Europas selbstmörderischer Unwille gegen Schiefer

Inmitten der endlosen Debatten rund um die Welt über die Sicherheit von Fracking übersehen politische Entscheidungsträger das größere Bild. Die Möglichkeit, fossile Treibstoffe mit Hilfe neuer Technologien zu extrahieren (als da wären horizontale Bohrungen, hydraulisches Brechen und seismische 3D-Erkundung), die in Schiefergestein gefangen sind, ist die wichtigste Entwicklung innerhalb der Energieindustrie seit mindestens einem halben Jahrhundert. Die Schiefer-Revolution lässt das 80:10-Verhältnis implodieren – dass 80 Prozent des Öls und Gases im Bereich des Ölkartells der OPEC-Länder und Russland gefördert werden und nur 10 Prozent in OECD-Ländern und China. Energie kann jetzt aus Schiefer extrahiert werden, am meisten in China und den USA, aber auch in Europa.
Selbst wenn sie jedoch kein Molekül Energie aus Schiefer gewinnen, können die Europäer doch die Konsequenzen nicht übersehen. Die Schiefer-Revolution wird die geostrategische Position des Kontinents verändern. Positiv ist, dass anderswo erzeugtes Schiefergas Europas Energiesicherheit stärken wird, entweder durch konventionell verflüssigtes Erdgas, das in die europäischen Märkte geleitet wird, oder als verflüssigtes Schiefergas, das nach Europa verschifft wird.
Weit weniger positiv ist, dass Europa zum einzigen großen ökonomischen Block ohne ausreichende Energie-Ressourcen wird. Die USA, China und Latein-Amerika werden Zugang zu Schiefer haben, ebenso wie zu Offshore-Ölfeldern. Da sich die USA der Energie-Unabhängigkeit nähern, wird Washington wahrscheinlich darauf bestehen, dass Europa in seine eigene Energiesicherheit investiert, indem es einen Teil der Belastung durch Öltransporte aus der Golf-Region in den Westen übernimmt, die gegenwärtig von der US-Marine getragen wird.
Die EU kann auch nicht an den Auswirkungen von Schiefer auf seine Politik bzgl. der Klimaänderung vorbeigehen. Die 2007 von Brüssel beschlossenen Ziele zur Reduktion von Kohlenstoff-Emissionen wurden durch die Erwartung permanent steigender Preise für fossile Treibstoffe angetrieben, die es irgendwann wirtschaftlich machen, in erneuerbare Energie zu investieren. Angesichts der den Planeten umspannenden Schiefer-Entwicklung werden jedoch immense Mengen Erdgas verfügbar werden, die die Preise nach unten drücken.
Die US-Schiefer-Revolution verzerrt schon jetzt die EU-Klimapolitik. Amerikanische Gaspreise sind bereits so niedrig, dass Kohleproduzenten dort ihre Erzeugnisse nach Europa verschiffen. Die Flutwelle derartiger Importe, die 2012 zu beobachten war, ist wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack eines größeren Problems für Brüssel. Die Pro-Erneuerbare-Politik der EU wird als Magnet fungieren für jeden Kohleproduzenten, der durch die Entwicklung beim Schiefergas aus seinem Heimatland vertrieben wird. Angesichts der teuren Erzeugung erneuerbarer Energie werden europäische Energieversorger zu verschmutzender Kohle übergehen, um Kosten zu sparen. Die Gefahr für die EU besteht dann darin, dass sie bei Beibehaltung der gegenwärtigen Politik bzgl. der Klimaänderung zum globalen Müllabladeplatz für Kohle wird.
Unabhängig von den geostrategischen Auswirkungen und den Auswirkungen auf die Klimaänderung von Schiefer gibt es eine beträchtliche wirtschaftliche Auswirkung. Hohe Energiepreise sind nicht aus sich selbst heraus ökonomisch schädlich. Allerdings, in einer Situation, in der alle anderen wirtschaftlichen Blöcke Zugang zu großen Mengen billiger Ressourcen haben oder demnächst haben werden, wird es in Europa zu einem Ausbluten energieintensiver Unternehmen kommen. Wahrscheinlich wird dieser Effekt noch verschlimmert, weil die Auswirkung billiger fossiler Treibstoffe diese Unternehmen zurück nach Amerika ziehen wird. Viele Schiefer erzeugenden Staaten neben den USA werden diesen Faktor nachahmen wollen, entweder um die Erzeugung im Lande zu halten oder sie in ihre Ökonomien zu transferieren – was die Deindustrialisierung Europas weiter verstärken wird.
Alan Riley, Financial Times
Full story, die jedoch nicht frei zugänglich ist. Wahrscheinlich ist obiger Artikel im Original noch länger, aber erstens halte ich das hier Angesprochene für sehr wichtig, und zweitens gehe ich davon aus, dass alles Wesentliche bereits gesagt ist. Darum habe ich ihn zur Übersetzung ausgesucht.
C. F.
Link: http://www.thegwpf.org/alan-riley-europes-suicidal-shale-reluctance/
Übersetzt von Chris Frey EIKE