Mein Schatz hat’s Grün so gern

Drei verschiedene Befragungen belegen klar, wem die deutschen Journalisten politisch nahe stehen: Den Grünen. Ob diese Haltung eine Auswirkung hat, ist nicht bewiesen. Es deutet aber Vieles darauf hin.

Verschiedene Studien haben versucht, die Parteineigung deutscher Journalisten und Journalistenschüler zu eruieren. Zieht man die Ergebnisse von drei vorliegenden Befragungen* (siehe Grafik rechts und Anhang am Ende des Artikels) zusammen, dann kommt Bündnis 90/Die Grünen auf eine Zustimmung von 33,8 Prozent, mehr als ein Drittel also. Die SPD kommt auf 20,8 Prozent. Zwischen den beiden liegt die Gruppe jener, die behaupten, ihnen sei keine Partei nahe: 27,9 Prozent. Ganz sicher nicht nahe ist den Journalisten allerdings die vom Volk 2009 gewählte Regierung: CDU/(CSU) und die FDP finden lediglich 7,6 beziehungsweise 6,9 Prozent Zustimmung. Eine rot-grüne Koalition unter deutschen Journalisten? Mit 54,6 Prozent Zustimmung: No problem. Eine schwarz-gelbe? Mit 14,5 Prozent Zustimmung: No way.

Bild 1: Parteineigung von Journalisten in Deutschland. Die Balken zeigen die Sitzverteilung im Bundestag an (Wahl von 2009), die Punkte drei verschiedene Erhebungen zur Parteineigung deutscher Journalisten und Journalistenschüler.

Bild 2: Parteineigung von Journalisten in Deutschland – in Zahlen
Hat die politische Haltung von Journalisten Einfluss auf ihre Texte und ihre Themenwahl? Das bleibt umstritten und kaum nachweisbar. Doch vergessen wir nicht: Journalismus ist nicht irgend ein Beruf. Journalisten sind generell Überzeugungstäter: sie nehmen schlechtes Ansehen, schlechte Bezahlung und unregelmässige, manchmal auch lange Arbeitszeiten in Kauf, weil sie mit ihrer Arbeit, ihren Recherchen etwas verändern wollen, und sei es auch nur das Schaffen von Transparenz in einem kleinen Bereich.
Kommen wir zu ein paar nach wie vor unkorrigiert online stehenden Schlagzeilen vom 19. und 20. September 2012, die so nicht haltbar sind:
•   «Genmais-Futter macht Ratten schwer krank» (handelsblatt.de)
•   «Studie: Mit Genmais gefütterte Ratten sterben früher an Krebs» (AFP)
•   «Genmais lässt Ratten früher sterben» (tagesschau.sf.tv)
•   «Schädlicher Genmais» («Süddeutsche Zeitung»)
Die hinter den Meldungen stehenden Studienergebnisse wurden von Anfang an bezweifelt, so vom Deutschlandfunk bereits am 20. September. Mit gutem Grund, denn es wäre schon eine grössere Diskussion wert, wenn Genmais-Futter «schädlich» wäre und «schwer krank» machen würde. Die These «ist experimentell nicht ausreichend belegt», urteilte wenig später das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung. Und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA sieht sich «derzeit ausserstande, die Schlussfolgerungen der Autoren als wissenschaftlich fundiert zu betrachten». Den ganzen Fall schön aufgerollt hat Spiegel Online: «Der kalkulierte Genmais-Schock».
Oder nehmen wir den von deutschen und Schweizer Politikern kürzlich überraschend beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie. Obwohl es sonnenklar ist, dass ein solcher Ausstieg den Steuer- und Stromzahler sehr viel Geld kosten wird, geben sich Journalisten überrascht, dass jetzt, wo die Kosten den Konsumenten erreichen, Diskussionen darüber aufkommen. Deutschland sei «erfasst von einer Strompreis-Hysterie», behauptete das ZDF kürzlich in der Sendung «Berlin direkt».
Jegliche Distanz verloren deutsche Journalisten bei der Berichterstattung über das mehr als 15′871 tote, 2778 vermisste und 6114 verletzte Menschen (Stand: 10. Oktober 2012) fordernde Erdbeben in Japan am 11. März 2011. Es war noch kaum bekannt, welche Gebiete und wie viele Personen davon betroffen waren, als sie sich fast ausschliesslich auf Spekulationen über austretendes radioaktives Material verlegten. In vielen Stunden Live-Fernsehen wurden deutsche Zuschauer mit wenig Fakten und viel Hysterie geängstigt. Gegenüber den Tausenden Toten und den Hunderttausenden mit zerstörten Lebensgrundlagen, die das Erdbeben und die Überschwemmungen verursachten, steht die Reaktorkatastrophe: sie forderte 3 Todesopfer, einige Verletzte sowie eine unbekannte Anzahl von Strahlengeschädigten. Die Nuclear Energy Agency der OECD hält 2400 Radioaktivität ausgesetzte Mitarbeiter fest, davon deren 8 mit einer Belastung von über 250 Millisievert, siehe dazu auch «Weder Strahlentote noch Krankheiten nach Fukushima» (tagesschau.sf.tv).
Bild 3: Nach dem Erdbeben in Japan: Verlauf der Thematisierung der Kernenergie im eigenen Land in Zeitungen (Screenshot kepplinger.de)
Die Berichterstattung in Deutschland über den Reaktorvorfall war wesentlich intensiver als in der Schweiz, Frankreich oder England, das belegt auch eine Studie (PDF-Datei) von Hans Mathias Kepplinger und Richard Lemke. Es wurden dazu 25 Zeitungen und Zeitschriften sowie 12 TV-Nachrichtensendungen untersucht. Die erste von drei daraus geschlossenen Folgerungen lautet:

