Der so genannte Verbund wird hier getestet. Der Schiefergas-Boom in den USA zeitigt für Tochterunternehmen wie Dow Chemical Co. (DOW) und DuPont Co. (DD) eine Profitsteigerung um 8 Prozent, weil sie weniger für Erdgas bezahlen, schätzt Jeremy Redenius, ein Analyst bei Sanford Bernstein Ltd.

Während die beiden BASF-Töchter vom billigen Treibstoff profitieren, steht das Flaggschiff im Rheinland unter Druck. Der leitende Direktor Kurt Bock steht an der Spitze der Reaktionen, da er die Ausweitung zu Hause evaluiert. BASF, das genauso viel durch Gas erzeugte Energie verbraucht wie Dänemark, begutachtet die Orte für Projekte, sagte Vorstandsmitglied Harald Schwager.

„Wir pressen wirklich alles aus jedem Tropfen Öl”, sagte Bock gestern auf einer Veranstaltung der amerikanischen Handelskammer in Frankfurt. „Schiefergas in den USA bedeutet, dass wir bzgl. Energie einen Nachteil haben. Aber wir werden in der Lage sein, damit umzugehen“.

Schiefergas, zu dessen Gewinnung Wasser und Chemikalien in einem Fracking genannten Prozess in den Untergrund gepresst werden, läutet dem leitenden Direktor (CEO) Andrew Liveris zufolge eine Wiederbelebung der Produktion in Amerika ein, da die Energiepreise fallen und Firmen Rohmaterialien zu billigeren Kosten beschaffen können. Dow hat in diesem Jahr ein neues Ethylen-Projekt genehmigt, das durch Ethan vor Ort angetrieben wird.

Änderung der Spielregeln

Dow steht nicht allein. Chevron Phillips Chemical Co. zahlt 5 Milliarden Dollar für ein neues Ethylen-Werk in Texas sowie zwei Polyethylen-Plastikwerke. Es wird geschätzt, dass die Industrie 30 Milliarden Dollar für Fabriken ausgeben könnte, um von dem billigen Gas zu profitieren. BASF selbst fügt seinen Werken in Port Arthur, Texas und Geismar, Louisiana,  einen zehnten Hochofen zu.

Einige der chemischen Erzeugnisse werden nach Asien exportiert, und gegenwärtig verschifft die Huntsman Corp. einige Kunstharze nach China.

„Wenn wir uns gegenwärtig in der Welt umschauen, sind die USA weiterhin ein Markt, dem ich aus Sicht eines Herstellers und wegen der billigen  Rohstoffe höchst optimistisch gegenüber stehe“, sagte der leitende Direktor der Huntsman Corp. (HUN) Peter Huntsman am 11. September. “Das bleibt hier so. Es findet eine echte Änderung der Spielregeln auf dem petrochemischen Markt in Nordamerika statt“.

Der Vorteil der USA zeigt sich bereits an den Gewinnen. Der Zweig Chemie von BASF zeigte einen Rückgang des Betriebsgewinns (operating profit) um 35% [operating profit decline 35 percent] im zweiten Quartal, herabgezogen durch Investitionskosten. Dow zahlte eine Milliarde weniger für seine Ausgangsmaterialien und Energie. Schiefergas und Investitionen an der US-Golfküste haben das Potential, die Gewinne um 2 Milliarden pro Jahr bis zum Jahr 2017 steigen zu lassen, wird vorhergesagt.

BASF legte an der Frankfurter Börse bis 10 Uhr um 2,4 Prozent auf 66,55 Euro zu.

Umwelthindernisse

[Die Förderung von] Schiefergas erfordert Millionen Gallonen Wasser, angereichert mit Säuren und anderen Zusätzen, und Umweltgruppen wie Food & Water Watch sowie Greenpeace haben aus Sorge vor einer Verseuchung von Trinkwasser gefordert, das Fracking zu verbieten.

Dem Leiter der Finanzabteilung Hans-Ulrich Engel zufolge spielen Umweltbedenken in Europa eine größere Rolle als in den USA. Die Bevölkerungsdichte in Europa erforderte die Notwendigkeit, mehr Bohrungen zur Erkundung von Schiefergas durchzuführen als die Erzeugung konventioneller Treibstoffe zu behindern.

Für BASF wird die Beschaffung von Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen in den kommenden Jahren ausschlaggebend sein, schrieb Vorstandsmitglied Schwager in E-Mail-Antworten auf Fragen. Energie macht einen Großteil der Kosten für manche Produkte aus und beeinflusst Entscheidungen bzgl. Investitionen, und BASF in Europa zahlt vier bis fünf mal mehr für Energie als Konkurrenten in den USA, sagte er.

Drohende Gefahren

Selbst der Verbund von BASF hinsichtlich Energie in Ludwigshafen [?] kann das nicht völlig kompensieren, sagte Schwager. Von einem einzelnen Kraftwerk erzeugte Wärme wird zu einem benachbarten Kraftwerk geleitet, was zu einer Ersparnis von 200 Millionen Euro pro Jahr führt. Die Wintershall Unit von BASF versorgt die Firma mit Treibstoff, der aus der Nordsee und Russland stammt, und zwar mittels einer Pipeline und einem Handels-Venture mit Gazprom OAO (GAZP), bekannt unter dem Namen Wingas.

