
McCracken sagt, dass der Handel auch mit den Ausdrucksformen ‚virtueller Energie’ präsentiert werden kann. Wenn ein US-Verbraucher ganz unpatriotisch einen Toyota kauft, importiert er Gas aus Qatar, weil das Auto unter Verwendung von nach Japan importiertem LNG [= Liquid Natural Gas] aus dem Nahen Osten gebaut worden ist. Ähnlich: wenn ein Japaner einen Dodge kauft, profitiert er vom Schiefergas-Boom in den USA. Das ist lediglich eine andere Formulierung, dass die USA Teil der Weltwirtschaft sind. Zusätzlich gibt es in den USA Unternehmen, die ihrer Natur nach weltweit sind mit substantiellen Investitionen in Anleihen im Ausland, die die Interessen der USA repräsentieren, unabhängig vom Grad der Energie-Selbstversorgung.
Der Gas-Boom in den USA beeinflusst schon jetzt die globalen Energiebeziehungen. Die Auswirkungen werden sogar noch stärker bemerkbar, wenn die USA anfangen, Gas zu exportieren – die ersten LNG-Exporte erwartet man um das Jahr 2017. Die Frage, wie viel Gas man exportieren sollte, wird gegenwärtig im US-Senat diskutiert. Der indische Botschafter in den USA Nirupama Rao hat mit Lobbyarbeit begonnen, um Genehmigungen für Gasexporte nach Indien zu beschleunigen. Der Gasexport in befreundete Nationen in Europa ebenso wie nach Indien und China wird als neuer Weg gesehen, die Einflusssphäre der USA zu erweitern und die Dominanz des Nahen Ostens und Russlands zu beschneiden. Schiefer hat angefangen, das Öl als den Hauptakteur in dem neuen großen Spiel zu ersetzen.
Forbes India, 8 May 2013
Link: http://www.thegwpf.org/shale-revolution-trigger-world-order/
Übersetzt von Chris Frey EIKE

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