Deutsche Medien haben im Unterschied zu den englischen und französischen Medien die Reaktorkatastrophe in Japan durch die Intensität und den Inhalt ihrer Berichterstattung als typisch für die Gefahren der Kernenergie dargestellt. Fukushima wurde dadurch zum Menetekel, das Konsequenzen verlangt. Die schweizerischen Medien haben ähnlich berichtet.

Zum kostspieligen Projekt Atomausstieg, der diesen Namen erst dann verdienen wird, wenn Atomstrom weder hergestellt noch importiert wird, hatten die Stromzahler Deutschlands bisher nichts zu sagen. Derzeit kann man nicht mal von zwei Meinungen sprechen, wird doch Atomenergie in Deutschland so verteufelt, dass es schwierig ist, überhaupt einen Befürworter zu finden, oder zumindest jemanden, der diese Haltung offensiv vertritt. Persönlich bin ich nach fünf Jahren Aufenthalt in Berlin noch keinem einzigen Befürworter der Atomkraft begegnet (gesucht habe ich allerdings nicht).

Bild 4: Nach dem Erdbeben in Japan: Generelle Gewichtung der drei Geschehnisse (Screenshot kepplinger.de)

Bild 5: Nach dem Erdbeben in Japan: Tendenz der Aussagen zu Kernenergie von Journalisten und von Experten (Screenshot kepplinger.de)
In den TV-Diskussionen nach Fukushima musste da schon Weltwoche-Journalist Alex Baur einspringen, so bei Kerner; es fand sich offenbar niemand in Deutschland, der die Atomkraft verteidigen mochte. Baur sagt auf Anfrage: «Sie wollten zuerst Roger Köppel einladen, doch dieser verwies auf den Autor der Titelgeschichte, mich. Nach der Sendung wollte das Publikum vor allem mit mir reden. Und die beiden Wissenschaftler der Diskussionsrunde sprachen mir gegenüber von einer unglaublichen Panik, öffentlich als ‹Verharmloser› auftreten wollten sie dann aber auch nicht.
» Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel erzählte kürzlich anlässlich eines Streitgesprächs mit Cédric Wermuth (Video, ab Minute 26), er habe, als er noch Chefredaktor der bürgerlich-konservativen Tageszeitung «Welt» war, eine geheime Umfrage gemacht, was die «Welt»-Journalisten denn wählen. Herausgekommen sei eine Präferenz von 75 – 80 Prozent für Grüne und SPD.
So wie es gute Gründe gegen die Atomenergie gibt, gibt es gute Gründe dafür. Anders, als man durch den Konsum der Medien den Eindruck haben könnte, ist auch gar nicht zwingend eine Mehrheit der Bevölkerung dagegen. Die Schweizer Stimmbürger beispielsweise haben an der Urne mehrmals ihre Zustimmung zur Atomkraft zum Ausdruck gebracht, noch am 13. Februar 2011 wurde der Bau eines neuen Atomkraftwerks (Mühleberg II) beschlossen. Die Einwohner der Gemeinde Mühleberg befürworteten den Bau mit 61 Prozent, die Einwohner des Kantons Bern mit 51,2 Prozent.
