Update 8.10.12 

Bundesumweltminister Altmaier: Keine Laufzeitgarantie für neue Kohlekraftwerke

Hamburg (ots) – Energiekonzerne können nicht davon ausgehen, dass neue Kohlekraftwerke dauerhaft am Netz bleiben dürfen. Das sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) im Interview in der neuesten Ausgabe des Greenpeace Magazins. (mit Dank an Leser D. Glatting)

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Altmaier, 

leider hat Ihre Zeitdisposition es wohl nicht ermöglicht, dass Sie meiner, auf dem AZ­Bericht folgenden spontanen e­mail ­Einladung, im Anschluss an Ihre Startschussinbetriebnahme des virtuellen

Brennstoffzellen­Kraftwerksprojektes von Trianel zu einem anschließenden Besuch der VDE Vor­tragsveranstaltung zu „Energiewende zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ im 500 m entfernten Bildungszentrum der Handwerkskammer in Aachen folgen konnten.

Nun mussten die rd. 60 anwesenden, meist Fachleute der Energietechnik und Energiewirtschaft, aber auch z.B. Lehrerinnen an Aachener Schulen und Forscherinnen im FZ Jülich nur mit meinen Ausfüh­rungen vorlieb nehmen, die allerdings fundamental von Ihren Presseverlautbarungen z.B. in der AZ vonm 3.10.2012 der Art: „Wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass die Energiewende auch ihr Projekt ist und dass sie davon profitieren“ abweichen.

Aus meinen, Ihnen als Manuskript ja bereits mit meiner Mail vom 29.9.2012 bekannten Ausführungen geht eher wahrheitsbasiert hervor, dass mit jeder weiteren Windenergieanlage und mit jeder weiteren Photovoltaikanlage sowie mit jeder neuen Transportleitung die Strompreise nur deutlich ansteigen müssen ­die Stromversorgung nicht sicherer, mit dem Wegfall der Kernkraftwerke auch nicht CO2­ärmer, sondern wieder CO2­reicher wird, und somit die Ihrerseits angestrebte und geförderte Gefühls­lage in Wahrheit eher den Interessen irgendwelcher Investoren und fast aller Politiker im Deutschen Bundestag ­ausgenommen z.B. Ihren Fraktionskollegen Vaatz und Fuchs ­entgegenkommt, als den Interessen der biederen Stromverbraucher zu Hause an bezahlbare, oder der im globalen Wettbe­werb stehenden Industrieunternehmen, an wettbewerbsfähige Strompreise.

Schade ist, dass Ihre Zeit zur Inbetriebnahme des von dem deutsch­australischen Hersteller CERA­MIC FUEL CELLS produzierten Mini­BHKW, von dem es bereits auch aus deutscher oder anderer Länder Produktion stammend viele Vorläufer gab, die allesamt aus energiewirtschaftlichen Gründen den Status nascendi nach Auslaufen der staatlichen Förderungen nicht überlebt haben, damit aufge­braucht war. Beispiele sind die Totem­Anlagen von Fiat, mit mäßigem Erfolg die BHkW­Hausanlagen von Viessmann VITOTWIN und von VW EcoBlue, die Minigasturbinenanlagen unterschiedlicher Her­steller, die Brennstoffzellenprojekte der RWE AG in Bergheim zur Strom und Wärmeversorgung eines Wohnkomplexes und dass Brennstoffzellenprojekt der Stadtwerke Düren zur Strom­und Wärmever­sorgung des Jesuitenbades in Düren, letztere den Mini­Status wohl übersteigend.