Der US-Schiefergas-Vorteil hat größere Implikationen als [lediglich] die heutigen Energiepreise, sagte Oliver Schwarz, ein Analyst von Chemikalien bei Warburg Research GmbH in Hamburg.

„Was BASF mehr schmerzen wird als die Energiekomponente ist, dass die Gaspreise in Amerika zu neuen chemischen Produktions-Kapazitäten führen können, die während der nächsten Jahrzehnte entstehen“, sagte er. „Die nächste Generation von Anlagen, die wegen der Gaspreise errichtet werden, werden mit Sicherheit zu einer Gefahr für BASF. Die Antwort von BASF kann nur sein, den Kampf aufzunehmen und in technologisch höherwertige Materialien zu investieren, bei denen man einen Vorteil erringen kann …“, sagte Bock.

Die beschleunigte Entwicklung hin zu Service-orientierten Spezialprodukten in größerer Menge ist die beste Verteidigung von BASF, sagte Schwarz und empfiehlt Investoren, Anteile der deutschen Firma zu kaufen.

Änderung des Paradigmas

„BASF durchläuft eine Änderung des Paradigmas”, sagte Schwarz. „Es stehen stahlharte ökonomische Überlegungen dahinter, und es ist der beste Schutz für sie. Je mehr sie auf der Wertekette nach oben steigen, umso mehr zusätzliche Wertestufen fügen sie hinzu, und je höher die Service-Komponente ist, umso weniger Vorteile haben Anbieter von billigen Rohstoffen und Energiepreisen“.

BASF investiert immer noch in Ludwigshafen. Margret Suckale, verantwortliches Vorstandsmitglied der Anlage, leitete die Eröffnungsfeier für drei neue Container-Kräne am 7. September. Einen Tag zuvor sagte BASF, es würde ein Werk bauen zur Fabrikation spezieller Zeolithe [?], die in Dieselkatalysatoren gebraucht werden.

Ludwigshafen mit seinen 160 Fabriken und 1709 Meilen [ca. 2750 km] Pipelines sicherte sich im vorigen Jahr eine Investition von 1 Milliarde Euro in die Produktion von Diisocyanaten für Polyurethan-Schäume, die in Autositzen verbraucht werden. Es ist geplant, dass die Firma Ende nächsten Jahres die Produktion aufnehmen soll.

Der Rhein sticht die Wüste aus

„Es könnte für manche Leute eine Überraschung gewesen sein, die geglaubt haben, dass wir dieses Geld irgendwo in der Wüste investiert hätten“, sagte Bock am 5. September auf einer Informationsveranstaltung in London. „Ich darf Ihnen versichern, dass alle unsere Berechnungen ergeben haben, dass diese Investitionen zu deutlich vertretbaren Kosten in Deutschland zu machen sind, wenn man die Gesamtkosten berücksichtigt“.

Im Gegensatz dazu ist BASF aus dem Styren-Geschäft ausgestiegen und hat eine Nitrodünger-Fabrik verkauft. BASF hat Geschäfte für 15 Milliarden Euro angekauft, um im Bereich Chemikalien für den persönlichen Gebrauch, Nahrung und Elektronik zu expandieren. Außerdem machte es Vorstöße in Richtung Enzyme und Biotechnologie.

Die deutsche Ablehnung von Energie aus Kernkraft kann die Probleme von BASF verschärfen, sagte Redenius von Bernstein. Die Entscheidung, Kernkraftwerke abzuschalten, könnte einer Studie der Technischen Universität Berlin zufolge bis zum Jahr 2030 Kosten in Höhe von 335 Milliarden Euro verursachen. Tuomo Hatakka, dem Leiter der Europa-Abteilung beim schwedischen Energieerzeuger Vattenfall zufolge könnten die Energiepreise für Privatverbraucher bis zum Jahr 2020 bis zu 30% steigen.

„Es ist ein doppeltes Unglück für BASF, dass die Herstellungskosten in Europa verglichen mit den USA steigen”, sagte Redenius.

Ein Sturzacker

Dies ist nicht das erste Mal, dass BASF einem Sturzacker gegenüber steht. Die Firma verschob ihre Forschungstätigkeit bzgl. genetisch veränderter Pflanzen im Januar nach North Carolina, und zwar nach jahrelangem Widerstand in Deutschland durch die Öffentlichkeit und den Gesetzgeber.

Das Aufgeben von 160 Fabriken kann hart sein. Die Förderung von Schiefergas in der europäischen Landschaft läuft ebenfalls in Probleme bei der öffentlichen Akzeptanz, sagte Dieter Franke, einer der Autoren einer Studie zum Gas in Deutschland, die von der Regierung in Auftrag gegeben worden war.

„Die Menge an vorhandenem Schiefergas bedeutet, dass man gut über eine Förderung nachdenken sollte”, sagte Franke in einem Telephoninterview am 4. September. „Der nächste Schritt muss eine öffentliche Diskussion sein, für wie wertvoll wir eine heimische Förderung halten. Die Akzeptanz fehlt momentan“.

Wenn man dem Autor schreiben will: Sheenagh Matthews in Frankfurt at smatthews6@bloomberg.net

To contact the editor responsible for this story: Benedikt Kammel at bkammel@bloomberg.net

Link: http://www.bloomberg.com/news/2012-09-13/basf-mothership-under-siege-as-shale-forces-bock-to-fight-back.html

Übersetzt von Chris Frey EIKE

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