Volksabstimmungen bringen gerne mal Medienhysterien wieder ins Lot, zuletzt beim Bahnhofsprojekt Stuttgart21, das viele deutsche Medien über Monate aktiv und im Sinne der Gegner skandalisiert hatten. Seit der Volksabstimmung vom 27. November 2011, bei der sich 58,9 Prozent der Bürger für eine weitere Finanzierung des Projekts entschieden hatten, ist die (aggressive) Diskussion darüber fast ganz beendet.

Wenn Medien grüne Themen pushen, dann geschieht das nicht nur aus ideologischen, sondern auch kommerziellen Gründen. Viele Medienkonsumenten, gerade der intelligenteren Medien, sind nun mal (potentielle) Grünen-Wähler, und die wollen bedient werden. Wenn in der «Frankfurter Rundschau» seitenweise Texte über die 1968er zu lesen sind, in der «Zeit» über fehlende Ausbildungschancen und Kinderkrippen, in der «Welt» über den Unsinn des Sozialismus und in der «Jungen Welt» über den Unsinn des Kapitalismus, dann wird damit immer auch der Leser bedient. Deshalb liest man in solchen Medien auch kaum je etwas Positives über die Unterschicht. Das sind nämlich keine potentiellen Kunden.

Der Unterschicht bleiben Boulevardzeitungen und Privatsender, die jene ganz unten jenen fast ganz unten zum Amüsement präsentieren.
AUTOR Ronnie Grob
* Quellen zur Grafik «Parteineigung von Journalisten in Deutschland»:
- Quelle Journalisten (2005): «Journalismus in Deutschland 2005» (media-perspektiven.de), ein Auszug von Befunden einer Repräsentativbefragung deutscher Journalisten von Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl, veröffentlicht in «Media Perspektiven» 7/2006, Seiten 346-361
- Quelle Journalistenschüler (2008): «Die Journalistenschüler – Rollenselbstverständnis, Arbeitsbedingungen und soziale Herkunft einer medialen Elite» (library.fes.de) von Peter Ziegler.
- Quelle Politjournalisten (2010): «Politikjournalistinnen und -journalisten – Aktuelle Befunde zu Merkmalen und Einstellungen vor dem Hintergrund ökonomischer und technologischer Wandlungsprozesse im deutschen Journalismus» (dfjv.de) von Magreth Lünenborg und Simon Berghofer
- Quelle «Anteil Sitze im Bundestag»: «Sitzverteilung des 17. Deutschen Bundestages» (bundestag.de)
Die Grafik in höherer Auflösung. «Mein Schatz hat’s Grün so gern» ist der Refrain des Lieds «Die liebe Farbe» von Franz Schubert. Die politische Haltung des Autors, der übrigens auch schon mal die Grünen gewählt hat, findet sich hier.

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Alex Baur, Atomenergie, Deutschland,Die Welt, Fukushima, Grüne,Journalisten, Parteien, Politik, Roger Köppel, Weltwoche
Zuerst erschienen in der Medienwoche.ch;  
Einleitung übernommen von Wolfgang Röhl ACHGUT

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