Die Klimakrieger der ZEIT, guter Journalismus?

Ich gestehe, Die ZEIT allenfalls gelegentlich im Cafè zu lesen. Ich bevorzuge das kleine Format, wie dasjenige der von mir hoch geschätzten Le monde, sowie Artikel, die sofort auf den Punkt kommen, wie die des britischen economist. Der ZEIT-Artikel betrifft mich aber als "Interview-Gastgeber" der ZEIT-Redakteurin Frau Anita Blasberg. Diese ließ es sich nicht nehmen, extra von Hamburg nach Heidelberg zu reisen. Hierzu weiter unten mehr. Die zweite Redakteurin der „Klimakrieger’’, Frau Kerstin Kohlenberg, ist mir dagegen nicht bekannt. Beide Autorinnen werden im Folgenden als BK abgekürzt.
Das ZEIT-Dossier „Die Klimakrieger’’ umfasst 3 volle Seiten des bekannt überdimensionalen ZEIT-Formats. Dennoch können die in ihm enthaltenen Faktenaussagen kurz abgehandelt werden. Es gibt nur wenige.

1. Faktenaussage – „Wie von der Industrie bezahlte PR Manager der Welt seit Jahren einreden, die Erderwärmung finde nicht statt. Chronologie einer organisierten Lüge“:

Es ist kein ernst zu nehmender Klimaskeptiker bekannt, der von einer nicht vorhandenen Erderwärmung spricht, noch nicht einmal ein von der Industrie bezahlter PR-Manager. Marc Morano, dessen Entlarvung als erfolgreicher Weltverschwörer BK gut eine ganze ZEIT-Seite wert ist, kenne ich leider kaum. Die wissenschaftlicheren, englischsprachigen, klimaskeptischen Blogs findet man bei Judith Curry,  WUWT und Joanne Nova. Daher musste ich mir Moranos Blog ClimateDepot nunmehr einmal ansehen. Die von BK Herrn Morano vorgeworfene Lüge ist freilich nicht auffindbar. Jeder, der sich ein wenig auskennt – Morano gehört vermutlich dazu – weiß über den mittleren globalen Temperaturverlauf des 20. Jahrhunderts und die jüngste globale Abkühlung Bescheid. Die Messdaten sind eindeutig und lassen keine Lügen zu. Das 20. Jahrhundert war durch zwei Erwärmungsphasen, 1900-1935 sowie 1970-1995 und eine längere Abkühlungsphase von 1935-1970 geprägt. Seit etwa 1996 stagnieren die Temperaturen und sinken nunmehr. Das Temperaturmaximum Ende des 20. Jahrhunderts wurde kurzfristig fast schon einmal in den 1930-er Jahren erreicht (linke Fig. 8 in hier). Der Temperaturwert der globalen Erwärmung im 20. Jahrhundert ist etwas umstritten, fest steht freilich, dass er sich bestens in die Fluktuationen früherer Jahrhunderte einordnet. Anthropogenes CO2 ist zu seiner Erklärung nicht zwingend nötig.
Vermutlich ist BK eine Verwechslung unterlaufen. Bezweifelt wird von Klimaskeptikern nicht der gemessene Temperaturverlauf, sondern die Hypothese, dass die Erwärmungsphase in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – von gerade einmal 25 Jahren Dauer – anthropogen sei. Diese Zweifel sind begründet, denn für diese Hypothese fehlt in der Fachliteratur bis heute ein entsprechender Nachweis.

2. Faktenaussage – Die von BK rot gehaltenen Zitate von Morano:

Sie sind vermutlich von BK – unübersehbar rot/fett – in den Text eingestreut worden, um die Inkompetenz Moranos zu demonstrieren. Ohne mich als Sachwalter von Morano zu fühlen, erscheint mir das Vorgehen von BK allerdings nicht geeignet, ihren Standpunkt zu untermauern. Schauen wir uns dazu die Morano-Zitate näher an, wobei nur auf die mit Sachaussagen eingegangen wird, der Rest ist Geschmackssache und führt nicht weiter. Hierzu gehe ich – ohne Überprüfung  – von der Echtheit der von BK angegebenen Zitate aus:

a) Zitat Morano „Tatsächlich ist die Population der Eisbären fünf Mal so groß wie vor 40 oder 50 Jahren“. Falsch oder zutreffend?