Sehr geehrter Herr Dr. Altmaier, als Jurist müssen Sie verständlicher Weise vieles glauben, was auf öffentliche Förderungsmittel hoffende Vertreter neuer Innovationen auf dem Gebiet der Energiebe­darfsdeckung Ihnen zum Teil als Erfolg versprechend vorgaukeln. Daher kann es auf Dauer keine erfolgreiche Energiepolitik werden, wenn Sie sich weitgehend dem Dialog mit ausgewiesenen Fach­leuten der Branche verschließen. Es tut mir leid, die Dinge aus langjähriger Berufserfahrung in der Branche relativ offen angesprochen zu haben, bin mir aber sehr sicher, dass diese Einschätzung der Lage die breite Mehrheit der gesamten energietechnischen Fachwelt sehr gut abbildet. Selbst im VDE hat es bereits erklärte Austritte von langjährigen fachlich hoch erfahrenen promovierten Mitgliedern gegeben, weil auch dieser Verband sich punktuell dem irrigen Zeitgeist faktenwidrig anbiedert.

Die auf der neuen gesetzlichen Basis nun fortschreitende Umsetzung der Energiewende stößt zu­nehmend an die harten Tatsachen energietechnischer und energiewirtschaftlicher Gegebenheiten und Fakten hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Kosten.

Die Verfügbarkeitsproblematik sei anhand der Leistungsganglinien der zeitgleichen Leistungsein­speisung in den ersten 6 Monaten 2012 aller Windenergieanlagen in Deutschland, die gesamte instal­lierte Leistung betrug 29.185 MW bei 22.664 Anlagen, erläutert:

Auch wenn in Deutschland irgendwann die vierfache Zahl an Windanlagen installiert sein sollte, ist das Bild der Leistungsganglinie nicht wesentlich anders, nur ist dann der Ordinatenmaßstab statt 25 GW auf 100 GW zu setzen. Die Nullstellen bleiben Nullstellen, denn eine beliebig große Zahl mal Null bleibt Null, eigentlich sollten das alle Politiker wissen. Auch unter Hinzunahme der Einspeiseleistungen aus Photovoltaikanlagen, die weitgehend ins Nie­derspannungsnetz einspeisen, ändert sich die Leistungsbedarfsdeckung zur Winterzeit nur unerheb­lich, wie nachfolgende Ganglinien aus dem Jahr 2010 für den Monat Januar wohl deutlich zeigen:

­

Nur in sonnenreichen Sommermonaten ist die Leistungsbedarfseckung am Tage weitgehend zu de­cken, aber auch nur an Tagen wo nicht Regenwolken die Sonnenstrahlen weitgehend absorbieren.

Der maximale Leistungsbedarf in Deutschland beträgt rd. 80 GW mit Schwankungsbreiten bis her­unter zu rd. 40 GW in der Nacht bei Minimallast im Sommer. Diese 40 GW müssen aber rund um die Uhr ganzjährig zur Verfügung stehen. Dies hat zur Folge, dass aus einem Kraftwerksmix von derzeit rd. 50 GW Wind­plus Photovoltaikleistung, die Leistung der frequenzstützenden thermischen Kraft­werke in kurzen Zeitintervallen auf Null runter geregelt werden müsste, was aus technischen Stabili­tätsgründen unmöglich ist und wirtschaftlich auch unvertretbar wäre. Die Stromerzeugungskosten werden von derzeit rd. 6 ct/kWh im Mix auf mindestens den dreifachen Wert ansteigen, zuzüglich der Kosten für den notwendigen Leitungsbau, bei unsicherer Stromversorgung.

Es ist höchste Zeit dass die in der politischer Verantwortung stehenden das endlich erkennen und die Energiewendeziele endlich revidieren, denn dieses ist in der Tat, wie Herr Vaatz MdB treffend sagt, ein "sinnloses Experiment", und obendrein auch noch extrem teuer.