Über dieses Thema ist zum Beispiel hier Sachliches zu finden. Fakt ist, dass der Eisbär nicht ausstirbt. Er hat alle früheren Warmzeiten, insbesondere die sehr starken des Holozäns um 4,5 und um 6,5 Jahrtausende vor unserer Zeit und natürlich die des Mittelalters, bestens gemeistert. Sein Überleben wird vom Jagdverhalten des Menschen, nicht vom Polarklima bestimmt. Moranos Zitat trifft daher zu, über die von Morano angegebenen Zahlen kann ich nichts sagen, sie sind im Detail auch unwichtig.

b) Zitat Morano „Der einzige Ort, an dem die angebliche Klimakatastrophe stattfindet, ist die virtuelle Welt der Computermodelle, nicht die reale Welt“. Falsch oder zutreffend?

Bis heute ist keine Fachveröffentlichung bekannt, die einen anthropogenen Einfluss auf Erdtemperaturen auf der Basis von Messungen nachweisen kann. Bis heute sind ferner keine Zunahmen von Extremwetterkatastrophen aufzufinden, dies bestätigt das IPCC im Report von 2001, the scientific basis, Kap. 2.7 (hier) und im jüngsten Extremwettereport von 2012 (hier). Da es bis heute keine anthropogenen Klimakatastrophen gibt, ist allein aus logischen Gründen Moranos Aussage korrekt. Die Zukunft kann nur aus der Kristallkugel oder aus Modellen vorhergesagt werden. Nachfolgend einige Zitate von Klimaexperten über ihre Auffassung zur Zuverlässigkeit von Klimamodellen:
Prof. Hans-Otto Peitgen (Mathematiker und Chaosforscher): “Jetzt reden wir von Glaubenssachen. Es gibt Leute, die glauben – und viele von denen sitzen in hoch bezahlten Positionen in sehr bedeutenden Forschungszentren -, dass man das Klima modellieren kann. Ich zähle zu denen, die das nicht glauben. Ich halte es für möglich, daß sich die mittlere Erwärmung der Ozeane in 50 Jahren mit einem bestimmten Fehler vorausberechnen lässt. Aber welche Wirkungen das auf das Klima hat, das ist eine ganz andere Geschichte“.
Prof. J. Negendank (GFZ Potsdam): “Das Klima ist zur Zeit unberechenbar und unkalkulierbar“ und weiter zu den Klima-Modellen “… dass man sich bewusst bleiben muss, dass es sich um Szenarien handelt, die auf vereinfachten Annahmen beruhen. Das Klimasystem ist aber bei weitem komplexer und wird auch in Zukunft Überraschungen bereithalten“.
Prof. Hans von Storch (GKSS-Forschungszentrum Geesthacht): “Wir Klimaforscher können nur mögliche Szenarien anbieten; es kann also auch ganz anders kommen“. Und an anderer Stelle: “Weder die natürlichen Schwankungen noch die mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel ausgehenden Veränderungen können in Einzelheiten prognostiziert werden. Bei den natürlichen Schwankungen ist dies wegen der chaotischen Natur der Klimadynamik nicht möglich. Bei den anthropogenen Veränderungen kann es keine Vorhersagen geben, weil die Antriebe, d.h. die Emissionen von klimarelevanten Substanzen in die Atmosphäre, nicht vorhergesagt werden können“.
Nun wieder zurück zu den Morano-Zitaten!

c) Zitat Morano  „Unser Ziel ist es, die schlechte staatliche Politik zu stoppen, die auf unbegründeten und hysterischen wissenschaftlichen Behauptungen zur menschgemachten Erderwärmung beruht“. Falsch oder zutreffend?

Dieses Zitat ist keine Sachaussage, dennoch sei eine Anmerkung erlaubt. Dem Ziel von Morano, eine schlechte staatliche Politik zu stoppen, die auf unbegründeten und hysterischen wissenschaftlichen Behauptungen beruht, stimme ich zu. Was ist dagegen einzuwenden? Soll man eine schlechte Politik, die auf unbegründeten Annahmen beruht, unterstützen?  

d) Zitat Morano „Die zehn tödlichsten Flutkatastrophen der Welt ereigneten sich alle vor 1976“. Falsch oder zutreffend?

Der Link belegt, dass Morano recht hat. Für Europa gibt es die Flusspegelwände, auch von diesen wird Morano bestätigt. Ob es nun genau 10 oder mehr oder weniger Flutkatastrophen sind, spielt keine Rolle. Fest steht, dass die stärksten Überschwemmungsereignisse nicht in die Zeit des ansteigenden anthropogenen CO2 fallen.

e) Zitat Morano „Aus Kohle gewonnene Energie ist einer der größten Erlöser der Menschheit in der Geschichte unseres Planeten“. Falsch oder zutreffend?