Da die Wind­und Sonnenstromanbieter nur ungesicherte Lieferzusagen geben können, nämlich im­mer mit dem Vorbehalt: „wenn der Wind weht oder wenn die Sonne scheint“, war das „Aus“ für die Ökostromvermarktung im derzeitigen Börsenhandel bereits durch den unerreichbaren Arbeitspreis der konventionellen Stromerzeugung vorgegeben, man wollte es nur nicht wahr haben. Durch fluktu­ierende Einspeisungen werden eben keine Kraftwerke eingespart, sondern nur der Brennstoff in den ohnehin weiter notwendigen Kraftwerken. Im Falle der Braunkohle beträgt dieser unter 2 ct/kWh und im Falle der Kernenergie sogar unter 1 ct/kWh. Auch in 100 Jahren wird man, trotz beliebig vieler An­lagen und Kostendegression diese Wettbewerbspreise mit Wind­oder Photovoltaikanlagen nie errei­chen können. Mittelfristig müssten die Back­up Kraftwerke für die fluktuativen Einspeisungen durch neu zu bauende Gaskraftwerke abgesichert dargestellt werden, deren Erdgasbedarf aus Russland importiert werden muss. Der zusätzliche Erdgasbedarf wird energetisch etwa dreimal so hoch sein wie die aus Wind­und Sonnenenergieanlagen generierte elektrische Energie und die Importpreise für den Erdgasbezug aus Russland zusätzlich in die Höhe treiben.

Das Problem mit Speicher zu lösen scheitert daran, dass bislang kein physikalisches Prinzip bekannt ist, nach dem man große Mengen elektrischer Energie bezahlbar speichern könnte. In einer solchen Situation nützen auch beliebig hohe Fördermittel nichts, man muss in der Anwendungsentwicklung schon wissen, was man will, andernfalls steht man erst bei der ergebnisoffenen Grundlagenfor­schung. Wie wir bei der Elektromobiliät schmerzlich erfahren, ist dies bei den Speichern weitgehend der Fall. Unsere verehrte Bundeskanzlerin hat daher diese Zielsetzung für 2020 klugerweise erst kürzlich von 1 Million auf 0,6 Millionen, also um 40 % reduziert. Aber auch dieses Ziel ist ohne Sub­vention wohl unerreichbar.

Die Energiewende ist, wie mir Herr Prof. C.C. von Weizsäcker schrieb, ein Irrtumsweg in die Dein­dustrialisierung unseres Landes und es ist daher im Sinne von Herrn Vaatz, MdB, energiewirt­schaftlich unverantwortlich, weiter daran festzuhalten. Auch die nun im Haushaltsplan der Bundes­regierung vorgesehenen 260 neuen Planstellen, davon 180 bei der Bundesnetzagentur BNA, je 40 im BMWI und im BMU werden an den energiewirtschaftlichen Tatsachen nichts ändern können. Diese irgendwann wieder abzuschaffen, ist wohl auch nicht möglich, das System muss eher kollabie­ren.

Es fragt sich nur, wann die Einsicht zu einer realistischen Energiepolitik gereift sein wird.

Nach 50 jähriger Industrietätigkeit, davon 40 Jahre in verantwortlicher Weise in regionalen und über­regionalen Unternehmen der Energiewirtschaft und nun noch weiter als Hochschullehrer glaube ich schon, die Machbarkeit derartiger Zielvorgaben fachlich sehr realistisch einschätzen und unserer a­kademischen Jugend wahrheitsgemäß zu vermitteln zu können. Gerne stehe ich auch Ihnen hierzu jederzeit zur Verfügung.

Für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe zum Wohle unseres Landes und darüber hinaus, innerhalb des Verbundnetzes kontinentaleuropaweit unmittelbar, wünsche ich Ihnen stets eine glückliche Hand ­Wunsch und bezahlbare Wirklichkeit trennscharf zu erkennen ­und im Sinne hoher Energieeffizienz erfolgreich zu handeln, damit alle Bürger, einschließlich Hartz IV Emfänger, auch weiterhin auf eine bezahlbare Energieversorgung vertrauen dürfen. In diesem Sinne verbleibe ich gerne,

mit freundlichen Grüßen,

Ihr Helmut Alt ; Anfang Oktober 2012 

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