„Erlöser“ klingt ein wenig geschwollen, sachlich trifft der Satz freilich zu. Ohne Nutzung der Kohle ist die industrielle Revolution und die Moderne undenkbar. Bei aller Abneigung gegen die Technik sollten rot-grüne Nostalgiker vielleicht einmal an einen Zahnarztbesuch im 17. Jahrhundert denken. Im Übrigen stellt auch heute weltweit die Kohle den größten Anteil an Primärenergie. Morano hat absolut recht.
BK hätten vielleicht versuchen sollen, die Morano-Zitate als falsch zu widerlegen. Das Dossier wäre damit zur zielstellenden Lektüre geworden.
Das zweite große Thema des Dossiers ist der Hockey-Stick von Michael Mann. M. Mann ist unbestritten ein Klimaforscher, der viel und zum Teil sehr Ordentliches publiziert hat und nicht nur seine berüchtigte Kurve aus der amerikanischen Borstenkiefer herausdestillierte. Über diese Kurve ist fast unendlich viel geschrieben und publiziert worden. Zunächst einmal ist sie falsch. Sie widerspricht allen anderen Proxy-Kurven, angefangen von Stalagmiten über weitere Baumringkurven bis hin zu aus Eisbohrkernen gewonnenen Temperaturkurven. Das mittelalterliche Wärmeoptimum und die kleine Eiszeit Ende des 17. Jahrhunderts ist in ihr nämlich nicht zu sehen. Über die globalweite Existenz dieser beiden Ereignisse braucht man heute nicht mehr zu streiten. Die wissenschaftlichen IPCC-Berichte enthalten dementsprechend den Hockeystick auch nicht mehr. BK hätten sich darüber unschwer informieren können.
Desweiteren sind mit der Propagierung des Hockeysticks durch M. Mann und seine Anhänger Vorkommnisse verknüpft, die mit den Regeln ordentlichen wissenschaftlichen Arbeitens nicht vereinbar sind – das Buch von Andrew Montford, "The Hockeystick Illusion", schildert dies ausführlich. BK kennen dieses Buch nicht. Drittens gibt es nicht nur die oben erwähnten anders aussagenden Temperaturkurven, die den Hockeystick falsifizieren, sondern es gibt zusätzlich auch noch begutachtete Publikationen, die die Fehler in der Vorgehensweise von M. Mann nachweisen. Dies dürfte sachlich genügen.
M. Mann hat mit dem massiven „Massieren“ seiner Baumringdaten (cooking the books heißt es im Englischen) etwas getan, was viele Leute als wissenschaftlichen Betrug bezeichnen. Ob man sich dieser Ansicht anschließt, ist Geschmackssache. Da ich den Vorgang kenne und ein wenig von Temperaturanalysen, Baumringdaten und Statistik verstehe, halte ich an der Bezeichnung „Betrug“ fest. Offizielle Untersuchungen über die Arbeitsweise eines Wissenschaftlers werden nicht vom Zaun gebrochen, weil irgendein PR-Manager eine „Verschwörung“ gegen Klimaforscher anzettelt, so einfach sind nicht einmal die USA gestrickt. Das von BK weichgezeichnete und von allen bösen Klimaskeptikern und insbesondere von Morano verfolgte Unschuldslamm M. Mann musste immerhin per Gericht gezwungen werden, seine Daten, mit denen er den Hockeystick aus dem Hut zauberte, nachprüfenden Kollegen zu übergeben. Mehr braucht über diesen Vorfall nicht gesagt zu werden.
Zur Klage von BK, es werde nichts zum Klimaschutz getan: BK scheinen ihr Schulwissen vergessen zu haben. Es gibt nicht das(!) Klima, nur Klimazonen von tropisch bis polar. Die Klimate in allen Zonen haben sich seit Bestehen der Erde stets gewandelt. Welches der verschiedenen Klimate soll geschützt werden? Und wie soll das geschehen? Wir müssten dazu beim „Schutz des Wetters“ anfangen.
Als letzten Punkt seien CO2 und Pflanzen angesprochen. Ihn bringen BK mit der Leugnung der Erwärmung durcheinander. Diese beiden Themen haben nichts miteinander zu tun. Besseres Pflanzenwachstum (insbesondere von Nahrungspflanzen wie Getreide) durch höhere atmosphärische CO2-Konzentrationen sind bestens bekannt und nachgewiesen (hier, hier, hier). Insofern spricht die von BK zitierte Antwort von M. Mann "Ich sehe wenig, was dafür spricht" auf die Frage Inhofes "stimmen Sie überein, dass ein erhöhter Kohlendioxidausstoß viele Vorteile für Flora und Fauna habe" von mangelnder Fachliteraturkenntnis oder von Klima-Alarmismus. Sachlich haben Soon und Legates in ihren zustimmenden Antworten recht, M. Mann dagegen mit seiner Antwort nicht.
Hiermit ist der Faktenteil des Dossiers von BK abgeschlossen, mehr gibt es nicht.
Nun zur  Kategorie „Unsachliches“ im ZEIT Dossier "Die Klimakrieger". Jeder Leser erkennt, dass das Dossier ein miserabel geschriebener Propaganda-Artikel gegen die sog. Klimaleugner ist, der sich ausschließlich auf ad hominem Attacken stützt. Er enthält so gut wie keine Sachargumente, und Gegenmeinungen gibt es schon gar nicht. Wer es mag, kann Parallelen zum Stil des Neuen Deutschland oder des Völkischen Beobachters ziehen, die Methoden sind erschreckend ähnlich. Ich gebe zu, dass meine Hochachtung vor dem Otto-Brenner-Preis, dem Deutschen Sozialpreis, dem Herbert-Riehl-Heyse-Preis und dem Georg-von-Holzbrick-Preis – alle diese Preise wurden an BK vergeben – stark gelitten hat.   
Interessanter sind die Gründe und Motive einer früher hochwertigen Wochenzeitung, die solch eine Polemik-Schmonzette wie die „Klimakrieger“ durchgehen lässt. Man erinnert sich wehmütig an bessere Artikel zu ähnlichen Themen, stellvertretend hier und hier. Anlässlich des von Frau Blasberg gewünschten Interviews empfahl ich ihr telefonisch, der interessanten Sachinhalte wegen ein wenig Zeit mitzubringen, denn als fachfremde Soziologin hätte sie vermutlich Erklärungsbedarf. Dieser Vorschlag war, wie ich im Nachhinein erkennen musste, unnötig. Frau Blasberg brachte knapp 1,5 Stunden mit, auch die waren noch zuviel. Von Klimafakten, von einer Zusammenstellung der unzähligen Petitionen und Manifeste von Klimaexperten gegen die AGW-Hypothese, von der politischen Instrumentalisierung der Klimafurcht und von vielem weiteren mehr wollte sie trotz meiner für sie vorbereiteten und zur Verfügung gestellten Unterlagen nichts wissen. Sie war nur an den EIKE-Interna interessiert. Nun steht EIKE als wichtigstes, deutsches Klimaskepsisforum mit rasant steigenden Internet-Besucherzahlen im Brennpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. Infolgedessen konnte Frau Blasberg nicht erwarten, von mir das Gewünschte zu erhalten. Vermutlich etwas verstimmt über ihren Misserfolg wurde ich dann im Dossier zu einem flüsternden Verschwörer stilisiert, amüsant! Die mir  untergeschobenen Aussagen gab es natürlich nicht. Die ZEIT hätte sich die Reisekosten von Frau Blasberg sparen können.
Frau Blasberg teilte mir stolz mit, dass sie sehr viel Zeit – ich meine, mich an 2 Monate zu erinnern – von ihrer Redaktion für den Artikel zur Verfügung hätte. Ob sie wahrheitsgemäß berichtete, kann ich nicht beurteilen. Wenn es zutraf, lag wohl ein Kommunikationsproblem zwischen ihr und der ZEIT-Redaktion vor. 2 Monate waren für Sachrecherchen tatsächlich angebracht, nicht für das abgelieferte Produkt. Die überdicke Tusche, mit der Morano und Vahrenholt mit Hilfe von Bösewichtphotos, M. Mann dagegen als liebevoll-sympathischer Forscher gezeichnet wurden, ist von vielen ZEIT-Lesern mit Sicherheit als Beleidigung ihrer Intelligenz empfunden worden. Ebenfalls der Verriss von Vahrenholt. Weil Vahrenholt auf studentische Fragen kenntnisreich antwortet, ist er ein Besserwisser. Wenn er es nicht getan hätte, wäre er von BK zweifellos fachlicher Unkenntnis geziehen worden. Solche journalistischen Tricks aus der Mottenkiste sind der ZEIT nicht angemessen.
Das Kernproblem hat man bei der ZEIT, aber auch bei der Süddeutschen Zeitung und weiteren Blättern mit ihren bekannten Polemiktiraden gegen die „Klimaleugner“ immer noch nicht begriffen. Ohne eine sachliche Diskussion in der Klima-Auseinandersetzung geht es nicht mehr. Mit solchen Dossiers wie von BK macht sich die ehemals niveauvolle Wochenzeitung ZEIT lächerlich. Guter Journalismus sieht anders aus. Die ZEIT darf sich nicht wundern, die wertvollsten, weil an wirklicher Information interessierten,  Leser auf immer ans Internet zu verlieren.
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke
EIKE Pressesprecher
Occupy hat das komplette ZEIT "Dossier" ins Internet gestellt. Zum Nachlesen hier
Mit Dank an Leserin Barbara